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üeber einen Helm mit arabischen Inschriften.
Von
Prof. K. RSdiKer.
Mit einer Inschriflen - Tafel.
Der Helm , über welcbeo icb bier einige kurze Ucmerkun-
geu Diittbeilen will , wurde vou Sr. Krl.iuclit dem Herrn Grafeo
Butbo zu Stollberg-Wernigerode im Sommer 1857 wäbrend eines
Aufeotbalts io Venedig bei einem Antiquar angekauft und dort
für italieniscbe Arbeit gebalten. Ueber seinen friiberen Besitzer
oder Autbewalirungsort ist mir nicbts bekaunt; jetzt befindet cr
sicb auf dem Schlösse in Wernigerode, von wo er mir durcb
Vermittelung des Herrn Dr. E. Försteniann zur Ansicbt zuge¬
schickt wurde. Er ist von Eisen '), bat oben eine Spitze, und unten
an der vordem Seite ist durch drei je aus zwei Gelenken bestehende
messingeue Ketteben eiue eiserne Stirndecke befestigt. Beinahe
die ganze äussere Fläche dieser Stirndecke nimmt eine arabi¬
sche Inschrift eio, die auf der Tafel unter Nr. 1 in Originul-
grösse abgebildet ist. Die, wie alles Andere auf dem Helme,
in Umrisslinien eingeschnittenen Scbriftzüge sind echt und scbön,
uur iu Arabesken verschlungen, wie oft in dergleichen decora¬
tiven Inschriften. In der Zeichnung mit schwarzen Linien auf
weissem Grunde tritt die Schrift deutlicher vor dii; Augen, als
auf dem Helme selbst, wo alles nur die Eine Eisenfarbe hat.
Möglich, dass die Linien ursprünglich vergoldet waren, wie
häufig auf orientalischen Waffenslückeu ; docb lässt sich dies uicht
sicber behaupten, da keioe Spur von Vergoldung zu sehen ist.
Die Insebrift lautet:
1) Das gebräuchliche arab. Worl fiir einen eisernen Helm isl ,
das aus dem gleielibedeiileiiden pers. »^i» eiilstaiiilen ist, hei den ßecJiiiiicii (j«.Lb (s. Burckhardl, Notes on the Bedouins and Wahahvs p. 5H. D. l'ebeis.
S. 44), lelzlere Benennung von der Form hergenommen, ilenn hc¬
deulel auch Kelch und Sch.ile aus Metall. Vgl. das lirlir. saip und saiS Helm , mil dem vei wandleu :^''3a Keleh , riS2p lilmiu iikeleli.
Uiidiger, über einen Helm mit arabischen Inschriflen. 301
iicUÄif j Uiif^ i^UiJi jyi
d. tl. Die Klire ist (= berulit) im Gehorsam, und (=wie)
der Reich thum in der Genügsamkeit. Der Spruch ist
gereimt (— at-ta'ab — al-kan4'ah), aher nicht metrisch ge¬
messen. Kr eignet sich seiner wörtlichen Passung nach vor¬
trefflich zum Denksprucb für einen Krieger; nur hat er seinem
ersten Theile nach ohne Zweifel zugleich eine religiöse Be¬
ziebung, denn iclLiJl ist auch der specifisch religiöse Ausdruck
für den Gehorsam gegen Gott, ünd diese höhere Beziehung ist
hier wohl um so mebr vorauszusetzen, da das so verzierte Waf¬
fenstück schwerlich einem gemeinen Soldaten, sondern eber einem
Feldherrn oder Fürsten angehört hat. —
Rings um den untern Theil des Helmes selbst zieht sich,
durcb Doppellinien abgegrenzt, ein Feld von ungefäbr gleicher
Höhe, wie die Stirndecke, in welchem in gleichmässiger Reihen¬
folge eine Schriftgruppe, ein Kreis mit wappenartigen Zeicben,
eine verschlungene Arabeske und eine Rosette sicb dreimal wie¬
derholen. Die Schriftgruppe ist das erste und zweite Mal genau
dieselbe und in allen Einzelheiten übereinstimmend (s. die Taf.,
Nr. 2); das dritte Mal sieht sie etwas anders aus (ebend., Nr.3).
