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4.3 Die DARinv für die Fluoreszenzanfärbung modifizierter Sialinsäuren auf Zelloberflächen

4.3.2 Fluoreszenzmikroskopie mit Diaryl-substituierten Tetrazinderivaten

Die Anwendbarkeit der DARinv sollte durch konfokale Fluoreszenzmikroskopie untersucht werden. Als Modelsystem wurden verschiedene adhärente Zelllinien gewählt, die bekanntermaßen sialylierte Glycanstrukturen auf der Zelloberfläche exprimieren.

Adhärente Zellen lassen sich leicht mikroskopieren, was einen großen Vorteil gegenüber Suspensionszellen bedeutet. Durch Fluoreszenzmikroskopie lässt sich die zu untersuchende Glycanstruktur direkt visualisieren und somit auch lokalisieren. In der vorliegenden Arbeit wurden Zellen vom Typ CHO (Chinese Hamster Ovary), HeLa-S3 und HEK-293T (Human Embryonic Kidney) verwendet.

Fluoreszenzmikroskopie mit Tetrazinderivaten der dritten Generation

Zunächst wurden CHO-Zellen mit den dienophil-modifizierten peracetylierten ManNAc-Derivaten Ac4ManNPtl 49 bzw. Ac4ManNHxl 50 für zwei bis drei Tage kultiviert. Die Konzentration an unnatürlichem Zucker wurde dabei zwischen 100 µM und 200 µM variiert. Die Konzentrationen lagen in einem Bereich, in dem die Zellen, wie bereits gezeigt, normal proliferieren (siehe Kapitel 4.1). Die nötige Konzentration an Tetrazin und die Inkubationszeit mussten zunächst empirisch ermittelt werden. Da die Geschwindigkeit der verwendeten DARinv vergleichbar mit der in der Literatur verwendeten Staudinger-Ligation ist, wurde die Konzentration an Tetrazin in Anlehnung an Literaturdaten der Staudinger-Ligation gewählt. Die Zellen wurden in einem Konzentrationsbereich von 250 µM bis 1 mM des fluoreszenzmarkierten Tetrazins 95 für einen Zeitraum von 1 h bis 6 h inkubiert. Nach gründlichem Waschen der Zellen wurden diese fluoreszenzmikroskopisch analysiert. Es zeigte sich, dass eine Inkubation von mindestens 3 h nötig ist, um eine Anfärbung der modifizierten Glycanstrukturen zu erzielen. In

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Abbildung 4.41 sind CHO-Zellen zu sehen, welche für zwei Tage mit 100 µM Ac4ManNPtl 49 oder als Negativkontrolle ohne zusätzlichen Zucker kultiviert wurden. Für die DARinv wurden die lebenden Zellen für 6 h mit 500 µM 95 inkubiert. Man erkennt eine deutliche Zellmembranfärbung der Zellen, welche mit dienophilmodifiziertem Ac4ManNPtl 49 gewachsen waren. Zusätzlich kann man eine intrazelluläre Anfärbung erkennen. Bei den Zellen, die ohne Ac4ManNPtl 49 gewachsen sind, ist die Zellmembran nicht angefärbt, jedoch sieht man auch hier eine intrazelluläre Anfärbung. Diese Hintergrundanfärbung erschwert die Differenzierung zwischen der untersuchten Glycanstruktur und unspezifischer Anfärbung. Mit den erhaltenen Bildern konnte dennoch gezeigt werden, dass mit der DARinv prinzipiell eine Anfärbung modifizierter Glycanstrukturen auf der Zellmembran gelingt.

Abbildung 4.41 CHO-Zellen wurden für 2 Tage in normalem Medium mit 100 µM Ac4ManNPtl 49 (links) oder ohne zusätzlichen Zucker (rechts) kultiviert. Die Zellen wurden anschließend mit 500 µM Tetrazin-Lissamin 95 für 6 h bei 37 °C inkubiert. Maßstab = 30 µM

Eine Optimierung der Bedingungen war dennoch nötig, um unspezifische Anfärbung soweit wie möglich zu unterbinden. Eine Alternative zu Fluoreszenzfarbstoffen stellt Biotin als Markierung dar. Dies kann in einem zweiten Schritt durch fluoreszenzmarkiertes Streptavidin visualisiert werden. Streptavidin ist aufgrund seiner Größe nicht zellmembrangängig. Dadurch ist eine unspezifische intrazelluläre Anfärbung nicht möglich. Das biotinylierte Tetrazin 100 war erwartungsgemäß aufgrund der geringeren Polarität schlechter im wässrigen Medium löslich. Durch Verdünnen einer Stammlösung in DMSO mit Medium war dennoch eine Endkonzentration von 1 mM möglich. Wie bei den bereits beschriebenen Experimenten wurden CHO-Zellen mit 100 µM bis 200 µM der dienophilmodifizierten Derivate Ac4ManNPtl 49 bzw. Ac4ManNHxl 50 für zwei bis drei Tage kultiviert. Anschließend wurden die Zellen mit dem biotinmarkierten Tetrazin 100 inkubiert. Auch hier wurden zu Beginn Inkubationszeiten zwischen 3 h und 6 h und Konzentrationen von 250 µM bis 1 mM getestet, um optimale Bedingungen zu erhalten.

