A3186 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 47⏐⏐24. November 2006
M E D I Z I N
Gefahr durch ergonomische Defizite
Matern und Mitarbeiter (4) kommen zu dem Schluss, dass ergonomische Defizite im Operationssaal wegen fehlender Systemintegration und uneinheitlicher Bedie- nungskonzepte wesentliche Quellen für kostspielige Irr- tümer, Fehler und Komplikationsmöglichkeiten darstel- len.
Sichere Chirurgie braucht, um die Erkenntnisse und die Chancen zur Mängelbeseitigung, die sich aus derar- tigen Analysen ergeben, schnell und konsequent nutzen zu können, auch sichere Ressourcen. Das gilt nicht nur für die Finanzierung der angesprochenen Maßnahmen, sondern vor allem auch für die Ressource Zeit. Wenn Fehler und Gefährdungen in erster Linie durch Verlet- zung von Vorschriften, unsachgerechte Handhabung der medizinischen Ausrüstung und Kommunikationsdefizi- te entstehen (6), brauchen wir vor allem auch mehr Zeit für unsere Kernaufgaben und für die Kommunikation – eine Forderung, die auch in diesem Kontext hohe Prio- rität hat.
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 14. 11. 2006, angenommen: 15. 11. 2006
LITERATUR
1. Lemke HU. Workflow im OP der Zukunft.
Deutsches Ärzteforum. Hauptstadtkongress Berlin 2006 www.hauptstadtkongress.de/2006/
2. Ansorg J, Diener M, Schleppers A, Heberer J, v. Eiff W. OP-Manage- ment. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2006.
3. Zschernack s, Göbel M, Friesdorf W, Gödecke K, Penth S, Reschke R. SiGOS- Abschlußbericht Sicherheit und Gesundheit im Operati- onssaal November 2004 www.unfallkasse-berlin.de
4. Matern U, Koneczny S, Scherrer M, Gerlings T. Arbeitsbedingungen und Sicherheit am Arbeitsplatz OP. Dtsch Arztebl 2006; 103(47):
A 3187–92.
5. Bueß G. Interview „Chirurgie und Technologie sind miteinander verheiratet“. Dtsch Arztebl 2006; 103(43): A 2844–5.
6. Bauer H. Editorial. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 2005; 34: 111–2.
Operating room: reality and demand Dtsch Arztebl 2006; 103(47): A 3185–6.
Prof. Dr. med. Hartwig Bauer Deutsche Gesellschaft für Chirurgie Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin E-Mail: H.Bauer@dgch.de
REFERIERT
Antibiotikagabe bei Kindern mit Otitis media
Nicht alle an akuter Otitis media erkrankten Kinder profitieren von einer sofortigen antibiotischen Therapie. Sie sollen zunächst analgetisch be- handelt und der Krankheitsverlauf beobachtet werden. Sechs randomi- sierte Studien mit diesem Ergebnis wurden von Maroeska Rovers und ihren Kollegen im Lancet vorgestellt. Für die Studien wurden 1643 akut erkrankte Kinder im Alter von sechs Monaten bis zwölf Jahren ausge- wählt. Am wirksamsten waren Antibiotika bei den Kindern mit beidseiti- ger Otitis, die jünger als zwei Jahre alt waren und bei Kindern mit einsei- tiger eitriger Sekretion. Dies ist für die ärztliche Praxis von immenser Wichtigkeit. Es bedeutet, dass bei mehr als der Hälfte der erkrankten Kin- der eine gründliche Verlaufsbeobachtung ausreichend ist. Wenn Ärzte
weniger Antibiotika verschreiben, können Kosten eingespart werden. Die Nebenwirkungen der Präparate entfallen. Außerdem lässt sich die Resi- stenzentwicklung der Bakterien verringern. Es gibt Einwände gegen die Reduzierung der Antibiotikagabe. Man vermutet, das Risiko einer Mastoi- ditis könnte sich erhöhen. Diese Komplikation trat aber bei keinem der untersuchten Kinder auf. Um den Ärzten die Entscheidung über die Me- dikamentengabe zu erleichtern, sollten Richtlinien geschaffen werden, die alle Symptome klassifizieren. Andere bakterielle fieberhafte Erkran- kungen wie Pneumonie, Sepsis oder Meningitis müssen mit Sicherheit ausgeschlossen sein. Dann kann eine Schmerzbehandlung zusammen mit der Aufklärung der Eltern und einer sorgfältigen Nachsorge ausrei-
chen. Lu
Rovers MM, Glasziou P, Appelman C et al.: Antibiotics for acute otitis media: a meta-analysis with individual patient data. The Lancet 2006; 368: 1429–35. E-Mail: M.Rovers@umcutrecht.nl
N-Acetylcystein gegen
Kontrastmittel-induzierte Nephropathie
Bei Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt besteht durch die ho- he Kontrastmittelmenge, die während einer Koronarangioplastie ver- abreicht werden muss, die Gefahr eines Nierenversagens.
In einer kontrollierten randomisierten Studie an 354 konsekutiven Patienten mit akutem Herzinfarkt, die sich einer primären Angioplastie unterzogen, wurde die prophylaktische Gabe von N-Acetylcystein un- tersucht. Die erste Gruppe erhielt 600 mg N-Acetylcystein intravenös vor der Angioplastie, gefolgt von zweimal 600 mg oral für 48 Stunden, die zweite Gruppe eine doppelt so hohe Dosis und die dritte Gruppe
Placebo. Nach der primären Angioplastie kam es zu einem Serum- kreatinin-Anstieg bei 33 Prozent in der Kontrollgruppe, unter N- Acetylcystein nur bei 15 Prozent (600 mg) beziehungsweise 8 Prozent (bei 1 200 mg). 13 Patienten (11 Prozent) starben in der Kontrollgrup- pe, 5 (4 Prozent) nach 600 mg N-Acetylcystein und 3 (3 Prozent) nach Gabe von 1 200 mg (p = 0,02). Auch bezüglich Tod, akutem Nierenversagen mit vorübergehender Notwendigkeit einer Nieren- ersatztherapie sowie künstlicher Beatmung ergaben sich signifikante Unterschiede zugunsten der Nephroprotektion mit N-Acetylcystein (bei 1 200 mg: 15 Prozent, bei 600 mg: 7 Prozent, bei Placebo:
6 Prozent; p = 0,002). w
Marenza G ,Assanelli E, Marana I et al.: N-acetylcysteine and contrast-induced nephropathy in primary angioplasty. N Engl J Med 2006; 354; 2773–82. E-Mail:giancarlo.marenzi @ccfm.it.