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Anwendung der Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf für die Fluoreszenzanfärbung zellulärer Glycane

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Academic year: 2022

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Anwendung der Diels-Alder- Reaktion mit inversem Elektronenbedarf für die

Fluoreszenzanfärbung zellulärer Glycane

Dissertation zur Erlangung des

akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.)

vorgelegt von Niederwieser, Andrea

an der

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Sektion Fachbereich Chemie

Tag der mündlichen Prüfung: 25.10.2013 1. Referent: Prof. Dr. Valentin Wittmann 2. Referentin: Prof. Dr. Elke Deuerling 3. Referent: Prof. Dr. Jörg Hartig

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-259505

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Danksagung

Diese Arbeit entstand im Zeitraum von April 2009 bis Juni 2013 an der Universität Konstanz im Fachbereich Chemie in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. V. Wittmann.

Prof. Dr. V. Wittmann danke ich für die Überlassung des interessanten Themas, die wissenschaftliche Handlungsfreiheit, seine Fähigkeit zu motivieren und das gezeigte Interesse am Fortschritt dieser Arbeit.

Prof. Dr. E. Deuerling und Prof. Dr. J. Hartig danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und den Prüfungsvorsitz. Ebenso danke ich beiden für die Betreuung dieser Arbeit im Rahmen des Thesis-Komitee der Konstanz Research School Chemical Biology.

Prof. Dr. W. Reutter danke ich für die freundliche Aufnahme in seine Arbeitsgruppe in Berlin zu Beginn dieser Arbeit um mich in die Kunst des Metabolischen Oligosaccharid- Engineerings einzuführen. Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an Long Duc Nguyen, der mir sehr geduldig die zellbiologischen Arbeiten näher gebracht hat.

Prof. Dr. Zumbusch danke ich für die freundliche Bereitstellung des Fluoreszenzmikroskops, Martin Winterhalder und Christian Jüngst für die stete Hilfe und den Spaß am Mikroskop. Dem BIC danke ich ebenfalls für die Bereitstellung des Fluoreszenzmikroskops. Anja Deutzmann und Daniela Hermann danke ich für das Beantworten sämtlicher Fragen vor und während dem Mikroskopieren.

Anke Friemel danke ich für die Hilfe bei der NMR-Spektroskopie.

Allen ehemaligen und aktuellen Mitgliedern der AG Wittmann möchte ich besonders für die tolle Arbeitsatmosphäre danken. Ohne die Kaffee-Ecke, den Schmidl-Laden und euch wäre die Zeit nur halb so schön gewesen. Martin Dauner danke ich für die zahlreichen Diskussionen über leuchtende Zellen und die kritische Durchsicht dieses Manuskripts. Ein großer Dank gilt meinen Mitarbeiterpraktikanten und Bachelorstudenten, die alle einen großen Beitrag zum Gelingen dieser Arbeit geleistet haben.

Meiner Familie danke ich für die bedingungslose Unterstützung während all der letzten Jahre. CJ danke ich für alles während unserer bisherigen gemeinsamen Zeit.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 13

2 Kenntnisstand ... 17

2.1 Glycane als Proteinmodifikation ... 17

2.2 Biosynthesewege von Glycanen ... 19

2.2.1 Der Sialinsäurebiosyntheseweg ... 19

2.2.2 O-Glycoproteine vom Mucin-Typ ... 20

2.2.3 GlcNAcylierte Proteine ... 22

2.3 Modifikation von natürlichen Glycanstrukturen ... 22

2.4 Detektion der modifizierten Glycanstrukturen durch Metabolisches Oligosaccharid-Engineering ... 25

2.4.1 Bisher verwendete Ligationsreaktionen für die Detektion ... 27

2.4.2 Die Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf ... 32

2.5 Tetrazinsynthese ... 34

2.5.1 Anwendung der Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf als Ligationsreaktion 36 3 Aufgabenstellung ... 39

4 Ergebnisse und Diskussion ... 41

4.1 Synthese von Dienophilen für die Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf ... 41

4.2 Synthese und Evaluation von Tetrazin-Derivaten als Diene für die DARinv ... 43

4.2.1 Tetrazin-Derivate der ersten Generation ... 43

4.2.2 Tetrazin-Derivate der zweiten Generation ... 44

4.2.3 Tetrazin-Derivate der dritten Generation ... 49

4.2.4 Tetrazin-Derivate der vierten Generation ... 59

4.2.5 Tetrazin-Derivate der fünften Generation ... 64

4.3 Die DARinv für die Fluoreszenzanfärbung modifizierter Sialinsäuren auf Zelloberflächen ... 68

4.3.1 Funktionalisierung der Tetrazin-Derivate ... 70

4.3.2 Fluoreszenzmikroskopie mit Diaryl-substituierten Tetrazinderivaten ... 74

4.3.3 Fluoreszenzmikroskopie mit einem Monoaryl-substituierten Tetrazinderivat ... 80

4.4 Kombination von DARinv und Clickreaktion für die Zweifarbenmarkierung von Glycanen ... 83

4.4.1 Kombination der DARinv mit der kupferfreien Clickreaktion ... 84

4.4.2 Kombination der DARinv und der kupferkatalysierten Clickreaktion ... 90

5 Zusammenfassung und Ausblick ... 97

(8)

6 Experimenteller Teil... 103

6.1 Chemische Arbeiten ... 103

6.1.1 Allgemeine Angaben ... 103

6.1.2 Synthetische Arbeiten ... 105

6.1.3 Kinetische Untersuchungen ... 130

6.2 Zellbiologische Arbeiten ... 134

6.2.1 Allgemeine Arbeiten und Vorschriften ... 134

6.2.2 Zell-Proliferation ... 135

6.2.3 Fluoreszenzmikroskopie ... 135

A Anhang ... 143

(9)

Abkürzungsverzeichnis

abs. absolut

AF AlexaFluor

Ar Aromat

Asn Asparagin

ber. berechnet

Boc tert-Butyloxycarbonyl

br. breites

BTTES 2-[4-{(Bis[(1-tert-butyl-1H-1,2,3-triazol-4-

yl)methyl]amino)-methyl}-1H-1,2,3-triazol-1-yl]ethyl hydrogen sulfat

bzw. beziehungsweise

c Konzentration

ca circa

CHO chinese hamster ovarian (Chinesische Hamster-

Ovarien)

cm Zentimeter

CMP Cytidinmonophosphat

COSY Correlation spectroscopy (Korrelationsspektroskopie) CuAAC Kupferkatalysierte Azid-Alkin-Cycloaddition

Cys Cystein

DAR Diels-Alder-Reaktion

DARinv Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf

DC Dünnschichtchromatographie

DCM Dichlormethan

DIPEA N-Ethyldiisopropylamin

DMF N,N-Dimethylformamid

DMSO Dimethylsulfoxid

DNA Deoxyribonucleic acid (Desoxyribonucleinsäure)

 Extinktionskoeffizent

EDC*HCl N-Ethyl-N'-(3-dimethylaminopropyl)carbodiimid hydrochlorid

EE Essigsäureethylester

ESI Elektrospray-Ionisation

eq Äquivalente

FITC Fluoresceinisothiocyanat

(10)

GalNAc N-Acetylgalactosamin

gef. gefunden

GFP green fluorescent protein (grün fluoreszierendes Protein)

GlcN Glucosamin

GlcNAc N-Acetylglucosamin

GPI Glycosylphosphatidylinositol

h Stunde(n)

HEK human embryonic kidney (Menschliche embryonale

Niere)

HMBC Heteronuclear multiple bond correlation

HPLC high performance liquid chromatography

(Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie)

HSQC Heteronuclear single quantum coherence

Hxl Hex-5-enoyl

Hz Hertz

J Kopplungskonstante

k Geschwindigkeitskonstante

konz konzentriert

L Liter

LCMS Liquid chromatography mass spectrometry

(Flüssigchromatographie mit Massenspektrometriekopplung)

M Molar [mol/l]

Man Mannose

ManNAC N-Acetylmannosamin

MHz Megahertz

mM Millimolar

MOE Metabolisches Oligosaccharid-Engineering

NHS N-Hydroxysuccinimid

nm Nanometer

NMR nuclear magnetic resonance (Kernmagnetische

Resonanz)

PBS phosphate buffered saline (Phosphat gepufferte Kochsalzlösung)

PE Petrolether

Ptl Pent-4-enoyl

r Reaktionsgeschwindigkeit

Rf Retentionsfaktor

(11)

RP-HPLC reversed phase high performance liquid

chromatography (Umkehrphasen-Hochleistungs- Flüssigkeitschromatographie)

