DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Unterschiedliche Risikofaktorenprofile für die koronare Herzkrankheit
In den Ländern Asiens tritt die koronare Herzkrankheit etwa zehn- mal seltener auf als in Europa. In drei großen epidemiologischen Stu- dien wurde in den Jahren 1982 bis 1985 in China, Japan und Deutsch- land untersucht, ob sich die Risiko- faktorenprofile für die koronare Herzkrankheit unterscheiden. Teil- nehmer waren gesunde 30- bis 59jäh- rige Männer — 2047 Chinesen (Wu- han), 7580 Japaner (Isehara) und 6052 Deutsche (Kassel). Untersucht wurden die fünf Risikofaktoren Hy- pertonie, Rauchen, Hyperlipopro- teinämie, Adipositas und Diabetes mellitus. Unter Bluthochdruck litten 20 Prozent des deutschen Kollektivs, 18 Prozent der Japaner und nur 11 Prozent der Chinesen. Rauchen ist bei chinesischen und japanischen Männern mit 69 und 55 Prozent mit deutlichem Abstand der Hauptrisi- kofaktor, von den deutschen Teil- nehmern rauchten 37 Prozent. Beim Cholesterinspiegel hatten 5 Prozent der Deutschen Werte über 300 mg/
dl, bei den Japanern 0,1 Prozent und im chinesischen Kollektiv keiner.
Für die Teilnehmer aus Deutschland wurden im Mittel Cholesterinwerte von 217 mg/dl, für die Japaner 200 mg/dl und für die Chinesen 155 mg/dl gemessen. Die HDL-Choleste- rinspiegel schwankten im Mittel von 48 mg/dl in Deutschland, 49 mg/dl in China bis 53 mg/dl in Japan. Legt man die Richtlinien für eine Hyperli- poproteinämie der „European Athe- rosclerosis Society" zugrunde, sind die Blutfettspiegel bei 75 Prozent des deutschen Kollektivs zu hoch, aber auch die Japaner mit 50 Prozent sind deutlich häufiger vertreten als die chinesischen Teilnehmer mit nur 11 Prozent. Beim Übergewicht (Bo- dy Mass Index > 25) nehmen die deutschen Männer mit 66 Prozent die Spitzenstellung ein, gegenüber 17 Prozent Japanern und 11 Prozent Chinesen.
Andere Ernährungsgewohnhei- ten dürften dabei eine wesentliche Rolle spielen. Die tägliche Energie-
aufnahme in China lag bei etwa 2800 kcal (11 800 KJ), in Deutschland bei 3600 kcal (15 000 KJ). Mit der Nah- rung wird in Deutschland etwa drei- mal mehr Cholesterin zugeführt als in China (165 mg/483 mg). Von den Teilnehmern aus Deutschland wie- sen 36 Prozent mehr als drei Risiko- faktoren pro Person auf und damit ein sehr hohes Risiko für das Auftre- ten der koronaren Herzkrankheit, je- doch nur je 5 Prozent der Japaner und Chinesen zählten zu dieser Gruppe.
Als Schlußfolgerungen aus die- sen Erhebungen sollte in Asien ver- mehrt der Risikofaktor Rauchen re- duziert werden. In Deutschland sind Maßnahmen zur Reduktion aller Ri- sikofaktoren dringlich mit Schwer- punkt auf der Besserung der schlech- ten Ernährungsgewohnheiten. sel
Stehle G., Hinohara S., Cremer P., Feng Z., Bernhardt R., Goto Y., Seidel D., Hee- ne D. L., Schettler G: Differences in the risk factor patterns for coronary heart dis- ease in China, Japan, and Germany. Klin.
Wochenschr. 69 (1991): 629-632.
Dr. med. Gerd Stehle, 1. Medizinische Kli- nik, Fakultät für klinische Medizin Mann- heim der Universität Heidelberg, Theodor Kutzer Ufer, W-6800 Mannheim
Perioperative totale Parenteral-Ernährung chirurgischer Patienten
Die Autoren beschreiben die Ergebnisse einer klinischen Studie zur Klärung der Hypothese, ob eine perioperative totale Parenteral-Er- nährung (TPN) die Inzidenz von ernsthaften Komplikationen nach größeren Operationen im Thorax- oder Abdominalbereich bei unterer- nährten Patienten senkt.
395 unterernährte Patienten (99 Prozent männlich), bei denen eine Laparatomie oder eine Thorakoto- mie (ausgenommen Kardiochirurgie) erforderlich war, wurden untersucht.
Sie erhielten randomisiert entweder TPN über einen Zeitraum von sie- ben bis 15 Tagen vor der Operation und drei Tage danach (TPN-Grup- pe) oder keine TPN (Kontrollgrup- pe). Die Patienten wurden über ei- nen Zeitraum von neunzig Tagen
postoperativ auf Komplikationen überwacht.
Die Rate für größere Komplika- tionen während der ersten dreißig Tage lag in beiden Gruppen ähnlich hoch (TPN-Gruppe 25,5 Prozent, Kontrollgruppe 24,6 Prozent) wie auch die Gesamtmortalitätsrate nach neunzig Tagen (13,4 und 10,5 Pro- zent). In der TPN-Gruppe traten häufiger Infektionen auf als in der Kontrollgruppe (14,1 gegenüber 6,4 Prozent), jedoch leicht weniger nichtinfektiöse Komplikationen als in der Kontrollgruppe (16,7 gegen- über 22,2 Prozent). Die erhöhte In- fektionsrate war bei den Patienten anzutreffen, die entweder als an der Grenze normalen Ernährungszu- standes oder als leicht unterernährt kategorisiert worden waren. Diese
Patienten hatten durch TPN keinen nachweisbaren Nutzen. Stark unter- ernährte Patienten mit TPN hatten jedoch weniger nichtinfektiöse Kom- plikationen als die entsprechenden Patienten aus der Kontrollgruppe (fünf gegenüber 43 Prozent), und dies ohne einen begleitenden An- stieg von infektiösen Komplikatio- nen.
Die Autoren kommen zu der Schlußfolgerung, daß die totale Par- enteral-Ernährung nur bei denjeni- gen Patienten angewendet werden sollte, die erheblich unterernährt sind, es sei denn, es liegt eine spezifi- sche andere Indikation vor. ing
The Veteran Affairs Total Parenteral Nutrition Cooperative Study Group:
Perioperative Total Parenteral Nutrition in Surgical Patients. New Engl. Journ.
Med. 325 (1991) 525-532.
Dr. William 0. Williford, Department of Veteran Affairs Medical Research Service, Cooperative Studies Program Coordinat- ing Center, DVA Medical Center, Perry Point, MD 21902, USA.
Dt. Ärztebl. 89, Heft 7, 14. Februar 1992 (75) A1-489