• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Ergebnisse der Prospektiven Cardiovaskulären Münster (PROCAM) Studie: 2 Risikofaktoren sind keine Ursachen" (18.07.1994)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Ergebnisse der Prospektiven Cardiovaskulären Münster (PROCAM) Studie: 2 Risikofaktoren sind keine Ursachen" (18.07.1994)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

MEDIZIN

ausgegeben werden, existiert die eben genannte, sinnvolle Studie bis- her nicht, so daß der unangenehme Geruch von hochdotierten Gefällig- keitsstudien aufkommt

Ohne den geschilderten Beweis der unmittelbaren Kausalität der Hy- percholsterinämie für die arteriellen Verschlußkrankheiten ist der Nutzen der Lipidsenkung zurückhaltend zu beurteilen. Und bis zur Vorlage des eben geschilderten Beweises ist Atheroskleroseprophylaxe durch Ga- be von Lipidsenkern wissenschaftlich genausogut begründet wie Kontra- zeption durch das Abschießen von Störchen.

Werner Steinschulte Geißlerpfad 16 13627 Berlin

2 Risikofaktoren sind keine Ursachen

1. Die Koronarsklerose ist ein langsam fortschreitender, chronisch arteriosklerotischer Prozeß (2). Wir werden das Kürzel KHK daher nur in Zitaten verwenden.

2. Für die Auswertung haben die Autoren nur die Männer selek- tiert, bei denen „eine statistisch rele- vante Zahl" von Koronarsklerosen

aufgetreten ist. Das sind 4559 Män- ner, die beim Eintritt in die Studie 40 bis 65 Jahre alt waren. Von ihnen ha- ben die Autoren noch einmal 152 Männer wegselektiert, die an Todes- ursachen außer Koronarsklerose ver- storben sind. Übrig bleiben 186 KHK

+ und 4221 Gesunde. Das ist zwar eine bequeme, aber wirklichkeits- fremde Selektion. Man hätte zu ger- ne gewußt, wie sich Cholesterin und andere Risikofaktoren bei den 9178 Männern und 5961 Frauen verteilen, welche die Autoren von der Auswer- tung ausgeschlossen haben.

3. Wie zu erwarten, sind die Ko- ronarsklerotiker im Durchschnitt äl- ter als die Gesunden. Das hat Konse- quenzen für die Tabelle 1. Die Inzi- denz der Koronarsklerose steigt mit dem Alter an. Wie die Autoren wis- sen (1), steigen auch die Mittelwerte des Cholesterins mit dem Alter an.

Das zeigt sich in der Spalte „KHK +" der Tabelle 1. Die Mittelwerte

DISKUSSION

liegen höher (die Standardabwei- chungen sind größer) beim Choleste- rin, beim LDL-Cholesterin, bei den Triglyzeriden (man kann auch Stan- dardabweichungen für geometrische Mittel berechnen) und beim Blut- druck. Diese erhöhten Mittelwerte sind jedoch nur durch das erhöhte Lebensalter bedingt, nicht durch die Koronarsklerose. Das kann man leicht zeigen, wenn man die 4407 Männer der Tabelle 1 in Altersklas- sen mit einer Breite von 5 Jahren auf- teilt und dann die Mittelwerte inner- halb der Altersklassen vergleicht (3).

4. Die Tabelle 2 bringt wertvolle Aufschlüsse. Um sie richtig zu deu- ten, muß man die Definition der Ur- sache kennen. Sie lautet

4.1 Wenn A, folgt zwangsläufig B; ein sicheres Ereignis mit der Wahrscheinlichkeit 100 Prozent.

4.2 Wenn A nicht, dann auch kein B; ein unmögliches Ereignis mit der Wahrscheinlichkeit 0 Prozent.

Die so definierte Ursache ist also immer deterministisch. Strengge- nommen gelten die Definitionen 4.1 und 4.2 auch für Prädiktoren. Wegen der technischen Mängel unserer Tests begnügt man sich meistens mit einer Sensitivität von 95 Prozent. Für HIV-Tests verlangt man beispiels- weise 99 Prozent (4).

Sehen wir uns daraufhin die Sensitivitäten in Tabelle 2 an: das LDL-Cholesterin hat eine Sensitivi- tät von 69 Prozent, das Zigaretten- rauchen hat eine Sensitivität von 52 Prozent, alle anderen Sensitivitäten liegen unter 50 Prozent; sie haben al- so die „prädiktive Wertigkeit" eines Münzenwurfes.

5. Bekanntlich kann man keine Zahl durch die Null teilen; dieser Quotient ist im Bereich der reellen Zahlen nicht definiert. Daher kann man für Ursachen nach obiger Defi- nition auch keine relativen Risiken berechnen.

6. Die „Aussagekraft" der Auto- ren ist nichts anderes als die (beding- te) Bayes-Wahrscheinlichkeit, daß eine Koronarsklerose eintritt, wenn der Risikofaktor XY vorliegt. Diese Wahrscheinlichkeit beträgt bei Ursa- chen 100 Prozent. In Tabelle 2 liegen alle Bayes-Wahrscheinlichkeiten un- ter 20 Prozent; sie bestätigen damit die Ergebnisse unter „Sensitivität"

und unter „Relatives Risiko". Risiko- faktoren sind also weder Ursachen noch Prädiktoren; man kann die Risi- kofaktoren künftig entbehren.

