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Grünbuch: Partizipation im digitalen Zeitalter

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Academic year: 2022

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Grünbuch: Partizipation im digitalen Zeitalter

Rohtext (Ergebnisse Online-Konsultation eingearbeitet)

Autorinnen und Autoren:

Noella Edelmann, Valerie Albrecht, Gregor Eibl (Donau-Universität Krems) Ursula Rosenbichler, Alexander Grünwald, Michael Kallinger (BMKÖS)

1. EINFÜHRUNG ... 4

2. INTEGRATIVES KONZEPT FÜR ÖFFENTLICHKEITSBETEILIGUNG IM DIGITALEN ZEITALTER ... 5

2.1. Hinführung zum theoretischen Teil ... 5

2.2. Die Öffentlichkeit ... 5

2.3. Partizipation oder Öffentlichkeitsbeteiligung ... 6

2.4. Politische Partizipation ... 7

2.5. Integrative und integrierte Partizipation im digitalen Zeitalter ... 7

2.6. Besonderheiten digitaler Öffentlichkeitsbeteiligung (E-Partizipation) ... 8

3. INTERNATIONALE BEISPIELE FÜR DIGITALE UND INTEGRATIVE BETEILIGUNGSPROJEKTE ... 10

3.1. Argentinien: Buenos Aires “BA Elige Ideas que transforman la Ciudad”... 10

3.2. Brasilien: Laboratório Ráquer ... 10

3.3. Deutschland: meinBerlin ... 10

3.4. Frankreich: Paris “Budget Participatif” ... 10

3.5. Island: My Neighbourhood ... 11

3.6. Norwegen: Ministerium für kommunale Verwaltung und regionale Entwicklung ... 11

3.7. Vereinigtes Königreich: The Scottish Government ... 11

3.8. Spanien: Decide Madrid „Decide Madrid: portal de participación ciudadana de Madrid” ... 11

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3.9. USA: City of Edmonton “Public Engagement“ ... 12

3.10. Vereinigtes Königreich: Nesta Flying high ... 12

4. POLITISCH-ADMINISTRATIVES HANDELN UND PARTIZIPATION ... 13

4.1. Rahmenbedingungen für das Arbeiten in und mit den Phasen des Policy Cycle ... 13

Der Policy Cycle als Grundlage erfolgreicher Beteiligungsprozesse Digitale Partizipation im Policy Cycle 13 Agenda Setting/Themenfindung ... 14

Analyse & Politikdiskussion ... 15

Formulierung von Politik oder Gesetzen ... 17

Entscheidung ... 19

Implementierung ... 21

Evaluierung (auf Basis kontinuierlichen Monitorings) ... 22

4.2. Funktionen und Verantwortlichkeiten als Gestaltungsrahmen für die Akteurinnen & Akteure ... 24

4.3. Achtsamkeit auf Metastruktur und Gestaltung der Phasen-Übergänge ... 24

4.4. Beteiligungsintensität (Information – Konsultation – Kooperation) ... 25

4.5.1 Information ... 26

4.5.2 Konsultation ... 26

4.5.3 Kooperation ... 27

5. LEITPRINZIPIEN, DESIGN, METHODEN UND AUSGEWÄHLTE TOOLS/ INSTRUMENTE (ANALOG/DIGITAL) ... 28

5.1. Leitprinzipien der Beteiligung im integrativen Beteiligungsprojekt ... 28

5.2. Leitprinzipien der Beteiligung in bestehenden Agenden ... 29

5.2.1 Masterplan Partizipative Stadtentwicklung (Magistrat der Stadt Wien, 2017 S. 21) ... 29

5.2.2 Praxisbuch Partizipation. Gemeinsam die Stadt entwickeln (Stadtplanung, 2003 S. 15-17) ... 29

5.2.3 DigitalesWien (Stadt Wien – Magistratsdirektion - Geschäftsbereich Organisation und Sicherheit - Gruppe Prozessmanagement und IKT-Strategie, 2020): „Wiener Prinzipien“ ... 30

5.2.4 Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung – Empfehlungen für die gute Praxis (Bundesministerium für Land-und Forstwirtschaft und Wasserwirtschaft & Bundeskanzleramt, 2011 S. 7-9) ... 31

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5.2.5 E-participation: A Strategic Framework (Wirtz, Daiser und Binkowska, 2018, S. 4) ... 33

5.3. Design und Methoden der Beteiligung... 33

5.3.1 Design und Sonderfälle ... 33

5.3.2 Methoden und Instrumente ... 34

6. GLOSSAR UND DEFINITIONEN ... 36

7. ZUSÄTZLICHE PROJEKTE UND LITERATUR ... 36

8. LITERATUR ... 37

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1. Einführung

Im Jahr 2008 wurden von einer interministeriellen Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Interessenvertretungen, NGOs und externen Fachexpertinnen und -experten Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung erarbeitet. Diese und der ergänzende Praxisleitfaden aus dem Jahr 2011 bildeten über viele Jahre hinweg die Grundlage für erfolgreiche Beteiligungsprojekte.

Wenngleich der Praxisleitfaden bereits erste Aspekte des Einsatzes elektronischer Medien berücksichtigen konnte, gilt es, die relevanten Entwicklungen der vergangenen Jahre zu adressieren und in einem neuen ganzheitlichen Ansatz in einem neuen „Praxisleitfaden:

Partizipation im digitalen Zeitalter“ zusammenzuführen.

Die fortschreitende Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren zu wesentlichen Neuerungen im Kontext der Interaktion zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern geführt. Die Entwicklung und Nutzung sozialer Medien und die damit verbundene Transformation sozialer Kommunikationswege, der Einsatz semantischer Technologien, die Entwicklung neuer Online- Tools für Beteiligungsprozesse, wie auch veränderte gesellschaftlich Ansprüche, eröffnen eine Vielzahl von Chancen für Beteiligung und Interaktion, gehen jedoch mit entsprechenden Herausforderungen für Politik, Verwaltung und Gesellschaft einher.

Der Anspruch an partizipatives Vorgehen und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger findet in Co-Creation-, Collaboration-, Co-Leadership- und Co-Evaluation- Ansätzen neue Möglichkeiten.

Agilität und Iterativität werden zum neuen Mantra organisationalen Handelns.

Dieses Grünbuch ist der erste Teil des Erstellungsprozesses des neuen „Praxisleitfadens:

Partizipation im digitalen Zeitalter“. In einem mehrstufigen partizipativen Verfahren wird auf Basis des Bestehenden, unter Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter kritischer Reflektion der analogen und digitalen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten im Sinne der Zielsetzung eines partizipativen Prozesses, eine nutzerinnen- und nutzerzentrierte Dokumentation für partizipative Prozesse erarbeitet.

Im Rahmen von drei Workshops zu den Themenschwerpunkten „Partizipation im Policy Cycle“,

„Design und Methode“ und „Leitprinzipien des Vorgehens“ wurden im 1. Quartal 2020 von über 50 Expertinnen und Experten wertvolle Beiträge für das Grünbuch erarbeitet und eine erste Basisstruktur abgestimmt. Nach einer ersten Anreicherung und Kontextualisierung durch die Projektpartner Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport sowie Donau- Universität Krems wurden die erarbeiteten Inhalte (Rohtext Grünbuch) mittels Discuto den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Workshops zur Kommentierung und Ergänzung vorgelegt.

Die Ergebnisse der Konsultation wurden eingearbeitet und im Rahmen eines Abschlussworkshops am 15. Mai 2020 diskutiert.

Danach wird das Grünbuch, als inhaltliche Grundlage des Praxisleitfadens, finalisiert und die Phase 1 des Erstellungsprozesses abgeschlossen. Phase 2 startet mit einem breit angelegten Online-Konsultationsprozess, welcher uns in der Folge zur Gestaltung des Praxisleitfadens:

Partizipation im digitalen Zeitalter führt.

Ziel des Praxisleitfadens ist es, Akteurinnen und Akteure auf allen Verwaltungsebenen bei der Umsetzung zielgerichteter und qualitätsvoller Beteiligungsprojekte aktuell und zeitgemäß zu unterstützen. Das anvisierte Endprodukt soll daher, neben einer traditionellen Broschüre, auch ein Storybook zum Thema Partizipation und eine Website umfassen, welche einen zielgruppengerechten Zugang zu den wichtigsten Fragen, Informationen und Handlungsanleitungen rund um die Durchführung von Beteiligungsprozesse für alle öffentlichen

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Akteurinnen und Akteure ermöglicht. Die Umsetzung des Endproduktes erfolgt schrittweise nach Maßgabe verfügbarer personeller und finanzieller Ressourcen.

