Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Prinzip der Graft-versus-host-reac- tion und ihrer Analoga ist die Verän- derung des „major histocompatibili- ty-Complexes" (MHC) an den befal- lenen Zellen, wogegen sich ei- ne intensive T-Zellreaktion richtet (7).
Mit dieser T-Zellreaktion ist auch ei- ne Neubildung von Gefäßen, vorwie- gend epitheloiden Venolen, ver- knüpft. Die Veränderung des MHC kann durch Pharmaka und Viren er- folgen. Für beide Möglichkeiten gibt es Anhaltspunkte bei Fällen von LgrX. Die Überempfindlichkeit ge- gen Pharmaka und die bisweilen tat- sächlich beobachtete Auslösung der LgrX durch Pharmaka stellt diese Ätiologie zur Debatte.
Es gibt auch Anhaltspunkte für eine Virusgenese. So bestand als Vor- phase einer LgrX bei einem der von uns verfolgten Patienten eine wo- chenlange Entzündung im Bereich der oberen Luftwege und der Kon- junktiven*). Shamoto und Suchi (16)
konnten elektronenmikroskopisch virusähnliche Partikel in Lymphkno- tenzellen bei einem Fall von LgrX nachweisen. Die von Krüger in zahl- reichen Fällen unserer Untersu- chungsreihe nachgewiesenen Ru- bella-Antigene lassen an eine Bezie- hung zu einer unbewältigten Röteln- Infektion denken (11).
Für die Interpretation als Analogon einer chronischen Graft-versus-host- reaction spricht auch die Tatsache, daß bei der LgrX oft azurgranulierte Lymphozyten, die nach Grossi et al.
1978 (8) als T-Suppressorzellen an- zusprechen sind, in Blut und Lymph- knoten stark vermehrt sind (eigene unveröffentlichte Beobachtungen);
denn bei der chronischen Graft-ver- sus-host-reaction sind die T-Sup- pressorzellen im Blut stark vermehrt (4). Die Vermehrung der T-Suppres- sorzellen könnte ihrerseits wieder an der hohen Infektgefährdung der Patienten schuld sein**).
*) Für die klinischen Daten danken wir Herrn Professor Dr. med. G. Brittinger, Medizini- sche Universitätsklinik Essen.
**) Wir danken zahlreichen klinischen Kolle- gen für die bereitwillige Überlassung von klinischen Daten und Krankenge- schichten.
Lymphogranulomatosis X
Literatur
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Anschrift für die Verfasser:
Professor Dr. med. Dr. h. c.
Karl Lennert
Abteilung Allgemeine Pathologie und pathologische Anatomie am Zentrum für
Klinisch-Theoretische Medizin I Hospitalstraße 42
2300 Kiel
FÜR SIE GELESEN
Wirkung von Propranolol und Prazosin
auf den Blutfettspiegel
Die Autoren untersuchten 23 Män- ner im Alter von 47 bis 55 Jahren, deren diastolische Blutdruckwerte 100 mmHg oder mehr betrugen. Alle Patienten waren bisher unbehan- delt.
In einer randomisierten Cross-over- Studie wurde den Probanden acht Wochen lang Propranolol, anschlie- ßend acht Wochen Prazosin und hinterher beide Substanzen verab- reicht. Beide Präparate wurden in aufsteigender Dosis gegeben, die Höchstdosis für Propranolol betrug 2mal 80 mg/Tag, für Prazosin 2mal 2 mg/Tag.
Zu Beginn der Studie sowie nach jedem achtwöchigen Behandlungs- zyklus wurden im Serum Gesamt- cholesterin, HDL VLDL und LDL so- wie Triglyceride bestimmt. Außer- dem wurden Blutdruck und Pulsfre- quenz gemessen.
