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Archiv "Wir sind ja doof !" (05.12.1974)

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Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

Wir sind ja doof !

D

Ärzte haben Wartezimmer. ln den Wartezimmern warten die Pa- tienten. Manchmal recht lange. Da- mit sie sich nicht langweilen, legen die Ärzte im Wartezimmer Zeit- schriften aus.

Im Wartezimmer liest man keine Romane und keine tiefschürfenden Abhandlungen. Man ist ungeduldig, man ist ängstlich, man will abge- lenkt werden.

Das ist der eine Faktor. Er be- stimmt den Zeitschriftentyp.

Ein anderer Faktor ist der achtlose Umgang des ungeduldigen, ängstli- chen Patienten mit den Zeitschrif- ten. Sie werden nicht nur gelesen, sondern auch zerlesen, und das ziemlich schnell.

Als dritter Faktor kommt die Hygie- ne ins Spiel. Der ängstliche Patient fürchtet, er könnte sich anstecken an Zeitungen, die schon durch vie- le Hände gegangen sind. Daß seine eigenen Hände auch nicht bakte- rienfrei sein könnten, hält er für ausgeschlossen, ebenso wird man ihm kaum einreden können, daß In- fektionen via Zeitschriften so gut wie unbekannt sind. Jedenfalls, der ängstliche Patient bevorzugt mög- lichst neuwertige Zeitschriften.

Und nicht nur neuwertig sollen sie sein, sondern auch neuesten Da- tums. Denn die älteren Nummern kennt man schon. Vom Friseur.

Das ist der vierte Faktor.

Das Resultat aus diesen vier Fakto- ren ist in der Regel eine wöchent- lich wechselnde Lesemappe. Findi- ge Unternehmer haben den Verleih solcher Lesemappen längst organi- siert, und jedermann könnte zufrie- den sein: der Arzt, weil er für einen relativ niedrigen Preis seinen Pa- tienten das bietet, was ihnen das Warten erleichtert; die Patienten, weil sie beim Arzt stets neue Zeit- schriften vorfinden; der Lesemap- penverleih, weil er daran verdient.

Und auch die Herausgeber der Zeitschriften können zufrieden

sein, denn um die fünfzigtausend Arztpraxen und einige zehntausend' Zahnarztpraxen dazu, das gibt, selbst wenn man den Neukauf nur mit der Hälfte oder einem Drittel ansetzt, so zwanzig- bis dreißigtau- send Auflagenexemplare. Und das wären selbst bei einem Millionen- blatt noch Prozente, sichere Pro- zente, mit deren Absatz jeder Her- ausgeber fest kalkuliert. Einen ähn- lich sicheren Absatz hat man sonst höchstens noch bei den Friseuren und Kaffeehäusern.

Brunnenvergifter im Wartezimmer ...

Doch selbst ohne Kenntnis der exakten Zahlen darf man getrost annehmen, daß Ärzte und Zahnärz- te über ihre Lesemappen ein ga- rantierter Notgroschen für jeden Herausgeber von Ze'itschriften

sind, die in den Wartezimmern auf-

liegen.

~ Um so mehr darf man sich wun- dern, mit welcher Rücksichtslosig- keit die Ärzte in manchen dieser Zeitschriften angegriffen werden.

"Weil du arm bist, mußt du früher

sterben!" Mit solchen Harmlosig- keiten begann das schon vor rund zwanzig Jahren. Der Titel war da- mals schon irreführend, aber als Anstoß zu einigen fällig geworde- nen Reformen mochte man ihn noch hinnehmen. Kritik muß man auch dann ertragen können, wenn sie weit über das Ziel hinaus- schießt. Und auch das Aufbau- schen von gelegentlich vorkom- menden Mißständen (aber auch von weitverbreiteten und dennoch kaum vermeidbaren Mängeln) ist etwas, wogegen sich niemand weh- ren kann, solange es eine Sensa- tionspresse gibt. Wir leben nun einmal in einer unvollkommenen Welt, und davon wiederum leben etliche Journalisten. Hat Jacqueli- ne Onassis einmal Schonzeit, ist zufällig der letzte Korruptionsskan- dal vorzeitig lauwarm geworden, findet des Skandalschützen Flinte sonst nichts über Kimme und Korn, dann holt man sich eben einen

3534 Heft 49 vom 5. Dezember 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Pappkameraden herbei und ballert ihn zusammen: einen armen Ord- nungshüter, der seine Pistole schneller zog als der Gesetzesbre- cher, einen Gefängnisdirektor, dem ein Untersuchungshäftling unter verdächtigen Umständen starb, ei- nen unseligen Chefarzt, der einmal zuviel (oder einmal zuwenig) ope- riert hatte.

