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Fünf himjarische Inschriften.
Von Prof. Dr. M. A. Lery.
Es ist nun beinahe zwei Jahre her, seitdem ich auf einen
neuen Zuwachs himjarischer Denliraäler aufmerksam zu machen mir
erlaubte (s. diese Zeitschr. XXII, S. 339) und wiederum liegen
andere fünf mir vor, die obgleich schon seit längerer Zeit veröffent¬
licht, doch in dieser Zeitschrift keine Erwähnung gefunden haben.
In den „Comptes rendus des seances de l'annee 1867" (Academie
des inseriptions et belles-lettres) p. 242 fg., 256 fg. u. 1868 p. 63fg.
theilt der rührige Fr. Lenormant, dem wir auch die Veröffentlichung
der obengenannten Denkmäler in dieser Zeitschrift Bd. XXII ver¬
danken, fünf bisher unbekannte himjarische Deukmäler mit, welche
Herr Gauldraud, Wundarzt der französischen Marine, im Jahre
1844 u. 1845 sich in den Ruinen von Abian'), in der Nähe vou
'Aden, copirt und dem Hrn. Lenormant zur Veröffentlichung über¬
lassen hatte. Zwei von dieseu sind Dankinschriften, die übrigeu
Grabinschriften. Geben wir jene zuerst *), und zwar nur in hebrä¬
ischer Umschrift*), weil die Zeichen ganz deutlich sind und von
der zweiten auch bei Hru. Lenormant das Original sich nicht findet.
1.
I IM© I p I DSliS I ibrnD I •'ZO
Nach der Mittheilung des Herrn Gauldraud ist diese Inschrift ein¬
gegraben auf ein Piedestal von Marmor, das umgeworfen zu den
Trümmern einer Statue gehört hatte. Das Verständniss der Inschrift
ist ohne grosse Schwierigkeit und hat Herr Lenormant das zur Er¬
klärung Nothwendige beigebracht. Das Nom. pr. nyiio haben wir
bereits früher auf himjarischen Denkmälern kennen gelernt, s. No. 27
in dieser Ztschr. XIX, S. 232, Z. 1 u. 10; ebenso ins das. 12, 1
u. 13, 1. 4. 7, wo von Osiander Näheres über diese Namen sich
1) Aus demselben Orte stammen aueh die Inschr. 30 u. 37 der früheren Sammlnng (s. diese Zeitschr. XIX, S. 257 u. 289, vgl. XX, S. 273) her.
2) Herr Lenormant hat eine etwas anders geordnete Reihenfolge ; die unsrige ist mehr übersichtlich.
3) Nach dem vom verewigten Osiander angenommenen System.
5 *
Levy , fünf himjariache Inachriften. 189
findet. Neu ist das Verbum liü , das man mit dem beliannten
phönizischen Niü , das sich so häufig auf Denkmälern in der Be¬
deutung „errichten, aufstellen" findet, zusammenstellen darf. Es er¬
scheint hier (als ■'b vgl. Osiander X, S. 37 fg.) in Südarabien,
während wir es bisher in den übrigen semitischen Dialekten ver¬
gebens gesucht haben. Dass es dieselbe Bedeutung hier, wie im
Phönizischen hat, ist wohl nicbt zu bezweifeln. Als der Gegen¬
stand, welcher errichtet wurde, erscheint ibn?:, das uns als Syno¬
nym von inDT?: ') und yibtaa bekannt ist (s. diese Zeitschr. XIX,
S. 273). Hier muss wohl die Statue mit -jbrin bezeichnet seiu.
Die Inschrift ist demnach zu übersetzen:
„Sari'm, Sohn Schamir's, hat die Statue errichtet".
2.
Diese Inschrift ist, wie gesagt, von Herrn Lenormant nur
in hebräischer Umschrill gegeben worden.
ibyn iaiita Dbisx nizjnuinay i
innNT Nato "jbu bNan-iia san 2
tay bNi 15a "[b?: 15p tnn-i): 3
Dsni nia insj Naia iDb;: ^spi 4
-a c]3 ava nyni nnan?: ii^ai 5
-aiö la ni^abN p ibyna© ciin 6
-bNizjna dyni lanüpi nn an ibyn 7
-T ycinii Dyini inniDin nna D 8
-10 pyn Dyni rspni itnNaDn ] 9
-D nnai ann. nDnN mnnsiai mna lo
py pan 1D11 isnifiib pnn Dn 11
i7:nDbni inbyaNi djidn psn-iai 12
-1 np7:bNai iaamai nnihya lamyiai 13
-bNai Dsnyannai D^anniai oyrca 14
py pan ^nnbNai ""n 1.5
Wer auch nur flüchtig dieses epigraphische Monument, das zu deu
umfangreichsten und hesterhaltensten im Himjarischen gehört, durch¬
lesen hat, wird die hohe Bedeutuug desselbeu für Sprache, Archäo¬
logie und Geschichte gewiss nicht verkennen und verdieut es wohl,
dass man eingehender sich mit ihm befasse, als wir für diesen
Augenblick im Stande sind, da der Zweck dieser Zeilen lediglich
dahin geht, die Aufmerksamkeit auf diese Monumente zu lenken.