7. Erst die multivariate Analyse bringt die richtige Aussage: „Das KHK-Risiko stieg mit dem Alter überproportional an".

Prof. Dr. med. Herbert Immich Sandkamp 9 d

25826 St. Peter-Ording

Schlußwort

Zu 1:

Steinschulte bezweifelt grund- sätzlich den Zusammenhang zwi- schen erhöhten LDL-Choleste- rinspiegeln und Arteriosklerose und findet es ärgerlich, daß „. . selbst in

‚seriösen' Studien wie der PRO- CAM-Studie in der Diskussion nach wie vor völlig unwissenschaftlich von angeblich durch die Studie bewiese- nen kausalen Zusammenhängen zwi- schen Hypercholesterinämie und Atherosklerose die Rede ist." Dies wird aber in unserem Beitrag an kei- ner Stelle behauptet. Vielmehr wird zu Beginn der Diskussion konstatiert:

„Expertengremien in den USA (1, 2) und Europa (3, 4) haben wiederholt festgestellt, daß eine hohe Plasma- cholesterin-Konzentration aufgrund einer Erhöhung des LDL-Choleste- rinspiegels ein kausaler Faktor für die KHK ist."

Für die kausale Beziehung zwi- schen LDL-Cholesterin und KHK werden eine Reihe von epidemiologi- schen Argumenten herangezogen, die in einem zwischenzeitlich in die- ser Zeitschrift veröffentlichten Arti- kel zusammengefaßt sind („Aktuali- sierte Hinweise zur Primär- und Se- kundärprävention der koronaren Herzkrankheit", Deutsches Ärzte- blatt 90 (1993) A1 -3058-3070 [Heft 46 vom 19. 11. 931):

„Die Beurteilung, ob ein statisti- scher Zusammenhang zwischen ei- nem Risikofaktor und der koronaren Herzkrankheit (KHK) auch eine kausale Beziehung widerspiegelt, ba- siert auf verschiedenen Kriterien. Zu diesen gehören — nach Ausschluß von Zufall, Bias und Confounding — die Stärke der Beziehung ausgedrückt

A-1964 (52) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994

(2)

DIZIN

durch das relative Risiko sowie die biologische Plausibilitiät. Darunter versteht man das Aufzeigen glaub- hafter Mechanismen, die erklären, wie der Risikofaktor zur Pathogenese der Erkrankung beiträgt. Der Zu- sammenhang sollte in verschiedenen Studien und Populationen bestätigt sein. Durch prospektive Studien soll- te gesichert sein, daß der Risikofak- tor vor dem Ausbruch der Erkran- kung auftritt. Für die Kausalität ei- nes Risikofaktors spricht weiterhin die Bestätigung des Zusammenhangs durch randomisierte kontrollierte In- terventionsstudien und Tierversuche.

Auch das Auffinden einer Dosis- Wirkungs-Beziehung spricht für die Kausalität einer Beziehung.

Gemäß diesen Kriterien sind er- höhte LDL-Cholesterinwerte, das Zi- garettenrauchen, der Bluthochdruck, der Diabetes mellitus, eine an gesät- tigten Fettsäuren und Cholesterin reiche Ernährung und inaktive Le- bensweise als kausale Faktoren für die KHK anzusehen. Sie beeinflussen erheblich das Risiko, sind in der Be- völkerung weit verbreitet und der Prävention beziehungsweise Behand- lung zugängig . . .".

Zu 2:

Immich vermißt die Verteilun- gen der Risikofaktoren in dem Ge- samtkollektiv. Für interessierte Leser sei aus diesem Grund darauf hinge- wiesen, daß die Verteilungen der wichtigsten Risikofaktoren, aufge- schlüsselt nach dem Geschlecht und dem Alter, in dem Buch „G. Ass- mann (Ed.): Lipid metabolism disor- ders and coronary heart disease, primary prevention, diagnosis and therapy guidelines for general practi- ce; completely revised and enlarged second edition: MMV Medizin-Ver- lag-Vieweg (ISBN 3-8208-1208-3)"

ausführlich dargestellt sind.

Immich behauptet fälschlicher- weise, „. . Diese erhöhten Mittel- werte sind jedoch nur durch das er- höhte Lebensalter bedingt, nicht durch die Koronarsklerose . . ." Im- mich muß entgangen sein, daß auf Seite A1 -2765 rechts oben ausdrück- lich erwähnt wird: „Um den Einfluß des Alters zu eliminieren, sind die al- tersstandardisierten Mittelwerte ei- niger wichtiger Faktoren für die

DISKUSSION

Gruppen KHK + und KHK— in Ta- belle 1 angegeben." Genau das von Immich angemahnte Verfahren des Vergleichs der Mittelwerte in Alters- klassen mit einer Breite von fünf Jah- ren liegt der Altersstandardisierung der Mittelwerte zugrunde.

