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Archiv "Symposium für Juristen und Ärzte – Ärztliche Schweigepflicht: Druck von allen Seiten" (05.02.1999)

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tädtisches Krankenhaus, Ab- teilung für Gynäkologie und Geburtshilfe: Außer den Zimmernummern sind die Namen der Patientinnen neben der Tür gut lesbar. Eine praktische Regelung, wie viele meinen – oder strengge- nommen schon ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht, weil auch die Tatsache, daß jemand in Behandlung ist, darunterfällt?

Der Medizinische Dienst der Krankenkasse Z überprüft, ob es im Krankenhaus X zu Fehlbelegungen gekommen ist. Welche Unterlagen sind ihm zur Verfügung zu stellen:

die aller gesetzlich Krankenversi- cherten oder nur die der eigenen Versicherten? Einem Gerichtsurteil zufolge gilt letzteres. Fragen blei- ben: Muß es die komplette Akte ei- nes Patienten sein oder genügen Tei- le davon, und welche?*

In T. beschließen 25 Ärzte, ein Praxisnetz zu gründen. Dürfen sie ohne weiteres Daten austauschen?

Oder müssen sie ihre Patienten über das Netz und mögliche Folgen für die ärztliche Schweigepflicht auf- klären? So lautet die mehrfach geäußerte Meinung während eines Symposiums in Berlin.

Drei Fälle aus dem ärztlichen Alltag zum Thema „Ärztliche Schweigepflicht und Datenschutz in der Medizin“, das Gegenstand des 22. Symposiums für Juristen und Ärzte Mitte Januar war. Für gewisse Überraschung beim Veranstalter, der Kaiserin-Friedrich-Stiftung für das ärztliche Fortbildungswesen,

hatte gesorgt, daß sich wie im Jahr zuvor rund 300 Interessenten ange- meldet hatten – obwohl es eher um ein „klassisches“ Thema ging. Die Referenten verdeutlichten jedoch, daß Ärzte und Ärztinnen um die Wahrung der Schweigepflicht und des Datenschutzes immer neu rin- gen müssen. Erschwert wird ihnen dies durch technische Entwicklun- gen, Forderungen von Dritten wie Krankenkassen, Versicherungen oder Arbeitgebern, aber auch durch verständliche eigene Wünsche nach Arbeitserleichterung.

Ambivalenz des Gesetzgebers

Hinzu kommt eine ambivalente Haltung des Gesetzgebers: Einer- seits sind die Anforderungen an Ärzte streng, wie man den entspre- chenden Passagen in Strafgesetz- buch, Bundesdatenschutzgesetz oder auch der Berufsordnung entnehmen kann. Andererseits behält sich der Staat vor, die ärztliche Schweige- pflicht gegebenenfalls selbst aus- zuhöhlen, Stichwort: großer Lausch- angriff. Außerdem ergeben sich aus Bestimmungen zur Leistungs- und Kostenkontrolle (wie im Sozialge- setzbuch) teilweise Probleme in der Praxis.

Dies belegten zwei Referenten mit Ausführungen zum Thema

„Spezielle Probleme der Schweige- pflicht im Krankenhaus“. Prof. Dr.

med. Hans-Friedrich Kienzle, Chef- arzt einer Chirurgischen Klinik, schilderte, woran die strenge Einhal- tung der ärztlichen Schweigepflicht im Alltag scheitern kann. Ein Pati- ent in der Klinikambulanz werde meist laut und deutlich mit Namen aufgerufen und in eine der Behand- lungskabinen geleitet, die oft nur durch Vorhänge voneinander ge- trennt seien. Spöttisch merkte Kienzle an, hier könne man sich schon ein Bild von seinen kranken

„Nachbarn“ und den Qualitäten des behandelnden Arztes machen – was meist auch bei den Visiten im Mehr- bettzimmer der Fall sei. So entstehe zwar eine gewisse Schicksalsgemein- schaft von Patienten, aber grund- sätzlich verstoße man gegen die Schweigepflicht.