Das erste der beiden Worte ist obne Zweifel ^L*i\ der Hohe,
der Erhabene: was man allenfalls auf den inbaber des Helmes
beziehen oder, was näber zu liegen scheint, als Gottesnamen
auffassen kann. Das zweite Wort ^i,UI oder, wie in Nr. 3, ^ILtl
ist schwerer zu verstehn, wenigstens kann ich für jetzt keine
_ - c-
genügend sichere Deutung finden. ^l^Jt (JIUJl^ Plur. von ü^^/o
sudarium seu byssi pars, quam femina manu tenet in planctu,
passt gar uicbt hieher. Sonst könnte es etwa auch ausgespro-
G-IS-
chen werden ^LJI , als Adj. relativum zu JU-« Rückkebr, be¬
sonders auch von der Rückkehr zu Gott, wie es wirklich mit
der Bedeutung „Ad reditus locum alteramque vitam pertinens"
von Meninski aus der türkischen Bearbeitung des dlaubari auf¬
geführt wird (im arab. Original steht nichts davon). Aber ich
wüsste ebeuso wenig zu sagen , was das hier sollte. Wäre es
durch ein Verseben des Gravirers oder des Vorzeichners statt
i,l«Il gesetzt, so gäbe es allerdings einen passenden Sinn, näm¬
lich mit dem ersten Worte verbunden entweder J,LiLjl ^UJt der
Hohe, der Erhabene, von Gott gesagt, oder ^^üj! ^Ijij!
302 Rüdiger, über einen Helm mit arabischen Inschriflen.
der erhaben ist durch hohe Eig-enschaften, von dem,
der den Helm trug. Doch entschliesse ich mich nicht leicht zur
Annahme eines solchen dreimal wiederholten Fehlers , weil die
SchriftzUge so echt arahisch sind und eiu Araber sich in der
Aussprache des ^ gewiss nicht so leicht irrt, wie ja auch
dieser Bucbstab in der längeren Inschrift dreimal ganz richtig
gesetzt und die Scbreibung überhaupt dort ganz correct ist.
Vielleicht sieht ein Aoderer iu dieser Sache besser als icb.
Die Arabeske und die Rosette, welche in diesem Felde mit
der Schriftgruppe abwechseln, haben nichts Bemerkenswerlhes.
Dagegen möchte ich den gleichfalls sicb dreimal wiederholenden
Kreis , der die von mir als wappenartig charakterisirten Zeichen
enthält, nicht ganz mit Stillschweigen übergeben. Die Benen¬
nung ,, wappenartig" wird jetzt kaum der Rechtfertigung bedür¬
fen, nachdem uns der gelehrte Heraldiker Prof. Bernd zu Bonn
so viel Wappenähnliches aus dem griechischeo uod römischeo
Alterthume sowie aus dem frübereu Mittelalter oachgewiesen und
erläutert hat ' \ Aus dem Orient, wo es ohne Zweifel viel der
Art gegeben hat, konnte derselbe leider nur wenig in den Kreis
seiner Forschung ziehen, da bisher noch selten darauf geachtet
wurde und es somit an allen Vorarbeiten fehlte. Aber theils
möchten sicb in den orientalischen Schriftstellern einzelne An¬
deutungen finden lassen, tbeils würden vermutblicb die europäi¬
schen Waffensammlungeo , deren manche, wie z. B. das Waffen-
cabinet Sr. Königl. Hobeit des Prinzen Carl in Berlin , eine
gute Anzahl orientalischer Walfen bergen, eioiges Interessante
der Art auf Schilden, Helmen, Degen u. s. w. darbieten, wenn
man sie zu diesem Zwecke durchsuchen wollte. Oboe Zweifel
hat Bernd Recht, wenn er in dem angeführten Werke (Abtb. I.
S. 420) sagt: ,,Von Wappen der Saracenen und Mauren würde
man mehr wisseo , weoo darauf mebr geachtet uod danach ge¬
forscht worden wäre." Er führt darauf aus Carters Reise von
Gibraltar nach Malaga ( d. Uebers. Leipzig 1778. 8. Th. 2.