2. Integratives Konzept für Öffentlichkeitsbeteiligung im digitalen Zeitalter 2.1. Hinführung zum theoretischen Teil

Seit vielen Jahren werden in Österreich erfolgreich Partizipationsprojekte durchgeführt, in den letzten Jahren verstärkt auch unter Nutzung digitaler Technologien. Der technologische Fortschritt bietet dabei neue Möglichkeiten. Beteiligungsprojekte müssen völlig neu gedacht, konzipiert und durchgeführt werden. Denn es geht nicht darum, analoge Formen der Beteiligung durch digitale zu ersetzen, oder analogen Prozessen digitale Komponenten hinzuzufügen, sondern um die gelungene Verschränkung digitaler und analoger Möglichkeiten. Eine gute Beteiligungsarchitektur gewinnt immer mehr an Bedeutung. Damit können analoge und digitale Methoden und Instrumente entsprechend der Fragestellung, Thema, Zielgruppe sowie Zweck und Ziel von Beteiligungsverfahren ausgewählt und angepasst werden.

Orientiert an den Phasen des Policy Cycle und auf der Basis von theoretischem und praktischem Wissen von Expertinnen und Experten entwickelt, soll das ganzheitliche Strategiedokument für eine integrative Öffentlichkeitsbeteiligung im digitalen Zeitalter sowohl Expertinnen- und Expertenwissen und Theorie beinhalten und verständlich vorstellen. Der Policy Cycle oder Politikzyklus ist ein Modell für die Strukturierung eines poltisch-administrativen Prozesses und unterstützt durch kontinuierliches Monitoring und Evaluation die evidenzbasierte Politikgestaltung.

Die in der österreichischen Bundesverwaltung seit 1. Jänner 2013 zur Anwendung kommende wirkungsorientierte Verwaltungssteuerung folgt dieser universalen Reflexionslogik des Policy Cycle. Die Erbringung öffentlicher Aufgaben wird im Policy Cycle in unterschiedlichen Phasen strukturiert und die Öffentlichkeit kann mit passenden Beteiligungsprozessen eingebunden werden. Um dessen Einbindung in die Öffentlichkeitsbeteiligung zu erläutern, werden zunächst einige grundlegende Konzepte definiert.

2.2. Die Öffentlichkeit

Die Europäische Kommission definiert „Öffentlichkeit“ als „eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und, in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder der innerstaatlichen Praxis, deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen“.1 Die Öffentlichkeit muss "frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit“ erhalten, sich an der Vorbereitung und Änderung oder Überarbeitung der Pläne oder der Programme zu.2

Die Plattform „Digitales Österreich“ des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, definiert Öffentlichkeit als „einen offenen und unbegrenzten Personenkreis, alle Mitglieder und Organisationsformen einer Gesellschaft außerhalb staatlicher Organisationen.

Zu dieser Öffentlichkeit gehören Einzelpersonen und Personengruppen.“3 Personen sind nicht in Gruppen organisiert und agieren nicht für die Ziele einer Organisation, sondern ihrer Einzelinteresse. Oganisationen der Zivilgesellschaft gehören auch zur organisierten Öffentlichkeit, allerdings auf freiwilliger Basis und ohne gesetzlichen Auftrag.

1 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32003L0035&from=EN

2 Ibid.

3 https://www.digitales.oesterreich.gv.at/-/begriffsklarungen-zur-burgerbeteilung.

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2.3. Partizipation oder Öffentlichkeitsbeteiligung

Öffentlichkeitsbeteiligung ist ein sozialer, kommunikativer und politischer Prozess. Kurz (1991) beschreibt die Öffentlichkeitsbeteiligung als die „unmittelbare Mitwirkung von Betroffenen und/oder Interessierten und Engagierten am Entscheidungsverfahren der Verwaltung“ (nach Hoffmann-Riel und Rubbert 1984 (S.11)), und versteht sie als die „Anhörung von Betroffenen/Interessenten sowie die (…) ermittelten Einwendungen mit den Einwendern“ (S.12).

Einige Funktionen der Öffentlichkeitsbeteiligung sind, laut Fisahn (2002):

 Information der Behörde einerseits und der Bürgerin und des Bürgers andererseits,

 Interessenvertretung und -ausgleich,

 Effektivitätssteigerung der Verwaltung,

 Beschaffung von Akzeptanz für Entscheidungen sowie

 Vorgelagerter (Grund)-Rechtschutz und Gewährung rechtlichen Gehörs

Auf Englisch wird Öffentlichkeitsbeteiligung als „public participation“ übersetzt und ist von der Europäischen Kommission v.a. im Umweltbereich verankert. Die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 fokussiert auf die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme. Das Ziel der Richtlinie ist es, die Pflichten aufgrund des Århus-Übereinkommens und eine verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates zu erfüllen. Dabei hat die Öffentlichkeit das Recht, Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, bevor Entscheidungen über die Pläne und Programme getroffen werden. Das Ergebnis der Öffentlichkeitsbeteiligung soll bei der Entscheidung angemessen berücksichtigt werden und die zuständige Behörde soll nach der Prüfung der von der Öffentlichkeit vorgebrachten Meinungen und Stellungnahmen über die getroffenen Entscheidungen und das Verfahren zur Beteiligung informieren.4

In den „Standards für die Öffentlichkeitsbeteiligung“ (Bundeskanzleramt, 2008) wird eine ähnliche Definition angegeben, die Öffentlichkeitsbeteiligung ist „die Möglichkeit aller betroffenen und bzw.

oder interessierten Personen, ihre Interessen oder Anliegen bei der Entwicklung von Plänen, Programmen, Politiken oder Rechtsakten zu vertreten bzw. vorzubringen“ (S.15). Die Plattform

„Digitales Österreich“, die sich an den „Standards für die Öffentlichkeitsbeteiligung“

(Bundeskanzleramt, 2008) orientiert, sieht „dass (…) neben Bürgerinnen und Bürgern auch Interessengruppen wie die Kammern oder NGOs (Nichtregierungsorganisationen) zum Beispiel Umweltschutzorganisationen oder soziale Organisationen beteiligt werden“5 können.

Im Kontext dieser Definition geht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, 2017) auch darauf ein, dass im Mittelpunkt einer solchen Beteiligung der Policy Cycle steht (OECD, 2020) unter Einbezug der jeweiligen Stakeholder durch Information, Konsultation oder Kooperation in die Entscheidung, Gestaltung und Umsetzung von öffentlichen Projekten.

Daher beschreibt die Partizipation oder Öffentlichkeitsbeteiligung grundsätzlich den Einbezug der jeweiligen Stakeholder durch Information, Konsultation oder Kooperation (siehe unten) in die Entscheidung, Gestaltung und Umsetzung von öffentlichen Projekten. Die Stakeholder können sowohl einem weiten (z.B.: alle Personen, die in irgendeiner Weise von einem Vorhaben betroffen

4 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32003L0035&from=EN

5 https://www.digitales.oesterreich.gv.at/-/begriffsklarungen-zur-burgerbeteilung.

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sind) als auch einem engeren (z.B. Personen aus institutionalisierten Interessensvertretungen) Verständnis folgen (s.o “Die Öffentlichkeit”).

In allen Formen birgt der Einsatz von Beteiligung, im Besonderen auch dort, wo keine gesetzliche Verpflichtung zur Beteiligung besteht, zahlreiche Potenziale. Dazu gehören vor allem:

 die Erhöhung der Wirksamkeit, Kapazität und Legitimität öffentlicher Entscheidungsprozesse;

 die Modernisierung der staatlichen Dienstleistungserbringung;

 eine höhere Interaktion zwischen öffentliche Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern;

 die verstärkte Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in Netzwerken und Dialogen;

 der Zugang zu neuen Ideen und Know-how;

 ein vertieftes Verständnis der Themen und folglich mehr Akzeptanz der getroffenen Entscheidung durch Bürgerinnen und Bürger;

 öffentlicher Nutzen durch die kollaborative Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen, dem privaten Sektor, Gemeinschaftsgruppen, Bürgerinnen und Bürger;

(Peter Parycek, Keynote bei Kick-Off)

Partizipative Prozesse sollen nicht nur zum Zweck der Akzeptanzbeschaffung geführt werden, sondern um die “die Werte und Werthaltungen der Beteiligten sowie ihre Interessen und Bedürfnisse sichtbar" (Standards für die Öffentlichkeitsbeteiligung, 2011) zu machen und qualitativ bessere, langfristig robustere und nachhaltige Entscheidungsprozesse und Ergebnisse zu erhalten, etwa durch Zugang der Verwaltung zur Praxis der Bürgerinnen und Bürger. Die Öffentlichkeitsbeteiligung im digitalen Zeitalter ist durch das Zusammenwirken von digitalen und analogen Methoden gekennzeichnet. Dieser integrative Ansatz bringt situationsspezifische neue Chancen für die Gestaltung von Beteiligungsprozessen.