Alles nicht schön, aber so unver- meidbar auch wieder nicht. Jac- queline Onassis darf hoffen, daß sie einmal dem Skandalnudelalter entwachsen wird, die Polizei wird trotz allem der Freund und Helfer aller Gerechten bleiben, in den Haftanstalten wird auch morgen das Personal noch keine Idealsyn- these zwischen Judoka und Di- plompsychologen darstellen, und unter den Ärzten wird es immer wieder einmal ein schwarzes Schaf - oder einen Pechvogel geben.

Ginge es nur darum, so könnte man Friedrich den Großen zitieren:

Niedriger hängen!

~ Wenn aber eine Zeitschrift - es sei kein Name genannt - gerade- zu periodisch den ganzen Berufs- stand heruntermacht, mit falschen oder falsch plazierten "Beweisen"

dazu, dann muß man sich als Arzt fragen, ob man wirklich so indolent sein soll und die ZeitschrLft weiter- hin in seinem Wartezimmer dulden muß.

Daß man sonst gegen diese "In- formationen" des Lesepublikums nicht viel unternehmen kann, hat die Erfahrung längst gezeigt. So grobe Unwahrheiten, daß man die Zeitung verklagen oder zu einer Berichtigung zwingen könnte, sind es ja meistens nicht. Das wäre ein schlechter Sensationsschreiber, der seine Artikel so schriebe, daß sie ihm laufend Prozesse und Schadenersatzklagen eintrügen.

Gelernt ist gelernt; man kann die

"Tatsachen" so geschickt garnie-

ren, daß zwar nichts gesagt wurde,

was zu beanstanden wäre, daß aber der Eindruck auf den Leser durchaus der gewünschte ist. [>

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..• und dagegen gibt's keine Mittel.? NORDRHEIN-WESTFALEN Daß sein Arzt meist nicht so ist,

wie der von der Zeitschrift be- schriebene, stellt der Wartezim- merleser ja alsbald fest. Aber man- che Dinge kann er nicht ohne wei- teres feststellen. Zum Beispiel das Einkommen des Arztes. Und da hilft keine noch so gute Behand- lung: Wenn eine Gazette mit sechs- stelligen Umsatzsummen jongliert hat, dann muß man als Arzt seinem Patienten schon den letzten Steu- erbescheid auf den Tisch legen, damit er begreift, daß sein Doktor nicht der Krösus ist, für den er ihn auf Grund seiner Wartezimmerlek- türe hält.

Denn so wird das doch gemacht:

Ein Patient bringt fünf, sechs, sie- ben Mark pro Konsultation. Es gibt Ärzte, die über hundert Patienten am Tag haben. Also verdient der Arzt pro Tag über siebenhundert Mark. Und wo bleibst dann du, Kol- lege Arbeitnehmer, mit deinen knapp zweitausend Piepen im Mo- nat? Das schafft dein Doktor be- quem in drei Tagen!

So ungefähr wird das meist ge- macht, und auch nach Berichti- gung der gröbsten Denkfehler blie- be dem Patienten-Arbeitnehmer der Unterschied zwischen Umsatz und Einkommen 'immer noch un- klar und ebenso der Unterschied zwischen Einkommen und Gehalt.

Da nützt kein Reden, das der Pa- tient gar nicht hören, da nützt kein Steuerbescheid, den der Patient gar nicht sehen will. Denn dazu ist er ja nicht zum Arzt gekommen.

Nun gut, wir Ärzte können nicht verhindern, daß solche Dinge ge- druckt werden, und wir können nicht verhindern, daß sie gelesen und geglaubt werden.

~ Aber daß wir so "harmlos" sind, diese Schreibereien auch noch in unseren Wartezimmern auszule- gen, das ist fast nicht mehr zu be- greifen.