RT Raumtemperatur

Ser Serin

SPAAC strain-promoted azide–alkyne cycloaddition

(Ringspannungsvermittelte Azid-Alkin-Cycloaddition)

t Zeit

TBTA tris[(1-Benzyl-1H-1,2,3-triazol-4-yl)methyl]amin

TFA Trifluoressigsäure

THPTA tris[(1-Hydroxy-propyl-1H-1,2,3-triazol-4- yl)methyl]amin

THF Tetrahydrofuran

Thr Threonin

TMS Trimethylsilyl

tR Retentionszeit

Ts Tosyl

UDP Uridindiphosphat

UV Ultraviolett

v Volumen

(12)
(13)

1 Einleitung

Kohlenhydrate sind neben Aminosäuren, Fettsäuren und Nucleinsäuren eine der vier wichtigen Substanzklassen der Natur. Sie sind in biologischen Organismen allgegenwärtig und gehören zu den vielseitigsten Bausteinen des Lebens.[1] Sie fungieren, wie zum Beispiel Glucose oder Stärke, als Energieträger und Energiespeicher. Chitin ist im Außenskelett von Gliedertieren zu finden und Cellulose ist eine wichtige Stützsubstanz in Pflanzen. Kohlenhydrate bilden häufig Konjugate mit Proteinen (Glycoproteine) oder Lipiden (Glycolipide), die sowohl intrazellulär als auch auf der Zellmembran vorhanden sind (Abbildung 1.1). Die äußere Zellmembran eukaryotischer und prokaryotischer Zellen ist mit einer Hülle aus Glycoproteinen und Glycolipiden, der sogenannten Glycocalyx, überzogen.[2] Die Glycosylierung ist eine wichtige und komplexe Form der posttranslationalen Modifikation; über 50 % der eukaryotischen Proteine liegen in glycosylierter Form vor.[3] Dabei variiert der Anteil an Kohlenhydraten in den Glycokonjugaten stark zwischen 1 % in Kollagen und 99 % in Glycogen.[4]

Abbildung 1.1 Schematischer Aufbau einer Zellmembran.[5]

Kohlenhydratreste spielen eine wichtige Rolle in zahlreichen biologischen Prozessen, wie der Zellmigration und Zelladhäsion,[6] der Immunantwort[7] und vielen mehr. Die mannigfaltige Funktion von Kohlenhydraten ist unumstritten. Dennoch ist vor allem durch

(14)

14 Einleitung

die Vielfalt der Glycanstrukturen ihre detaillierte Analyse mit großem Aufwand verbunden und die Rolle der Glycosylierung ist in vielen Prozessen immer noch nicht vollständig verstanden. In der Vergangenheit wurden zahlreiche Methoden für die Detektion von Proteinen und Nucleinsäuren entwickelt, routinemäßig angewendet und dadurch die Erforschung des Genoms und Proteoms verschiedener Organismen weit vorangetrieben.

So können Proteine als GFP (green fluorescent protein)-Fusionsproteine exprimiert und in Organismen detektiert und lokalisiert werden. DNA (Deoxyribonucleic acid) kann durch die Polymerase-Kettenreaktion vervielfältigt werden und dadurch leicht analysiert und modifiziert werden. Glycane sind sekundäre Genprodukte und ihre Synthese ist im Gegensatz zur Protein- und DNA-Synthese nicht templatgesteuert. Somit stehen die eben genannten genetischen Methoden für die Visualisierung von Oligosacchariden nicht zur Verfügung und die Untersuchung von Glycanen in Zellen oder ganzen Organismen ist immer noch eine große Herausforderung.

Ein sehr komplexes Beispiel sind sialylierte Glycokonjugate. Sialinsäuren finden sich häufig am äußeren Ende der membrangebunden Glycoproteine. Sie stehen in ständigem Kontakt mit der Umgebung der Zelle und tragen zur Histokompatibilität bei. Sie sind daher ein wichtiges Forschungsgebiet. Die Visualisierung dieser Sialinsäuren im Organismus ist jedoch nicht einfach zu erreichen.

Eine Methode, die in den letzten Jahren entwickelt wurde, ist das Metabolische Oligosaccharid-Engineering (MOE).[8] Diese Strategie nutzt die Fähigkeit natürlicher Enzyme aus, auch unnatürliche Substratmoleküle zu entsprechend modifizierten Stoffwechselprodukten umzusetzen. Ein chemisch modifizierter Reporter wird als Vorläufermolekül durch den zelleigenen Stoffwechsel in das entsprechende Stoffwechselprodukt eingebaut. Das Vorläufermolekül kann mit funktionellen Gruppen versehen werden, die in der Natur nicht vorkommen. In einem zweiten Schritt wird ein Marker zugegeben. Dieser Marker trägt ebenfalls eine funktionelle Gruppe, die in der Natur nicht vorkommt. Dies erlaubt eine chemoselektive Reaktion der beiden funktionellen Gruppen und die kovalente Verknüpfung von Stoffwechselprodukt und Marker. Diese Reaktion wird häufig als Ligationsreaktion bezeichnet. Durch das Metabolische Oligosaccharid-Engineering kann die gewünschte Struktur anschließend über den Marker detektiert werden.

Die verwendete Ligationsreaktion muss in physiologischer Umgebung durchführbar sein, ohne den vorliegenden Organismus zu stören. Sie sollte ohne toxische Katalysatoren bei Raumtemperatur oder 37 °C ablaufen. Ebenso sollte sie in hoher Ausbeute ohne unerwünschte oder toxische Nebenprodukte ablaufen. Als Ligationsreaktionen werden bisher vor allem die 1,3-dipolare Cycloaddition zwischen Aziden und Alkinen, entweder Cu(I)-katalysiert oder ringspannungsvermittelt, oder die Staudinger-Ligation zwischen

(15)

Einleitung 15

Aziden und Phosphanen erfolgreich für die Detektion von Glycanen in Zellen oder auch ganzen Organismen verwendet. Beide Reaktionen verwenden Azide und sind somit nicht orthogonal zueinander. Für die gleichzeitige Detektion unterschiedlicher Strukturen wäre eine Reaktion erwünscht, die unabhängig von Aziden abläuft, so dass diese Reaktion in Kombination mit einer Staudinger- oder Click-Reaktion angewandt werden kann, ohne dass es zu einer Kreuzreaktion kommt.

Eine Reaktion, welche die genannten Kriterien erfüllt und unabhängig von Aziden abläuft, ist die Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf (DARinv). Die DARinv zwischen Alkenen und 1,2,4,5-Tetrazinen ist unabhängig von Aziden und ist daher orthogonal zu den bisher verwendeten Ligationsreaktionen.

In der vorliegenden Arbeit soll die DARinv für die Visualisierung von zellulären Glycanen durch Metabolisches Oligosaccharid-Engineering (MOE) etabliert werden. Zudem soll sie mit der 1,3-dipolaren Cycloaddition von Aziden und Alkinen kombiniert werden.

(16)
(17)

2 Kenntnisstand

2.1 Glycane als Proteinmodifikation

Die Glycosylierung ist eine sehr häufige und komplexe Form der co- und posttranslationalen Modifikation von Proteinen. Diese Modifikationen beeinflussen in zahlreicher Weise die Struktur und die Funktion der Proteine.[9] Über 50 % der eukaryotischen Proteine liegen in glycosylierter Form vor,[3] aber auch in Prokaryoten sind Glycoproteine zu finden.[10] Die äußere Zellmembran ist mit einer Schicht aus Glycokonjugaten, der sogenannten Glycocalyx, überzogen. Die Kohlenhydrate der Zellmembranproteine und -lipide ragen dabei wie Antennen aus der Zellmembran.[4b]

Diese Schicht ist bei Endothelzellen etwa 400 nm dick.[11] Die Glycocalyx ist für den Kontakt der Zelle mit anderen Zellen, Molekülen und Pathogenen zuständig. Jede Zelle hat eine spezifische Zusammensetzung der Glycocalyx, die für den Zelltyp, das Entwicklungsstadium und die Zellphysiologie typisch ist. Sie spielt in vielen Prozessen eine Rolle, unter anderem in der Immunantwort,[7] der Einteilung der Blutgruppen,[12] der Zelladhäsion und Zellmigration,[6] der Signaltransduktion,[13] der Hirnentwicklung[14] und bei der Entstehung von Krebs.[15]

In Glycoproteinen sind Kohlenhydratreste kovalent mit dem Peptidrückgrat verbunden.

Glycane sind sekundäre Genprodukte, was zur Folge hat, dass ein gegebenes Glycoprotein an der gleichen Glycosylierungsstelle verschiedene Oligosaccharide tragen kann. Im Gegensatz zur Proteinbiosynthese wird die Glycanbiosynthese nicht durch ein Templat gesteuert. Daraus resultieren vielfältige strukturelle Variationen, was als Mikroheterogenität bekannt ist.[4] Diese Varianz resultiert in den oben genannten zahlreichen Funktionen der Kohlenhydrate und stellt immer noch eine der Schlüsselfragen der aktuellen Glycan-Forschung dar.