2.4. Politische Partizipation

Politische Partizipation ist die Teilhabe und Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. Sie kann sich sowohl auf die grundlegende politische Ausrichtung, als auch auf spezielle politische Einzelfragen und Entscheidungen beziehen. Wie oben erwähnt, muss die Politische Partizipation von der Öffentlichkeitsbeteiligung unterschieden werden, da die politische Partizipation alle Aktivitäten von Bürgerinnen und Bürger mit dem Ziel politische Entscheidungen zu beeinflussen umfasst (Barrett

& Brunton-Smith, 2014). Dazu gehören auch Aktivitäten wie die Sammlung von Unterschriften, die Teilnahme an einer Demonstration, das Boykottieren von Produkten oder die Unterzeichnung einer Petition (Jan W. van Deth, 2009) (Jan W van Deth & Maloney, 2012) .

2.5. Integrative und integrierte Partizipation im digitalen Zeitalter

Das Partizipationsprinzip verlangt, dass Bürgerinnen und Bürger die Breite und Vielfalt einer Gemeinschaft in einem kooperativen Dialog während des gesamten Planungs- und Gestaltungsprozesses repräsentieren. Die Generierung von Ideen, Visionen und Entscheidungen verlangt Methoden, die zu reflexiven und kritischen Bürgerinnen- und Bürgerbeiträgen führen. Die integrative Partizipation stellt einen Ansatz dar, der öffentliche Verantwortung für Planung und Entwurf voraussetzt. Partizipatives Planen und Gestalten benötigt und ermöglicht die Integration von Verwaltungsebenen, Gesellschaftssegmenten und Fachgebieten und Verbindungen aber auch einen reflektierenden und kritischen Planungs- und Gestaltungsprozess umfasst. Themen, Probleme und Lösungen müssen über ihre Wechselbeziehungen betrachtet werden. Dieses Prinzip gilt auch für die Vielfalt der Wissenstypen und -grundlagen, einschließlich der Expertinnen

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und Experten, die für Nachhaltigkeit und Gemeinschaft notwendig sind. In einem integrativen Ansatz in der Partizipation sind mehrere Schritte notwendig (McCarthy & Jinnett, 2001):

 Die Verknüpfung der Aktivitäten einer Organisation zum Aufbau von Partizipation mit ihren Grundwerten und ihrem Zweck durch die Auswahl von Beteiligungszielen, die diesen Zweck unterstützen;

 Die Identifizierung klarer Zielgruppen und Ausrichtung ihrer Taktik auf gute Informationen über diese Gruppen.

 Verständnis der internen und externen Ressourcen, die für den Aufbau von Partizipation eingesetzt werden können.

 Die Einführung eines Prozesses für Feedback und Selbstevaluierung.

Wirtz et al weisen auf die Bedeutung eines integrierten strategischen Rahmens für e-Partizipation hin, da dieser die wichtigen strategischen, organisatorischen und umweltbezogenen Faktoren miteinander verbindet. Die integrierte e-Partizipationsstrategie ist ein Ansatz, bei dem alle Instrumente vollständig koordiniert werden: “Unter Berücksichtigung der individuellen Stärken und Schwächen der Instrumente wird ihre Anwendung so gesteuert, dass sie sich gegenseitig ergänzen. Das bedeutet, dass die Instrumente komplementär und damit nicht konkurrierend eingesetzt werden...Die erfolgreiche Realisierung einer integrierten Strategie erfordert daher ein hohes Maß an zentraler Integrations- und Koordinationskompetenz der E-Partizipation". (Wirtz, Daiser und Binkowska, 2018, S. 6)6

2.6. Besonderheiten digitaler Öffentlichkeitsbeteiligung (E-Partizipation)

Der Begriff „elektronische Partizipation“ oder "E-Partizipation" stammt aus den frühen 2000er Jahren und stützt sich im Allgemeinen auf einige Entwicklungen im Bereich der neuen Möglichkeiten der kollaborativen IKT-Umgebungen, Entwicklungen in der E-Demokratie z.B. e- Voting (die elektronische Stimmabgabe), die IKT-gestützte Interaktion zwischen Regierungen und Bürgerinnen und Bürgern (Konsultationen, Lobbying, Petitionen und Abstimmungen), aber auch im Bereich Wahlkampf und Kampagnen (Hilbert, 2007). Auch die Entwicklung im E-Government- Bereich, die zu immer komplexeren Dienstleistungsangeboten führen, spielen eine Rolle, da sie Interaktion, Optionen, Ergebnisse, Benachrichtigungen, Anfragen, Beschwerden und weitere Aktivitäten verlangen.

E-Partizipation beschreibt alle internetgestützten Verfahren, die Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützen, sich an politischen Entscheidungsfindungsprozessen zu beteiligen: „die E- Partizipation (kann) als Weiterentwicklung klassischer Formen der Bürgerbeteiligung in Form von digitalen Werkzeugen angesehen werden“7. Viele Länder, Städte und Gemeinden haben mittlerweile Plattformen für die digitale Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger geschaffen. Daher ist e-Partizipation die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), um die Prozesse demokratischer Entscheidungsfindung zu unterstützen (Macintosh, 2004). Auch aktuellere Artikel verweisen dabei auf die Einstufung von Macintosh und White (2008), welche e-

6„The integrated e-participation strategy is the most sophisticated approach, in which all instruments are completely coordinated. Taking into account the individual strengths and weaknesses of instruments, their application is managed in such a way that that they complement each other. This means that the instruments are used in complementary way, and thus do not compete with each other. Hence, synergy effects can be fully exploited and the competition between instruments is actively managed. Successfully realizing an integrated strategy thus requires a high light of centralized e-participation integration and coordination competence” (Wirtz, Daiser und Binkowska, 2018, S. 6)

7 http://kommunalwiki.boell.de/index.php/E-Partizipation

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Partizipation als die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger durch den Einsatz von IKT in die öffentliche Entscheidungsfindung definiert.

Aichholzer, Kubicek und Torres (2015) zeigen, dass Partizipationsmethoden in allen Phasen des Policy Cycle eingesetzt werden können, aber Unterschiede im Einsatz bestimmter Tools bestehen. Während Online-Plattformen eine der häufigsten und bekanntesten Umsetzungsmöglichkeiten für digitale Partizipation der Bürgerinnen und Bürger darstellen, werden nicht nur zahlreiche integrative Ansätze, wie eine Verbindung aus offline veranstalteten Ideenwettbewerben und digitalen Plattformen umgesetzt, sondern auch soziale Medien als zentrales Forum wahrgenommen.

Die Bedeutung der Gestaltung physischer oder virtueller öffentlicher Räume in Partizipationsprojekten steigt. Der Einsatz von Partizipationsmechanismen für die Gestaltung von Smart Cities, für die Einbindung junger Generationen oder im Allgemeinen für die Gestaltung und Verbesserung des Dialogs zwischen Bürgerinnen, Bürgern und Verwaltung nimmt weltweit zu.

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3. Internationale Beispiele für digitale und integrative Beteiligungsprojekte

Nachfolgende internationale Praxisbeispiele sollen die Nutzerinnen und Nutzer des zukünftigen Praxisleitfadens bei der Entwicklung integrativer Praxisbeispiele unterstützen.

3.1. Argentinien: Buenos Aires “BA Elige Ideas que transforman la Ciudad”

http://baelige.buenosaires.gob.ar [in spanischer Sprache]

Mit BA Elige können alle Bürgerinnen und Bürger Ideen zur Stadtentwicklung Buenos Aires vorschlagen, aussuchen und mitentwickeln. Die Initiative soll als offener und zugänglicher Raum wahrgenommen werden, wo Vorschläge gemacht werden können, diese unterstützt und gemeinsam erarbeitet oder weiterentwickelt werden können. 600 Millionen Dollar, ein Teil des gesamten Investitionsbudgets der Stadt Buenos Aires in 2020, steht zur Verfügung, damit einzelne Ideen verwirklicht werden können. Projekte, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt werden, werden in den Haushalt aufgenommen und ab 1. Januar 2020 ausgeführt.

Darüber hinaus werden bis zu 100 Millionen Dollar für Projekte bereitgestellt, die der gesamten Stadt zugutekommen.

3.2. Brasilien: Laboratório Ráquer

http://labhackercd.leg.br/ [in portugiesischer Sprache]

Das Laboratório Ráquer hilft bei der Umsetzung eines offenen Parlaments. LABHacker ist das Labor für bürgerliche Innovation der Abgeordnetenkammer und arbeitet an drei Themen:

Transparenz, Partizipation und Bürgerschaft, mit gemeinschaftlichen und experimentellen Projekten. Das Labor knüpft auch ein Netzwerk zwischen Parlamentariern, Beamten, zivilen Hackern und der Zivilgesellschaft, um zu einer Kultur der Transparenz und der gesellschaftlichen Beteiligung durch öffentliches Datenmanagement beizutragen. Dabei werden Aktivitäten und Instrumente unterstützt, welche die gesellschaftliche Beteiligung am Gesetzgebungsprozess erhöhen. Zusätzlich verwaltet das Lab das E-Demokratie-Portal des Repräsentantenhauses (Portal e-Democracia da Câmara dos Deputados), das verschiedene Modelle der Beteiligung vorstellt, wie z.B. die Interaktion bei Anhörungen, die gemeinsame Ausgabe von Gesetzesvorlagen und thematische Debatten.

