THEMEN DER ZEIT
der WHO-Studie besteht für unbe- handelte Frauen eine Thrombose-In- zidenz von 3 pro 100 000 Anwen- dungsjahren; bei (den älteren) Le- vonorgestrel-haltigen Präparaten steigt sie auf etwa 8 und bei der neuen Gestagen-Generation mit D esoge- strel und Gestoden auf 17 pro 100 000 Anwendungsjahre.
Laut zahlreicher Experten weist die WHO-Studie jedoch gravierende Mängel auf, die durch unkritische Verbreitung der Ergebnisse nachhal- tige Verunsicherung bei den Patien- tinnen auslösen könnte. Die Kritik bezieht sich sowohl auf formale als auch auf inhaltliche Mängel:
• Die Methodik der WHO-Stu- die entspricht nicht den prinzipiellen Anforderungen an heutige Studien:
sie ist weder doppelblind noch rando- misiert, noch prospektiv.
• Die Hauptzielsetzung der Stu- die wurde nach Abschluß neu defi- niert: Zu Beginn stand der Einfluß ora- ler Kontrazeptiva auf kardiovaskuläre Erkrankungen im Mittelpunkt, nach Abschluß wurde zwischen den ver- schiedenen Präparaten unterschieden.
Als Folge basieren die statistischen Er- gebnisse auf kleinen Patientinnenzah- len in den einzelnen Subgruppen.
• Nicht alle Zentren gehen in die vorliegende Teilauswertung ein. Ob- wohl 21 Zentren an der Studie teil- nahmen, waren nur zehn Zentren für die Bewertung verschiedener Präpa- rate geeignet.
• Statistische Ausgewogenheit ist nicht gegeben, wenn von 772 beob- achteten Thrombose-Fällen nicht ein- mal in zehn Prozent (71 Patientinnen) orale Kontrazeptiva der dritten Gene- ration verwendet wurden.
• Auffällig war eine Häufung von thromboembolischen Komplika- tionen im Zentrum Oxford. Von den 71 betroffenen Patientinnen, die nach Einnahme von Desogestrel- und Ge- stoden-haltigen Präparaten eine Thrombose erlitten hatten, stammen allein 48 — das sind 68 Prozent — aus dem Zentrum Oxford. Es ist stati- stisch unüblich, die von einem Zen- trum kommenden Signifikanzen höher zu bewerten als die Ergebnisse der restlichen Gruppen.
• Obwohl eindeutig ist, daß das Auftreten von Venenthrombosen un- ter der „Pille" von der Östrogendosis
DER KOMMENTAR/BERICHTE
abhängt, bestätigt die WHO-Studie dies nicht. Hier besteht das höchste Risiko für niedrigdosierte Präparate (Östrogendosis unter 35 µg ) im Wi- derspruch zu gerinnungsphysiologi- schen und klinischen Daten.
• Orale Kontrazeptiva mit neuen Gestagenen und niedrigen Östrogen- dosen wurden in der WHO-Studie vorwiegend Frauen verschrieben, die
A
temwegsinfektionen gehören zu den häufigsten Krankheits- bildern in der täglichen Praxis.Vor allem betroffen sind Kin- der unter sieben Jahren, Erwachsene über 65 Jahre, Immunsupprimierte so- wie Patienten mit chronischer Bron- chitis. Häufige Rezidive bedürfen wirksamer prophylaktischer Maßnah- men. Dies gilt in besonderem Maße für die chronische Bronchitis. Der de- struierende Entzündungsprozeß ver- schlechtert sich mit jeder akuten Exa- zerbation.
Die lokale Immunabwehr der Schleimhaut bei chronischer Bronchi- tis ist vielfältig beeinträchtigt. Epithe- liale Strukturen sind aufgelockert und defekt, die mukoziliäre Clearance ist gestört. Daneben sind humorale und zelluläre Immunmechanismen wie IgA und die Funktion der Makropha- gen vermindert, wie Prof. Berthold Emmerich (München) auf einer Pres- sekonferenz des Bundesverbandes der Allgemeinärzte Deutschlands in München ausführte.
Insgesamt stehen drei Möglich- keiten zur Verfügung, um die pulmo- nale Infektabwehr zu fördern: Pneu- mokokken-S chutzimpfung, Grippe- schutzimpfung und die orale Im- munstimulation durch Bakterienly- sate. Die Grippeschutzimpfung ist nur wenig effektiv in der Prophylaxe von „banalen" Atemwegsinfektio- nen, von der Pneumokokken-Schutz- impfung wird kaum Gebrauch ge- macht.
ein höheres Risiko für vaskuläre Er- krankungen aufweisen — wie Rauche- rinnen und Patientinnen mit Überge- wicht.
• Es ist auch zu hinterfragen, in- wieweit die thrombotischen Komplika- tionen genetisch determiniert sind — zu- mal die beobachteten Thrombosen be- reits kurze Zeit nach Pillenersteinnah- me aufgetreten sind. zyl
Bakterienlysate werden zwar seit mehr als 50 Jahren eingesetzt. Den- noch wird ihr klinischer Nutzen im- mer noch kontrovers diskutiert, wie Prof. Karl-Christian Bergmann (Bad Lippspringe) betonte. Bakterienlysa- te enthalten Extrakte von verschiede- nen Erregern, die bei bakteriellen Atemwegsinfektionen eine Rolle spielen. Sie aktivieren Makrophagen, erhöhen die Anzahl und die Gamma- Interferon-Produktion, steigern die Zahl der T-Helferzellen sowie die Konzentration von IgA in der Lunge.
Der Nutzen von Bakterienlysaten in der Prophylaxe von rezidivierenden Atemwegsinfektionen ist nach einem BDA-Konsensuspapier zweifelsfrei er- wiesen. Die Zahl infektiöser Episoden geht signifikant um 40 Prozent zurück.
Damit sinken auch der Antibiotikaver- brauch, die Zahl der Krankheitstage und die Hospitalisierungsrate.
Erwachsene, die mehr als drei akute Atemwegsinfektionen pro Jahr erleiden, sollten zu Beginn der Herbst-Winter-Saison prophylaktisch über drei Monate mit einem Bakteri- enlysat behandelt werden, empfiehlt Bergmann Bei Kindern bis zu vier Jahren muß die Grenze der Prophyla- xe-Bedürftigkeit bei mehr als zehn akuten Atemwegsinfektionen pro Jahr angesetzt werden, bei älteren Kindern bei sieben bis neun Infekten.
Drei Produkte sind vom Paul-Ehrlich- Institut zugelassen: Bronchovaxom®, Luivac® und Ribomunyl®.
Dr. med. Angelika Bischoff
Atemwegsinfektionen
Bakterienlysate schützen vor Rezidiven
A-2970 (32) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 44, 3. November 1995