Es gibt im Wesentlichen drei verschiedene Arten der Verknüpfung von Kohlenhydraten mit Proteinen. Die drei häufigsten werden im Folgenden näher betrachtet.

N-Glycoside

Die Biosynthese von N-Glycoproteinen ist ein co- und posttranslationaler Prozess. Der Kohlenhydratrest wird dabei kovalent an die Seitenkette von Asparagin gebunden. Für die enzymatische Glycosylierung des Proteins ist die Konsensussequenz Asn-Xaa-Ser/Thr (manchmal auch Cys) als Erkennungsmotiv nötig, wobei Xaa jede natürliche Aminosäure außer Prolin sein kann.[4] Nicht jedes Sequon wird glycosyliert. N-Glycoproteine haben

(18)

18 Kenntnisstand

eine gemeinsame Pentasaccharid-Kernstruktur, welche in Abbildung 2.1 zu sehen ist. Die Pfeile kennzeichnen mögliche Modifizierungspunkte mit weiteren Kohlenhydratketten, die nach außen ragen. Zusätzlich können Substitutionen mit einzelnen Kohlenhydraten erfolgen (gestrichelte Pfeile).

Abbildung 2.1 Die Pentasaccharid-Kernstruktur Man(1-6)[Man(1-3)]Man(1-4)GlcNAc(1-4)GlcNAc von N-Glycoproteinen, die an die Konsensussequenz Asn-Xaa-Ser/Thr angeknüpft ist.[4a]

O-Glycoside

Die Biosynthese von O-Glycoproteinen läuft ausschließlich posttranslational ab. Dabei wird ein Monosaccharid kovalent mit einer Hydroxygruppe einer Aminosäure des Proteins verknüpft. Es gibt eine Vielzahl möglicher Kohlenhydrat-Protein-Verknüpfungen; Beispiele sind in Abbildung 2.2 gezeigt. In O-Glycoproteinen vom Mucintyp sind die Glycane über einen GalNAc-Rest -glycosidisch an das Polypeptidrückgrat gebunden.[6]

Abbildung 2.2 Beispiele für O-Glycoproteine.

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2.2 Biosynthesewege von Glycanen 19

Glycosylphosphatidylinositol-Anker (GPI-Anker)

Eine Reihe von Glycoproteinen der Zelloberfläche wird durch Glycosylphosphatidylinositol-Anker in der Zellmembran von Eukaryoten verankert. Es gibt eine Reihe verschiedener GPI-Anker, doch fast allen ist die Struktur Ethanolamin-PO4- 6Man(1-2)Man(1-6)Man(1-4)GlcN(1-6)myo-Ino-1-PO4-Lipid gemeinsam (Abbildung 2.3).[16] Auffällig ist die freie Aminogruppe der Glucosamineinheit, denn üblicherweise liegen diese in Glycokonjugaten N-acetyliert bzw. N-sulfatiert vor.

Abbildung 2.3 Kernstruktur von GPI-Ankern und mögliche Variationen.[16b]

2.2 Biosynthesewege von Glycanen

Im Folgenden wird die Biosynthese verschiedener Glycanstrukturen näher beschrieben, welche für die vorliegende Arbeit bedeutsam sind.

2.2.1 Der Sialinsäurebiosyntheseweg

Sialinsäuren sind am äußeren Ende von Glycoproteinen lokalisiert und sind vor allem in N- Glycanen, O-Glycanen und Glycosphingolipiden zu finden, gelegentlich auch in GPI- Ankern.[17] Durch diese exponierte Lage stehen sie in ständigem Kontakt mit der Zellumgebung und sind an verschiedenen Prozessen beteiligt. Sialinsäuren sind auch an internen Stellen von Glycanen z.B. in bakteriellen Polysacchariden zu finden. Die Familie der Sialinsäuren weist eine große strukturelle Vielfalt auf. Über 50 verschiedene Derivate sind bekannt.[18] Häufig ist mit Sialinsäure jedoch die N-Acetylneuraminsäure gemeint.

(20)

20 Kenntnisstand

Der Biosyntheseweg ist sehr komplex und geht von N-Acetylmannosamin (ManNAc 1) aus, welches an der 6-Position phosphoryliert wird (Abbildung 2.4).[4b] Unter ATP- Verbrauch wird N-Acetylneuraminsäure-9-Phosphat (Neu5Ac-9-P) gebildet, das anschließend zur freien Sialinsäure (Neu5Ac) hydrolysiert wird. Diese wird in den Zellkern transportiert und dort durch die CMP-Neu5Ac-Synthase in die aktivierte Form CMP- Neu5Ac umgewandelt. Über das Zytosol gelangt die aktivierte Form in den Golgi-Apparat, wo sie durch eine Sialyltransferase auf ein Glycokonjugat übertragen wird. Das Sialoglycokonjugat wird dann an den Bestimmungsort, zum Beispiel auf die Zellmembran übertragen. Die Übertragung von Sialinsäuren auf Glycokonjugate im Golgi-Apparat wird von bindungsspezifischen Sialyltransferasen katalysiert. Sialyltransferasen sind Typ II- Membranproteine, die für die Lokalisation im Golgi-Apparat zuständig sind. Die hohe strukturelle Diversität der Sialinsäuren rührt von der enzymatischen Vielfalt des Biosynthesewegs her.

Abbildung 2.4 Schema des Biosynthesewegs von Sialoglycokonjugaten (modifiziert nach Lindhorst).[4b]

2.2.2 O-Glycoproteine vom Mucin-Typ

Im Gegensatz zu den N-Glycoproteinen gibt es für O-Glycoproteine keine Konsensussequenz.[19] Die häufigste Art von O-Glycoproteinen sind Mucin-Typ O-

(21)

2.2 Biosynthesewege von Glycanen 21

Glycoproteine, bei denen ein GalNAc Rest -glycosidisch an die Hydroxygruppe von Serin oder Threonin gebunden ist (Abbildung 2.2). Die Übertragung von N-Acetylgalactosamin (GalNAc 2) aus UDP-GalNAc, durch eine N-Acetylgalactosaminyltransferase auf ein Serin oder Threonin findet im Golgi-Apparat statt (Abbildung 2.5). Über 20 homologe N- Acetylgalactosamintransferasen sind bisher bekannt.[20] Anschließend wird das Glycoprotein von verschiedenen Glycosyltransferasen zu höheren O-verknüpften Strukturen umgewandelt.[21] O-Glycoproteine vom Mucintyp werden unter anderem auf der Zellmembran präsentiert.[22]

Abbildung 2.5 Schematische Darstellung der Biosynthese von O-Glycoproteinen des Mucin-Typs. Modifiziert nach Hang et al.[23]

(22)

22 Kenntnisstand

2.2.3 GlcNAcylierte Proteine

Zahlreiche Proteine im Zytoplasma und im Zellkern liegen GlcNAcyliert vor, wobei Glucosamin -O-glycosidisch an Threonin oder Serin gebunden ist.[24] Bei der Biosynthese wird GlcNAc (3) zunächst phosphoryliert. Nach der Aktivierung wird UDP-GlcNAc durch eine O-GlcNAc-Transferase auf ein Protein übertragen (Abbildung 2.6). Boyce et al.

konnten 2011 zeigen, dass der Donor UDP-GlcNAc auch aus UDP-GalNAc gebildet werden kann.[24b]

Abbildung 2.6 Der Biosyntheseweg von O-GlcNAcylierten Proteinen schematisch dargestellt. Modifiziert nach Boyce et al.[24b]

2.3 Modifikation von natürlichen Glycanstrukturen

Anfang der 1990er Jahre berichteten Kosa et al. über die Möglichkeit, die Zelloberfläche menschlicher Erythrozyten und Lymphozyten durch enzymatische Einführung modifizierter, unnatürlicher Sialinsäureanaloga zu verändern. Zuvor wurden die natürlichen Sialinsäuren enzymatisch entfernt. Dadurch waren Bindungsstudien mit natürlichen Liganden möglich.[25] Diese Methode ist jedoch relativ zeitaufwändig und kostenintensiv. Die Gruppe um Reutter konnte 1992 zeigen, dass die an der Sialinsäurebiosynthese beteiligten Enzyme Vorläufermoleküle wie N-Acetylmannosamin (ManNAc) und N-Acetylglucosamin (GlcNAc) auch dann akzeptieren, wenn diese unnatürliche Modifikationen an der N-Acylseitenkette tragen, und sie in entsprechende

(23)

2.3 Modifikation von natürlichen Glycanstrukturen 23

modifizierte Glycanstrukturen einbauen.[26] Vorteilhaft ist bei dieser Strategie der einfachere synthetische Zugang zu den Vorläufermolekülen. Das generelle Schema dieser Strategie ist in Abbildung 2.7 zu sehen. Das modifizierte Vorläufermolekül wird dem Organismus verabreicht. Enzyme konvertieren das modifizierte Molekül als Substrat in gleicher Weise wie die natürlichen Substrate und bauen es in Glycanstrukturen ein.