Der große Vorteil bei der Verwendung von biotinmarkiertem Tetrazin ist die Möglichkeit, eine höhere Konzentration verwenden zu können, da der Überschuss nach erfolgter Reaktion weggewaschen werden kann. Eine Anfärbung der Zellmembran konnte bereits bei Inkubation der CHO Zellen mit 500 µM biotinmarkiertem Tetrazin 100 erhalten werden. Anschließend wurden die Zellen mit AlexaFluor-647-markiertem Streptavidin

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(AF647-Streptavidin) inkubiert (siehe Abbildung 4.42). Bei den Zellen, welche vor der Anfärbung mit zusätzlichem Ac4ManNPtl 49 gewachsen waren, ist deutlich eine Anfärbung der Zellmembran zu erkennen. Wie erwartet ist keine unspezifische intrazelluläre Anfärbung zu detektieren. Vergleicht man die erhaltenen Bilder mit den vorherigen, so fällt die deutlich geringere Intensität der Zellmembranfärbung auf. Die Intensität der Zellmembranfärbung konnte auch durch Erhöhung der Konzentration sowohl von Biotin-Tetrazin 100 auf 1 mM als auch von AF647-Streptavidin nicht signifikant erhöht werden. Dennoch zeigten diese ersten Ergebnisse bei Verwendung von CHO-Zellen die prinzipielle Anwendbarkeit der DARinv mit Tetrazin-Biotin 100 für Metabolisches Oligosaccharid-Engineering. Um die allgemeine Anwendbarkeit zu zeigen und um die Methode weiter zu optimieren, wurden im Folgenden HeLa-S3-Zellen und HEK-293T-Zellen verwendet. Diese Zellen exprimieren im Vergleich zu den bisher verwendeten CHO-Zellen eine größere Menge an Sialinsäuren auf der Zellmembran.

Dadurch sollte ein besseres Signal für die Anfärbung der Glycane auf der Zellmembran

HeLa-S3-Zellen und HEK-293T-Zellen wurden ebenfalls unter Anwesenheit der peracetylierten Derivate Ac4ManNPtl 49 und Ac4ManNHxl 50 für zwei bis drei Tage kultiviert und anschließend mit Tetrazin-Biotin 100, sowie AlexaFluor-647-markiertem Streptavidin inkubiert (siehe Abbildung 4.43 und Abbildung 4.44). Man sieht deutlich die Membranfärbung bei den unter Anwesenheit modifizierter Zucker gewachsenen Zellen.

Als Negativkontrolle dienten wiederum Zellen, welche gleich behandelt wurden.

Allerdings waren die Zellen zuvor ohne zusätzliches Ac4ManNPtl 49 bzw. Ac4ManNHxl 50 gewachsen. Bei diesen Zellen ist wie erwartet keine Anfärbung zu detektieren. Vergleicht man die Signalstärke der Membranfärbung der HeLa-S3-Zellen und der HEK-293T-Zellen mit der Membranfärbung der CHO-Zellen, so ist die Anfärbung der beiden humanen Zelllinien deutlich stärker. Dies lässt sich durch eine höhere Sialinsäureexpression auf diesen Zellen erklären. Um eine bessere Orientierung innerhalb der Zelle zu haben und um sicher zu gehen, dass sich die Zellen trotz der Behandlung normal verhalten, wurde

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zusätzlich zu Durchlichtaufnahmen auch eine Zellkernfärbung mit Hoechst 33342 durchgeführt (siehe Abbildung 4.45). Hier wird deutlich, dass die Zellen durch die DARinv keinen nennenswerten Schaden nehmen. Wie bereits erwähnt wurden als Dienophile zwei verschieden reaktive ManNAc Derivate Ac4ManNPtl 49 und Ac4ManNHxl 50 verwendet. Es wurde erwartet, dass das weniger reaktive Ac4ManNPtl 49 aufgrund der geringeren Größe besser von den Zellen aufgenommen werden kann, was die geringere Reaktivität kompensieren würde. Im Vergleich eignen sich beide Derivate gleichermaßen für die Anfärbung sialylierter Strukturen auf der Zellmembran. Auffallend ist, dass bei HEK-293T-Zellen eine Hintergrundfärbung bei den Negativkontrollen deutlich geringer ausfällt, als es bei den verwendeten HeLa-S3-Zellen der Fall ist. Die unspezifischen Ablagerungen konnten auch durch wiederholtes Waschen nicht komplett vermieden werden.

