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Archiv "Ergebnisse der Prospektiven Cardiovaskulären Münster (PROCAM) Studie: 1 Lobbyismus" (18.07.1994)

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MEDIZIN

chen werden. Erinnert sei in diesem Zusammenhang, daß zur Zeit des Kleinbauerntums in unseren Regio- nen der Fettverzehr 10 bis 15 Prozent betrug, in Japan heute noch unter 25 Prozent liegt und nach einer weltwei- ten Erhebung der WHO (1990) bei einem Bruttosozialprodukt unter 2500 Dollar ebenfalls nur etwa 20 Prozent erreicht (1). Wir könnten al- so sehr wohl auch heute noch unsere Eßgewohnheiten auf eine sehr mage- re Kost umstellen und allein damit eine wirksame Prophylaxe erreichen.

Ohne diese Umstellung wird sich die Situation sicher nicht ändern und die Adipositas an Häufigkeit weiter zu- nehmen. Diese Umstellung ist mög- lich durch drastische Reduktion der versteckten Fette in vielen tierischen Produkten, aber auch in vielen Back- waren, Pralinen und ähnlichem. Da- mit erhöhte sich auch der relative Anteil an pflanzlichen Fetten, so daß der P/S-Quotient automatisch den gewünschten Wert erreichen würde.

DISKUSSION

Der Stellungnahme von S.-D.

Müller ist prinzipiell zuzustimmen.

Es ist aber zu bedenken, daß für eine ausgeglichene Eiweißbilanz bei Re- duktionsdiäten die biologische Wer- tigkeit des verzehrten Eiweißes von erheblicher Bedeutung ist. Je höher diese ist, um so kleiner kann die Zu- fuhr sein. Da die Wertigkeit des Mol- keeiweißes mit 104 Prozent (2) be- deutend über der des Milcheiweißes von nur 88 Prozent liegt, erreicht man mit Molkeeiweiß bereits mit 30 Gramm, mit Milcheiweiß (Quark) dagegen erst mit etwa 35 Gramm ei- ne ausgeglichene Bilanz. Dieser Un- terschied von etwa 20 Prozent ist aber sicher nicht von großer Bedeu- tung, so daß dem Vorschlag, den preiswerteren Quark anstelle der teuren Kurmolke für eine Redukti- onsdiät zu verwenden, prinzipiell zu- gestimmt werden kann. Die Behand- lung einer Adipositas sollte immer durch Ärzte und nicht durch ärztli- ches Hilfspersonal erfolgen. Zum

Hilfspersonal sind in diesem Falle auch qualifizierte, kompetente Er- nährungsfachkräfte wie Diätassisten- ten und Diplom-Ökotrophologen zu rechnen. Diese können dem Arzt ei- ne wertvolle Hilfe sein, der Dauerer- folg wird aber in erster Linie vom Einsatz des Arztes bestimmt werden.

Literatur

1. Report of a WHO Study Group. Diet, nu- trition, and the prevention of chronic dis- eases, Technical Report Series 797, World Health Organisation, Geneva, 1990 2. Kofranyi, E.; F. Jekat: Die Wertigkeit ge-

mischter Proteine. Hoppe-Seyler's Z. physi- ol. Chemie, 354 (1973) 527

Für die Verfasser

Dr. med. Herwig H. Ditschuneit Abteilung Innere Medizin I Medizinische Klinik und Poliklinik der Universität Ulm Robert-Koch-Straße 8 89081 Ulm

Ergebnisse

der Prospektiven

Cardiovaskulären Münster (PROCAM) Studie

1 Lobbyismus

Wirklich ärgerlich ist, daß der Einfluß der Lipidsenkerlobby (über Sponsorentum?) offensichtlich im- mer noch so stark ist, daß selbst in

„seriösen" Studien wie der PRO- CAM-Studie in der Diskussion nach wie vor völlig unwissenschaftlich von angeblich durch die Studie bewiese- nen kausalen Zusammenhängen zwi- schen Hypercholesterinämie und Atherosklerose die Rede ist.

Bewiesen wurde lediglich, daß man bei erhöhtem LDL-Choleste- rinspiegel signifikant häufiger arte- rielle Verschlußkrankheiten beob- achtet als bei niedrigem Spiegel.

Über einen kausalen Zusammenhang

Zu dem Beitrag von Prof.