Abbildung 2.7 Allgemeines Schema des Metabolischen Oligosaccharid-Engineering (MOE). Modifizierte Kohlenhydrate werden über den zelleigenen Stoffwechsel in intrazelluläre oder extrazelluläre Glycokonjugate eingebaut. Schema modifiziert nach Dube und Bertozzi.[27]

Zunächst wurden verschiedene Alkylreste wie Propanoyl, Butanoyl oder Pentanoyl in die Seitenkette von ManNAc eingebracht (siehe Abbildung 2.8).[28] Wurden nun verschiedene Zelllinien in Anwesenheit dieser modifizierten ManNAc-Derivate kultiviert, so konnte die entsprechende modifizierte Sialinsäure nachgewiesen und Bindungsstudien durchgeführt werden. Zwei verschiedene Polyomaviren wurden auf Bindung an die modifizierte Zelloberfläche getestet. Abhängig von der Modifikation an der N-Acylseitenkette von ManNAc konnte eine Inhibition der Bindung oder eine Verstärkung der Bindung detektiert werden. Diese metabolische Veränderung der Zellmembran erlaubt somit einen großen Einfluss auf die Funktion der Zelle in Erkennungsprozessen. Um die Akzeptanz der an der Sialinsäurebiosynthese beteiligten Enzyme für unnatürliche Substrate zu untersuchen, wurden von Jacobs et al.[29] Jurkat Zellen mit den ManNAc-Derivaten 1 und 4 – 10 (siehe Abbildung 2.8) inkubiert. Während ManNLev 6 abhängig von der Zelllinie eine hohe

(24)

24 Kenntnisstand

Einbaurate in Sialinsäuren aufweist, führen Verzweigungen in der N-Acylseitenkette wie bei 10 zu einer starken Verringerung der Akzeptanz. Eine Kettenlänge von mehr als 6 Kohlenstoffatomen wie bei 8 führt ebenfalls zu reduzierten Einbauraten. Sperrige Substituenten wie Oxocyclopentyl in Verbindung 9 werden ebenfalls nicht von den Enyzmen akzeptiert. Verbindung 7, welches dem natürlichen Substrat ManNAc 1 strukturell sehr ähnlich ist, jedoch keinen Aminstickstoff trägt, konnte nicht auf der Zellmembran nachgewiesen werden.

Abbildung 2.8 ManNAc als natürliches Substrat für die Sialinsäurebiosynthese und davon abgeleitete modifizierte ManNAc Derivate, deren Einbau in natürliche Glycanstrukturen untersucht wurde.[29]

Später berichtete Bertozzi, dass auch funktionelle Gruppen wie Azide und Alkine als Modifizierung dienen können. So werden auch ManNAz 11[30] und ManNAlk 12[31]

(Abbildung 2.9) in Sialinsäuren eingebaut. Aber nicht nur der Sialinsäurebiosyntheseweg ist durchlässig für modifizierte nichtnatürliche Vorläufermoleküle. So werden zum Beispiel auch modifizierte GalNAc,[23, 24b] GlcNAc[32] und Fucosederivate[33] von entsprechenden Enzymen akzeptiert und in verschiedene intra- und extrazelluläre Glycanstrukturen in der Zelle eingebaut. Da die Enzyme hierbei für verschiedene Glycanstrukturen spezifisch sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die gleiche Modifikation in verschiedenen Synthesewegen akzeptiert wird. Zum Beispiel berichteten Hang und Bertozzi über Keton- modifizierte Glycanstrukturen durch metabolischen Einbau des modifizierten GalNAc Keton-Isoster 17 (siehe Abbildung 2.9) in Glycoproteine auf der Zellmembran. Das entsprechende GlcNAc Keton-Isoster 18 konnte jedoch nicht detektiert werden.[34]

Peracetylierung der ManNAc-Derivate führt zu einer höheren Aufnahme der Kohlenhydratderivate, da die Diffusion durch die Zellmembran erhöht wird.[35] So konnten

(25)

2.4 Detektion der modifizierten Glycanstrukturen durch Metabolisches Oligosaccharid-Engineering 25

Collins et al. durch Peracetylierung von N-Glycolylmannosamin eine hundertfach erhöhte Aufnahme und den erfolgreichen Einbau in modifizierte Sialinsäuren von Neuronalzellen nachweisen.[36] Auch wurde von Bertozzi berichtet, dass die peracetylierte Variante Ac4ManNLev im Vergleich zu ManNLev 6 in einer zweihundertfach niedrigeren Konzentration zu gleichen Einbauraten führt.[37] Nach erfolgreicher Aufnahme der peracetylierten Kohlenhydrate durch die Zellmembran können die Acetylgruppen durch in der Zelle vorhandene unspezifische Esterasen gespalten werden.

Abbildung 2.9 Modifizierte ManNAc,[30-31] GalNAc,[23, 34] GlcNAc[32a, 34] und Fucosederivate,[33] die für das Metabolische Oligosaccharid-Engineering evaluiert wurden.

2.4 Detektion der modifizierten Glycanstrukturen durch Metabolisches Oligosaccharid-Engineering

Wie im vorangehenden Abschnitt beschrieben, griff Bertozzi die Idee von Reutter auf und konnte durch chemische Modifizierung von ManNAc-Derivaten und biosynthetische Verstoffwechselung sialylierte Glycokonjugate detektieren. Durch Inkubation von Zellen mit ManNLev 6 (siehe Abbildung 2.8) wurden ketonmodifizierte sialylierte Glyokonjugate erhalten. Ketone sind natürlicherweise nicht auf der Zelloberfläche und in sonstigen Kompartimenten der Zelle nur sehr selten zu finden. Dies macht eine selektive Reaktion der ketonmodifizierten sialylierten Strukturen mit biotinyliertem Hydrazid möglich.[38]

Dadurch war zum ersten Mal auf elegante Weise die Detektion einer zellulären Glycanstruktur durch eine selektive chemische Reaktion gelungen. Diese Methode wurde später Chemische Reporter-Strategie genannt (Allgemeines Schema siehe Abbildung 2.10).[27] Hierbei wird das chemisch modifizierte Vorläufermolekül (z.B. ManNLev 6) als

(26)

26 Kenntnisstand

Reportermolekül über den zelleigenen Stoffwechsel in die entsprechende Glycanstruktur eingebaut. Die Modifizierung ist idealerweise eine kleine funktionelle Gruppe, die in natürlicher Umgebung nicht vorkommt. Dies ermöglicht in einem zweiten Schritt die selektive chemische Reaktion mit einer funktionellen Gruppe, die in der Natur ebenfalls nicht vorkommt. Eine solche Reaktion wird auch bioorthogonale Ligationsreaktion genannt. Eine Ligationsreaktion soll idealerweise unter physiologischen Bedingungen ablaufen, bei Raumtemperatur oder 37°C, und sie soll ohne toxische Katalysatoren auskommen. Außerdem soll das gewünschte Produkt in guter Ausbeute ohne nennenswerte Nebenproduktbildung erhalten werden. Alle an der Reaktion beteiligten Stoffe und das entstehende Produkt sollen möglichst nicht toxisch sein und den untersuchten Organismus in der natürlichen Funktion nicht stören. Bisher werden verschiedene chemische Reaktionen für die Ligation verwendet. Im folgenden Kapitel werden sie genauer beschrieben.

Abbildung 2.10 Allgemeines Schema der Chemischen Reporter-Strategie. Unnatürlich modifizierte Kohlenhydrate mit einer funktionellen Gruppe (FG) werden metabolisch in Glycanstrukturen eingebaut und können anschließend durch eine chemoselektive Ligationsreaktion mit einer Sonde detektiert werden.

(27)

2.4 Detektion der modifizierten Glycanstrukturen durch Metabolisches Oligosaccharid-Engineering 27

2.4.1 Bisher verwendete Ligationsreaktionen für die Detektion

2.4.1.1 Die Reaktion von Ketonen mit Hydraziden

Abbildung 2.11 Die Hydrazonbildung durch die Reaktion eines Ketons mit einem Hydrazid als mögliche bioorthogonale Ligationsreaktion.