S. 331) ein maurisches Königswappen an, welches er auch auf
einem hellblauen Ziegelstein gemalt fand, deo er selbst aus
Graoada mitbrachte. Höst io seinen Nachricbten von Marokos
und Fes (Kopenhagen 1781. 4. S. 181) bemerkt zwar, dass der
König Mulei 'Ali kein Wappen hatte, wenn man nicht eioen
Halbmond mit einigen Steroeo dafür nebmeo wolle, womit seio
Pferdegeschirr gezeichoet war. Aber es baodelt sich hierhei
nicbt um ein geordnetes Wajipenwesen , wie es das moderne
1) Die Hauplstücke der Wappenwlsscnscliaft , verfasst nnd mit vielen
Beispielen und Abbildungen erlüulert von Dr. Ch. Snm. Thcnd. hernd.
1. Ablh. Bonn 1841. 'Z. Ablh. 1849. 8
Rödiger, über einen Hehn mit arabischen (nschriflen. 303
Kuro|»a Uut, sondern von Erkennungszeiclien im Allgemeinen, die
man ihrem Zwecke nach mit unsren Wappen vergleichen knnn.
Bernd verweist a. a. 0. noch auf eine Abhandlung Heinaud's „Ob¬
servatioos generales snr les medailles musulmanes ä figure" im
Journal asiatique t. III. 1823. p. 331 — 360, wo einiges bieber
Gehörige nachgewiesen wird. Denn anch auf Münzen kommt
dergleichen vor, wie die drei eiförmigen Körper auf Timur's
Münzen, die er aucb auf seinen Geräthschaften führte und seinen
Pferden auf die .Schenkel einbrennen liess. Uebrigens bestreitet
Bernd mit Recht die Meinung Reinaud's, dass muhammedanische
Fürsten solche Wappenzeichen erst von den Kreuzfahrern ent¬
lehnt hätten, wie er anderwärts noch entschiedener der Ansicbt
widerspricht, dass Europa sein Wappenwesen durch die Sarace¬
nen erhalten. Vgl. noch über die Zeit der Kreuzzüge die von
Bernd a. a. 0. S. 330 ff. gesammelten Nachrichten , und Reinaud's
description des monumens musulmans du cabinet de M. le due de
Blacas t. I Paris 1828. 8. S. 75 ff. So mag denn auch jener
Kreis auf unsrem Helme solche Wappenbilder einschliessen, die
der Ritter vielleicht, wie das öfter vorkommt (Bernd 1,69), zu¬
gleicb nuf seinem Schilde führte. Dass cr lediglich zur Ver¬
zierung dienen sollte, wie die Kreise mit .Arabeske und Rosette,
dazu dünkt er mich zu viel Eigenthümliches zu liaben. Jeden¬
falls schien es der Mühe werth, eine Abbildung davon zu geben
(s. d. Taf., Nr 4), um etwaigen weiteren Nachforschungen be¬
hülflich zu seyn.
Auch um die Spitze des Helmes ber ist durch eine engere
und eine weitere Kreislinie ein kleines Feld abgetheilt, das
möglicher VVeise noch etwas von Schrift enthielt: doch ist das
Eisen hier sn schadhaft und durchlöchert, dnss nicbts mebr mit
Sicherheit zu erkennen ist ausser einigen Linien, die von der
weiteren Kreislinie aus in der Richtung auf die .Spitze zu laufen,
und die sicb auch auf eine strnlilenartige Verzierung dieses
oberen Theiles bezieben können, wodurch dann die Annahme
von Schrift in diesem Felde wegfallen würde.
Auf die Beurtheilung des Helmes nach dem Kunstwerlh und
Charakter der Arbeit verstehe ich mich nicht; ein Kenner sol¬
cher Dinge fände darin vielleicht einen Anhalt für ungefähre
Bestimmung der Zeit oder der Oertlichkeit, welcher die Arbeit
angehört. Der untere Rand des Helmes wie auch die Ränder
der Stirndecke sind mit dünnem Kupferblech eingefasst, welches
durch Nägel befestigt ist. Hinten nahe über der Einfassung
sitzt ein eisernes Oehr, zur Aufnahme eines Riemens oder Ban¬
des bestimmt, und auf jeder Seite ungefähr in gleicher Höbe
zwei kupferne Nägel oder Buckel. Die Spitze des Helms ist
massiv von Eisen, querdurch geht ein Draht, der vermuthlich
304 Rödiger, über einen Jlelm mil arahischen Inschriflen.
zur Befestigung eines Helmbusches oder dergleichen diente. Die
echte und durchaus correcte Form der Scbriftzüge lässt kaum
bezweifeln, dass dieser Helm aus einer orientaliscben Werkstätte
hervorgegangen ist; und sollte er dennoch im Abendlande ge¬
arbeitet seyn , so müsste er wenigstens mit grosser Sorgfalt
nach einem orientalischen Muster gemacht seyn.