Dr. med. Gerd Assmann und Dr. rer. medic. Helmut Schulte in Heft 42/1993

sagt das genausoviel aus wie zum Bei- spiel die noch viel höher signifikante Korrelation, die zwischen der Zahl der Störche und der Zahl der Gebur- ten in Deutschland in den letzten hundert Jahren feststellbar ist.

Für eine feststellbare Korrelati- on zweier Parameter ist ein kausaler Zusammenhang nur eine von vielen

möglichen Erklärungen. Genauso möglich ist der voneinander unab- hängige kausale Zusammenhang der beiden Parameter mit einem durch weitergehende Forschung zu ermit- telnden dritten Faktor. Bei den Stör- chen und Geburten wäre das die fortschreitende Industrialisierung Deutschlands mit ihren sozialen und ökologischen Folgen. Bei der Hyper- cholesterinämie und der Atheroskle- rose käme als Erklärung zum Bei- spiel ein genetischer Faktor in Frage, der beides unabhängig voneinander verursacht.

Für den Beweis eines direkten kausalen Zusammenhangs, der allei- ne eine lipidsenkende Therapie rechtfertigen könnte, wäre eine durch unabhängige Statistikexperten kontrollierte, groß angelegte, pro- spektive Langzeit-, Multicenter-Dop- pelblindfeldstudie erforderlich, in der sich hochsignifikant eine Sen- kung der Morbidität und Mortalität durch Lipidsenker gegenüber Plaze- bo zeigen müßte. Obwohl die Lipid- senker weltweit einen Milliarden- markt darstellen und trotz der enor- men Sponsorengelder der Lipidsen- kerhersteller, die für immer die glei- chen, wenig aussagekräftigen Studien Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994 (51) A-1963

(2)

MEDIZIN

ausgegeben werden, existiert die eben genannte, sinnvolle Studie bis- her nicht, so daß der unangenehme Geruch von hochdotierten Gefällig- keitsstudien aufkommt

Ohne den geschilderten Beweis der unmittelbaren Kausalität der Hy- percholsterinämie für die arteriellen Verschlußkrankheiten ist der Nutzen der Lipidsenkung zurückhaltend zu beurteilen. Und bis zur Vorlage des eben geschilderten Beweises ist Atheroskleroseprophylaxe durch Ga- be von Lipidsenkern wissenschaftlich genausogut begründet wie Kontra- zeption durch das Abschießen von Störchen.

Werner Steinschulte Geißlerpfad 16 13627 Berlin

2 Risikofaktoren sind keine Ursachen

1. Die Koronarsklerose ist ein langsam fortschreitender, chronisch arteriosklerotischer Prozeß (2). Wir werden das Kürzel KHK daher nur in Zitaten verwenden.

2. Für die Auswertung haben die Autoren nur die Männer selek- tiert, bei denen „eine statistisch rele- vante Zahl" von Koronarsklerosen

aufgetreten ist. Das sind 4559 Män- ner, die beim Eintritt in die Studie 40 bis 65 Jahre alt waren. Von ihnen ha- ben die Autoren noch einmal 152 Männer wegselektiert, die an Todes- ursachen außer Koronarsklerose ver- storben sind. Übrig bleiben 186 KHK

+ und 4221 Gesunde. Das ist zwar eine bequeme, aber wirklichkeits- fremde Selektion. Man hätte zu ger- ne gewußt, wie sich Cholesterin und andere Risikofaktoren bei den 9178 Männern und 5961 Frauen verteilen, welche die Autoren von der Auswer- tung ausgeschlossen haben.

3. Wie zu erwarten, sind die Ko- ronarsklerotiker im Durchschnitt äl- ter als die Gesunden. Das hat Konse- quenzen für die Tabelle 1. Die Inzi- denz der Koronarsklerose steigt mit dem Alter an. Wie die Autoren wis- sen (1), steigen auch die Mittelwerte des Cholesterins mit dem Alter an.

Das zeigt sich in der Spalte „KHK +" der Tabelle 1. Die Mittelwerte

DISKUSSION

liegen höher (die Standardabwei- chungen sind größer) beim Choleste- rin, beim LDL-Cholesterin, bei den Triglyzeriden (man kann auch Stan- dardabweichungen für geometrische Mittel berechnen) und beim Blut- druck. Diese erhöhten Mittelwerte sind jedoch nur durch das erhöhte Lebensalter bedingt, nicht durch die Koronarsklerose. Das kann man leicht zeigen, wenn man die 4407 Männer der Tabelle 1 in Altersklas- sen mit einer Breite von 5 Jahren auf- teilt und dann die Mittelwerte inner- halb der Altersklassen vergleicht (3).