Auch der erste Entzifferer ist nicht uäher auf das Sprachliche ein¬
gegangen, nur über die Abfassungszeit der Inschrift, und die ge¬
schichtlichen Verhältnisse des in derselbeu genannten Königs lässt
er sich weiter aus. Jene macht er natürlich abhängig von der Re¬
gierungszeit des Königs vou Saba, Schurachbil (bNanniii Z. 2),
1) Für dieses Wort vindicirt Herr Lenormant (a. a. O. S. 246 ) die Be¬
deutung „titulus", nach der Inschr. von H. (i. Z. 6 p3Ta p inaiü „scripse¬
runt hunc titulum".
1»U Levy , fünf himjarische Inschriften.
dessen Regierungszeit „doit etre fixe dans les environs des annees
20 ä 15 avant l'öre chretienne L'epoque du regne de Schou-
rahbil etant ainsi fixee, l'inscription dedicatoire du temple d'Yat'ä ä Abian devient un jalon certain et precieux pour l'histoire paleogra-
phique de I'ecriture himyaritiiiue. Malheureusement la perte des
copies originales prises ä Mareb par d'Arnaud reduit ä. un si petit
nombre les monuments pour lesquels nous eonnaissons avec preci¬
sion les formes des lettres que cette histoire ne peut pas encore
etre esquissee , meme conjecturalement." Wir verkennen keinen
Augenblick die Wichtigkeit dieser genauen Datirung; allein wir
hegen manche Zweifel gegeu dieselbe, weil die Untersuchungen
Caussin de Perceval's, auf die Herr Lenormant hauptsächlich sich
stützt, nicht über jeden Zweifel uns erhaben scheinen und die
Königslisten der Araber von Jemen an sich mangelhaft sind , so
dass eine Identificirung mit den in den himjarischen Inschriften ge¬
nannten Königen *) sich nicht gut ermöglichen lässt , weil hier die
Fürsten nicht bei ihrem wirklichen Namen , sondern mit einer
appellativen Benennung vorkommen. Indessen glauben wir, dass
die Datirung der Inschrift nahezu richtig sein dürfte. Auch die
Uebersetzung des französischen Gelehrten , nach den Forschungen
Osiander's über die südarabiscben inschriftlichen Monumente, raöchte
der Zustiramung der Gelehrten gewiss sein; denn unsere Inschrift
hat, bis auf wenige Ausnahmen, den Wortschatz der übrigen bereits
bekannten, deren Verständuiss doch im Grossen und Ganzen errait¬
telt ist. Die Uebersetzung 2) lautet : •
„'Abd-Schams, Aslam, Eunuch unsers Herrn, des Tubba' Schu-
rahbil, König von Saba, und sein Bruder Martad«', Vasall des Königs,
Söhne Wal's, Dieners und Vasalls des Königs von Saba, haben
geweiht den Terapel des Jata"> am Tage naf, im Jahre Samalia'li's,
Sohnes Alisrach's, Sohnes Samaha'li's; dieweil Jatä'™ sie erhört,
gemäss ihrer Bitte, und Jatam sie erhalten hat und annimmt das
Anerbieten. Und sie haben dargebracht Jatä'm, dem Herrn von
'Aden, ihr Geschenk und ihre Gabe, ein Gewicht (?) an Gold und
reinem Golde und geprägtera (Silber) zu ihrera Wolde und zu dera
unserer Stadt 'Aden und dieses unseres Hauses Abian'" und seiner
Besitzer und ihres Königs und ihres Heiles. Im Namen von 'Athor,
Haubas, Almakah, Jatä'm, Dät-l.iarai'" , Dät-ba'dän'" und ira Naraen der Götter und Göttinnen unserer Stadt '.Aden".
Nur wenige Bemerkungen zu dieser Uebersetzung mögen hier
einen Platz finden, und zwar sollen diese sich lediglich auf den
durch unsere Inschrift neu hinzugekommenen Wortschatz beschränken.
1) Herr Lenormant zählt nur die Inschr. Fresnel No. 45 u. 54 u. No. 35 in dieser Zeitschr. XIX, S. 217 auf, in welchen ein Kiinig der Sahiier genannt
wird; cr übergeht aber Fr. LV, wo tOilJ ''' m^^N sich flndet.