Durch metabolischen Einbau von ManNLev 6 in sialylierte Glycokonjugate gelang es Mahal et al., Zelloberflächen mit Ketonen zu modifizieren.[38] Natürlicherweise sind auf Zelloberflächen Ketone kaum zu finden. Ketone reagieren mit Hydraziden unter Ausbildung eines Acyl-Hydrazons (Abbildung 2.11).[39] Durch die Reaktion der Ketone auf der Zelloberfläche mit einem Hydrazid-funktionalisierten Biotin und anschließender Inkubation mit FITC-markiertem Avidin gelang erstmalig die direkte Detektion chemisch modifizierter sialylierter Glycokonjugate. Mittels Durchflusszytometrie konnte der Einbau von ManNLev 6 in Sialinsäuren quantifiziert werden. Auch wenn diese Reaktion erfolgreich angewendet werden konnte, so sind dennoch Einschränkungen gegeben. Die Hydrazonbildung läuft zwar in guter Ausbeute ab und benötigt keine erhöhten Temperaturen oder toxischen Katalysatoren. Allerdings ist ein pH von 5 für eine schnelle Reaktionsgeschwindigkeit geeignet. Dies macht die Anwendung in lebenden Organismen unmöglich, denn bei physiologischem pH läuft die Reaktion sehr langsam ab. Daher mussten alternative Reaktionstypen gefunden werden.

2.4.1.2 Die Staudinger-Ligation

Bereits 1919 berichteten Staudinger und Meyer über die Reaktion von Aziden mit Phosphanen unter Ausbildung eines Aza-Ylids.[40] Das entstehende Aza-Ylid hydrolysiert spontan, und es entstehen ein Amin und ein Phosphanoxid (Abbildung 2.12).

Abbildung 2.12 Allgemeines Schema der Staudinger-Reaktion und anschließende Hydrolyse des entstehenden Aza-Ylids.

Im Jahr 2000 erkannte Bertozzi das Potential dieser Reaktion als bioorthogonale Ligationsmethode.[30] Die Phosphane wurden mit einer Esterfunktionalität modifiziert, welche als elektrophile Falle dienen sollte (siehe Abbildung 2.13) Das enstehende Aza-Ylid

(28)

28 Kenntnisstand

kann mit der Carbonylgruppe reagieren und durch anschließende Hydrolyse wird ein Amid gebildet.

Abbildung 2.13 Amidbildung durch die Staudinger-Ligation zwischen einem Azid und einem Phosphan.[30]

Die sogenannte Staudinger-Ligation konnte dadurch für Zelloberflächen-Engineering eingesetzt werden. Jurkat-Zellen wurden in Anwesenheit von peracetyliertem azidmodifiziertem Mannosamin (Ac4ManNAz) kultiviert. Nach Inkubation mit einem biotinylierten Phosphan und FITC-markiertem Avidin zeigten diese Zellen eine wesentlich höhere Fluoreszenzintensität als Zellen, die ohne Ac4ManNAz kultiviert worden waren.

Seitdem wurde die Staudinger-Ligation für zahlreiche Untersuchungen erfolgreich eingesetzt.[41] Durch weitere Modifikation des Phosphans ist dessen Abspaltung im entstehenden Ligationsprodukt möglich. Dies erlaubt die selektive Verknüpfung zweier Moleküle unter physiologischen Bedingungen. Diese Methode führt zu natürlichen Amidbindungen und ist als spurlose Staudinger-Ligation bekannt.[42] Durch Einsatz von Phosphinothioestern konnten synthetische Peptidfragmente in guter Ausbeute dargestellt werden, was ein wichtiger Schritt in der Proteinsynthese ist.[43] Die Staudinger- Ligation wurde ebenfalls für die spezifische Anknüpfung von Proteinen auf modifizierten Glasträgern für Microarrays verwendet, z.B. um eine katalytische Aktivität von Proteinen zu untersuchen.[44] Eine chemoselektive Proteinmodifikation war mit dieser Reaktion ebenfalls gut zugänglich.[45] Durch kinetische Untersuchungen wurde für die Staudinger- Ligation in CH3CN/H2O (v/v 95/5) eine Geschwindigkeitskonstante zweiter Ordnung von k = 0,002 M-1s-1 bestimmt.[46] Dies bedeutet eine ausreichende Geschwindigkeit für eine erfolgreiche biologische Anwendung. Allerdings konnte auch gezeigt werden, dass die Staudinger-Ligation bei Verwendung von Aziden mit elektronenziehenden Resten schneller abläuft. Nicht für alle Anwendungen können solche Azide verwendet werden.

Zudem sind Phosphane nur bedingt stabil und können je nach Substitutionsmuster leicht

(29)

2.4 Detektion der modifizierten Glycanstrukturen durch Metabolisches Oligosaccharid-Engineering 29

oxidieren. Die Staudinger-Ligation wurde und wird zwar für viele Zwecke erfolgreich eingesetzt, dennoch muss je nach Anwendung eine alternative Ligationsmethode herangezogen werden.

2.4.1.3 Die 1,3-dipolare Azid-Alkin-Cycloaddition (Clickreaktion)

Bereits 1963 berichtete Huisgen über 1,3-dipolare Cycloadditionen als geeigneten synthetischen Zugang zu fünfgliedrigen Heterocyclen.[47] Ein Beispiel ist die Reaktion eines Azids mit einem terminalen Alkin, wodurch ein Triazol gebildet wird (Abbildung 2.14 a).

Diese Reaktion benötigt jedoch hohe Temperaturen und lange Reaktionszeiten, was eine Anwendung im biologischen Milieu unmöglich macht. 2002 beschrieben die Gruppen um Meldal[48] und Sharpless[49] unabhängig voneinander die Verwendung von Kupfersalzen für die Katalyse dieser Cycloaddition. Dadurch war die Reaktion auch bei Raumtemperatur, mit hoher Geschwindigkeit und mit guten Ausbeuten durchführbar.

Zudem entsteht durch Kupferkatalyse im Gegensatz zur thermischen Variante ausschließlich das 1,4-substituierte Triazol (Abbildung 2.14 b). Die 1,3-dipolare Azid-Alkin- Cycloaddition wurde in die Reihen der Clickchemie aufgenommen und wird heutzutage fast ausschließlich als Clickreaktion bezeichnet. Sharpless führte diesen Begriff für Reaktionen ein, die mit leicht zugänglichen Reaktanden und in sehr guten Ausbeuten ablaufen. Mögliche Nebenprodukte sollen ohne großen Aufwand abgetrennt werden können und die Reaktion soll eine große Anwendungsbreite besitzen und daher im Wässrigen und unter Sauerstoffatmosphäre durchführbar sein.[50] Weder Alkine noch Azide kommen natürlicherweise in Organismen vor. Dadurch ist die chemoselektive Reaktion von azidmodifizierten Glycanstrukturen in Zelllysaten oder auch auf der Oberfläche von Zellen mit Alkinen und somit ihre Detektion möglich. Der Sialinsäurebiosyntheseweg ist ebenfalls für alkinmodifiziertes Mannosamin (ManNAlk 12, siehe Abbildung 2.9) durchlässig. Die durch MOE alkinmodifizierte Sialinsäure konnte von Chang et al. in fixierten Zellen und in Zelllysat durch ein biotinyliertes Azid erfolgreich detektiert werden.[31] Die kupferkatalysierte Clickreaktion (CuAAC) konnte in den letzten Jahren nicht nur für die Detektion modifizierter Sialinsäure erfolgreich angewendet werden, sondern auch für weitere zahlreiche biologische Fragestellungen, von denen hier nur einige genannt werden sollen. So konnten durch die CuAAC fucosylierte Proteine detektiert werden.[33, 51] Auch für die Modifizierung von Viren[52] und aktivitätsbasiertes Protein-Profiling[53] wurde die CuAAC erfolgreich eingesetzt.

(30)

30 Kenntnisstand

Abbildung 2.14 Die 1,3-dipolare Azid-Alkinycloaddition als thermische Variante (a), kupferkatalysiert (b) oder ringspannungsvermittelt (c).

Die Verwendung von Kupfer stellt für viele Anwendungen kein Problem dar. Für Bakterien und Säugetierzellen ist Kupfer ab einer gewissen Konzentration jedoch toxisch.[54] Um dieses Problem zu umgehen, wurden chelatisierende Liganden wie TBTA,[55] THPTA[56]

oder BTTES[57] entwickelt (Abbildung 2.15), durch welche eine geringere Kupferkonzentration für die Ligation nötig ist.[56] Durch Verwendung von THPTA und Aminoguanidin konnten sialylierte Glycane lebender Zellen durch kupferkatalysierte Clickreaktion detektiert werden.[58]

Abbildung 2.15 Chelatisierende Liganden für die Verwendung in der kupferkatalysierten Clickreaktion.

