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Zielgruppen von Offener Kinder- und Jugendarbeit

Junge Menschen bis 27 Jahre sind in der Regel Adressat*innen Offener Kinder- und Jugendarbeit (vgl. §11 Abs.1. S.1 SGB VIII i.V.m. §7 Abs.1 Nr.4 SGB VIII). Dies betrifft Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Die Jugendphase als eigenständige Lebensphase ist zunehmend komplexer, es wird von einer Verlängerung der Lebensphase gesprochen (vgl. MFKJKS- NRW 2016, S.28). Dies führt dazu, dass die Jugendphase zunehmend schwerer von der Phase der jungen Erwachsenen trennbar ist (vgl. Schröder 2013, S.111). Daher wird in diesem Kapitel darauf verzichtet, neben den Zielgruppen Kinder (1.2.1) und Jugendliche (1.2.2) gesondert auf die Zielgruppe junge Erwachsene einzugehen.

In NRW zählte die OKJA durchschnittlich 3,6% der Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 27 Jahren als Stammbesucher*innen (vgl. LVR; LWL 2015, S.12). Jede neunte Person im Alter zwischen 6 und 18 Jahren besucht regelmäßig Angebote der OKJA (vgl. ebd.).

1.2.1 Kinder in der OKJA

Laut Gesetz sind Kinder definiert als alle Personen die noch nicht 14 Jahre alt sind (vgl. §1 Abs.1 Nr.1 JuSchG). Kinder haben einen Subjektstatus, das heißt, sie sind nicht primär abhängig von erwachsenen Erwartungen, sondern erleben ihre Entwicklung aus einer kindseigenen Perspektive (vgl. BMFSFJ 1998, S.4). Kinder sind einerseits aktive, sich Wissen aneignende Subjekte, andererseits ist die Lebensphase von Institutionalisierung und Standardisierung geprägt (Andresen 2018, S 367). Die Familie ist die zentralste Sozialisationsinstanz (vgl. Fuhs; Brand 2013, S.92f; BMFSFJ 1998, S.5).

Bindungserfahrungen von Kindern in der Kernfamilie sind relevant für das Verhalten gegenüber Gleichaltrigen und wirken fördernd oder begrenzend auf die Entwicklung (vgl.

Krappmann 2013, S. 837).

Kinder zählen in zunehmender Weise zu den Besucher*innen der Einrichtungen der OKJA (vgl. Fuhs; Brand 2013, S.96f.). Die Verselbstständigung und steigende Mobilität durch das Älterwerden ermöglicht es Kindern, über ihre Lebenswelt frei zu entscheiden (vgl. BMFSFJ 2009, S.100). Kinder erleben Aneignungs- und Gestaltungsprozesse unter Anderem in

Jugendhilfeeinrichtungen (vgl. ebd.). Durch diese Gestaltungsprozesse und durch die Interaktion in Peerbeziehungen 4werden Bildungsprozesse initiiert (vgl. Nörber 2013, S.341).

Einrichtungen der OKJA als bildungswirksame Gelegenheitsstrukturen für informelle Bildung5 knüpfen an gruppendynamischen Prozessen an (vgl. Sting; Sturzenhecker 2005, S.239).

Durch die Pandemie und die damit verbundenen Regelungen waren Orte der Freizeitgestaltung zeitweilig physisch geschlossen (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.10).

Die Reintegration von vollzeitbeschäftigten Eltern in den Arbeitsmarkt gilt als größter Schutzfaktor vor Kinderarmut (vgl. Andresen 2018, S.365f). Hierdurch entsteht ein erhöhter Bedarf an Betreuungsplätzen, die die Heranwachsenden adäquat in Erziehung, Bildung und Betreuung begleiten. Diese Plätze sind qualitativ und quantitativ nicht in ausreichendem Maße verfügbar (vgl. ebd.). Durch die Covid-19- Pandemie waren zeitweilig Betreuungseinrichtungen und Schulen geschlossen, Mitarbeitende der OKJA wurden eingesetzt, um den zusätzlichen Betreuungsbedarf aufzufangen (vgl. Deinet; Sturzenhecker 2021b, S.13). Der Mangel an Betreuungsplätzen führt dazu, dass die Wahrnehmung von OKJA in der Ganztagsbetreuung liegt. Dieser Anschluss an formalisierende Strukturen hat laut Scheer und Sturzenhecker (2014) zur Folge, dass die OKJA in ihrer Professionalität eingeschränkt ist (vgl. ebd, S.370). Die aktuelle Situation könnte dazu führen, dass das Arbeitsfeld weiter formalisiert wird.

1.2.2 Jugendliche und junge Erwachsene

Jugendliche sind nicht mehr Kinder und noch nicht vollends mündige Erwachsene (vgl.

