MEDIZIN
Analyse von Mikrodeletionssyndro- men bereits zu einer Verbesserung der diagnostischen Möglichkeiten und zur Identifizierung wichtiger Ge- ne des Menschen geführt hat. Es ist
zu erwarten, daß dies auch für die bislang ungeklärten Mikrodeletions- syndrome und andere genetische Syndrome zutreffen wird.
Deutsches Ärzteblatt
91 (1994) A-832-834 [Heft 12]
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Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. rer. nat.
Bernhard Horsthemke Institut für Humangenetik Universitätsklinikum Essen Hufelandstraße 55
45122 Essen
KURZBERICHT
Ulrich Schall', Taleb Katta', Ellen Pries', Achim Klöppel e , Markus Gastpar i
Pharmakokinetik
Bei 42 untersuchten Patienten (12 Frauen und 30 Männer) des Lan- deserprobungsvorhabens „Metha- don-Substitution NRW" im Alter von 23 bis 36 Jahre und nach einer Substi- tutionsdauer von 3 bis 56 Monaten konnte unter einer mittleren tägli- chen Erhaltungsdosis von 0,7 mg/kg (± 0,25) Levomethadon ein durch- schnittlicher Plasmaspiegel von 193 mg/ml( ± 127) 24 Stunden nach der oralen Einnahme ermittelt werden.
Der maximale Plasmaspiegel wird etwa zwei Stunden nach der ora- len Einnahme erreicht. Er liegt im Mittel 30 bis 40 Prozent über dem Minimalwert, der unmittelbar vor der Einnahme gemessen wurde.
Es zeigt sich eine gute Überein- stimmung zwischen der verabreich- ten Menge (Erhaltungsdosis) und dem gemessenen Plasmaspiegel. Die- ser Zusammenhang ist jedoch nicht linear, das heißt ab einer mittleren Tagesdosis von 0,8 mg/kg Levome- thadon steigt der Plasmaspiegel überproportional an (Kumulation!).
Eine Tagesdosis von über 60 mg bei einem Körpergewicht von 70 kg sollte daher vermieden werden.
Laborparameter
Unter den mitgemessenen La- borparametern nimmt die Gamma- GT eine Schlüsselrolle ein. Ihre Er- höhung korreliert signifikant mit ei- ner hohen Levomethadon-Abbaurate und entsprechend niedrigeren Plas-
maspiegeln (Tabelle). Ein ähnlicher Effekt zeigt sich auch für die GPT:
hohe Werte korrelieren mit niedri- gen Plasmaspiegeln.
Auch der Beigebrauch, insbe- sondere von Barbituraten, induziert eine vermehrte Abbaurate und führt zu signifikant niedrigeren Plasma- spiegeln.
Liegt bereits eine chronische Schädigung der Leber vor (beispiels- weise eine Leberzirrhose mit niedri- gen Gesamteiweißwerten bei relati- ver Zunahme des Beta- und Gamma- Anteils in der Eiweißelektrophore- se), zeigen sich Kumulationseffekte.
Hier sollte niedriger dosiert werden.
Auch BSG-Beschleunigungen weisen auf eine signifikant verminderte Ab- baurate hin.
Schmerzwahrnehmung Insgesamt unterscheidet sich die algometrisch gemessene Schmerz- wahrnehmung der substituierten Pa- tienten nicht von der einer medika- mentenfreien Kontrollgruppe, das heißt es wird keine „Daueranalgesie"
induziert. Die Patienten sind an „ih- re" Dosis adaptiert, und Schmerzrei- ze werden genauso wahrgenommen und bewertet wie von nicht substitu- ierten Probanden.
Proportional mit dem Anfluten des Levomethadons in der Resorpti- onsphase nimmt jedoch das subjekti- ve Schmerzempfinden zwei Stunden nach der Einnahme vorübergehend um etwa zehn Prozent ab. Das läßt
1) Klinik für Allgemeine Psychiatrie (Direk- tor: Prof. Dr. med. M. Gastpar), Rheini- sche Landes- und Hochschulklinik Esen 2) Institut für Rechtsmedizin (Direktor: Prof.
Dr. med. C. Henßge) der Universität GHS Essen
Dosierung von
Levomethadon in der
Substitutionsbehandlung i. v.-Opiatabhängiger
A-834 (52) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 12, 25. März 1994
die Schlußfolgerung zu, daß auch bei den substituierten Patienten ein dosisabhängiger analgetischer Effekt zu erzielen ist.