Propranolol senkte das HDL-Chole- sterin um 13 Prozent, der Quotient aus HDL-Cholesterin und LDL und VLDL-Cholesterin nahm um 15 Pro- zent ab, die Serum-Triglyceride stie- gen um 24 Prozent, die Harnsäure um 10 Prozent. Diese Veränderun- gen waren hochsignifikant.
Unter Prazosin nahmen das Gesamt- cholesterin im Serum um 9 Prozent, das LDL und VLDL-Cholesterin um 10 Prozent und die Triglyceride um 16 Prozent ab. Auch diese Verände- rungen waren hochsignifikant.
Bei der Kombinationstherapie der beiden Substanzen blieb nur das HDL signifikant erniedrigt.
Die Blutdruckwerte wurden von bei- den Medikamenten in gleicher Wei- se gesenkt, die Nebenwirkungen wa- ren unwesentlich und zwangen in keinem Fall zum Absetzen des Prä- parats. Der HDL-senkende Effekt der Betablocker ist bereits seit 1976 be- kannt und wird von den Autoren voll bestätigt.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 13 vom 26. März 1981 605
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
FÜR SIE GELESEN
Bemerkenswert ist, daß die Choleste- rinsenkung unter Prazosin in dersel- ben Größenordnung liegt wie diejeni- ge nach Gabe von 1,6 g Clofibrat pro Tag.
Eine langfristige Hochdrucktherapie besonders bei jungen Patienten soll- te die Begleiteffekte der Substanzen auf den Lipidstoffwechsel bei der Wahl des Antihypertensivums mitbe- rücksichtigen. Jns
Leren, P., Foss, P. 0., Helgeland, A., Hjermann, I., Holme, I., Lund-Larsen, P. G.: Effect of Pro- pranolol and Prazosin an blood lipids, The Oslo Study, The Lancet II 8184 (1980) 4-6, Medical Outpatient Clinic Control, Laboratory, and Life Insurance Companies, Institute for Medical Statistics, Ullevaal Hospital, Oslo Norway.
Barrett-Ösophagus
nach Antirefluxoperation reversibel?
Die Zylinderzellmetaplasie der Spei- seröhre (Endobrachyösophagus, Barrett-Syndrom) gilt als Aushei- lungsstadium einer massiven Refluxösophagitis, wobei es zu ei- nem Ersatz des zerstörten Platten- epithels durch hochwandernde Ma- genschleimhaut kommt. Auf dem Boden dieser Zylinderzellmetaplasie entwickelt sich in etwa 10 Prozent ein Adenokarzinom der Speiseröhre.
Der Effekt einer Antirefluxoperation auf die Zylinderzellmetaplasie der Speiseröhre wird bislang wider- sprüchlich beurteilt. Die Autoren be- richten über 10 Patienten, bei denen präoperativ und postoperativ multi- ple Schleimhautbiopsien aus der Speiseröhre entnommen wurden.
Bei 4 von 10 Patienten kam es zu einer Rückbildung der Zylinderzell- metaplasie in Plattenepithelschleim- haut. Bei den Patienten, bei denen es nicht zu einer Rückbildung des Barrett-Ösophagus kam, war trotz der vorausgegangenen Operation persistierender Reflux von Säure nachweisbar.
Brand, D. L.; Ylvisaker, J. Th.; Gelfand, M.;
Pope II, Ch. E.: Regression of columnar esophageal (Barrett's) epithelium after anti- reflux surgery, N. Engl. J. Med. 302 (1980) 844-848, Veterans Administration Medical Center, 4435 Beacon Ave. S., Seattle, WA 98 108
Langzeitbehandlung von Gicht und erhöhtem
Blut-Harnsäurespiegel
Gicht kann als akuter Anfall in Form einer vorübergehenden Synovitis auftreten oder auch als chronisch verlaufende Gichtknotenarthritis. Al- le Manifestationen der Gicht sind auf die Ablagerung von Na-Biurat aus übersättigtem Blut und übersät- tigter Gewebeflüssigkeit zurückzu- führen. Eine Hyperurikämie ist eine wesentliche Voraussetzung für das Entstehen der Gicht, sie ist aber gleichzeitig schwer zu definieren, da auch bei hohen Uratkonzentratio- nen über einen längeren Zeitraum hin nicht immer eine Ausfällung von Uratkristallen zu beobachten ist. Da- her gilt, daß der Nachweis einer Hyperurikämie nicht gleichbedeu- tend mit einer Gicht-Diagnose ist.