3.3. Deutschland: meinBerlin https://mein.berlin.de/ [in deutscher Sprache]

MeinBerlin ist ein Angebot zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger des Landes Berlin. Hier finden diese Informationen über Projekte der Berliner Verwaltung und können eigene Ideen und Anregungen einbringen. Mitmachen können alle, die sich für Stadtgestaltung interessieren.

Herausgeberin von meinBerlin ist die Senatskanzlei der amtshabenden Bürgermeisterin bzw. des amtshabenden Bürgermeisters. Die einzelnen Projekte werden von den Mitarbeitenden der Senatsverwaltungen, der Bezirksämter sowie des Quartiersmanagements eingestellt.

3.4. Frankreich: Paris “Budget Participatif”

https://budgetparticipatif.paris.fr/bp/ [in französischer Sprache]

Seit 2001 bezieht die Stadt Paris die Pariser Bürgerinnen und Bürger zunehmend in die Kommunalpolitik ein, insbesondere durch Nachbarschaftsräte, Mandatsberichte und Konsultationen. Die Entwicklung der Öffentlichkeitsbeteiligung und des Engagements ist eine große demokratische Herausforderung, die den sozialen Zusammenhalt und das

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"Zusammenleben" garantiert. In dieser Hinsicht möchte die Stadt Paris den Pariserinnen und Parisern mehr Einfluss geben und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Präferenzen hinsichtlich der Verwendung eines Teils des Investitionsbudgets der Stadt zu nennen.

3.5. Island: My Neighbourhood

https://citizens.is/portfolio_page/my-neighbourhood/ [in englischer Sprache]

My Neighbourhood (früher Better Neighbourhoods) ist die seit 2011 laufende jährliche Bürgerhaushaltsplanung in Reykjavík. 450 Mio. ISK (über 3 Mio. EUR) werden jedes Jahr von den Bürgerinnen und Bürgern für die Umsetzung von Ideen der Bürgerinnen und Bürger zur Verbesserung der verschiedenen Stadtviertel von Reykjavík bereitgestellt. Bis heute wurden 608 Ideen genehmigt (2012-2017). Bürgerinnen und Bürger können ihre Prioritäten setzen, Ideen einreichen und debattieren sowie über Abstimmung das Budget zuweisen. My Neighbourhood ist das Flaggschiff unter den Bürgerhaushaltsprojekten der Citizens Foundation, das seit 2011 erfolgreich durchgeführt wird.

3.6. Norwegen: Ministerium für kommunale Verwaltung und regionale Entwicklung https://minsak.no/ [in norwegischer und samischer Sprache, Buchsprache]

Minsak.no wurde vom Ministerium für Kommunalverwaltung und Modernisierung entwickelt. Ziel ist es, Bürgerinnen und Bürger in ihrem Recht zu unterstützen, Ideen vorzuschlagen oder zu unterstützen, die Ihre Gemeinde oder Region verbessern. Die Ideen (“Geschichten”) können auch per E-Mail mit Freunden und Bekannten über soziale Medien geteilt werden. Wenn genügend Unterschriften gesammelt werden (2% Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner, 300 Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde oder 500 Einwohnerinnen und Einwohner der Region), muss die Gemeinde sich mit dem Fall bzw. der Idee befassen.

3.7. Vereinigtes Königreich: The Scottish Government https://www.gov.scot/ [in englischer Sprache]

Der Blog “Digital Engagement“ (https://blogs.gov.scot/digital-engagement/) wird durch das Team für digitale Kommunikation der schottischen Verwaltung veröffentlicht und unterstützt politische Akteure mit Hilfe digitaler Werkzeuge und Techniken mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten, u.a. durch digitale Konsultationen. Die Schottische Verwaltung verwendet auch “Citizen Space”

als digitale Plattform für die demokratische Beteiligung. Die digitale Plattform unterstützt den gesamten Prozess der Öffentlichkeitsbeteiligung, vom Entwurf über die Datenerfassung bis hin zum abschließenden Feedback und der Veröffentlichung der Antworten (“We Asked, You Said, We Did”, https://consult.gov.scot/we_asked_you_said/).

3.8. Spanien: Decide Madrid „Decide Madrid: portal de participación ciudadana de Madrid”

https://decide.madrid.es/ [in spanischer Sprache und automatische Übersetzung]

Der Stadtrat bietet seinen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich an der Ausarbeitung und Änderung von Vorschriften, die die Stadt Madrid betreffen, zu beteiligen und ihre Meinung zu bestimmten geplanten Maßnahmen zu äußern. Personen, die auf Decide Madrid registriert sind, können sich mit Beiträgen an der öffentlichen Konsultation neuer Verordnungen, Regelungen und Richtlinien beteiligen. Der Stadtrat eröffnet auch Verfahren zur Entgegennahme von Beiträgen und Stellungnahmen zu kommunalen Maßnahmen. Beispiele für vergangene Prozesse sind die Änderung der Bezeichnung des Viertels "San Andrés", die Zweckmäßigkeit der Schaffung neuer

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Viertel im Bezirk Vicálvaro, Fragen zum Linearen Park der Manzanares oder die Stellungnahmen zur Umgestaltung von elf Plätzen der Stadt.

Die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger können direkt kommunale Entscheidungen treffen.

Im Jahr 2017 fanden die ersten entsprechenden Abstimmungen in der Stadt Madrid statt.

Einerseits fragte der Stadtrat nach der Renovierung der Plaza de España, der Mobilität der Gran Vía und der Umgestaltung der öffentlichen Räume in elf Bezirken von Madrid.

3.9. USA: City of Edmonton “Public Engagement“

https://www.edmonton.ca/programs_services/public-engagement.aspx [in englischer Sprache]

Die Stadt Edmonton betont, dass das öffentliche Engagement Teil eines Entscheidungsprozesses ist und bietet Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung mit mehreren Stufen. Das öffentliche Engagement in der Stadt Edmonton erfolgt in einem 6-stufigen Prozess: Identifizierung, Strategie, Planung und Entwurf, Implementierung und Datenerfassung, Analyse und Berichterstattung sowie Auswertung. Die Größe und der Umfang der einzelnen Schritte werden auf die Größe und den Umfang des Projekts oder der Initiative abgestimmt.

In den Konsultationen können Bürgerinnen und Bürger Vorschläge oder Rückmeldungen nennen, die für Politiken, Programme, Projekte oder Dienstleistungen in Betracht gezogen werden.

Bürgerinnen und Bürger können über öffentliche Richtlinien, Programme, Projekte oder Dienstleistungen entscheiden. Die Plattform gibt Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, ihre Meinungen, Erfahrungen und Informationen einzubringen, damit dem Stadtrat und der Verwaltung ein breites Spektrum an Informationen für die Entscheidungsfindung zur Verfügung steht.

3.10. Vereinigtes Königreich: Nesta Flying high

https://www.nesta.org.uk/government-innovation/our-work-government-innovation/ [in englischer Sprache]

Nesta ist eine Stiftung (National Endowment for Science, Technology and the Arts), die Innovation fördert, unter anderem um Verwaltungen und Gemeinden zu helfen, öffentliche Dienstleistungen neu zu überdenken und die Rolle der öffentlichen Verwaltung neu zu definieren und somit für die Zukunft fit zu sein. Dabei werden neue Modelle für die Gestaltung und Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen in Partnerschaft mit den Bürgerinnen und Bürgern geschaffen.

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4. Politisch-Administratives Handeln und Partizipation

4.1. Rahmenbedingungen für das Arbeiten in und mit den Phasen des Policy Cycle

Der Policy Cycle als Grundlage erfolgreicher Beteiligungsprozesse Digitale Partizipation im Policy Cycle

Die in der österreichischen Bundesverwaltung seit 1. Jänner 2013 zur Anwendung kommende wirkungsorientierte Verwaltungssteuerung folgt der Reflexionslogik des Policy Cycle. Der Policy Cycle oder Politikzyklus ist ein – auf systemischen Grundlagen aufbauendes – Modell für die analytische Strukturierung eines poltisch-administrativen Prozesses. Er ist geeignet, die Grundlage einer durch Monitoring und Evaluation abgesicherten evidenzbasierten Politikgestaltung zu sein und unterstützt durch transparente Entscheidungsprozesse multiperspektivische Herangehensweisen.

