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2.4 Detektion der modifizierten Glycanstrukturen durch Metabolisches Oligosaccharid-Engineering

2.4.1 Bisher verwendete Ligationsreaktionen für die Detektion

2.4.1.1 Die Reaktion von Ketonen mit Hydraziden

Abbildung 2.11 Die Hydrazonbildung durch die Reaktion eines Ketons mit einem Hydrazid als mögliche bioorthogonale Ligationsreaktion.

Durch metabolischen Einbau von ManNLev 6 in sialylierte Glycokonjugate gelang es Mahal et al., Zelloberflächen mit Ketonen zu modifizieren.[38] Natürlicherweise sind auf Zelloberflächen Ketone kaum zu finden. Ketone reagieren mit Hydraziden unter Ausbildung eines Acyl-Hydrazons (Abbildung 2.11).[39] Durch die Reaktion der Ketone auf der Zelloberfläche mit einem Hydrazid-funktionalisierten Biotin und anschließender Inkubation mit FITC-markiertem Avidin gelang erstmalig die direkte Detektion chemisch modifizierter sialylierter Glycokonjugate. Mittels Durchflusszytometrie konnte der Einbau von ManNLev 6 in Sialinsäuren quantifiziert werden. Auch wenn diese Reaktion erfolgreich angewendet werden konnte, so sind dennoch Einschränkungen gegeben. Die Hydrazonbildung läuft zwar in guter Ausbeute ab und benötigt keine erhöhten Temperaturen oder toxischen Katalysatoren. Allerdings ist ein pH von 5 für eine schnelle Reaktionsgeschwindigkeit geeignet. Dies macht die Anwendung in lebenden Organismen unmöglich, denn bei physiologischem pH läuft die Reaktion sehr langsam ab. Daher mussten alternative Reaktionstypen gefunden werden.

2.4.1.2 Die Staudinger-Ligation

Bereits 1919 berichteten Staudinger und Meyer über die Reaktion von Aziden mit Phosphanen unter Ausbildung eines Aza-Ylids.[40] Das entstehende Aza-Ylid hydrolysiert spontan, und es entstehen ein Amin und ein Phosphanoxid (Abbildung 2.12).

Abbildung 2.12 Allgemeines Schema der Staudinger-Reaktion und anschließende Hydrolyse des entstehenden Aza-Ylids.

Im Jahr 2000 erkannte Bertozzi das Potential dieser Reaktion als bioorthogonale Ligationsmethode.[30] Die Phosphane wurden mit einer Esterfunktionalität modifiziert, welche als elektrophile Falle dienen sollte (siehe Abbildung 2.13) Das enstehende Aza-Ylid

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kann mit der Carbonylgruppe reagieren und durch anschließende Hydrolyse wird ein Amid gebildet.

Abbildung 2.13 Amidbildung durch die Staudinger-Ligation zwischen einem Azid und einem Phosphan.[30]

Die sogenannte Staudinger-Ligation konnte dadurch für Zelloberflächen-Engineering eingesetzt werden. Jurkat-Zellen wurden in Anwesenheit von peracetyliertem azidmodifiziertem Mannosamin (Ac4ManNAz) kultiviert. Nach Inkubation mit einem biotinylierten Phosphan und FITC-markiertem Avidin zeigten diese Zellen eine wesentlich höhere Fluoreszenzintensität als Zellen, die ohne Ac4ManNAz kultiviert worden waren.