4. Die Tabelle 2 bringt wertvolle Aufschlüsse. Um sie richtig zu deu- ten, muß man die Definition der Ur- sache kennen. Sie lautet

4.1 Wenn A, folgt zwangsläufig B; ein sicheres Ereignis mit der Wahrscheinlichkeit 100 Prozent.

4.2 Wenn A nicht, dann auch kein B; ein unmögliches Ereignis mit der Wahrscheinlichkeit 0 Prozent.

Die so definierte Ursache ist also immer deterministisch. Strengge- nommen gelten die Definitionen 4.1 und 4.2 auch für Prädiktoren. Wegen der technischen Mängel unserer Tests begnügt man sich meistens mit einer Sensitivität von 95 Prozent. Für HIV-Tests verlangt man beispiels- weise 99 Prozent (4).

Sehen wir uns daraufhin die Sensitivitäten in Tabelle 2 an: das LDL-Cholesterin hat eine Sensitivi- tät von 69 Prozent, das Zigaretten- rauchen hat eine Sensitivität von 52 Prozent, alle anderen Sensitivitäten liegen unter 50 Prozent; sie haben al- so die „prädiktive Wertigkeit" eines Münzenwurfes.

5. Bekanntlich kann man keine Zahl durch die Null teilen; dieser Quotient ist im Bereich der reellen Zahlen nicht definiert. Daher kann man für Ursachen nach obiger Defi- nition auch keine relativen Risiken berechnen.

6. Die „Aussagekraft" der Auto- ren ist nichts anderes als die (beding- te) Bayes-Wahrscheinlichkeit, daß eine Koronarsklerose eintritt, wenn der Risikofaktor XY vorliegt. Diese Wahrscheinlichkeit beträgt bei Ursa- chen 100 Prozent. In Tabelle 2 liegen alle Bayes-Wahrscheinlichkeiten un- ter 20 Prozent; sie bestätigen damit die Ergebnisse unter „Sensitivität"

und unter „Relatives Risiko". Risiko- faktoren sind also weder Ursachen noch Prädiktoren; man kann die Risi- kofaktoren künftig entbehren.

7. Erst die multivariate Analyse bringt die richtige Aussage: „Das KHK-Risiko stieg mit dem Alter überproportional an".

Prof. Dr. med. Herbert Immich Sandkamp 9 d

25826 St. Peter-Ording

Schlußwort

Zu 1:

Steinschulte bezweifelt grund- sätzlich den Zusammenhang zwi- schen erhöhten LDL-Choleste- rinspiegeln und Arteriosklerose und findet es ärgerlich, daß „. . selbst in

‚seriösen' Studien wie der PRO- CAM-Studie in der Diskussion nach wie vor völlig unwissenschaftlich von angeblich durch die Studie bewiese- nen kausalen Zusammenhängen zwi- schen Hypercholesterinämie und Atherosklerose die Rede ist." Dies wird aber in unserem Beitrag an kei- ner Stelle behauptet. Vielmehr wird zu Beginn der Diskussion konstatiert:

„Expertengremien in den USA (1, 2) und Europa (3, 4) haben wiederholt festgestellt, daß eine hohe Plasma- cholesterin-Konzentration aufgrund einer Erhöhung des LDL-Choleste- rinspiegels ein kausaler Faktor für die KHK ist."

Für die kausale Beziehung zwi- schen LDL-Cholesterin und KHK werden eine Reihe von epidemiologi- schen Argumenten herangezogen, die in einem zwischenzeitlich in die- ser Zeitschrift veröffentlichten Arti- kel zusammengefaßt sind („Aktuali- sierte Hinweise zur Primär- und Se- kundärprävention der koronaren Herzkrankheit", Deutsches Ärzte- blatt 90 (1993) A1 -3058-3070 [Heft 46 vom 19. 11. 931):

„Die Beurteilung, ob ein statisti- scher Zusammenhang zwischen ei- nem Risikofaktor und der koronaren Herzkrankheit (KHK) auch eine kausale Beziehung widerspiegelt, ba- siert auf verschiedenen Kriterien. Zu diesen gehören — nach Ausschluß von Zufall, Bias und Confounding — die Stärke der Beziehung ausgedrückt

A-1964 (52) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994

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