H¨ aufig verwendet man die Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit in der Form Pr[A ∩ B ] = Pr[B|A] · Pr[A] = Pr[A|B] · Pr[B] . (1) Damit:
Satz 16 (Multiplikationssatz)
Seien die Ereignisse A 1 , . . . , A n gegeben. Falls Pr[A 1 ∩ . . . ∩ A n ] > 0 ist, gilt
Pr[A 1 ∩ . . . ∩ A n ] =
Pr[A 1 ] · Pr[A 2 |A 1 ] · Pr[A 3 |A 1 ∩ A 2 ] · . . .
. . . · Pr[A n |A 1 ∩ . . . ∩ A n−1 ] .
Beweis:
Zun¨ achst halten wir fest, dass alle bedingten Wahrscheinlichkeiten wohldefiniert sind, da Pr[A 1 ] ≥ Pr[A 1 ∩ A 2 ] ≥ . . . ≥ Pr[A 1 ∩ . . . ∩ A n ] > 0.
Die rechte Seite der Aussage im Satz k¨ onnen wir umschreiben zu Pr[A 1 ]
1 · Pr[A 1 ∩ A 2 ]
Pr[A 1 ] · Pr[A 1 ∩ A 2 ∩ A 3 ]
Pr[A 1 ∩ A 2 ] · . . . · Pr[A 1 ∩ . . . ∩ A n ]
Pr[A 1 ∩ . . . ∩ A n−1 ] .
Offensichtlich k¨ urzen sich alle Terme bis auf Pr[A 1 ∩ . . . ∩ A n ].
Beispiel 17 (Geburtstagsproblem)
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einer m-k¨ opfigen Gruppe zwei Personen am selben Tag Geburtstag haben?
Umformulierung:
Man werfe m B¨ alle zuf¨ allig und gleich wahrscheinlich in n K¨ orbe. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass nach dem Experiment jeder Ball allein in seinem Korb liegt?
F¨ ur das Geburtstagsproblem: n = 365
Offensichtlich muss m ≤ n sein, damit ¨ uberhaupt jeder Ball allein in einem Korb liegen kann.
Wir nehmen an, dass die B¨ alle nacheinander geworfen werden. A i bezeichne das Ereignis
” Ball i landet in einem noch leeren Korb“. Das gesuchte Ereignis
” Alle B¨ alle liegen allein in einem Korb“ bezeichnen wir mit A. Nach Satz 16 k¨ onnen wir Pr[A]
berechnen durch
Pr[A] = Pr [∩ m i=1 A i ]
= Pr[A 1 ] · Pr[A 2 |A 1 ] · . . . · Pr[A m | ∩ m−1 i=1 A i ].
Unter der Bedingung, dass die ersten j − 1 B¨ alle jeweils in einem leeren Korb gelandet
sind, bedeutet A j , dass der j-te Ball in eine der n − (j − 1) leeren K¨ orbe fallen muss,
die aus Symmetriegr¨ unden jeweils mit derselben Wahrscheinlichkeit gew¨ ahlt werden.
Daraus folgt
Pr[A j | ∩ j−1 i=1 A i ] = n − (j − 1)
n = 1 − j − 1 n . Mit der Absch¨ atzung 1 − x ≤ e −x und wegen Pr[A 1 ] = 1 erhalten wir
Pr[A] =
m
Y
j=1
1 − j − 1 n
≤
m
Y
j=2
e −(j−1)/n = e −(1/n)· Pm−1j=1 j
= e −m(m−1)/(2n) =: f(m) .
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
0 50 100 150 200 250 300 350
f(m)