Kienzle listete weitere Grauzo- nen auf: Im Arztzimmer, in dem oft die Aufnahme erfolgt, liegen offen Akten herum. Während der Ge- spräche im Stationszimmer wird viel Wissen über Patienten weitergege- ben, um dem gesamten Team die Ar- beit zu erleichtern. Vielen Ärzten sei unklar, welche Patientendaten sie an die Krankenhausverwaltung weiter- leiten dürften und welche nicht. Un- sicherheit herrsche auch bei Anfra- gen von Krankenkassen und Versi- cherungen. Der Chefarzt gab ab- schließend zu bedenken, daß ein Kli- nikarzt kein Einzelkämpfer sei, son- dern ein Rad im großen Kranken- hausgetriebe. Dies bedinge oft eine A-253

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 5, 5. Februar 1999 (17)

Symposium für Juristen und Ärzte

Ärztliche Schweigepflicht:

Druck von allen Seiten

Krankenkassen und Versicherungen, forschende Unternehmen

und Arztkollegen – ihnen allen erleichtern Auskünfte über Patienten die Arbeit.

Kehrseite: Schweigepflicht und Datenschutz sind immer schwerer zu wahren.

S

* Dem Thema „Eingriffsbefugnisse des MDK“

geht Jörg Meister in einem Artikel für „Das Krankenhaus“, Heft 7/1998, nach.

(2)

gewisse Durchbrechung der ärztli- chen Schweigepflicht.

Aus juristischer Sicht beleuchtete Rechtsanwalt Dr. jur. Christoph Jan- sen das Thema. Er erläuterte, in wel- chem Umfang ein Krankenhausarzt an seine Schweigepflicht gebunden ist.

Grundsätzlich sei auch gegenüber dem Krankenhausträger die Schwei- gepflicht zu wahren, denn der Patient vertraue sich dem Arzt an und nicht der Klinik. Ausnahmen wegen not- wendiger Abrechnungen oder im Fall von Haftungsprozessen gebe es aller- dings.

Ein Streitpunkt sei zuweilen, welche ärztliche Post in der Poststelle

geöffnet werden dürfe. Von seiten der Krankenhausträger werde oft die An- sicht vertreten, daß ein Brief nur dann ungeöffnet an den Arzt weiterzuge- ben sei, wenn zuerst sein Name und dann die Klinik genannt werde. Er hingegen sei der Meinung, daß es auch im umgekehrten Fall nicht zuläs- sig sei, die Post zu öffnen.

Diskutiert wurde, in welchem Umfang die Schweigepflicht zwischen Ärzten gilt. Nach Ansicht von Jansen wird dem Patienten unterstellt, daß er mit der Einwilligung in die Behand- lung indirekt auch einem Informati- onsaustausch zwischen seinen behan- delnden Ärzten zustimmt. Gefragt wurde, ob ein Patient detailliert festle- gen könne, wer in der Klinik welche Information über ihn erhalte und wer nicht. Jansen meinte, daß dies prak- tisch unmöglich sei. Das Problem sei allerdings, daß im Beschwerdefall die Rechtfertigung für das jeweilige Vor- gehen beim Arzt liege.

Allzu viele Beschwerden scheint es nicht zu geben. Referenten und

Teilnehmer erweckten den Eindruck, daß die Patienten kaum über die ärzt- liche Schweigepflicht und deren

„Durchlöcherung“ nachdenken. Man kann dies allein auf mangelnde Sach- kenntnis zurückführen. Gut möglich aber auch, daß Patienten manches Vorgehen registrieren, es aber prag- matisch billigen und ihrem Arzt grundsätzlich vertrauen – solange nichts Unerwünschtes geschieht.

Mehrfach wurde debattiert, in welchem Umfang Behörden, Sozial- versicherungsträger und andere Insti- tutionen zu Lasten der ärztlichen Schweigepflicht Auskünfte verlangen können. Als ein Beispiel wurde die umfangreiche Einsicht in Behandlungsakten einer Psychiatrischen Klinik durch Mitarbei- ter des Landesrech- nungshofs geschildert.