Beim Nachsuchen in den in Betracht kommenden Hülfsmit¬
teln, deren mir nur sebr wenige zugänglich sind, fand ich in
Reinaud's description des monumens du cabinet de M. le Due de
Blacas (Paris 1828. 8.) T. II. p. 308 einen Helm verzeicbnet,
der im k. Artillerie-Depot zu Paris aufbewahrt wird und den¬
selben Spruch als Inschrift trägt, der auf der Stirndecke unsres
Helmes steht. Ausserdem scheint an demselben keine Scbrift
weiter vorzukommen, wenigstens erwähnt Reinaud nichts davon.
In den zahlreichen Spruchsammlungen der Araber wird jener
Spruch vermuthlich nicbt feblen, in den bisher gedruckten er¬
innere ich micb nicht ibn gelesen zu haben, wenigstens nicbt in
der Fassung, die er hier hat, obwohl der Gedanke desselben,
besonders der in der zweiten Hälfte ausgedrückte , wenn aucb
in andern Worten, öfter vorkommt.
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Notizen, Correspondenzen und Vermischtes.
Eioige Bemerkungen zu den persischen Studien des Herrn
Grafen von Gobineau.
Von Dr. HI. A. liCvy.
Herr Graf von (jobineau hat sich in seinen persischen Studien
(s. diese Zeitschr. XI, S. 700 ff.) auch ausgesprochen „sur quelques me¬
dailles ä legendes iraniennes de l'epoque arsacide". Er glaubt, wie es am Ende seiner Arbeit heisst, dass nunmehr elf Arsakiden bestimmt werden können „avec une rigueur qui ne laisse rien ä suuhailer: Arsace I., Tiri¬
date, Artaban I., Mithridate 1., Phraate II., Arlaban II., Mithridate II., Orode, Gotarses."
Das wäre allerdings kein geringer Gewinn, den die Numismatik für die dunkele Geschichle der Arsakiden gewonnen hälte. Je höher aher ein sol¬
cher Gewinn zu achten ist, um so grösserer Vorsicht bedarf es fiir die Wissenschafl, ihn sich anzueignen, und im Interesse derselben mag es uns gestaltet sein , hier einige Bedenken zu äussern.
Da der Herr Verf. sich nicht darüber ausgesprocben , nach welchem Alphabete er die iranischen Legenden entziffert hal , so dürfen wir wohl die Vermuthung wagen, dass das arische der Entzifferung zu Grunde gelegen habe; denn keines der eigentlich semilischen passt zu derselben. Wie der Herr Graf mit jenem arischen Alphabet für seine Lesung ausreicht, wie er so manche Schwierigkeiten, die von Seiten der Numi.smalik und der Sprache gegen seine Erklärung auftreten, beseitigen wird, darüher wird hoffentlich seine ausführlichere Arheit, auf die er verweist, Aufschluss geben. Aber auf einige , wie es uns scheint, entschieden unrichtige Erklärungen müssen wir aufmerksam machen, um dadurch vielleicht fernem Irrthümern vorzubeu¬
gen. Die Legenden der letzten Münzen werden gelesen: No. 10: Sak d. i.
Sakastania („autrement dit Seistan"); No. 11: Avers: Sak und Rev. Fartan;
No. 13: Abestan „c'est le pays d'Abeste, marque par les ruines de Bost et donl Pline indique la posiiion dans 1' Arachosie." Zugegeben , dass die arischen Zeichen ausreichen solllen um diesen Sinn herauszubringen , so wird doch Jeder, der die cilicischen Tarsusmünzen kennt, sogleich in den
vorliegenden Stücken barbarische Nachahmungen derselben erkennen nnd
die Legenden naeb der aramäischen (phönizischen) Schriflart bestimmen. — Nehmen wir zuerst die Münze No. 11 mit der vollständigsten Legende. Zur
Bd. Xll. 20