Das Modell des Policy Cycle hat den Vorteil, die unterschiedlichen Phasen des Vorgehens, die in der Realität vielschichtig und insbesondere in Bezug auf Akteurinnen und Akteure sowie Inhalte verlaufend erscheinen können, funktional und zweckgebunden zu beschreiben. Dies ermöglicht nicht nur eine nähere Analyse inhaltlicher Fragestellungen innerhalb der einzelnen Phasen, sondern insgesamt einen neuen Blick auf die Gestaltung und Umsetzung von Beteiligungsprojekten in Politik, Verwaltung und Gesellschaft. Obwohl Prozesse in der Realität nicht immer linear verlaufen, trägt die Gliederung anhand des Policy Cycles zu einer klaren und genauen, zielorientierten Betrachtung und Planung von Partizipationsprojekten im öffentlichen Sektor bei.

Erfolgreiche Beteiligungsprozesse zeichnen sich durch transparente und klare Prozesse und Kommunikation aus. Das Modell des Policy Cycle erlaubt es, Schnittstellen zwischen Stakeholdergruppen noch präziser zu definieren und Ideenfindungs-, Informations-, Konsultations-, Entscheidungs- und Implementierungsprozesse klarer zu kommunizieren. Die für Beteiligungsprozesse so wesentliche akteurs- und akteurinnenbezogene Verantwortung wird somit transparent und besser umsetzbar. Damit sind die Zuständigkeiten der beteiligten Akteure klar definiert. Der technologische Wandel erhöht die Komplexität von Beteiligungsarchitekturen;

durch die Beschreibung von Partizipationsprozessen entlang des Policy Cycle werden die jeweils erforderlichen Handlungsschritte in den Phasen klarer, ohne jedoch den Blick auf das große Ganze zu verlieren.

In der Literatur finden sich unterschiedliche Policy Cycle Modelle. In Anlehnung an Höchtl et al.

(2016, S. 163: nach Nachmais und Felbinger (1982): Phasen und kontinuierliche Evaluation) und den Policy Cycle in der E-Engagement Matrix (nach Macintosh (2003), in: Aichholzer et al., 2015, S. 17) wurden unter Berücksichtigung der in der österreichischen Bundesverwaltung und teilweise in den Ländern zur Anwendung kommenden wirkungsorientierten Verwaltungssteuerung (WO) und Gesetzesfolgenabschätzung (WFA) nachfolgende Phasen für die Betrachtung von Beteiligungsprozessen im Kontext des Policy Cycles definiert:

 Agenda Setting/Themenfindung

 Analyse & Politikdiskussion

 Politikformulierung (Politiken, Gesetze, Projekte, Vorhaben)

 Entscheidung (Politische Entscheidung oder Entscheidung im Weg der direkten Demokratie)

 Implementierung

 Evaluierung (auf Basis eines kontinuierlichen Monitorings)

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Die hier präsentierte Darstellung betrachtet Beteiligungsverfahren aus Sicht der Policy Cycle Phasen. Die Besonderheiten der Beteiligung in den einzelnen Phasen des Policy Cycle werden im Folgenden vorgestellt. Anzumerken bleibt, dass Beteiligungsprozesse nur einzelne Phasen, mehrere Phasen oder den gesamten Policy Cycle betreffen können. Entscheidend für die Erhöhung der Qualität von Beteiligungsverfahren ist es, mit den richtigen Methoden zum richtigen Zeitpunkt adäquate Beteiligung der Stakeholder zu ermöglichen und die Ergebnisse selbst iterativ und evaluiert für einen nächsten Bearbeitungsschritt aufzubereiten. Daher werden zunächst die Definitionen und Achtsamkeiten der einzelnen Phasen präsentiert. Beispiele für Projekte und Methoden aus der Praxis in den einzelnen Phasen sind in Kapitel 4.2. angeführt.

Agenda Setting/Themenfindung

Was ist damit gemeint? Inhaltliche Orientierung dieser PC-Phase

Unabhängig vom Auslöser (politisches Programm, Bürgerinnen- und Bürgerinitiative, systematisches Abfragen von Bedarfen durch die Verwaltung etc.) dient diese Phase der Identifizierung von Zukunftsthemen, Problemen oder einfach der Sammlung und gemeinsamen Sicht auf Fragestellung, die zu bewältigen sind.

Achtsamkeiten, die beim erfolgreichen Durchlaufen der Phase helfen:

Vorgehen: In den Workshops wurden auf der Ebene von Brainstormings und Diskussionen Aspekte gesammelt/zusammengetragen, die hier geclustert wiedergegeben werden.

Initiation

o Klärung der Fragestellung/Welche Fragen sollte ich überhaupt stellen? Was ist den Bürgerinnen und Bürgern wichtig?

o Wer initiiert in den Prozess (verwaltungsinterner oder –externer Anstoß) o Quellen kennen/Kenntnis darüber, wo man hingehen und hineinhören muss o Erwartungshaltungen kennen und „managen“

o Aktuellen Anlassfall würdigen

Ressourcen

o Zeiträume schaffen

o Personelle und materielle Ressourcen realistisch abschätzen und bereitstellen

Commitment und funktionale Klarheiten herstellen

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o Qualitative Beteiligung der Stakeholder sicherstellen (insb. Verwaltung und/oder andere Umsetzer)

o Klar definierte Zielgruppe (E-Partizipation ermöglicht Zielgruppenorientierung ohne Ausschluss bestimmter Gruppen und somit Offenheit des Verfahrens)

o Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Beteiligung gewährleisten

Beteiligungsarchitektur und Rahmenbedingungen

o Klarheit über Rahmen und Möglichkeiten (z.B. kann die Reichweite der Beteiligung je nach Methode, Instrument oder Zielgruppe variieren)

o Einhaltung von Fristen

o "Griffigkeit" bzw. Detaillierung des Themas o Zieldefinition und -kommunikation vorab¸

Erwartungshaltungsmanagement; Motivation

o Push-/Pull-Faktoren (Gründe für Teilnahme/Nicht-Teilnahme) Herausforderungen und Hindernisse / Handlungsdilemmata

Reversibilität von Format und Beteiligungsmöglichkeit

o Schaffen die neuen Social Media-Anwendungen bereits neue Beteiligungsformen oder brauchen wir für Beteiligung neue (von bestehenden Plattformen unabhängige) Formate (Neue Beteiligungsprozesse schaffen vs. in „neuartige“

Prozesse einklinken (Gamer, WhatsApp, …))

Kommunikation

o Polarisierung der Stakeholdergruppen; thematische Polarisierungen insbesondere durch Social Media-Diskussionen

o Zielgruppe kennen/verstehen und die richtige Ansprache wählen o Hoher Zeitbedarf für „Kommunikation der Vielen“

Motivation

o Welches Interesse haben Menschen sich zu beteiligen? Wie kann das Beteiligungsformat dieses adressieren (bspw. vom Thema betroffene Zielgruppen adressieren oder Wirkung der Beiträge deutlich machen)

o Braucht es einen individuellen Mehrwert und wie generieren wir ihn?

o Wie kann Feedback in den Beteiligungsprozess zurückfließen?

o Wie kann sensibel und transparent mit destruktiven Beiträgen umgegangen werden?

Datenschutz und Persönlichkeitsrechte

o Berücksichtigung von Persönlichkeitsrechten

o Berücksichtigung DSGVO, Datenschutzgesetz und datenschutzrechtliche Regelungen in den jeweiligen Materiengesetzen

o Datenschutz ist eine Grundvoraussetzung für effektive Beteiligung

Umgang mit Veränderung

o Erfolgreiche Beteiligungsprozesse bedeuten immer auch Veränderung, um Verbesserungsvorschläge aufnehmen und umsetzen zu können, insbesondere bei nicht-konsensualen Entscheidungen in Politik, Verwaltung und Gesellschaft o mitunter bedeutet das auch erhöhten Ressourcenbedarf, hier muss auch die mittel-

und langfristige Wirkung z.B. auf andere Phasen des Policy Cycles bedacht werden (spart z.B. ein höherer Ressourceneinsatz im Agenda Setting Ressourcen in der Politikformulierung oder der Implementierung?)