Subjektives Befinden
Insgesamt konnte kein Plasma- spiegelabhängiger Zusammenhang mit der subjektiven Befindlichkeit beziehungsweise den geäußerten psy- chosomatischen Beschwerden des substituierten Patienten ermittelt werden. Auch vermehrtes Schwitzen, ein von den Probanden häufig als Ne- benwirkung genanntes Merkmal, steht in keinem signifikanten Zusam- menhang zum Levomethadon-Plas- maspiegel.
Schlußfolgerungen
~ Grundsätzlich sollte nach kli- nischen Gesichtspunkten dosiert werden: Entscheidende Merkmale sind spezifische Opiat-Entzugssym- ptome (zum Beispiel Tachykardie, Spasmen, Diarrhöen, Übelkeit und Erbrechen, Unruhe und Angst), die keinesfalls unter einer Substitutions- therapie auftreten sollten. Allgemei- ne Befindlichkeitsstörungen sind nicht geeignete Kriterien für eine Dosisanpassung.
~ Die Erhaltungsdosis sollte maximal 0,5 bis 0,8 mg/kg Levome- thadon pro Tag nicht überschreiten.
KURZBERICHT I FÜR SIE REFERIERT
Tabelle: Zusammenfassung beeinflussender Faktoren auf den Plasmaspiegel (MEC), die
·Resorption und Abbaurate von Levomethadon in einer Steady-State-Substitution bei l.v.- Opiatabhängigen
Minimale effektive Resorptions- Abbaurate Konzentration quote
(MEC) Elektrophorese:
Gesamt-Eiweiß niedrig
+
0 0ß-Anteil erhöht
+++
0 -Gamma-Anteil niedrig 0 0
(+)
Entzündung:
BSG beschleunigt 0 0 -
GPT erhöht - 0 0
Barn-N erhöht 0
+
0Beikonsum:
Barbiturate - 0
+
Benzodiazepine 0
(+) (+)
Gamma-GT erhöht - - - 0
+++
+ + + oder - - -: p<0,001; + oder -: p<0,05; ( +) oder (-): p<O,lO; o: n. s.
Cave: nicht über 1,0 mg!kg dosie- ren, da insbesondere bei Vorliegen einer Leberinsuffizienz signifikante Kumulationseffekte auftreten (Into- xikationszeichen beachten!).
~ Alkoholkarenz (Enzymin- duktion forciert die Abbaurate).
~ Das subjektive Schmerzemp- finden wird durch eine Steady-State- Substitution nicht beeinträchtigt. Ei- ne Dosissteigerung hat aber einen signifikanten analgetischen Effekt.
D~~---
}(rzteblatt
91 (1994) A-834-837 [Heft 12]
Anschrift für die Autoren:
Prof. Dr. med. Markus Gastpar Direktor der Klinik für
Allgemeine Psychiatrie
Rheinische Landes- und Hochschul- klinik Essen
Virchowstraße 174, 45147 Essen
Thromboembolieprophylaxe mit niedermolekularem Heparin
Aufgrund dieser Daten empfeh- len die Autoren zur Thromboembo- lieprophylaxe nach Hüftgelenkstotai- endoprothesen sowohl unter dem Aspekt der Effektivität als auch un- ter ökonomischen Gesichtspunkten den Einsatz von niedermolekularem
Heparin. acc
In einer Metaanalyse von sechs Studien wird von kanadischen Auto- ren untersucht, ob niedermolekula- res Heparin (LMWH) im Vergleich zu Standard-Heparin Vorteile bezüg- lich Effektivität, Sicherheit und Ko- sten aufweist. Bei den untersuchten Studien (insgesamt 1 420 Patienten) war die Anwendung von LMWH im Vergleich zu Standard-Heparin bei Patienten nach Implantation von Hüftgelenkstotalendoprothesen un- tersucht worden.
Es zeigte sich, daß LMWH effek- tiver in der Prävention von tiefen Beinvenenthrombosen waren (relati- ves Risiko 0,72) und sich Vorteile bei den proximalen Phlebothrombosen bemerkbar machten (relatives Risiko 0,40). Bezüglich der Nebenwirkungen (kleinere und größere Blutungen) zeigte sich kein Unterschied. Beim Kostenvergleich schnitt LMWH gün- stiger ab, wenn die LMWH-Präparate nicht mehr als 3,7fach teurer waren als Standard-Heparin.
Anderson, D. A. et al.: Efficacy and cost of low-molecular-weight heparin compared with standard heparin for the prevention of deep vein thrombosis after total hip ar- throplasty. Ann. Intern. Med. 119 (1993) 1105-1112.
Dr. Anderson MD, Westing, Mackenzie Building, 5578 University Avenue, Halifax, Nova Scotia, Canada B3H 1 Y8.
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 12, 25. März 1994 (55) A-837