Während einer akuten Attacke sind Uratkonzentration-senkende Medi- kamente wertlos. Nach Feststellung einer Hyperurikämie ist eine exakte Abklärung der Ursachen angezeigt, wobei in den meisten Fällen mehre- re Faktoren wie Diabetes, Überge- wicht, Alkohol, genetische Abnor- mitäten usw. eine Rolle spielen. Be- sondere Beachtung kommt dabei dem kardiovaskulären und renalen System zu.
Es ist heute relativ einfach, die Blut- Harnsäurekonzentration zu kontrol- lieren. Wenn der akute Anfall be- herrscht ist, steht die Entscheidung an, ob eine Behandlung, mit den Se- rumuratspiegel-senkenden Präpara- ten begonnen werden soll. Diese Therapieform sollte angewandt wer- den, wenn
O chronische Gelenkveränderun- gen und Knotenbildung zu beobach- ten sind
49 häufig akute Anfälle auftreten
• Gicht mit Verdacht auf eine Nie- renschädigung besteht
• eine Gicht mit Serumu ratkonzen- trationen über 480 gno1/1 oder mehr vorliegt, da hier die Gefahr häufiger akuter Anfälle und chronischer Ge- lenkschäden besteht.
Zur Senkung der Serumuratkonzen- tration wird meist Allopurinol einge- setzt. Zur Wahl stehen ferner Probe- necid, Etebenecidum und Sulfapyra- zon (Mittel, welche die Harnaus- scheidung im Urin fördern).
Die Risiken einer asymptomatischen Hyperurikämie werden häufig über- trieben. Sollte sich tatsächlich eine Gicht entwickeln, so kann sie jeder- zeit zufriedenstellend behandelt werden. Auch die Gefahr von Nie- renschäden, Nierensteinbildung und anderen Folgeschäden ist relativ ge- ring. Daher empfiehlt es sich, bei nur leichter Hyperurikämie die weitere Entwicklung sorgfältig zu beobach- ten, jedoch zunächst noch nicht zu therapieren. Nre
Scott, J. T.: Long-term management of gout and hyperuricaemia, British Medical Journal 281 (1980) 1164-1166
Funktionsstörungen der kleinen Luftwege
bei passiven Rauchern
Untersucht wurde die Wirkung von passivem Rauchen (unfreiwilligem Inhalieren von Tabakqualm bei Nichtrauchern) und freiwilligem Rauchen unter dem Gesichtspunkt der Lungenfunktions-Beeinflus- sung. 2100 Personen mittleren Al- ters wurden erfaßt. Ungeachtet des Geschlechts war bei chronisch pas- siven Rauchern eine niedrigere for- cierte mittlere exspiratorische Fluß- rate (25 bis 75 Prozent) und forcierte end-exspiratorische Flußrate (75 bis 85 Prozent) feststellbar, im Ver- gleich zu Nichtrauchern, die auch passiv keinem Tabakrauch ausge- setzt waren. Die Werte der passiven Raucher wiesen im Verhältnis zu den leichten Rauchern und den Rau- chern, die nicht inhalierten, keine signifikanten Unterschiede auf. Bei der Gegenüberstellung des Ausma- ßes der Belastung mit Tabakrauch und des Grades der Norm-Abwei- chungen ließ sich ermitteln, daß die Nichtraucher mit einem rauchfreien Arbeitsplatz bei der spirometrischen Untersuchung die höchsten Meß- werte erreichten. Passive, nicht in- 606 Heft 13 vom 26. März 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT