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4.2 Synthese und Evaluation von Tetrazin-Derivaten als Diene für die DARinv

4.2.3 Tetrazin-Derivate der dritten Generation

Tetrazin 62 mit drei elektronenziehenden Stickstoffatomen in den Aryl-Substituenten erwies sich zwar als sehr reaktiv in der DARinv, jedoch war die Stabilität im Wässrigen bei einem relevantem pH von 7 nicht ausreichend (siehe Kapitel 4.2.2). Wießler et al.

beschrieben in ihrem Patent weitere Diaryl-substituierte 1,2,4,5-Tetrazine, wobei keine Angabe zur Reaktivität und Stabilität gemacht wurde.[75c] Die Reaktivität eines Tetrazins ist umso höher, je elektronenziehender die Substituenten sind. Allerdings wird dadurch auch die Stabilität erniedrigt, da nucleophile Angriffe und dadurch eine Zersetzung begünstigt werden. Da drei Stickstoffatome im Substitutionsmuster die Stabilität zu sehr verringern, wurde Tetrazin 63 gewählt, welches nur zwei Stickstoffatome in den Aryl-Substituenten enthält (siehe Abbildung 4.10). Es wurde erwartet, dass durch den

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600

Absorption

Zeit in min

Stabilität ManNPtl ManNHxl

50 Ergebnisse und Diskussion

geringeren elektronenziehenden Effekt der Substituenten eine höhere Stabilität in wässrigem Medium resultiert, die Reaktivität aber dennoch ausreichend hoch bleibt.

Abbildung 4.10 Tetrazin dritter Generation 63[75c].

4.2.3.1 Synthese

Das Syntheseschema von 63 ist in Abbildung 4.11 zu sehen. 4-Cyanobenzoesäure 64 wurde äquimolar mit 2-Pyrimidincarbonitril (51) in Ethanol suspendiert. Nach Zugabe von fünf Äquivalenten Hydrazinhydrat wurde das Gemisch zum Rückfluss erhitzt. Nach dem Abkühlen wurde der entstandene braune Feststoff abfiltriert. Durch Auskochen in Aceton konnte das symmetrisch substituierte Dihydrotetrazin 54 weitestgehend abgetrennt werden. Das Gemisch aus 65 und 66 wurde in Eisessig gelöst, und nach Zugabe von Isoamylnitrit wurden die beiden Tetrazine 63 und 67 mit Diethylether als rosa Feststoff ausgefällt. Durch Umkristallisation in Eisessig konnte das gewünschte unsymmetrisch substituierte Tetrazin 63 als rosa Feststoff erhalten werden, es enthielt lediglich sehr geringe Spuren der ungewünschten Disäure 67.[76b]

Für die Untersuchung der Stabilität und Reaktivität des Tetrazins dritter Generation wurde es ebenfalls mit dem Tri(ethylenglycol)linker 61 versehen (siehe Abbildung 4.12).

Die Darstellung erfolgte analog zum Tetrazin zweiter Generation durch Umsetzung mit dem aminofunktionalisierten Linker 61 nach Aktivierung der Carboxylgruppe des Tetrazins 63 mit NHS und EDC Hydrochlorid. Nach säulenchromatographischer Aufreinigung konnte Verbindung 68 in 55 % Ausbeute erhalten werden, was einem besseren Wert entspricht als bei 62. Dies war bereits ein erster Hinweis auf eine möglicherweise höhere Stabilität von 68.

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Abbildung 4.11 Syntheseschema des Tetrazins dritter Generation 63[76b].

Abbildung 4.12 Anbringen des Tri(ethylenglycol)linkers 61 zur Erhöhung der Wasserlöslichkeit von 63.[86]

4.2.3.2 Untersuchung der Stabilität und Reaktivität

Zur Untersuchung der Stabilität wurde Tetrazin 68 in Puffer bei verschiedenen pH Werten gelöst und die Absorption wurde über einen Zeitraum von bis zu 20 h gemessen.