Analyse & Politikdiskussion

Was ist damit gemeint? Inhaltliche Orientierung dieser PC-Phase

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Die Festlegung des Themas in der Phase des Agenda Setting beinhaltet noch nicht die multiperspektivische Erfassung des Bearbeitungsbereiches. Es kann einen qualitativen Mehrwert erzeugen, nach der Einigung auf Fragestellung oder Themenbereich, die „Expertise der Vielen“

zu nutzen, um die Analysebasis im Themenbereich robust und aus unterschiedlichen Perspektiven aufzubereiten. Nicht zuletzt ist die Erklärung, die für eine Differenzanalyse besteht (Warum habe ich ein Problem? Wodurch ist es entstanden? Warum bin ich nicht dort, wo ich sein möchte, sondern in einem defizitären Ist-Bereich? etc.), die Ausgangslinie für die Lösungen, die beschlossen werden. Und gerade im evidenzbasierten Bereich ist die Beschreibung der Ist- Situation (in Abgrenzung zum Zielzustand) gekennzeichnet von einem Beobachtungs-Bias, der über die Diversität der einbezogenen Perspektiven und Disziplinen reflektiert und reduziert werden kann.

Achtsamkeiten, die beim erfolgreichen Durchlaufen der Phase helfen:

Vorgehen: In den Workshops wurden auf der Ebene von Brainstormings und Diskussionen Aspekte gesammelt/zusammengetragen, die hier in geclustert wiedergegeben werden.

Stakeholderkommunikation

o Boundary Spanners (Personen in einem Innovationssystem, die die Aufgabe haben, die internen Netzwerke der Organisation mit externen Informationsquellen zu verbinden; im Beteiligungsverfahren sind dies besonders engagierte Personen, welche durch ihre Vermittlerrolle den Partizipationsprozess vorantreiben8) identifizieren oder bestimmen

o Frühe und offene Einbindung o zugängliche Prozesse

o Ansprechpersonen für inhaltliche und technische Anliegen festlegen und kommunizieren

o Informationsgefälle managen

o Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Stakeholder bei der Auswahl berücksichtigen („Wen wähle ich aus und wen spreche ich an?“)

o Kommunen (Gemeindezeitung, Websites)

o Betroffeneninitiativen einbeziehen und diesen im Rahmen der Aktionsplanung eine Plattform bieten

o Info über Start des Prozesses kommt bei den Zielgruppen an (Bringschuld)

Commitment und funktionale Klarheiten herstellen

o Kooperation zwischen Stakeholdern (Politik, Verwaltung, NGOs, Forschung) sicherstellen

o Commitment der Stakeholder gewährleisten

o Beteiligungsbreite managen (Kombination Offline- und Online-Angebote; lokale Angebote für Beteiligung schaffen)

o Unabhängige fachliche Begleitung bereitstellen; institutionalisierte, unabhängige fachliche Expertise für Zivilgesellschaft anbieten

o zuständige Bundesressorts sollten den Beteiligungsprozess in dieser Phase des Policy Cycles starten und vorantreiben

Beteiligungssicherheit

o Bei Online-Beteiligung: 1 Person = 1 Stimme

8 Siehe dazu bspw. Van Meerkerk, I., and J. Edelenbos (2014). The Effects of Boundary Spanners on Trust and Performance of Urban Governance Networks. Findings from Survey Research on Urban Development Projects in The Netherlands. Policy Sciences, 47(1): 3-24 oder Williams, P. (2002). The competent boundary spanner. Public Administration, 80(103), 124.

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o Prototypen entwickeln und Feedback einholen o Manipulationssicherheit gewährleisten

Herausforderungen und Hindernisse / Handlungsdilemmata

Erwartungsmanagement

o Erwartungshaltung in Bezug auf die finale Entscheidung

o „Scheinpartizipation“ (d.h. Partizipation ohne Wirkung oder mit einem bereits feststehenden Ergebnis) kann Frustration auslösen

Beteiligungsarchitektur und Rahmenbedingungen o Rahmenbedingungen formulieren

o Abstrakte Inhalte und Themen vermitteln

o Gemeinsames Commitment aller Beteiligten zu Vision und Umsetzung o Implementierungssicherheit (tatsächliche Implementierung des Erarbeiteten)

Stakeholdermanagement o Stakeholderauswahl

o Network-Management und network boundaries (Grenzen), o Identifikation „Boundary Spanner“ (Grenzen durchbrechen)

Prozessklarheit

o Entscheidungen brauchen Entscheidungsprozesse o Politisches Commitment

o Rücksicht auf Strategien

o Änderung der politischen Rahmenbedingungen (=“Regierungswechsel“)

o politischer Widerstand und Widerstand einflussreicher Akteurinnen und Akteure

Ressourcenmanagement

o Ressourcenbereitstellung (Partizipation braucht Raum, Zeit, Geld) o Zeitfaktor (Balance zwischen zu lang und zu kurz)

Beteiligungssicherheiten

o Online-Partizipation braucht sichere IDs (sofern, abhängig von Prozessziel und Methode, eine Zuordnung von Beiträgen zu Personen notwendig bzw. hilfreich ist) o Spannungsfeld zwischen Privatsphäre und Nachvollziehbarkeit

Motivation

o Aufmerksamkeit durch entsprechendes Prozessmanagement über lange Zeiträume aufrechterhalten

Prozessmoderation

o Alle Akteurinnen und Akteure zu Wort kommen lassen o Diskriminierung;

o Sprache

o Online: Spam, Belästigung/Beleidigung, Manipulation

Formulierung von Politik oder Gesetzen

Was ist damit gemeint? Inhaltliche Orientierung dieser PC-Phase

Die Phase der Politikformulierung und, in Gesetzgebungsverfahren, der Begutachtung ist ein zentraler Ansatzpunkt für Beteiligung im Policy Cycle. Hier werden Politiken, Gesetze, Projekte und Vorhaben entscheidungsreif verhandelt. Letzte wichtige Stellungnahmen unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure oder auch Betroffener können eingeholt und berücksichtigt werden.

Zudem kann wichtiges Expertinnen- und Expertenwissen in hohem Detailierungsgrad abgefragt und integriert werden.

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Achtsamkeiten, die beim erfolgreichen Durchlaufen der Phase helfen:

Vorgehen: In den Workshops wurden auf der Ebene von Brainstormings und Diskussionen Aspekte gesammelt/zusammengetragen, die hier igeclustert wiedergegeben werden.

Beteiligungsarchitektur und Rahmenbedingungen

o Funktionale und gut durchdachte Prozesse (Wer/in welcher Form/zu welchem Zeitpunkt)

o Funktionale und gut durchdachte technische Systeme (Beteiligungsplattform, E- Recht, etc.)

o Begutachtungsfristen (Verpflichtung bzw. klare Regelung in Bezug auf Festsetzung und Dauer)

o Berücksichtigung der Beteiligungsbeiträge und Definition der Beteiligungsmöglichkeit (In welchem Umfang können Beiträge in die Politikformulierung einfließen?)

o Technischer Support

o Gleiche Zugangsmöglichkeiten zur Beteiligung für „kleine“ (z.B. NGOs) und „große“

Stakeholder (z.B. Interessensvertretungen)

Beteiligungsbreite managen

o Beteiligungsverteiler- und Datenbanken o Moderation des Beteiligungsprozesses o Zielgruppenorientierte Kommunikation

o Usability für Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger

o Einbezug eines breiten Spektrums an Beteiligten (Expertinnen und Experten und Laien, alle Generationen, alle Bildungsschichten)

o Identifikation und Erreichen der richtigen Stakeholder (insbesondere auch jene, die nicht so gut institutionalisiert sind)

o Ziel- und Zielgruppendefinition

o Zielgruppengerechte Formulierung und Kommunikation

o Verständlichkeit von Gesetzen/Inhalten (verständliche Sprache) Herausforderungen und Hindernisse / Handlungsdilemmata

Ressourcenmanagement

o Personal/Zeit auf Seiten der Verwaltung (Durchführung der Beteiligung) o Personal/Zeit auf Seiten der Stakeholder (Teilnahme an der Beteiligung)

o Mangelnde Ressourcen, insb. im Bereich „kleiner“ Stakeholder (z.B. NGOs) im Gegensatz zu den „Großen“ (z.B. Interessensvertretungen, Sozialpartner)

Motivation

o Mangelnde Beteiligung (Wie kann Bürgerinnen und Bürgern der Mehrwert ihrer Beiträge vermittelt werden?)

o Offene und nachvollziehbare Begutachtung zwischen den Gebietskörperschaften bzw. Ressorts, um das Ziel der Beteiligung zu verdeutlichen

Kommunikation

o Zielgruppenidentifikation und Ansprache

o Unterschiedliche Gewichtung der eingebrachten Beiträge (Werden Beiträge bestimmter Zielgruppen priorisiert? Wie werden Entscheidungen bei widersprüchlichen Beiträgen getroffen?)

o Ergebniskommunikation (Was wurde umgesetzt? Was wurde nicht umgesetzt?

Warum wurde nicht umgesetzt?)