(31)

2.4 Detektion der modifizierten Glycanstrukturen durch Metabolisches Oligosaccharid-Engineering 31

Eine Alternative zur 1,3-dipolaren Cycloaddition zwischen Aziden und terminalen Alkinen ist die Verwendung von Cyclooktinen (siehe Abbildung 2.14 c). Das Cyclooktin besitzt aufgrund seiner Geometrie eine hohe Ringspannung.[59] Die treibende Kraft dieser Reaktion stellt die geringere Ringspannung des entstehenden Triazols dar. Diese Vermutung stellten Blomquist und Liu bereits 1953 auf, als sie die spontane Reaktion von Cyclooktin mit Phenylazid beobachteten.[60] 1961 berichteten auch Wittig und Krebs über die Reaktion von Phenylazid mit Cyclooktin, welche zur Ausbildung des entsprechenden Triazols führt.[61] Dieser Reaktionstyp wird daher auch ringspannungsvermittelte Clickreaktion (SPAAC) genannt. Die kupferfreie Azid-Alkin-Cycloaddition läuft langsamer ab als die kupferkatalysierte Variante. Durch elektronenziehende Reste in -Position der Dreifachbindung kann die Reaktivität des Cyclooktins jedoch gesteigert werden. Die Gruppe um Bertozzi konnte 2004 zeigen, dass die Reaktivität durch Substitution mit einem Ether in -Position (Verbindung 22 siehe Abbildung 2.16) gesteigert werden kann und nutzte die kupferfreie Clickreaktion zur chemoselektiven Modifizierung eines azidmodifizierten Glycoproteins.[62] Seitdem ist die Weiterentwicklung von Cyclooktinderivaten ein wichtiges Forschungsgebiet. Durch Substitution mit Fluorid wurde das Cyclooktinderivat 23 entwickelt, um erfolgreich modifizierte Glycane zu detektieren.[63] Die Gruppe um Boons entwickelte 2008 das dibenzylsubstituierte Cyclooktin 24, welches erfolgreich zur Anfärbung von azidmodifizierten Glycanen auf der Zellmembran,[64] aber auch in intrazellulären Strukturen angewendet wurde.[65] Aber nicht nur die Reaktivität ist ein wichtiges Kriterium bei der Weiterentwicklung der Cyclooktine.

Auch wurde über unspezifische Nebenreaktionen berichtet.[66] So kann eine unerwünschte Reaktion mit Thiolen zu unspezifischer Anfärbung führen.[67] Diese Nebenreaktionen sollten, so weit möglich, zurückgedrängt werden. Das erst kürzlich von Boons entwickelte sulfatierte dibenzylsubstituierte Cyclooktin 25 ist nicht zellgängig.

Dadurch ist es gut geeignet, um azidmodifizierte Glycane auf Zelloberflächen zu detektieren.[65]

Abbildung 2.16 Beispiele für reaktive Cyclooktinderivate, die für eine Anfärbung von azidmodifizierten Glycanen geeignet sind.

(32)

32 Kenntnisstand

2.4.2 Die Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf

Abbildung 2.17 Schema der Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf zwischen einem Tetrazin und einem Dienophil. Durch Abspaltung von Stickstoff und anschließende Oxidation entsteht ein Pyridazin.

Eine weitere Reaktion, welche die Ansprüche an eine Ligationsreaktion für biologische Anwendungen erfüllt, ist die Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf (DARinv). Ein Beispiel ist die [4+2]-Cycloaddition von 1,2,4,5-Tetrazinen mit einem Dienophil (Abbildung 2.17). Carboni und Lindsey berichteten bereits 1959 über diese Reaktion als synthetischen Zugang zu Pyridazinen.[68] Die DARinv ist eine LUMOdien- HOMOdienophil kontrollierte Reaktion (Abbildung 2.18). Durch Verringerung der Energielücke zwischen dem LUMOdien und dem HOMOdienophil wird die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht. Die Tetrazine fungieren dabei als Dien und reagieren umso schneller, je elektronenziehender die Substituenten sind. Die Dienophile sollen für eine gute Reaktivität elektronenreich sein. Diese elektronischen Eigenschaften sind invers zu der klassischen Diels-Alder-Reaktion (DAR), bei der ein elektronenreiches Dien mit einem elektronenarmen Dienophil reagiert.[69] Das durch die DARinv entstehende verbrückte Intermediat spaltet Stickstoff ab. Dadurch ist die Reaktion im Gegensatz zur klassischen Diels-Alder Reaktion irreversibel. Das entstehende Dihydropyridazin kann durch Oxidation in das Pyridazin überführt werden.

(33)

2.4 Detektion der modifizierten Glycanstrukturen durch Metabolisches Oligosaccharid-Engineering 33

Abbildung 2.18 Orbitalschema der Diels-Alder-Reaktion mit inversem (DARinv) und normalem (DAR) Elektronenbedarf.

Die Gruppe um Sauer führte ausführliche kinetische und mechanistische Untersuchungen durch, in denen die Reaktivität von Tetrazinen und Dienophilen bestimmt und verglichen wurde.[70] Die Reaktionen konnten leicht durch Messung der Absorption verfolgt werden, da Tetrazine im Bereich um 520-550 nm aufgrund eines verbotenen n*-Übergangs ein Absorptionsmaximum besitzen, die entstehenden Pyridazine jedoch nicht. Die Werte für die Geschwindigkeitskonstanten für die Umsetzung mit Tetrazin 26 in Dioxan bei 20 °C bzw. 30 °C sind in Abbildung 2.19 zu sehen. Sie zeigen, dass eine Substitution von Ethylen die Reaktivität senkt.[71] Die höhere Elektronendichte des Dienophils wird durch den größeren sterischen Anspruch kompensiert. Winkelgespannte cyclische Alkene sind je nach Ringgröße in der Lage, schnelle Reaktionen mit Tetrazinen einzugehen. Besonders hervorzuheben sind hier Norbornenderivate, aber auch trans-Cyclookten, welche eine hohe Reaktivität aufweisen.[71] In der Arbeitsgruppe Wittmann wurde die Reaktivität von Alkenolen unterschiedlicher Kettenlänge in einer DARinv mit Tetrazin 33 untersucht. Die Geschwindigkeitskonstanten für die Umsetzung in DMSO wurden bestimmt (siehe Abbildung 2.20), und es konnte gezeigt werden, dass die Doppelbindung erwartungsgemäß umso reaktiver ist, je weiter die elektronenziehende Hydroxylgruppe entfernt ist. Das Diaryl-substituierte Tetrazin 37 weist eine geringere Reaktivität als 33 auf. Die Geschwindigkeit für die Umsetzung von 37 mit Allylalkohol (34) und Butenol (35) ist vergleichbar. Auch bei der Umsetzung von 37 war die Reaktion mit Pentenol (36) am Schnellsten.[72]

(34)

34 Kenntnisstand

Abbildung 2.19 Umsetzung von Tetrazin 26 mit verschiedenen Dienophilen in Dioxan (bei 30 °C für 27 und 28, bei 20 °C für 29–32) zur Bestimmung der Geschwindigkeitskonstante k.[71]

Abbildung 2.20 Geschwindigkeitskonstanten k für die Umsetzung von Alkenolen unterschiedlicher Kettenlänge mit Tetrazin 33 und 37 in DMSO zeigen eine Abhängigkeit des Abstandes von der elektronenziehenden Hydroxylgruppe zur terminalen Doppelbindung.[72]

2.5 Tetrazinsynthese

Über die Synthese von Tetrazinen wurde von Pinner bereits Ende des 19. Jahrhunderts berichtet.[73] Hofmann und Ehrhart beschrieben 1912 3,6-Diaryl-substituierte 1,2,4,5- Tetrazine, die durch Umsetzung aromatischer Nitrile mit Hydrazin zugänglich waren (Abbildung 2.21).[74] Die entstehenden Dihydrotetrazine können durch Oxidation in die entsprechenden Tetrazine überführt werden.

(35)

2.5 Tetrazinsynthese 35

Abbildung 2.21 Allgemeines Schema für die Darstellung von Diaryl-substituierten 1,2,4,5-Tetrazinen.

Obwohl Tetrazine und Reaktionen mit ihnen bereits lange bekannt sind, so ist ihre Darstellung immer noch ein sehr anspruchsvolles Gebiet. Die wohl günstigste Darstellung ist, wie ursprünglich beschrieben, die Umsetzung von Nitrilen mit Hydrazin.[75] Auf diese Art sind vor allem Diaryl-substituierte Tetrazine zugänglich.[66, 75c, 76]

Alkyl-substituierte Tetrazine konnten von Devaraj durch Zugabe von Metallsalzen als Lewis-Säure gut zugänglich gemacht werden.[77]

Für die Anwendung der DARinv als bioorthogonale Ligationsreaktion sind unsymmetrisch substituierte Tetrazine wünschenswert, die eine Funktionalisierung mit einem Marker erlauben (Abbildung 2.22). Hierbei muss beachtet werden, dass bei der Reaktion zweier unterschiedlicher Nitrile mit Hydrazin nicht nur das gewünschte Produkt entsteht, sondern auch die beiden symmetrisch substituierten Derivate. Die Abtrennung des gewünschten Produkts kann aufwändig sein, da eine säulenchromatographische Aufreinigung aufgrund der hohen Polarität der gewünschten Tetrazine nicht immer möglich ist.