Vergleicht man die Stabilität von 62 (Abbildung 4.8) mit der von 68 (Abbildung 4.13), so

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wird die bessere Stabilität vom Tetrazin der dritten Generation deutlich. Dies lässt sich durch das veränderte Substitutionsmuster erklären. Die Elektronendichte des Tetrazins der dritten Generation wird nicht so sehr verringert wie bei Tetrazinen zweiter Generation. Das sollte zwar auch die Reaktivität in einer DARinv verringern, aber ebenso sind nucleophile Angriffe, die zur Zersetzung des Tetrazins führen, weniger begünstigt und die Stabilität dadurch erhöht. Bei pH 4,8 ist Tetrazin 68 auch über mehrere Stunden sehr stabil. Die Stabilität bei pH 7,2 ist geringer, nach 20 h sind bereits 50 % zersetzt. Die Stabilität ist aber deutlich besser als die von Verbindung 62. Eine ausreichende Stabilität bei pH 7,2 ist für die Anwendung in einer DARinv auf lebenden Zellen essentiell. Zwar tritt bei pH 7,2 bereits nach wenigen Stunden eine Zersetzung ein, würde die DARinv mit geeigneten Dienophilen jedoch schneller ablaufen, als die Zersetzung eintritt, so würde dies kein Problem darstellen. Im folgenden Abschnitt wird daher die DARinv von 68 mit ManNPtl 44 und ManNHxl 45 als Dienophile untersucht.

Abbildung 4.13 pH-Wert abhängige Stabilität von Tetrazin dritter Generation 68 (5 mM).

Für die Untersuchung der Reaktivität wurde das mit einem Tri(ethylenglycol)linker modifizierte Tetrazin 68 mit ManNPtl 44 bzw. ManNHxl 45 umgesetzt. Die Reaktion wurde analog wie in 4.2.2.3 beschrieben über die Messung der Absorption bei 522 nm verfolgt (siehe Abbildung 4.14). Für die spätere Bestimmung der Geschwindigkeitskonstante k der DARinv wurden diese Messungen in Triplikaten durchgeführt. Auch hier erkennt man die höhere Reaktivität von ManNHxl 45 im

4.2 Synthese und Evaluation von Tetrazin-Derivaten als Diene für die DARinv 53

Vergleich zu ManNPtl 44. Allgemein läuft die Reaktion von ManNPtl 44 bzw. ManNHxl 45 mit dem Tetrazin dritter Generation etwa dreimal langsamer ab als mit dem Tetrazin zweiter Generation. Ein genauer Vergleich mit dem Tetrazin der zweiten Generation ist kaum möglich, da im Gegensatz zu 68 das Tetrazin der zweiten Generation 62 bei pH 4,8 während der Reaktion zusätzlich auch eine Zersetzung aufzeigt. Dies war durch das geänderte Substitutionsmuster der Arylreste in gewissem Maße erwartet worden.

Dennoch lief die Reaktion mit einer Geschwindigkeit ab, die vielversprechend für eine Anwendung im Metabolischen Oligosaccharid-Engineering war. Ebenso sprach die deutlich erhöhte Stabilität des Tetrazins dritter Generation im Vergleich zu den zuvor beschriebenen Derivaten für eine weitere Verwendung eines solchen Derivates in dieser Arbeit.

Abbildung 4.14 Umsetzung von Tetrazin 68 (5 mM) mit 1,1 eq ManNPtl 44 bzw. ManNHxl 45 bei pH 4,8.

4.2.3.3 Bestimmung von Geschwindigkeitskonstanten für die DARinv

Bisher wurde die Stabilität und Reaktivität der verschiedenen Tetrazine in der DARinv qualitativ betrachtet. Dadurch wurde entschieden, ob die Derivate sinnvollerweise im Metabolischen Oligosaccharid-Engineering eingesetzt werden können. Ein genauer Vergleich erfordert eine quantitative Betrachtung der Reaktivitäten. Dadurch ist auch der Vergleich mit bereits etablierten Methoden, wie der Clickreaktion und der Staudinger-Ligation möglich.