Seitdem wurde die Staudinger-Ligation für zahlreiche Untersuchungen erfolgreich eingesetzt.[41] Durch weitere Modifikation des Phosphans ist dessen Abspaltung im entstehenden Ligationsprodukt möglich. Dies erlaubt die selektive Verknüpfung zweier Moleküle unter physiologischen Bedingungen. Diese Methode führt zu natürlichen Amidbindungen und ist als spurlose Staudinger-Ligation bekannt.[42] Durch Einsatz von Phosphinothioestern konnten synthetische Peptidfragmente in guter Ausbeute dargestellt werden, was ein wichtiger Schritt in der Proteinsynthese ist.[43] Die Staudinger-Ligation wurde ebenfalls für die spezifische Anknüpfung von Proteinen auf modifizierten Glasträgern für Microarrays verwendet, z.B. um eine katalytische Aktivität von Proteinen zu untersuchen.[44] Eine chemoselektive Proteinmodifikation war mit dieser Reaktion ebenfalls gut zugänglich.[45] Durch kinetische Untersuchungen wurde für die Staudinger-Ligation in CH3CN/H2O (v/v 95/5) eine Geschwindigkeitskonstante zweiter Ordnung von k = 0,002 M-1s-1 bestimmt.[46] Dies bedeutet eine ausreichende Geschwindigkeit für eine erfolgreiche biologische Anwendung. Allerdings konnte auch gezeigt werden, dass die Staudinger-Ligation bei Verwendung von Aziden mit elektronenziehenden Resten schneller abläuft. Nicht für alle Anwendungen können solche Azide verwendet werden.

Zudem sind Phosphane nur bedingt stabil und können je nach Substitutionsmuster leicht

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oxidieren. Die Staudinger-Ligation wurde und wird zwar für viele Zwecke erfolgreich eingesetzt, dennoch muss je nach Anwendung eine alternative Ligationsmethode herangezogen werden.

2.4.1.3 Die 1,3-dipolare Azid-Alkin-Cycloaddition (Clickreaktion)

Bereits 1963 berichtete Huisgen über 1,3-dipolare Cycloadditionen als geeigneten synthetischen Zugang zu fünfgliedrigen Heterocyclen.[47] Ein Beispiel ist die Reaktion eines Azids mit einem terminalen Alkin, wodurch ein Triazol gebildet wird (Abbildung 2.14 a).

Diese Reaktion benötigt jedoch hohe Temperaturen und lange Reaktionszeiten, was eine Anwendung im biologischen Milieu unmöglich macht. 2002 beschrieben die Gruppen um Meldal[48] und Sharpless[49] unabhängig voneinander die Verwendung von Kupfersalzen für die Katalyse dieser Cycloaddition. Dadurch war die Reaktion auch bei Raumtemperatur, mit hoher Geschwindigkeit und mit guten Ausbeuten durchführbar.

Zudem entsteht durch Kupferkatalyse im Gegensatz zur thermischen Variante ausschließlich das 1,4-substituierte Triazol (Abbildung 2.14 b). Die 1,3-dipolare Azid-Alkin-Cycloaddition wurde in die Reihen der Clickchemie aufgenommen und wird heutzutage fast ausschließlich als Clickreaktion bezeichnet. Sharpless führte diesen Begriff für Reaktionen ein, die mit leicht zugänglichen Reaktanden und in sehr guten Ausbeuten ablaufen. Mögliche Nebenprodukte sollen ohne großen Aufwand abgetrennt werden können und die Reaktion soll eine große Anwendungsbreite besitzen und daher im Wässrigen und unter Sauerstoffatmosphäre durchführbar sein.[50] Weder Alkine noch Azide kommen natürlicherweise in Organismen vor. Dadurch ist die chemoselektive Reaktion von azidmodifizierten Glycanstrukturen in Zelllysaten oder auch auf der Oberfläche von Zellen mit Alkinen und somit ihre Detektion möglich. Der Sialinsäurebiosyntheseweg ist ebenfalls für alkinmodifiziertes Mannosamin (ManNAlk 12, siehe Abbildung 2.9) durchlässig. Die durch MOE alkinmodifizierte Sialinsäure konnte von Chang et al. in fixierten Zellen und in Zelllysat durch ein biotinyliertes Azid erfolgreich detektiert werden.[31] Die kupferkatalysierte Clickreaktion (CuAAC) konnte in den letzten Jahren nicht nur für die Detektion modifizierter Sialinsäure erfolgreich angewendet werden, sondern auch für weitere zahlreiche biologische Fragestellungen, von denen hier nur einige genannt werden sollen. So konnten durch die CuAAC fucosylierte Proteine detektiert werden.[33, 51] Auch für die Modifizierung von Viren[52] und aktivitätsbasiertes Protein-Profiling[53] wurde die CuAAC erfolgreich eingesetzt.

