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4.2 Synthese und Evaluation von Tetrazin-Derivaten als Diene für die DARinv

4.2.2 Tetrazin-Derivate der zweiten Generation

Wießler et al. schlagen in ihrem Patent als Alternative zu den im vorigen Abschnitt beschriebenen Tetrazindicarbonsäurediamiden auch Diaryl-substituierte Tetrazine vor.[75c]

Die Stabilität von Diaryl-substituierten Tetrazinen ist erwartungsgemäß höher, da nucleophile Angriffe weniger begünstigt sind. Durch die Wahl geeigneter Substituenten kann die Reaktivität beeinflusst werden. Auch ist die Darstellung von unsymmetrisch substituierten Tetrazinen möglich, was die Monofunktionalisierung mit einem Marker erlaubt. Hofmann und Ehrhart beschrieben bereits 1912 die Möglichkeit, Diaryl-substituierte Tetrazine durch Reaktion von aromatischen Nitrilen mit Hydrazinhydrat darzustellen.[74] Ein allgemeines Reaktionsschema ist in Abbildung 4.3 gezeigt. Die durch die Kondensation entstehenden Dihydrotetrazine können durch Oxidation in die entsprechenden Tetrazine umgewandelt werden.

Abbildung 4.3 Allgemeines Reaktionsschema zur Darstellung Diaryl-substituierter Dihydrotetrazine.[74]

Sollen unsymmetrisch Diaryl-substituierte Tetrazine dargestellt werden, so werden zwei unterschiedliche, aromatische Nitrile mit Hydrazin umgesetzt. Dabei muss beachtet werden, dass neben dem gewünschten Produkt auch die jeweils symmetrisch substituierten Tetrazine entstehen können und abgetrennt werden müssen. Wießler et al.

schlugen verschiedene unsymmetrisch substituierte Tetrazine vor. In der Arbeitsgruppe Wittmann wurde zunächst Tetrazin 37 gewählt, da durch die drei Stickstoffatome in den Arylsubstituenten eine gute Reaktivität bei ausreichender Stabilität erwartet wurde (siehe Abbildung 4.4.). Die gute Reaktivität von 37 bei der Umsetzung mit verschiedenen Alkenolen in DMSO wurde in der Arbeitsgruppe Wittmann bereits gezeigt[72, 84, 88]. Durch die Carboxylfunktionalität sollte die Anbringung eines Markers, wie z.B. eines Farbstoffes leicht möglich sein.

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Abbildung 4.4 Tetrazin zweiter Generation.[75c]

4.2.2.1 Synthese

Abbildung 4.5 Reaktionsschema für die Darstellung von Tetrazinderivat der zweiten Generation 37.

Abbildung 4.5 zeigt das Syntheseschema von Tetrazin 37. 2-Pyrimidincarbonitril (51) war kommerziell erhältlich. 6-Cyanonikotinsäure (52) wurde nach einer Vorschrift von

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Vorbrüggen et al.[89] ausgehend von Nicotinsäure-N-oxid (53) in 68 % Ausbeute hergestellt. Die beiden Nitrile wurden in äquimolaren Mengen in Ethanol suspendiert und bei 40 °C mit 5 Äquivalenten Hydrazinhydrat versetzt. Nach dem Abkühlen wurden die entstehenden Dihydrotetrazine als brauner Feststoff abfiltriert. Durch Auskochen in Aceton ging das symmetrisch substituierte Dihydrotetrazin 54 in Lösung und konnte gut abgetrennt werden. Das Gemisch aus 55 und 56 wurde in Eisessig mit Isoamylnitrit oxidiert und das dadurch entstehende Gemisch aus 37 und 57 konnte als violetter Feststoff aus Diethylether ausgefällt werden. Beim Auskochen in DMF ging das gewünschte Produkt 37 in Lösung, während das ungewünschte symmetrische Tetrazin 57 ungelöst blieb und somit abgetrennt werden konnte. Hierbei war es wichtig, frisch destilliertes DMF zu verwenden, schnell auf 80 °C zu erhitzen und sofort nach Erreichen der gewünschten Temperatur abzufiltrieren. Dadurch konnte eine Zersetzung des Tetrazins weitestgehend zurück gedrängt werden. Durch Einengen des Filtrats und Rühren des Rückstands in Methanol konnte das unsymmetrische Tetrazin 37 in 11 % Ausbeute erhalten werden. Wenn man eine statistische Reaktion der beiden Nitrile annimmt, so ist die maximal zu erreichende Ausbeute 50 %.

Das erhaltene Tetrazin sollte für die DARinv unter physiologischen Bedingungen eingesetzt werden. Dafür war die Untersuchung der Stabilität und Reaktivität im wässrigen Milieu bei relevantem pH essentiell. Da Tetrazin 37 selbst nicht gut wasserlöslich ist, musste es so modifiziert werden, dass eine gute Wasserlöslichkeit erhalten wird. Dafür wurde ein Tri(ethylenglykol)linker gewählt, da dieser bei einer späteren Funktionalisierung des Tetrazins 37 mit einem Marker ebenfalls zum Einsatz kommen könnte, um die Wasserlöslichkeit zu erhalten.