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Bestimmung der Geschwindigkeitskonstante nach Reaktion zweiter Ordnung bei gleicher Anfangskonzentration von Dien und Dienophil

Die Diels-Alder-Reaktion mit inversem Elektronenbedarf (DARinv) läuft nach einem Geschwindigkeitsgesetz zweiter Ordnung ab. Ein Molekül Dien reagiert dabei mit einem Molekül Dienophil und es gilt der folgende Zusammenhang mit r = Reaktionsgeschwindigkeit und k2 = Geschwindigkeitskonstante zweiter Ordnung.

[ ] [ ]

[ ] [ ] (1)

Werden Dien und Dienophil in der gleichen Anfangskonzentration eingesetzt, so gilt [Dien] = [Dienophil] und die Formel kann vereinfacht werden. Man erhält nach Integration

[ ] [ ] (2)

Wird nun 1/[Dien] gegen die Zeit aufgetragen, so wird eine Gerade mit der Steigung k2

erhalten. Der Achsenabschnitt beträgt 1/[Dien]0.

Die DARinv zwischen Tetrazinen und Dienophilen wurde durch Messung der Absorption A im Bereich um 520 nm verfolgt. Über das Gesetz von Lambert-Beer konnte dadurch die Dien-Konzentration in Abhängigkeit der Zeit bestimmt werden. Zuvor wurde jeweils der Extinktionskoeffizient der Tetrazine bestimmt (Kapitel 6.1.3). Durch Auftragen von 1/[Dien] gegen die Zeit wurde die Geschwindigkeitskonstante k2 für die DARinv n bestimmt (siehe Tabelle 1). Die ermittelten Werte für die Geschwindigkeitskonstanten sind vergleichbar mit denen der Staudinger-Ligation (0,002 M-1s-1 in CD3CN/MeOH 95:5[46]). Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine weitere Verwendung der evaluierten Tetrazinderivate in der vorliegenden Arbeit für das Metabolische Oligosaccharid-Engineering.

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Abbildung 4.15 Umsetzung von 68 (3 mM) mit ManNPtl 44 (3 mM) bzw. ManNHxl 45 (3 mM) in Acetatpuffer (pH 4,8). Zur Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten wird 1/ [Dien] gegen die Zeit aufgetragen. Die erhaltenen Regressionsgeraden haben die Steigung k2.

Tabelle 1 Geschwindigkeitskonstanten k2 für die DARinv zwischen Tetrazin 68 mit ManNPtl 44 bzw.

ManNHxl 45 in Acetatpuffer bei pH 4,8. Die Edukte hatten jeweils eine Anfangskonzentration von 3 mM.

ManNPtl 44 ManNHxl 45

0,021 ± 0,00078 M-1s-1 0,041 ± 0,0032 M-1s-1

Bestimmung der Geschwindigkeitskonstante nach Reaktion zweiter Ordnung bei unterschiedlicher Anfangskonzentration von Dien und Dienophil

Der vorangehende Zusammenhang gilt nur, wenn Dien und Dienophil in gleicher Anfangskonzentration eingesetzt werden. Sollen die beiden Edukte in unterschiedlichen Konzentrationen eingesetzt werden, so gilt der folgende Zusammenhang.

[ ] [ ] [ ] [ ]

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Durch Auftragen des linken Teils der Gleichung (3) gegen die Zeit t wird eine Gerade mit der Steigung k2 erhalten (siehe Abbildung 4.16).

Die DARinv zwischen Tetrazin 68 und ManNPtl bzw. ManNHxl wurde ebenfalls durch Messung der Absorption A im Bereich um 520 nm verfolgt. Über das Gesetz von Lambert-Beer konnte dadurch die Dien-Konzentration in Abhängigkeit der Zeit bestimmt werden. Die bestimmten Geschwindigkeitskonstanten k2 für die DARinv sind in Tabelle 2 zu sehen. Sie sind gleich, wie die in Tabelle 1 gezeigten Werte.