Ist "harmlos" eigentlich noch das richtige Wort für diesen Geisteszu- stand? Dr. med. F. Macha

Arzthonorare nicht schuld an

der "Kostenexplosion"

bei den Kassen

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe hat sich in einer Presseerklärung gegen Behauptun- gen gewandt, die ärztlichen Hono- rare seien schuld an der - fälsch- licherweise so bezeichneten Kostenexplosion bei den Kranken- kassen. Die ärztlichen Honorare hätten sich unter den auf dem all- gemeinen Arbeitsmarkt üblichen tariflichen Zuschlägen gehalten und würden sich auch in Zukunft darunter halten.

Die sogenannten Mehrleistungen, die von Ärzten erbracht werden, sollten in diesem Zusammenhang richtig bewertet werden. Mehrlei- stung bedeutet auch mehr Entgelt!

ln allen anderen Berufsgruppen würden aber Oberstunden meist so- gar doppelt so hoch bezahlt wie die übrige Arbeitsleistung.

Die KV Westfalen-Lippe rechnet vor, daß der Anteil der ärztlichen Honorare an den Beitragseinnah- men pro Versicherten in den letz- ten neun Jahren von 19,4 auf 18,3 Prozent zurückgegangen ist. Dage- gen ist der Anteil der Kranken- hauskosten von 20,3 Prozent im Jahre 1965 auf 42,7 Prozent im Jah- re 1973 gestiegen, hat sich also mehr als verdoppelt.

Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe weist aber darauf hin, daß sie in der "Kostenexplo- sion" der Krankenhauspflegesätze einen Grund für eine mögliche Zer- störung unseres Sozialsystems er- kenne.

"Rechenkunststücke" bis zum Jah- re 1980 oder darüber hinaus seien mit einem großen Fragezeichen zu versehen. Die Kosten der nächsten Jahre hingen sicherlich mit der Geldentwertung zusammen.

Die Information:

Bericht und Meinung AUS DEN BUNDESLÄNDERN

~ Die Kassenärzteschaft werde sich bemühen, die Krankenhausko- sten durch intensivere Diagnostik - in der ambulanten Allgemein- und Fachpraxis - und durch noch sorgfältigere Auswahl bei stationä- ren Einweisungen in Schranken zu

halten. KV-WUDÄ

SCHLESWIG-HOLSTEIN

Bedarfsanalyse bis zum Jahr 1980

Das Bundesland Schleswig-Hol- stein hat einen Strukturplan für die ärztliche und zahnärztliche Versor- gung vorgelegt. Dem Plan liegt eine Bestandsaufnahme und Struk- turanalyse zum 1. Januar 1973 zu- grunde. Darauf baut sich eine Be- darfsprognose bis 1980 auf. Der

"Strukturplan", den das schleswig- holsteinische Sozialministerium in enger Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen und Kassenzahn- ärztlichen Vereinigung des Landes erstellt hat, enthält für das Jahr 1973 folgende Ausgangsdaten: Ins- gesamt waren im nördlichsten Bun- desland 4105 Ärzte tätig, mehr als die Hälfte davon in freier Praxis.

Vierzig Prozent waren als Kranken- hausärzte tätig, in der Verwaltung und in der Forschung rund elf Pro- zent.

Auf jeden berufstätigen Arzt entfie- len somit im Durchschnitt 625 Ein- wohner, bei Einbeziehung der Me- dizinalassistenten waren es nur 593 Einwohner (zum Vergleich: Bun- desdurchschnitt 553 Einwohner).

(Vgl. hierzu auch DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 24/1973, Seite 1617 ff., und Heft 38/1974, Seite 2721 ff.)

Von den zugelassenen und betei- ligten Ärzten entfallen rund 55 Pro- zent auf Allgemeinärzte und 45 Prozent auf Fachärzte. Die Leistun- gen, die die Fachärzte zur primär- ärztlichen Versorgung beitragen, entsprechen denen von rund 386 allein in der Primärversorgung täti- gen Allgemeinärzten. Die Gesamt- zahl der Primärärzte wird mit 1515 angegeben, das sind 74 Prozent al-

DEUTSCHES .ARZTEBLATI

Heft

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5.

Dezember

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Referenzen

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