Ferchhoff 2007, S.90; Schröder 2005, S.90). Entwicklungsaufgaben definieren sich über den Wunsch nach Veränderung einer als defizitär bewerteten Situation (vgl. Dreher; Dreher 1985, S.57). Jugend ist eine Phase des Lernens, der individuellen und sozialen Entwicklung, der Selbstfindung, der Orientierungssuche, aber auch von Statusunsicherheiten“ (MFKJKS- NRW 2016, S.28). Die Lebensphase Jugend wird zudem von der Erreichung von (Teil-) Mündigkeit begleitet (vgl. u.a. §19 StGB; §7 KWahlG). Z. B. werden Jugendliche mit Vollendung des 14. Lebensjahres strafmündig (vgl. §19 StGB) oder erhalten mit 16 Jahren kommunales Wahlrecht (vgl. §7 KWahlG). Entwicklungspsychologisch ist die Jugendphase definiert mit der zentralen Aufgabe der Entwicklung eines tragfähigen Lebensentwurfs und dem damit verbundenen Selbstwert (vgl. Böhnisch 1998, S.155f.). Die Jugendphase ist davon begleitet, dass Jugendliche sich aus der häuslichen Familie verselbstständigen und

4 Peerbeziehungen zeichnen sich durch die Faktoren Wählbarkeit und Ebenbürtigkeit aus. Die Ebenbürtigkeit grenzt den Begriff von Gleichaltrigen- Beziehungen ab (vgl. Nörber 2013, S.339).

5 Informelle Bildung wird in dieser Arbeit nach der Definition des Bundesjugendkuratoriums (2001) begriffen:

„Unter informeller Bildung werden ungeplante und nicht- intendierte Bildungsprozesse verstanden, die sich im Alltag von Familie, Arbeit und Freizeit ergeben, aber auch fehlen können. Sie sind zugleich unverzichtbare Voraussetzung und `Grundton´, auf dem formellen und nicht- formelle Bildungsprozesse aufbauen.“ (ebd., S.5)

ihre Position in der sich verändernden Umwelt suchen (vgl. Böhnisch 1998, S.156f). Die Entwicklung wird sowohl durch biografische Erfahrungen als auch durch sich neu entwickelnde Beziehungsnetze in der Umwelt beeinflusst (vgl. ebd.). In der Regel besteht in der Jugendphase weiterhin eine ökonomische Abhängigkeit zum Elternhaus (vgl. Ferchhoff 2007, S.88). Die Verselbstständigung der jungen Menschen in dieser Phase beendet den Bedarf nach pädagogischer Betreuung und Kontrolle durch Erwachsene (vgl. ebd.). Die Lebensphase der jungen Menschen wird laut SGB VIII mit Eintritt in das 28. Lebensjahr beendet (vgl. §11 Abs.1 S.1 SGB VIII i.V.m. §7 Abs.1 Nr.4 SGB VIII).

Es gibt nicht „die Jugend“ als homogene Gruppe. Vielmehr lässt sich die Lebensphase als Abschnitt mit einer Vielzahl an Teilübergängen definieren. Somit ergibt sich eine Teilreife aus biologischer, politischer und soziologischer Perspektive (vgl. Ferchhoff 2007, S.86f.). Die Entwicklungsaufgaben der Jugendphase umfassen die biologischen Veränderungen durch die Pubertät und die kulturellen Anforderungen der Adoleszenz. Idealerweise erhalten Jugendliche in dieser durch Veränderung geprägten Lebensphase einen freien Erprobungsraum (vgl. Schröder 2013, S.111ff.). Jugendliche, die über begrenztes soziales Kapital verfügen, können auf weniger dieser Räume zurückgreifen (vgl. ebd.). Einen solchen Erprobungsraum versucht die OKJA zu bieten (Deinet; Icking 2017, S. 16).

Das verbindende Element dieser Lebensphase ist die Schule. Durch die Verlängerung der Schulzeit greift diese stärker in das Leben der Jugendlichen ein (vgl. Hagedorn 2017, S.8).

Institutionen der formalen Bildung 6kommt eine zunehmend bedeutende Rolle zu. Schulen sind in ihrer Zielsetzung primär an der Qualifizierung für den Arbeitsmarkt orientiert (ebd.).

Eine politische Bildung mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche zu verantwortungsbewussten Gesellschaftsmitgliedern zu entwickeln, wird in Schulen nicht priorisiert (vgl. BMFSFJ 2017, S.77).

Das Bildungsverständnis der Jugendhilfe grenzt sich vom formalen Bildungsbegriff in der Zielsetzung ab. Ziel von Jugendhilfe als eigenständiger Ort für Bildungsprozesse ist die Eigenverantwortung der Adressat*innen (vgl. ebd., S.77f.). Jugendliche sollen durch Aneignungsprozesse des Sozialraums zum eigen- und fremdverantwortlichen Handeln befähigt werden. Jugendliche sollen bei der Angebotsgestaltung und Verantwortung beteiligt werden (vgl. ebd.).

6 Formale Bildung wird in dieser Arbeit nach der Definition des Bundesjugendkuratoriums (2001) begriffen:

„Unter formeller Bildung wird das gesamte hierarchisch strukturierte und zeitlich aufeinander aufbauende Schul-, Ausbildungs- und Hochschulsystem gefasstSchul-, mit weitgehend verpflichtendem Charakter und unvermeidlichen Leistungszertifikaten“ (ebd., S.5)

Zentrale Entwicklungsaufgabe in der Jugendphase ist die Konstruktion eines tragfähigen Lebensentwurfs. Ziel ist es, den Selbstwert der Adressat*innen zu steigern (vgl. Böhnisch 1998, S.155). Die OKJA bietet den Jugendlichen Gelegenheitsstrukturen orientiert an den jugendkulturellen Bedingungen und schafft so eine Verbindung zwischen emotionalem und sozialem Lernen. Dies hat das Ziel, den Selbstwert zu steigern (vgl. ebd.).