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Abbildung 2.14 Die 1,3-dipolare Azid-Alkinycloaddition als thermische Variante (a), kupferkatalysiert (b) oder ringspannungsvermittelt (c).

Die Verwendung von Kupfer stellt für viele Anwendungen kein Problem dar. Für Bakterien und Säugetierzellen ist Kupfer ab einer gewissen Konzentration jedoch toxisch.[54] Um dieses Problem zu umgehen, wurden chelatisierende Liganden wie TBTA,[55] THPTA[56]

oder BTTES[57] entwickelt (Abbildung 2.15), durch welche eine geringere Kupferkonzentration für die Ligation nötig ist.[56] Durch Verwendung von THPTA und Aminoguanidin konnten sialylierte Glycane lebender Zellen durch kupferkatalysierte Clickreaktion detektiert werden.[58]

Abbildung 2.15 Chelatisierende Liganden für die Verwendung in der kupferkatalysierten Clickreaktion.

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Eine Alternative zur 1,3-dipolaren Cycloaddition zwischen Aziden und terminalen Alkinen ist die Verwendung von Cyclooktinen (siehe Abbildung 2.14 c). Das Cyclooktin besitzt aufgrund seiner Geometrie eine hohe Ringspannung.[59] Die treibende Kraft dieser Reaktion stellt die geringere Ringspannung des entstehenden Triazols dar. Diese Vermutung stellten Blomquist und Liu bereits 1953 auf, als sie die spontane Reaktion von Cyclooktin mit Phenylazid beobachteten.[60] 1961 berichteten auch Wittig und Krebs über die Reaktion von Phenylazid mit Cyclooktin, welche zur Ausbildung des entsprechenden Triazols führt.[61] Dieser Reaktionstyp wird daher auch ringspannungsvermittelte Clickreaktion (SPAAC) genannt. Die kupferfreie Azid-Alkin-Cycloaddition läuft langsamer ab als die kupferkatalysierte Variante. Durch elektronenziehende Reste in -Position der Dreifachbindung kann die Reaktivität des Cyclooktins jedoch gesteigert werden. Die Gruppe um Bertozzi konnte 2004 zeigen, dass die Reaktivität durch Substitution mit einem Ether in -Position (Verbindung 22 siehe Abbildung 2.16) gesteigert werden kann und nutzte die kupferfreie Clickreaktion zur chemoselektiven Modifizierung eines azidmodifizierten Glycoproteins.[62] Seitdem ist die Weiterentwicklung von Cyclooktinderivaten ein wichtiges Forschungsgebiet. Durch Substitution mit Fluorid wurde das Cyclooktinderivat 23 entwickelt, um erfolgreich modifizierte Glycane zu detektieren.[63] Die Gruppe um Boons entwickelte 2008 das dibenzylsubstituierte Cyclooktin 24, welches erfolgreich zur Anfärbung von azidmodifizierten Glycanen auf der Zellmembran,[64] aber auch in intrazellulären Strukturen angewendet wurde.[65] Aber nicht nur die Reaktivität ist ein wichtiges Kriterium bei der Weiterentwicklung der Cyclooktine.

Auch wurde über unspezifische Nebenreaktionen berichtet.[66] So kann eine unerwünschte Reaktion mit Thiolen zu unspezifischer Anfärbung führen.[67] Diese Nebenreaktionen sollten, so weit möglich, zurückgedrängt werden. Das erst kürzlich von Boons entwickelte sulfatierte dibenzylsubstituierte Cyclooktin 25 ist nicht zellgängig.

Dadurch ist es gut geeignet, um azidmodifizierte Glycane auf Zelloberflächen zu detektieren.[65]

Abbildung 2.16 Beispiele für reaktive Cyclooktinderivate, die für eine Anfärbung von azidmodifizierten Glycanen geeignet sind.

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