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Entscheidung

Was ist damit gemeint? Inhaltliche Orientierung dieser PC-Phase

In der Entscheidungsphase ergeben sich klassische Abstimmungsmöglichkeiten, um entweder direkte Entscheidungsprozesse zu setzen oder auch die Rahmenbedingungen für die künftige Umsetzung mitabzustimmen. Es gibt Möglichkeiten, um Bürgerinnen und Bürger auf allen Ebenen an Entscheidungsprozessen zu beteiligen – vom Volksentscheid auf der Bundesebene bis hin zu konkreten Fragen der Gemeindegestaltung. Ein aus demokratiepolitischen Gründen gesondert zu betrachtender Fall ist das e-Voting (siehe dazu Exkurs: e-Voting).

Achtsamkeiten, die beim erfolgreichen Durchlaufen der Phase helfen:

Vorgehen: In den Workshops wurden auf der Ebene von Brainstormings und Diskussionen Aspekte gesammelt/zusammengetragen, die hier geclustert wiedergegeben werden.

Beteiligungsarchitektur und Rahmenbedingungen o Spielregeln zu Beginn transparent kommunizieren o Trennung von Prozessbegleitung und Entscheidung

o Nachvollziehbarkeit des Entscheidungsverfahrens garantieren (keine Blackbox) o Betroffene adressieren (Zugänge schaffen)

o Anonym oder mit Klarnamen (Authentifizierung) o Iteratives Prozessdesign

o Gute Informationsaufbereitung

o Gemeinsames Bild schaffen (Thema „angreifbar“ machen) o Keine Änderung der Befragtengruppe ab Start der Konsultation

o Keine Dateneinsicht für Auftraggeber vor Ende der Konsultation (wenn die Gefahr der Manipulation des Entscheidungsprozesses besteht)

o Kopplung On-/Offline-Elemente o Barrierefreiheit

o Kulturwandel zu transparenter Kommunikation/Offenheit

Motivation

o Menschen engagieren sich vor allem bei Themen aus dem eigenen Lebensumfeld oder dem eigenen Kompetenzbereich

o Persönliche Ansprache/Einladung zur Beteiligung o Vertrauen stiften

o Klare Kommunikation, wie die Beiträge in Entscheidungen einfließen (im und nach dem Beteiligungsprozess)

o detailliertes Feedback (zur Motivation für zukünftige Beteiligung)

Prozessmoderation

o Interessen klar offenlegen lassen/können

o Vorstellungskraft für Folgen der Entscheidung fördern o sinnvollen Diskurs ermöglichen

o Transparente Kommunikation

o Freiraum für Eigeninitiativen/intensivere Beteiligung einzelner Gruppen schaffen Herausforderungen und Hindernisse / Handlungsdilemmata

Commitment und funktionale Klarheiten herstellen

o Entscheidungen sind immer auch Entscheidungen gegen etwas o Wer verantwortet die Folgen der Entscheidung?

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o Kann/will Politik wirklich Macht/Verantwortung aus der Hand geben? (Partizipation als Grundlage für bessere politische Entscheidungen)

Ressourcenmanagement o Faktor Zeit

o Faktor Dauer

Beteiligungsarchitektur und Rahmenbedingungen o Demokratische Legitimation und Verantwortung o „Eskalation“ durch Verfahrensstufen

o Laufende Veränderung von Grundlagen o Ergebnisse „übersetzen“

Prozessmoderation

o Wie kann ich ein- oder aussteigen?

Sicherheit

o Datenschutz o Authentifizierung o Manipulationssicherheit

Exkurs: e-Voting

Elektronische Abstimmungen (e-Voting) sind Abstimmungen, bei denen elektronische Mittel eingesetzt werden, um die Abgabe und Auszählung der Stimmen zu unterstützen oder zu übernehmen.

Abhängig von der jeweiligen Implementierung kann die elektronische Stimmabgabe mit eigenständigen elektronischen Abstimmungsgeräten oder mit Computern erfolgen, die mit dem Internet verbunden sind. Sie kann eine Reihe von Internet-Diensten umfassen, von der einfachen Übertragung tabellarischer Ergebnisse bis hin zur voll funktionsfähigen Online-Abstimmung zu Hause umfassen. Der Grad der Automatisierung kann sich auf die Markierung eines Wahlzettels beschränken oder ein umfassendes System der Stimmabgabe, der Aufzeichnung der Stimmen, der Datenverschlüsselung und der Übertragung an Server sowie der Konsolidierung und Tabellierung der Wahlergebnisse sein. Die Technologie der elektronischen Stimmabgabe hat einige Vorteile, z.B. die Auszählung der Stimmzettel beschleunigen, Kosten senken und einen besseren Zugang für Wähler bieten.

Mehrere Länder haben einige Erfahrungen mit der elektronischen Stimmabgabe, z.B. Australien, Indien und Canada und in Europa, u.a. Belgien, Finnland oder Estland.

Das Estnische e-voting Model ist als Beispiel hier angeführt:

E-hääletamine (I-Voting)9: JedeR estnische Staatsbürgerin und -bürger besitzt einen elektronischen Personalausweis, der es ihr oder ihm erlaubt, über das Internet abzustimmen. Die elektronische Stimmabgabe ist für 24 Stunden an den Tagen der Vorwahl möglich, vom 10. bis zum 4. Tag vor dem Wahltag. Am Wahltag ist das I-Voting nicht möglich. Für das I-Voting benötigen Bürgerinnen und Bürger Ihren Personalausweis oder eine Mobil-ID und einen Computer. Die Abstimmung gilt erst am Ende des Wahltags als endgültig, so dass die estnischen Bürger zurückgehen und ihre Stimme erneut abgeben können, bis der Wahltag offiziell vorbei ist.

Die Beliebtheit der Online-Abstimmung hat in Estland landesweit stark zugenommen, denn bei den Wahlen 2014 und 2015 wurde fast ein Drittel der estnischen Stimmen online abgegeben.

9 https://www.tallinn.ee/est/valimised/e-haaletamine-2

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Obwohl der e-Voting Teil die Entscheidungsphase in der integrierten Öffentlichkeitsbeteiligung sein kann, wird sie in diesem Leitfaden aufgrund ihrer demokratiepolitischen Komplexität nicht näher berücksichtigt oder beschrieben.

Implementierung

Was ist damit gemeint? Inhaltliche Orientierung dieser PC-Phase

Die Umsetzung von Politiken heißt Entscheidungen in den Normalbetrieb überzuführen, das heißt wiederum, bekannte Routinen aufzugeben und neue zu platzieren, heißt die Akzeptanz der Entscheidung im Regelbetrieb durch Umsetzung und Handlung zu testen und einzuführen. Wie die Projektbeispiele aus der Praxis in Kapitel 4.2 zeigen, bestehen in dieser Phase des Policy Cycles besonders vielfältige Möglichkeiten der Beteiligung.

Dies kann dort leichter sein, wo die Verbesserung eines Zustands oder Prozesses durch Partizipation zu einem gemeinsamen Anliegen geworden ist und die Lösung von allen Stakeholdern getragen werden kann.

Achtsamkeiten, die beim erfolgreichen Durchlaufen der Phase helfen:

Vorgehen: In den Workshops wurden auf der Ebene von Brainstormings und Diskussionen Aspekte gesammelt/zusammengetragen, die hier geclustert wiedergegeben werden.

Beteiligungsarchitektur und Rahmenbedingungen o Interessen klar offenlegen lassen/können

o Ziele/Präferenzen der betroffenen Strukturen erkennen

o Einbindung bereits in Planungsphase der Implementierung (bzw. in den vorhergehenden Phasen des Policy Cycles, falls der Beteiligungsprozess mehrere Phasen umfasst)

o Tauschpartnerschaft in der Implementierung (wo möglich, soll ein Austausch von Ideen oder Beiträgen angeregt werden)

o Bei Online-Formaten Kuratierung/Redaktion des Online-Diskurses (für entsprechende Methoden siehe Kapitel 5.4.); Kick-Off vor digitaler Beteiligung o Zufallsauswahl (der Beteiligten) oder strukturierte Auswahl

o Formulierung der Einladung zur Konsultation (z.B. als Frage formulieren)

Motivation

o Aushandlungsmöglichkeiten (Incentives) schaffen

Ressourcen

o Unterstützung der beteiligten Akteurinnen und Akteure (z.B. durch Kinderbetreuung, Fahrtkostenersatz, Verpflegung)

Herausforderungen und Hindernisse / Handlungsdilemmata

Rahmenbedingungen

o Enge rechtliche Rahmenbedingungen

Beteiligungsbreite managen

o Diversität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (auch innerorganisatorisch) o Bürgerinnen und Bürger erreichen

Motivation

o Begeisterung und Bewusstsein schaffen (in Verwaltung/in Gesellschaft) o Divergierende Ziele und Interessen der Akteurinnen und Akteure

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Kompetenzen

o Voraussetzung: man weiß, worum es geht

Akzeptanz

o Persönlichen Vorteil vermitteln, anstelle eines autoritären Zugangs o Organisationskultur der Verwaltung

Evaluierung (auf Basis kontinuierlichen Monitorings)

Was ist damit gemeint? Inhaltliche Orientierung dieser PC-Phase

Die letzte Phase des Polcy Cycles ist die abschließende Evaluierung des Erfolges der Implementierung von Politiken. So wird die Grundlage für die Verbesserung von Prozessen und eine evidenzbasierte Politikgestaltung (ex-Post/ex-Ante) geschaffen. Das kontinuierliche Monitoring im Policy Cycle wird zusätzlich während des gesamten Politikprozesses durchgeführt;

so kann nicht nur die Wirksamkeit der Politiken beurteilt, sondern der gesamte Policy Cycle kontinuierlich verbessert werden (organisationales Lernen). Durch Beteiligung unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure und die dadurch geförderte Multiperspektivität und Einbeziehung von Datenbeständen kann die Qualität und Akzeptanz von Evaluationsergebnissen gefördert werden.