2) Die unsrige weiclit nur in wenigen Punkten von <ler des französischen Gelehrten ab.
Levy , fünf himjarische Inschriften. 191
während wir im Uebrigen auf das bereits vorhandene Material kurz
verweisen
Z. 1. Dbas, ein Lakab, s. zu 6, 1 und S. 265 fg. — b^lia
hat sich bisher noch nicht in den himjarischen Inschriften gefunden;
es ist offenbar das bekannte O^ID „eunuchus", das freilich auch
„Hofbedienter" übersetzt werden kann. Das Wort ist übrigens nicht ausschliesslich hebräisches Sprachgut, es findet sich schon auf einem
alten babylonischen Siegel, etwa aus dem achten Jahrhundert in
der Form ; die unserige iainio steht dem Hebräischen am
nächsten, vgl. Osiander, XX, S. 256, wo über das Verhältniss des
Himjarischen zum liebräischen-die Rede ist.
Z. 3. 13p ist hier, wie in 29, 1 (s. das.) gebraucht, und
scheint wohl eher einen Vasall, wie Sklaven (so nimmt es II.
Lenormant) bezeichnet zu haben, da der Vater Val ^ipi 13»
Naia isb): genannt wird.
Z. 4. iN;a steht hier ganz so wie bei F'r. IX u. X (vgl. Wilson
nr. IV) npubs n^a und lässt sich die Bedeutung nur durch
den Zusammenhang errathen; denn das Arabische giebt keine pas¬
sende Etymologie und man könnte nur das äthiop. *7iPl „hnmiles
gratias egit" zur Erklärung heranziehen. Das Wort lindet sich noch
Wr. Z. 3, vgl. das. psra Z. 4 u. H. G. innss: Z. 7.
Die Gottheit asni tritt hier zum ersten Mal als solche auf;
denu DJ'ni nas (s. diese Zeitschr. XXH, S. 339) konnte uns da¬
rüber keine Gewissheit geben, daher wir daselbst unsern Zweifel
ausgesprochen haben.
Der Verlauf der folgenden Zeilen findet seine Analogien durch
die bereits vorhandenen Inschrilten, nur Z. 10 u. 11 bietet manche
Schwierigkeiten in den Worten pm ona "nai arti nnN, obgleich
wir eine ähnliche Phrase bei Fr. LVI, Z. 6 kennen. Dort heisst
es: pm DnD n:iNa inbri:N ban. Ueber ]iN bat Osiander zu 6, 8
ausführlich gehandelt. Aus den dort angeführten Versuchen zur
Erklärung scheint mir für niiN keine passende Bedeutung ausser
„Gewicht", vgl. yN = ^-^j^ wägen sich zu ergeben. Ob eiu be¬
stimmtes Gewicht damit bezeichnet sei, wie z. B. n;?: ein
solches ausdrückt, lässt sich aus dem vorhandenen Material nicht
bestimmen. Jedenfalls ist aiti „Gold" wohl sicher und gehört
zu n:iN. Das folgende "iiai scheint nach der angeführten Stelle
bei Fr. LVI, 6 ein Attribut zu Bna zu sein. Dies ist durch das
Hebräische uns wohl bekannt, wenn auch die Etymologie nicht ganz
klar ist; man mag es daher als blosse Vermuthung hinnehmen,
wenu wir übersetzen Dna -ina „reines Gold". Dagegeu scheint
1) Wir bedienen uns der belcannten Abkürzungen: Fr. = Fresnel, Wr.
= Wrede etc. vgl. diese Zeitsehr. XIX, S. 162, Anin. 2. Wo nichts weiter hinzugefügt ist, sind die Inschriften in dieser Zeitschr. a. a. O. gemeint,
2) S. unsere ,, Siegel und Geinmen" S. 6 no. 4.
192 Levy , fünf himjarische Inschrften.
Oc .
uns pm nach dem arab. „pecunia signata, nummi" nach dem
Kamus eher gesichert. Herr Lenormant übersetzt „un poids d'or
et d'argent, de metal en lingots et d'especes monnay6es". Die
Grüude für diese Auffassung sind nicht weiter angegeben. Der
Rest der Inschrift bietet nach den bereits vorhandenen himjarischen
Denkmälern keine Schwierigkeit. Hervorzuheben ist nur noch, dass
wir durch Z. 12 DJ^ni* zum ersten Male auch diese Stadt, den
Fundort unserer Inschriften kennen lernen 3.