Anlaß war seinerzeit of- fenbar der Verdacht, Ärzte hätten Honorar- anteile nicht ordnungs- gemäß an den Klinik- träger abgeführt. Nach Darstellung eines Teil- nehmers wurde vor Gericht das Prüfrecht des Rechnungshofes als überragendes Gut bewertet – ein Ur- teil, das Ärzte wie Juristen als unbe- friedigend einstuften. Fragen bleiben also reichlich: Was darf im Einzelfall überwiegen, Kontrollrechte oder ärzt- liche Schweigepflicht? Wann ist ein immenser Arbeitsaufwand, der zum Beispiel mit der Anonymisierung von Akten verbunden ist, nicht mehr zu rechtfertigen? Noch heikler: Wird im einen oder anderen Fall wirklich die ärztliche Schweigepflicht verteidigt, oder wird sie von Ärzten auch einmal als Argument vorgeschoben, um zum Beispiel Abrechnungsbetrügereien zu verdecken?

Angesprochen wurde auch, daß sich angesichts des technischen Fort- schritts die Frage nach Schweige- pflicht und Datenschutz immer neu stellt. Dies verdeutlichte Rechtsan- walt Dr. jur. Dr. med. Christian Dierks in seinen Ausführungen zur Teleme- dizin. Komme ein Patient gerade we- gen der Möglichkeiten, die eine tele- medizinische Behandlung ihm böte, so könne man davon ausgehen, daß er

sich über die datenschutzrechtliche Problematik im klaren sei. Wenn ein Patient jedoch nicht wisse, welche Rolle eine telemedizinische Anwen- dung bei seiner Behandlung spiele, müsse man ihn besonders gründlich darüber aufklären. Ein Problem blei- be das Wissensungleichgewicht zwi- schen Arzt und Patient auch hier.

Mit Aufmerksamkeit wurde auch das Thema „Ärztliche Schweige- pflicht in der medizinischen For- schung“ bedacht. Den geplanten Vor- trag von Prof. Dr. jur. Erwin Deutsch, Leiter der Abteilung für internationa- les und ausländisches Privatrecht im Juristischen Seminar der Universität Göttingen, verlas und ergänzte wegen dessen Erkrankung Dr. jur. Jutta Krü- ger von der Hamburger Behörde für Wissenschaft und Forschung. Deutsch ging in seiner Ausarbeitung auf die unterschiedlichen Formen medizini- scher Forschung ein und erläuterte, in welchen Abstufungen Schweige- pflicht und Datenschutz zum Tragen kommen.

Retrospektive Studien:

mangelnder Datenschutz

Ein Erfahrungsaustausch ent- spann sich schließlich zu retrospekti- ven Studien. Kienzle berichtete, daß diese an Kliniken beliebt seien, das Bewußtsein für Datenschutzverlet- zungen dabei aber lange Zeit außeror- dentlich gering ausgeprägt gewesen sei. Oft habe man Doktoranden Pati- entenakten für retrospektive Studien überlassen, ohne die entsprechende Erlaubnis des Patienten einzuholen oder Teile der Akten zu anonymisie- ren. Krüger berichtete von einer Stu- die, über die sich vor Jahren eine Be- troffene beim zuständigen Daten- schutzbeauftragten beschwerte. Der Chefarzt einer Klinik hatte einer Doktorandin Patientenakten für eine retrospektive Studie zum Thema Krebserkrankung/Nachsorge überlas- sen. Diese schrieb die ehemaligen Pa- tienten an und bat um diverse Aus- künfte. Die Sache wurde geklärt, ein Verfahren wegen geringfügiger Schuld eingestellt. Bei weiteren Studien bat dann der Chefarzt die Betroffenen zunächst um ihre Einwilligung und Beteiligung. Sabine Rieser A-254

P O L I T I K LEITARTIKEL

(18) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 5, 5. Februar 1999

„Ärztliche Schweigepflicht“

Referate und Zusammenfassungen der Diskus- sionen des 22. Symposiums für Juristen und Ärzte zum Thema „Ärztliche Schweigepflicht und Da- tenschutz in der Medizin“, veranstaltet von der Kaiserin-Friedrich-Stiftung für das ärztliche Fort- bildungswesen, erscheinen demnächst in der Zeit- schrift für ärztliche Fortbildung und Qualitätssi- cherung. Der Einzelheftpreis beträgt 24 DM zu- züglich Versandkosten (Gustav Fischer Verlag, Niederlassung Jena, Postfach 10 05 37, 07705 Jena, Tel 0 36 41/62 63). Rie

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