Abbildung 2.22 In der Literatur beschriebene unsymmetrisch substituierte Tetrazine 38–40,[75c] 41[66], 42[76a]

und 43.[78]

(36)

36 Kenntnisstand

2.5.1 Anwendung der Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf als Ligationsreaktion

Obwohl die Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf (DARinv) bereits lange bekannt war, wurde ihr Potential als bioorthogonale Ligationsreaktion erst 2007 von Wießler et al.[75c] erkannt. In ihrem Patent beschrieben die Autoren die DARinv als elegante Möglichkeit, um verschiedene Biomoleküle, z.B. in der Peptidsynthese, miteinander zu verknüpfen. Seitdem wurde die DARinv für verschiedene Fragestellungen, wie die postsynthetische Modifikation von DNA,[79] Proteinmodifikation (Abbildung 2.23 d),[80] die Darstellung von Transportermolekülen (Abbildung 2.23 e),[81] oder die Modifizierung von Peptiden zur Anknüpfung an Siliziumoberflächen verwendet.[82] 2008 beschrieb die Gruppe um Fox die DARinv zwischen einem Tetrazin und einem mit trans- Cyclookten modifizierten Protein zur postranslationalen Proteinmodifikation (Abbildung 2.23 a).[76a] Sie konnten damit die hohe Chemoselektivität der Reaktanden und eine große Akzeptanz für sonstige biologische Funktionalitäten zeigen. Zeitgleich berichteten Devaraj et al. über die DARinv zwischen einem farbstoffmarkierten Monoaryl-substituierten Tetrazin und dem Norbornen-funktionalisierten Antikörper Trastuzumab (Abbildung 2.23 b).[78] Trastuzumab bindet an Her/Neu-Rezeptoren auf Brustkrebszellen. Zellen, die mit dem modifizierten Antikörper inkubiert worden waren, zeigten eine erhöhte Fluoreszenzintensität nach Inkubation mit dem Tetrazin. Dies war das erste Mal, dass die DARinv für die Markierung lebender Zellen zum Einsatz kam. Beckmann et al. nutzten die DARinv zwischen einem diarylsubstituierten Tetrazin mit gespannten und terminalen Alkenen zur Darstellung von Microarrays (Abbildung 2.23 c).[76b]

(37)

2.5 Tetrazinsynthese 37

(38)

38 Kenntnisstand

Abbildung 2.23 Beispiele für die Anwendung der DARinv für die Proteinmodifikation (a[76a] und d[80]), die Markierung lebender Zellen (b[78]), die Darstellung von Microarrays (c[76b]) und von Transportemolekülen (e[81]).

(39)

3 Aufgabenstellung

Das Metabolische Oligosaccharid-Engineering wurde in den letzten Jahren als wichtige Methode entwickelt, um Glycane in Organismen zu detektieren (Kapitel 2.4).

Kohlenhydrate werden mit einer chemischen funktionellen Gruppe versehen und durch den Biosyntheseweg verschiedener Organismen in natürliche Glycanstrukturen eingebaut. Die funktionelle Gruppe dieses Reporters ermöglicht in einem nächsten Schritt die Markierung durch eine chemoselektive Ligationsreaktion. Verschiedene Reaktionstypen sind für die Ligation denkbar. Im Folgenden sind einige Kriterien für ideale Ligationsreaktionen aufgeführt:

 Hohe Ausbeuten und möglichst keine Nebenprodukte sollen erhalten werden.

 Die Reaktion soll schnell ablaufen.

 Die Reaktion soll unter physiologischen Bedingungen ablaufen, d.h. keine erhöhte Temperatur und im wässrigen Milieu.

 Alle an der Reaktion beteiligten Edukte und mögliche Nebenprodukte sollten nicht toxisch sein.

 Die für die Reaktion erforderlichen funktionellen Gruppen sollen im Organismus natürlicherweise nicht vorkommen und ausschließlich miteinander reagieren, also keine unerwünschten Reaktionen mit anderen funktionellen Gruppen eingehen (Bioorthogonalität).

Bisher wurden für die Detektion von Glycanen vor allem die Staudinger-Ligation zwischen Aziden und Phosphanen und die 1,3-dipolare Azid-Alkin-Cycloaddition eingesetzt (Kapitel 2.4.1). Eine Reaktion, die die genannten Kriterien prinzipiell ebenfalls erfüllt, ist die Diels- Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf (DARinv). Ein Beispiel für die DARinv ist die Reaktion von 1,2,4,5-Tetrazinen als Dien mit Dienophilen (Kapitel 2.4.2).

In der vorliegenden Arbeit sollte die Eignung der Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf (DARinv) für die Detektion von Glycanen in zellulären Strukturen untersucht werden (Abbildung 3.1). Dazu musste zunächst ein geeignetes Paar aus Dien und Dienophil bestimmt werden. Kinetische Untersuchungen sollten einen Vergleich zu bereits etablierten Ligationsreaktionen ermöglichen. Es sollten geeignete Dienophil- funktionalisierte Kohlenhydrate als chemische Reporter synthetisiert werden. Der Einbau der Reportermoleküle in Glycane sollte in verschiedenen Zelllinien untersucht werden.

Für die Detektion durch die DARinv sollten Tetrazine synthetisiert und mit passenden Markern versehen werden.

(40)

40

Abbildung 3.1 Geplantes Schema für die Detektion von Glycokonjugaten mit der Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf.

Nach erfolgreicher Etablierung der DARinv sollte die Möglichkeit der Kombination mit der 1,3-dipolaren Azid-Alkin-Cycloaddition überprüft werden. Dadurch sollte die gleichzeitige Detektion verschiedener Glycanstrukturen ermöglicht werden (Abbildung 3.2).

Abbildung 3.2 Allgemeines Schema für die Kombination der DARinv mit der 1,3-dipolaren Azid-Alkin- Cycloaddition zur gleichzeitigen Detektion verschiedener Glycanstrukturen.

(41)

4 Ergebnisse und Diskussion

4.1 Synthese von Dienophilen für die Diels-Alder- Reaktion mit inversem Elektronenbedarf

Für eine Anwendung der Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf (DARinv) im Metabolischen Oligosaccharid-Engineering (MOE) musste zunächst ein geeignetes Reaktionspaar aus Dien und Dienophil gefunden werden. In der Vergangenheit wurde vielfach gezeigt, dass verschiedene Biosynthesewege von Glycokonjugaten modifizierte Kohlenhydratvorläufer akzeptieren und diese wie die natürlichen Substrate in die entsprechenden Glycanstrukturen einbauen.[27] Die Visualisierung von Glycanen, die sich auf der äußeren Zellmembran befinden, bietet sich als Ausgangspunkt für Untersuchungen mit der DARinv an, da eine intrazelluläre Detektion mit Fluoreszenzfarbstoffen als Marker tendenziell zu höherer unspezifischer Anfärbung führt.

Die an der Biosynthese sialylierter Glycoproteine beteiligten Enzyme erlauben eine große Variation in der Seitenkette des Vorläufermoleküls N-Acetylmannosamin.[29] So konnte die Arbeitsgruppe um Reutter zeigen, dass modifizierte N-Acylmannosaminderivate mit linearen Alkylresten bis zu sechs Kohlenstoffatomen in der N-Acylseitenkette akzeptiert und zu den entsprechenden Sialinsäuren umgewandelt werden.[83] Weiter wurde gezeigt, dass Verzweigungen in den Alkylseitenketten zu einer drastischen Verringerung der Akzeptanz der Enzyme führen[29] (siehe Kapitel 2.3). Die Dienophile für die Funktionalisierung der Mannosaminderivate sollten daher sehr klein sein. In der Arbeitsgruppe Wittmann wurden terminale Alkene bereits erfolgreich in der DARinv mit Tetrazinen umgesetzt.[76b, 84] Kinetische Untersuchungen zeigten, dass terminale Doppelbindungen, die mindestens fünf Kohlenstoffatome von einem elektronenziehenden Rest entfernt sind, eine gute Reaktivität zeigen.[72] Daher wurden zwei verschiedene Dienophile mit variierender Kettenlänge für die Modifizierung von Mannosamin gewählt (siehe Abbildung 4.1). Der kleinere Pentenoylrest von ManNPtl 44 sollte erwartungsgemäß mit einer höheren Effizienz in die entsprechenden Stoffwechselprodukte eingebaut werden. Beim größeren Hexenoylrest von ManNHxl 45 ist der Abstand zwischen der terminalen Doppelbindung und der elektronenziehenden Amidgruppe größer, was in einer besseren Reaktivität resultieren sollte. Wie bereits beschrieben, reagieren Dienophile umso schneller, je elektronenreicher sie sind. Die Reaktivität von alkylsubstituierten Doppelbindungen ist durch den gleichzeitig erhöhten sterischen Anspruch jedoch niedriger als die von terminalen Doppelbindungen.[71] Dies ist ein wichtiger Aspekt, da die verwendeten Tetrazine sonst mit in Lipiden häufig vorkommenden internen Doppelbindungen reagieren könnten, was zu einer nicht gewünschten Anfärbung führen würde.