Abbildung 4.43 HEK-293T-Zellen wurden für 2 Tage unter Standardbedingungen unter Zugabe von 100 µM Ac4ManNPtl 49 (oben links) oder 100 µM Ac4ManNHxl 50 (unten links) oder ohne zusätzlichen Zucker (rechts) kultiviert. DARinv mit 1 mM Tetrazin-Biotin 100 für 6 h bei 37°C und anschließende Inkubation mit AlexaFluor-647-markiertem Streptavidin. Maßstab = 30 µM[86]

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Abbildung 4.44 HeLa-S3-Zellen wurden für 2 Tage unter Standardbedingungen unter Zugabe von 100 µM Ac4ManNPtl 49 (oben links) oder 100 µM Ac4ManNHxl 50 (unten links) oder ohne zusätzlichen Zucker (rechts) kultiviert. DARinv mit 1 mM Tetrazin-Biotin 100 für 6 h bei 37°C und anschließende Inkubation mit AlexaFluor-647-markiertem Streptavidin. Maßstab = 30 µM

Abbildung 4.45 HeLa-S3-Zellen wurden für 2 Tage unter Standardbedingungen unter Zugabe von 100 µM Ac4ManNPtl 49 (links) oder 100 µM Ac4ManNHxl 50 (Mitte) oder ohne zusätzlichen Zucker (rechts) kultiviert. DARinv mit 1 mM Tetrazin-Biotin 100 für 6 h bei 37°C und anschließende Inkubation mit AlexaFluor-647-markiertem Streptavidin. Der Zellkern wurde mit Hoechst 33342 gefärbt. Maßstab = 30 µM

Fluoreszenzmikroskopie mit Tetrazinderivaten der vierten Generation

Vorangehend wurden Tetrazinderivate dritter Generation erfolgreich für die Anfärbung sialylierter Strukturen verwendet. Das Tetrazin der vierten Generation 78 wurde ebenso mit einem Fluoreszenzfarbstoff bzw. Biotin funktionalisiert (siehe Kapitel 4.3.1) und die erhaltenen Verbindungen 96 und 101 sollten für die Anfärbung verwendet werden. CHO-Zellen wurden in Anwesenheit von Ac4ManNPtl 49 für 3 Tage kultiviert und mit 500 µM des farbstoffmarkierten Tetrazin 96 für 6 h bei 37 °C inkubiert. Die erhaltenen Bilder sind vergleichbar mit den in Abbildung 4.41 gezeigten. Jedoch ist hier eine wesentlich stärkere intrazelluläre unspezifische Anfärbung vorhanden. Diese starke Hintergrundfärbung

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macht eine genaue Aussage über die Lokalisation der zu untersuchenden Strukturen unmöglich. Daher wurde das farbstoffmarkierte Tetrazin der vierten Generation für diese Arbeit nicht weiter verwendet. Das biotinmarkierte Tetrazin 101 konnte jedoch erfolgreich für die Anfärbung dienophilmodifizierter Glycane auf der Zellmembran verwendet werden (siehe Abbildung 4.46 und Abbildung 4.47). HeLa-S3-Zellen und HEK-293T-Zellen wurden unter Standardbedingungen mit Ac4ManNPtl 49 oder ohne zusätzlichen Zucker kultiviert. Nach der Inkubation mit dem biotinylierten Tetrazin 101 wurde mit AlexaFluor-647-markiertem Streptavidin angefärbt. Da die Reaktivität der beiden Diaryl-substituierten Tetrazine vergleichbar ist, wurde 101 ebenfalls in einer Konzentration von 1 mM verwendet. Die besten Ergebnisse wurden hierbei bei einer Inkubationsdauer von 6 h bei 37 °C erzielt. Auch mit diesem Tetrazin war für die Anfärbung eine Zuckerkonzentration von 100 µM bis 150 µM ausreichend. Die Ergebnisse mit dem biotinmarkierten Tetrazin der vierten Generation sind mit denen des biotinmarkierten Tetrazins der dritten Generation vergleichbar. Es lässt sich zusammenfassend sagen, dass die beiden Daryl-substituierten Tetrazine 100 und 101 beide gleichermaßen für eine Anfärbung modifizierter Glycane auf der Zellmembran geeignet sind.

Abbildung 4.46 HEK-293T-Zellen wurden für 2 Tage unter Standardbedingungen unter Zugabe von 100 µM Ac4ManNPtl 49 (links) oder ohne zusätzlichen Zucker (rechts) kultiviert. DARinv mit 1 mM Tetrazin-Biotin 101 für 6 h bei 37°C und anschließende Inkubation mit AlexaFluor-647-markiertem Streptavidin. Maßstab = 30 µM

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Abbildung 4.47 HeLa-S3-Zellen wurden für 2 Tage unter Standardbedingungen unter Zugabe von 150 µM Ac4ManNPtl 49 (links) oder 100 µM Ac4ManNPtl 49 (Mitte) oder ohne zusätzlichen Zucker (rechts) wachsen gelassen. DARinv mit 1 mM Tetrazin-Biotin 101 für 6 h bei 37°C und anschließende Inkubation mit AlexaFluor-647-markiertem Streptavidin. Maßstab = 30 µM

4.3.3 Fluoreszenzmikroskopie mit einem Monoaryl-substituierten