Achtsamkeiten, die beim erfolgreichen Durchlaufen der Phase helfen:

Vorgehen: In den Workshops wurden auf der Ebene von Brainstormings und Diskussionen Aspekte gesammelt/zusammengetragen, die hier geclustert wiedergegeben werden.

Beteiligungsarchitektur und Rahmenbedingungen

o Festlegung von Evaluationsrahmen, Reichweite und AkteurInnen

o Frühe Festlegung von Indikatoren zur Evaluierung (wo möglich und sinnvoll auch in vorhergehenden Phasen des Policy Cycles)

o Systematische Steuerung und Dokumentation (v.a. der Indikatoren) von Beginn an o Relevanz von Evaluierung von Anfang an im Blick behalten

o Kommunikationsrahmen

Stakeholderkommunikation

o Regelmäßige Rückkopplung und Kommunikation

Ressourcen und Unterstützungsleistungen

o Ausreichende Ressourcen für Monitoring & Evaluierung

o Standardwerk/Referenzrahmen, um externe Prozesse zu begleiten Mindeststandards/-formate/Know-How/Agenden

o Good Practice bereitstellen

Motivation

o Verständnis und Bewusstsein schaffen

o Ermutigung der handelnden Akteurinnen und Akteure Herausforderungen und Hindernisse / Handlungsdilemmata

Commitment und funktionale Klarheiten herstellen o Commitment der Gebietskörperschaften

o Kontrolle vs. Steuerung

o Bildabgleich mit dem politischen Prozess o Unsicherheit vs. Möglichkeitsraum

o Bereitschaft zur Durchsetzung von Open Data

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o Tatsächliche Nutzung der Evidenzen zur Weiterentwicklung von Politiken und Prozessen

Motivation

o Commitment der Gebietskörperschaften

Qualitätsmanagement o Datenqualität

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4.2. Funktionen und Verantwortlichkeiten als Gestaltungsrahmen für die Akteurinnen & Akteure

Klare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sind für die erfolgreiche Durchführung von partizipativen Verfahren entscheidend.

Die Phasen des Policy Cycle sind über ihre Zweckgebundenheit und Fokussierung auf Ergebnisse eindeutig innerhalb eines politisch-administrativen Entscheidungsprozesses organisierbar.

Diese Zuweisungsmöglichkeit zu den Phasen des Policy Cycle bietet eine robuste Basis, auf der Beteiligungsarchitekturen zielorientiert aufgesetzt werden können. Kernelemente sind neben dem Transparenzprinzip die institutionelle Verankerung von Beteiligung, die funktionale Klarheit und das, innerhalb der jeweiligen Phase des Policy Cycle fassbare Ziel-Commitment.

Den unterschiedlichen Stakeholdergruppen bietet sich so ein klar definierter und kreativ nutzbarer Gestaltungsrahmen.

Dieser Gestaltungsrahmen wird durch folgende Faktoren bestimmt bzw. beeinflusst:

Seriosität

o Offenheit des politischen Auftrages

o Definition des tatsächlich bestehenden Gestaltungsrahmens

Funktionale Professionalität und Kompetenz

o Klare politische Vorgaben und aktive Unterstützung der Beteiligung o Kompetente Projektleitung, die den politischen Auftrag operationalisiert

Qualität des Beteiligungsverfahrens

o Frühzeitige Einbindung interner Stakeholder

o „Reality Checks“, nachdem Schwerpunkte der Beteiligung ausgearbeitet wurden

Kommunikation

o Zeitgemäße Kommunikation

o Intermediäre stärken und Skeptiker anhören und überzeugen

o Verständliche bzw. zielgruppengerechte Kommunikation sowie einfache/adaptive Sprache

Unterstützungsleistungen

o Wissensmanagement bzw. Schaffung einer gemeinsamen Wissensbasis o Service Design

o Bereitstellung eines zentralen Serviceangebots

Entwicklungsperspektiven

o Beteiligung-by-Default bzw. verbindliche Prüfung von Politikformulierungsprozessen auf Möglichkeiten zur Öffentlichkeitsbeteiligung 4.3. Achtsamkeit auf Metastruktur und Gestaltung der Phasen-Übergänge

Die Phasen des Policy Cycle bieten jeweils spezifische Möglichkeiten und Angebote für Beteiligungsverfahren. Zudem lassen sich Gesamtarchitekturen von Beteiligungsprozessen selbst durch die unterschiedlichen Phasen strukturieren. Übergänge zwischen den einzelnen Phasen des Policy Cycle werden transparent und somit bewusst gestaltbar.

Die strukturelle Koppelung von Beteiligungs- und politisch-administrativen Verfahren im Policy Cycle erzeugt vor allem dort einen Mehrwert, wo Verwaltungsprozesse selbst verändert werden sollen (Implementierung neuer Strukturen und Prozesse). Durch iteratives und agiles Vorgehen

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lassen sich so immer wieder Nahtstellen zwischen umfassenden Beteiligungsprozessen und notwendigen politischen-administrativen Bearbeitungen herstellen.

Um das Gesamtsystem (Beteiligungsverfahren und Verwaltungssystem) produktiv gestalten zu können, braucht es insgesamt folgende Achtsamkeiten:

Strukturelle Klarheit

o Politisches Commitment (steuernder Akteur) o Commitment der Verwaltungsebenen

o Commitment der Stakeholder

o Bereitstellung von Ressourcen (Zeit, Raum, Personal, Geld) o Zugang zu Beteiligungsprozessen

o Klar definierte Rahmenbedingungen

o Transparente Anpassung der Rahmenbedingungen im Prozess (bei Bedarf) o Wirksamkeit und Nachvollziehbarkeit der Beteiligung

Kommunikation

o Kommunikation der Rahmenbedingungen/Spielregeln

o Verständlichkeit von Anfang bis Schluss (keine „Black Box“-Prozesse) o Kontinuierliche Kommunikation mit den Stakeholdern

o Stakeholder kennen die Relevanz der Beteiligung o Zielgruppengerechte Ansprache

Qualität des Beteiligungsverfahrens

o Kombination offline und online durch integrative Beteiligungsprozesse o Einbindung neuer Technologien und Prozesse

o zeitliche Eingrenzung des (digitalen) Beteiligungsprozesses o Kooperation unterschiedlicher Stakeholder

o Nutzungsfreundliche Systeme und technische Unterstützung o Moderation von Beteiligungsprozessen

o Kompetenz in der Auswertung der Beiträge o Umgang mit Kritik und persönlichen Äußerungen

Sicherheit und Vertrauen

o Sicherheit garantieren (keine Manipulation, sichere Authentifikation)

o Rechtlichen Rahmen beachten bzw. definieren (insb. Datenschutz, Privatsphäre, Nachvollziehbarkeit)

4.4. Beteiligungsintensität (Information – Konsultation – Kooperation)

Beteiligungsprojekte werden häufig nach ihrer Intensität unterschieden, d.h. danach, in welchem Ausmaß die Bürgerinnen und Bürger die Entscheidung beeinflussen können (Grad der Verbindlichkeit, die Prozessergebnisse umzusetzen). Sinn dieser Einteilung (und damit auch dieses Kapitels) für Politik und Verwaltung ist es, sich bereits vor Beginn des Beteiligungsprozesses gut zu überlegen, ob bzw. in welchem Ausmaß die Bereitschaft besteht, die Entscheidungsgewalt durch einen Beteiligungsprozess einschränken zu lassen. Das Ergebnis dieser Überlegungen bestimmt das Design des Beteiligungsprojekts und ist zu Beginn des Prozesses transparent zu machen.

Die Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung aus 2008, der dazugehörige Praxisleitfaden (2011) sowie das Positionspapier zu E-Democracy und E-Participation in Österreich der Austrian Working Group on E-Democracy (2008) unterscheiden die drei Stufen Information, Konsultation und

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