(42)

42 Ergebnisse und Diskussion

Für die Darstellung modifizierter N-Acylmannosaminderivate wurden zunächst Pent-4-en- säure bzw. Hex-5-en-säure analog Smulik et al.[85] mit N,N'-Dicyclohexylcarbodiimid und N-Hydroxysuccinimid als Succinimidylester aktiviert. Kommerziell erhältliches Mannosaminhydrochlorid (46) wurde mit einem Äquivalent Natriummethanolat neutralisiert und anschließend mit den jeweils aktivierten Alkensäuren 47 bzw. 48 umgesetzt (siehe Abbildung 4.1). Die modifizierten Derivate wurden anschließend peracetyliert. Dadurch sollten die Mannosaminderivate besser durch die unpolare Zellmembran diffundieren und ins Zellinnere gelangen. Die Acetylgruppen werden intrazellulär von unspezifischen Esterasen gespalten, was zur Bildung von Essigsäure führt.[35] Kohlenhydrate ohne Acetylschutzgruppen können prinzipiell ebenfalls durch die Zellmembran ins Zellinnere gelangen, jedoch mit einer geringeren Effizienz. Da hierbei keine Essigsäure freigesetzt wird, ist die Toxizität von freien Kohlenhydraten erwartungsgemäß geringer, was zunächst in einem Proliferations-Assay mit CHO (Chinese Hamster Ovary)-Zellen untersucht wurde. So proliferierten CHO-Zellen mit einer Konzentration von bis 10 mM ManNPtl 44 bzw. ManNHxl 45 normal, bei den peracetylierten Derivaten Ac4ManNPtl 49 und Ac4ManNHxl 50 zeigte auch eine Konzentration von 200 µM keinen negativen Einfluss auf die Proliferation. Auch auf das Wachstum von HeLa-S3-Zellen hatten die peracetylierten Derivate 49 und 50 bis zu einer Konzentration von 200 µM keinen negativen Einfluss1. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die folgende Arbeit, denn die Zellen sollen in Anwesenheit der modifizierten Mannosaminderivate normal wachsen und diese in die entsprechenden Stoffwechselprozesse einschleusen. Die Reaktivität von ManNPtl 44 und ManNHxl 45 in der DARinv wurde mit den in den nächsten Abschnitten beschriebenen Tetrazinen untersucht.

Abbildung 4.1 Funktionalisierung von Mannosaminhydrochlorid (46) mit verschiedenen Dienophilen und anschließende Peracetylierung.[86]

1 Die EC50 Werte für Hela-S3-Zellen wurden von Anne-Katrin Späte bestimmt. EC50 = 253 ± 28 µM für Ac4ManNPtl 49 und 252 ± 24 µM für Ac4ManNHxl 50.

(43)

4.2 Synthese und Evaluation von Tetrazin-Derivaten als Diene für die DARinv 43

4.2 Synthese und Evaluation von Tetrazin-Derivaten als Diene für die DARinv

4.2.1 Tetrazin-Derivate der ersten Generation

Nachdem terminale Alkene als Dienophile gewählt wurden, um funktionalisierte ManNAc- Derivate für eine DARinv darzustellen, galt es im nächsten Schritt, Tetrazine als Reaktionspartner für eine Anwendung unter physiologischen Bedingungen zu synthetisieren und zu evaluieren. Wießler et al. veröffentlichten 2007 ein Patent

„Verfahren zur kovalenten Verknüpfung zweier Moleküle mittels Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf“.[75c] Sie erkannten die Möglichkeit, die DARinv als chemoselektive Reaktion zu verwenden. Sie beschrieben verschieden substituierte Tetrazine, die im Sinne einer bioorthogonalen Ligationsreaktion mit geeigneten Dienophilen zur Reaktion gebracht werden können. Für eine Anwendung in biologischen Systemen muss eine geeignete Funktionalisierung des Tetrazins mit einem Marker möglich sein, und für eine hohe Reaktivität müssen die Tetrazine mit elektronenziehenden Substituenten versehen werden. Ein Beispiel sind Tetrazindicarbonsäureamide, wie in Abbildung 4.2 zu sehen. In der Arbeitsgruppe Wittmann wurden solche Tetrazinderivate für die Herstellung von Kohlenhydrat-Arrays verwendet und evaluiert und als Tetrazin erster Generation benannt.[84]

Abbildung 4.2 Tetrazindicarbonsäureamide als Tetrazine erster Generation.

In der vorliegenden Arbeit sollte die Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf zur Anfärbung von Glycanstrukturen eukaryotischer Zellen verwendet werden. Dafür muss das Tetrazin eine hinreichende Stabilität unter physiologischen Bedingungen aufweisen. Die Stabilität eines solchen Tetrazindicarbonsäureamids in DMSO ist jedoch mäßig. So sind von Tetrazindicarbonsäuredipropylamid 33 in DMSO nach 24 h bereits 15 % zersetzt[72] und auch die Stabilität in wässrigen Lösungen und gegenüber Nucleophilen ist zu gering,[84, 87] was eine Funktionalisierung des Tetrazins mit einem

(44)

44 Ergebnisse und Diskussion

Marker und den Einsatz in biologischem Milieu erschwert, so dass auf die Verwendung eines solchen Tetrazinderivates für diese Arbeit verzichtet wurde.

4.2.2 Tetrazin-Derivate der zweiten Generation

Wießler et al. schlagen in ihrem Patent als Alternative zu den im vorigen Abschnitt beschriebenen Tetrazindicarbonsäurediamiden auch Diaryl-substituierte Tetrazine vor.[75c]

Die Stabilität von Diaryl-substituierten Tetrazinen ist erwartungsgemäß höher, da nucleophile Angriffe weniger begünstigt sind. Durch die Wahl geeigneter Substituenten kann die Reaktivität beeinflusst werden. Auch ist die Darstellung von unsymmetrisch substituierten Tetrazinen möglich, was die Monofunktionalisierung mit einem Marker erlaubt. Hofmann und Ehrhart beschrieben bereits 1912 die Möglichkeit, Diaryl- substituierte Tetrazine durch Reaktion von aromatischen Nitrilen mit Hydrazinhydrat darzustellen.[74] Ein allgemeines Reaktionsschema ist in Abbildung 4.3 gezeigt. Die durch die Kondensation entstehenden Dihydrotetrazine können durch Oxidation in die entsprechenden Tetrazine umgewandelt werden.

Abbildung 4.3 Allgemeines Reaktionsschema zur Darstellung Diaryl-substituierter Dihydrotetrazine.[74]

Sollen unsymmetrisch Diaryl-substituierte Tetrazine dargestellt werden, so werden zwei unterschiedliche, aromatische Nitrile mit Hydrazin umgesetzt. Dabei muss beachtet werden, dass neben dem gewünschten Produkt auch die jeweils symmetrisch substituierten Tetrazine entstehen können und abgetrennt werden müssen. Wießler et al.

schlugen verschiedene unsymmetrisch substituierte Tetrazine vor. In der Arbeitsgruppe Wittmann wurde zunächst Tetrazin 37 gewählt, da durch die drei Stickstoffatome in den Arylsubstituenten eine gute Reaktivität bei ausreichender Stabilität erwartet wurde (siehe Abbildung 4.4.). Die gute Reaktivität von 37 bei der Umsetzung mit verschiedenen Alkenolen in DMSO wurde in der Arbeitsgruppe Wittmann bereits gezeigt[72, 84, 88]. Durch die Carboxylfunktionalität sollte die Anbringung eines Markers, wie z.B. eines Farbstoffes leicht möglich sein.

(45)

4.2 Synthese und Evaluation von Tetrazin-Derivaten als Diene für die DARinv 45

Abbildung 4.4 Tetrazin zweiter Generation.[75c]

4.2.2.1 Synthese

Abbildung 4.5 Reaktionsschema für die Darstellung von Tetrazinderivat der zweiten Generation 37.

Abbildung 4.5 zeigt das Syntheseschema von Tetrazin 37. 2-Pyrimidincarbonitril (51) war kommerziell erhältlich. 6-Cyanonikotinsäure (52) wurde nach einer Vorschrift von

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