Diese Inschrift, offenbar eine Grabschrift, ist zwar in ziemlich
flüchtig gezeichneten Charakteren ') abgefasst, doch lässt sich der
Werth durch den Zusammenhang leicht bestimmen, so dass eine Um¬
schrift in hebräischen Buchstaben genügen mag.
I 13pT I ilJE3 I DTn-i nns I Din"TO I p -ninay | p
-nin ! p I ny
-72ia ha j ai ibyn
„Denkmal und Grab von Abdjata'™, dem Sohne Martad^, Sohn
des Abdjata'm, Sohnes Martad^, Sohn des Samahali".
Zur Erklärung ist ein Weiteres hinzuzufügen wohl nicht nöthig,
vgl. diese Zeitschr. XIX, S. 291.
4.
-m I iap
ha I Da
I P I £1=^
Die erste Zeile ergänzt Herr Lenormant gewiss mit Recht ^ \ iüD3.
Die Nomina pr. sind durch die luschriften bekannt; nam 19, 1
und bei Fr. sehr häufig und XH, XIV, XLII, XLVI und XLIX
wahrscheinlich als Lakab, immer in Verbindung mit ^byri^oiD.
5.
-can I iap I o:''~ip I I lyiBN I p
-:iip I ia
-HN I p I a
DiD
1) Das n ist mir durcii zwei kleine übereinander stehende Ringe ohne Verbiudung dargestellt.
Levy , fünf himjarische Inschriften. 193
„Grab und Denkmal von Kurainm, Sohn Asad's, Sohnes Ku¬
rain™, Sohnes Ausm."
Auch diese Eigennameu sind bekannt; Kurain™ 13, 1. 5;
Asa'd 18, 1; Aus™ 26, 1. 6. Diesen letztern Namen liest auch
Herr Lenormant a. a. 0. 1867, p. 244 fg. in der Inschrift von
Wellsted, nach einer leicht zuzugebenden Emendation, so dass die
ganze Inschrift laute:
-a I ain-iM I fiisiN I T -nnia | laio
I 1
„Martad™, Sohn des Aus™, hat seinen Namen (hier) einge¬
schrieben".
Bd. XXIV. 13
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Neun himjarische Inschriften
von
Prof. Dr. M. A. Leyy.
(Mit 5 lithogr. Tafeln.)
Wer die Entzifferungsversuche himjarischer Inschriften von der
Zeit an, als Gesenius seine erste Schrift: über Mmjaritische Sprache und Schrift (1841) vcrölfentlichte, bis jetzt mit Aufmerksamkeit verfolgt hat, wird nicht läugnen können, dass ein ausserordentlicher
Fortschritt zum Verständniss dieser altertliümlichen Denkmäler ge¬
macht wordeu ist, ohne jedoch das demüthige Bekenntniss zurück¬
zuhalten, dass wir noch weit von klarer Einsicht in das Wesen
der himjarischen Sprache und der religiösen Anschauung der Süd¬
araber entfernt sind. Die Erkenntniss des gemachten Fortschrittes
soll indessen unsern Muth zu neuen Veröffentlichungen auf diesem
Gebiete beleben, das Bewusstsein unserer Schwäche aber unsere
Vorsicht verdoppeln. Diese Erwägung hat mich bestimmt die Be¬
kanntmachung und Erklärung der nachfolgenden Inschrifteu zu
übernehmen. Die Redaktion dieser Zeitschrift hatte diese auf
Wunsch der englischen Gelebrten am britischen Museum, der Herren
Franks, Vaux und W. Wright, welche die Copien freundlichst
besorgt uud nicht geringe Mühe auf dieselben gewendet hatten, mir
zur Veröffentlichung übertragen, und wenn ich auch vielfach durch
Berufs- und andere literarische Arbeiten in Anspruch genommen
war, so mochte ich doch den Auftrag nicht von mir weisen ; vieiraehr hielt ich es für Pflicht, dazu beizutragen, dass diese interessanten
Denkmäler so bald als möglich zur Kenntniss der Leser dieser
Blätter gelangen möchten; weil ich überzeugt bin, dass nichts mehr
die Fortschritte in der Kenntniss des Himjarischen fördern köune,
als die Erweiterung des Materials. Nur die Ueberwachung bei der
Anfertigung der beiliegenden lithographirten Tafeln, und diese mit
wenigen Bemerkungen zu begleiten, war mir für diesen Augenblick
möglich; ein tieferes Eingehen auf die Inschriften, wenn dies über¬
haupt etwas Erkleckliches zum Verständniss beigetragen haben würde,
war rair, wie erwähnt, versagt. Und so möge raan das Gebotene
nachsichtig aufnehmen und durch eingehende Forschungen für die
Wissenschaft verwerthen.