Abbildung 4.16 Umsetzung von Tetrazin 68 (5 mM) mit 1,1 Äquivalenten ManNPtl 44 bzw. ManNHxl 45 in Acetatpuffer pH 4,8. Zur Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten wird der linke Teil von Gleichung (3) gegen die Zeit aufgetragen. Die erhaltenen Regressionsgeraden haben die Steigung k2.

Tabelle 2 Geschwindigkeitskonstante der zweiten Ordnung für die Umsetzung von Tetrazin der dritten Generation (5 mM) mit 1,1 Äquivalenten ManNPtl 44 bzw. ManNHxl 45.

ManNPtl 44 ManNHxl 45

0 5000 10000 15000 20000 25000 30000 35000 40000

Zeit in Sekunden

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4.2.3.4 Die DARinv als Testreaktion in Lösung

Abbildung 4.17 Umsetzung eines Tetrazins dritter Generation 69 mit Pentensäurepropylamid 70 in Lösung.[86]

Nachdem die DARinv eines Tetrazins dritter Generation mit Alkenylamiden im vorigen Kapitel durch kinetische Messungen untersucht worden war, sollte die Reaktion nun auch in Lösung durchgeführt werden, um eine Aussage über die Ausbeute treffen und die entstehenden Reaktionsprodukte analysieren zu können. Um die DARinv von einem Tetrazin dritter Generation mit einem geeigneten Dienophil in Lösung zu testen, wurde Tetrazinpropylamid 69 mit 1,2 Äquivalenten Pentensäurepropylamid 71 bei Raumtemperatur in DMSO umgesetzt (siehe Abbildung 4.17). Dieses Testsystem wurde gewählt, da die in Kapitel 4.1 gewählten Dienophile ebenfalls eine Amidfunktionalität tragen, die drei bzw. vier C-Atome von der terminalen Doppelbindung entfernt sind. Nach vollständigem Umsatz der Reaktion wurde säulenchromatographisch aufgereinigt und die beiden regioisomeren Dihydropyridazine 71 und 72 konnten als Tautomerengemisch in nahezu quantitativer Ausbeute erhalten werden. LC-MS Analytik zeigte zusätzlich bereits oxidierte Pyridazine 73 und 74 (HPLC Profil siehe Abbildung 4.18). Die NMR-Analytik dieses erhaltenen Gemisches ist erschwert, da die Dihydropyridazine als Regioisomere 71 und 72 vorliegen, die jeweils in vier tautomeren Formen vorliegen können. Durch Zugabe

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von Isoamylnitrit in Eisessig konnte die Oxidation vervollständigt und die beiden Pyridazine 73 und 74 nach säulenchromatographischer Aufreinigung als Gemisch der Regioisomere in 78 % Ausbeute erhalten werden (siehe Abbildung 4.19). Das Gemisch wurde weiter durch RP-HPLC aufgereinigt, so dass die beiden Regioisomere getrennt werden konnten. NMR-Analytik bestätigte die erwarteten Strukturen von 73 und 74.

Damit wurde gezeigt, dass sich Tetrazine dritter Generation und terminale Alkene mit einer Amidfunktionalität für eine DARinv eignen und eine hohe Ausbeute erzielt werden kann. Durch die präparative Umsetzung mit einem geeigneten Dienophil und kinetische Untersuchungen konnte somit gezeigt werden, dass eine Verwendung von Tetrazinen dritter Generation im Metabolischen Oligosaccharid-Engineering sinnvoll ist. Die dafür nötige Funktionalisierung mit einem Marker ist in Kapitel 4.3.1 beschrieben.

Abbildung 4.18 HPLC-Diagramm der Dihydropyridazine 71 und 72. Die beiden ersten Signale entsprechen den in situ gebildeten oxidierten Formen 73 und 74. Gradient: 20-90 % MeCN in Wasser über 10 min; MeCN und Wasser jeweils mit je 0.1 % Ameisensäure; Detektion bei 254 nm.

Abbildung 4.19 HPLC Diagramm der Pyridazine 73 und 74. Gradient: 20-90 % MeCN in Wasser über 10 min;

MeCN und Wasser jeweils mit je 0.1 % Ameisensäure; Detektion bei 254 nm.

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