Immich behautet fälschli- cherweise, die einzige Definition der Kausalität in der Medizin sei: „Wenn A, folgt zwangsläufig B; ein sicheres Ereignis mit der Wahrscheinlichkeit 100 Prozent. Wenn A nicht, dann auch kein B; ein unmögliches Ereig- nis mit der Wahrscheinlichkeit 0 Pro- zent." Diese Definition gilt nur für Ereignisse mit nur einer Ursache.

Würde man sie aber auf Krankheiten mit multifaktorieller Genese anwen- den, gäbe es schlichtweg keine Risi- kofaktoren für diese Krankheiten.

Dies hätte zum Beispiel zur Folge, daß man schließen müßte, Rauchen sei völlig unschädlich (denn auch Nichtraucher und nicht jeder Rau- cher erkrankt zum Beispiel an Lun- genkrebs), krebserregende Stoffe gä- be es nicht, Umweltfaktoren beein- flußten nicht die Gesundheit usw.

Immich behauptet fälschlicher- weise, eine Sensitivität von unter 50 Prozent sage nichts über die prädikti- ve Wertigkeit eines Risikofaktors aus. Um bei dem von Immich er- wähnten Beispiel eines HIV-Tests zu bleiben, ist die Sensitivität des Merk- mals „Transfusion mit HIV-ver- seuchtem Blut" sehr niedrig, da nur wenige Erkrankte auf diese Weise angesteckt werden. Trotzdem ist die prädiktive Wertigkeit extrem hoch.

Im übrigen sei zur Kausalität ei- ner Beziehung noch einmal auf den oben zitierten Artikel verwiesen.

Anschrift der Verfassen

Prof. Dr. med. Gerd Assmann Direktor des Instituts für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin Universität Münster

Albert-Schweitzer-Straße 33 48129 Münster

Dr. rer. medic. Helmut Schulte Institut für Arterioskleroseforschung an der Universität Münster

Domagkstraße 3 48129 Münster

Das Blutbild

Sachgerechte

Erstellung und Bewertung der Ergebnisse

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.

Hermann Heimpel und Dr. med. Silke Heller in Heft 30/1993

Lymphozytenzahl abhängig von

vielfältigen Einflüssen In der ausgezeichneten Über- sicht „Das Blutbild" betonen Heim- pel und Heller, wie wichtig eine an- gemessene Standardisierung bei der Erhebung und Bewertung von Daten in der Medizin ist. Außerdem weisen die Autoren darauf hin, daß eine sachgerechte Interpretation derarti- ger Daten nur bei ausreichender Kenntnis der Dynamik der einzelnen Leukozytenpopulationen gelingen kann. Sie führen als Beispiel die Gra- nulozyten an, die nur einige Stunden im Blut verweilen.

Wir möchten ergänzend auf die noch komplexere Situation der Lym- phozyten im Blut hinweisen. Lym- phozyten werden im Gegensatz zu Erythrozyten und Granulozyten nicht nur im Knochenmark sondern noch in vielen anderen lymphatischen und nichtlymphatischen Geweben gebil- det und gelangen von dort in das Blut. Lymphozyten verweilen weni- ger als eine Stunde im Blut, was dazu führt, daß pro Tag etwa 500 x 10 9 Lymphozyten die Blutbahn verlassen und wieder ins Blut zurückkehren (1). Zu einem gegebenen Zeitpunkt befinden sich nur zwei Prozent aller Lymphozyten des menschlichen Kör- pers im Blut, und alle anderen sind in den lymphatischen und nichtlympha- tischen Organen des Körpers verteilt, wobei die Lymphozytensubpopula- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994 (53) A-1965

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Aus Studien geht jedoch hervor, dass auch genetische Dispo - sitionen, vorgeburtliche Einflüsse und Risikofaktoren in der frühen Kindheit für die Entwicklung der Lunge

Eine Ausnahme bil- den saure Regurgitation und retro- sternales oder epigastrisches Bren- nen, die sehr spezifisch für gastro- ösophagealen Reflux sind (13); aber auch hier kann

Für jede "logische Verknüpfung" zweier Ereignisse (Mengen) kann hier ein geeignetes "Anwendungsbeispiel" eingetragen werden.. Bsp.: Ein Würfel wird einmal geworfen,

< 0,01). Diese verschwand jedoch, falls in einer multivariaten Analyse der Einfluß von Cholesterin oder HDL-Cholesterin berücksichtigt wurde. Eine Hypertriglyzeridämie

[r]

[r]

Die verschiedenen A i k¨ onnen aber untereinander keine Schnittmenge haben, denn sonst w¨ urde ein Elementarereignis auf mehr als eine Zahl abgebildet (das ist per Definition

(c) Gib die Ereignisse ,,Zweierpasch” (nur Zweier) und ,,die Zahlen Eins, Zwei und Drei kommen (je einmal) vor” an, und bestimme jeweils ihre M¨achtigkeit.. (d) Wie viele