Abbildung 4.6 Synthese des Tri(ethylenglykol)linkers 61[90] zur Erhöhung der Wasserlöslichkeit von Tetrazin 37.

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Ausgehend von Tetraethylenglycol 58 wurde zunächst in zwei Schritten der azid-funktionalisierte Linker 60 nach einer Vorschrift von Shirude et al.[90] dargestellt. Durch anschließende Staudinger-Reaktion wurde Verbindung 61 erhalten (siehe Abbildung 4.6).[91]

Die Carboxylgruppe von Tetrazin 37 wurde mit dem wasserlöslichen N-Ethyl-N‘-(3-dimethylaminopropyl)carbodiimid Hydrochlorid (EDC*HCl) und N-Hydroxysuccinimid (NHS) aktiviert und in situ mit einem Äquivalent des Linkers 61 umgesetzt (siehe Abbildung 4.7). Nach vollständigem Umsatz war eine wässrige Aufarbeitung nötig, um überschüssiges EDC*HCl und NHS zu entfernen. Da zu diesem Zeitpunkt die Stabilität von 62 im Wässrigen noch unbekannt war, wurde recht zügig wässrig aufgearbeitet. Nach säulenchromatographischer Aufreinigung mit Dichlormethan und Methanol konnte 62 in mäßiger Ausbeute von 35 % erhalten werden. Dies war ein erster Hinweis, dass die Stabilität von 62 im Wässrigen bzw. Methanol eventuell nur mäßig ist.

Abbildung 4.7 Anbringen eines Tri(ethylenglycol)linkers zur Erhöhung der Wasserlöslichkeit von 37.

4.2.2.2 Untersuchung der Stabilität

Tetrazine besitzen eine charakteristische Absorptionsbande um 520 nm, die auf einen verbotenen n*-Übergang zurückgeht.[70a] Da in diesem Bereich weder die nötigen Edukte für die DARinv noch die entstehenden Reaktionsprodukte eine nennenswerte Absorption aufweisen, kann die Messung der Stabilität von Tetrazinen über die Messung der Absorption über die Zeit geschehen. Die Konzentrationsabnahme kann über das Lambert-Beersche Gesetz bestimmt werden, wobei A die gemessene Absoprtion,  der Extinktionskoeffizient [M-1*cm-1], c die Konzentration [M] und d die Schichtdicke [cm] der Probe ist.

Tetrazin 62 wurde in Puffer bei verschiedenen pH-Werten in einer Konzentration von 5 mM gelöst und die Absorption über einen Zeitraum von 20 h gemessen. In Abbildung 4.8 ist die Abnahme der Absorption bei 522 nm gegen die Zeit aufgetragen. Man erkennt

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deutlich die Abhängigkeit der Stabilität vom pH-Wert. Bei pH 7,2 ist Verbindung 62 nicht stabil, bereits nach 40 min sind etwa 50 % zersetzt. Bei pH 4,8 sind erst nach 580 min 50 % zersetzt.

Abbildung 4.8 Stabilität von Tetrazin zweiter Generation 62 (5 mM) bei verschiedenen pH-Werten.

4.2.2.3 Untersuchung der Reaktivität

Die Stabilität von Tetrazin 62 war bei pH 4,8 mäßig. Um zu untersuchen, wie schnell eine DARinv mit entsprechenden Dienophilen abläuft, wurde die Reaktion von 62 mit den Umsetzung mit ManNHxl 45 läuft wie erwartet schneller ab als die Reaktion mit ManNPtl 44, da im Vergleich zu ManNPtl 44 die elektronenziehende Amidfunktionalität weiter von der terminalen Doppelbindung entfernt ist. Dadurch ist die Elektronendichte der Doppelbindung bei ManNHxl 45 höher als bei ManNPtl 44. Wie bereits beschrieben, läuft eine DARinv von einem Dienophil mit einem gegebenen Tetrazin umso schneller ab, je elektronenreicher die Doppelbindung des Dienophils ist. Die Reaktivität von 62 bei pH 5

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ist zwar gut und die Stabilität bei diesem pH mäßig. Die DARinv sollte in dieser Arbeit jedoch zur Anfärbung von Glycanstrukturen auf der Oberfläche von lebenden Zellen zum Einsatz kommen, was einen pH Wert von 7 nötig macht. Bei pH 7 ist die Stabilität von 62 nicht ausreichend (siehe Abbildung 4.8 ), so dass auch das Tetrazin zweiter Generation nicht für die Verwendung im Metabolischen Oligosaccharid-Engineering zum Einsatz kam.

Abbildung 4.9 Stabilität des Tetrazinderivats zweiter Generation 62 (5 mM) in Acetatpuffer (pH 4,8) und seine Umsetzung mit 1,1 Äquivalenten ManNPtl 44 bzw. ManNHxl 45 in Acetatpuffer (pH 4,8).