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Archiv "Die Ärzte für die Politik gewinnen: Berufspolitische Veranstaltungen in Grado und Meran" (02.11.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Ein intensives politisches Engage- ment der Ärzte hält der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Karsten Vilmar, für unerläßlich. Darin stimm- te er beim Berufspolitischen Ge- spräch auf dem Herbstkongreß der Bundesärztekammer in Grado auch mit seinem Vorstandskollegen Dr.

Dietrich Maiwald überein. Eine ein- seitige parteipolitische Festlegung der organisierten Ärzteschaft lehnte Vilmar jedoch ab. Die Ärzte sollten sich vielmehr im Sinne der alten Po- lis für die öffentlichen Angelegen- heiten einsetzen: Mit Sachverstand, bereit zum Dialog, aber auch ohne Scheu, das als richtig Erkannte nachdrücklich vorzubringen. Not- falls könne man „auch mal demon- strieren", meinte Vilmar, ohne dabei allerdings dem Patienten mit der Rückgabe der Kassenzulassung zu drohen.

Vilmar bezog sich mit dem Hinweis auf das Demonstrieren auf das Bei- spiel der österreichischen Ärzte.

Diese hatten, wie der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Dr.

Richard Piaty in Grado erklärte, ge- gen ein Gesetzesvorhaben auf der Wiener Ringstraße demonstriert. Da- mals hatten von 13 000 Ärzten im- merhin 7000 teilgenommen! Noch im nachhinein beklatschten die deutschen Kollegen in Grado diese erstaunliche Präsenz.

In Österreich hat man allerdings das Demonstrieren (und vielleicht auch einiges mehr, Piaty deutete das an) im Augenblick nötiger als in der Bundesrepublik, denn felix Austria offeriert seinen Ärzten eine düstere Zukunft: Ambulatorien der Kassen, ohne daß die Ärzte dem widerspre- chen können, einen bundeseinheitli- chen Stellenplan für Kassenärzte und einiges mehr. Piaty zum Klima in Österreich: „Nichts mehr von Partnerschaft, nichts mehr von Mit-

TAGUNGSBERICHTE

bestimmung. Die Kassen sollen al- lein das Sagen haben."

Angesichts dessen mutet das Klima in der Bundesrepublik noch milde an. Doch die Witterungsberuhigung täuscht. Dr. Karsten Vilmar mahnt jedenfalls bei berufspolitischen Ver- anstaltungen, so auch in Grado, sei- ne Kollegen, auf drei Probleme be- sonders zu achten:

Die Auswirkungen der Krise in der Rentenversicherung auf andere Be- reiche der Sozialversicherung.

43 Die erst in den nächsten Jahren richtig spürbar werdenden Folgen der „K-Gesetzgebung", hier vor al- lem des Krankenversicherungswei- terentwicklungsgesetzes (KVWG) und des Krankenversicherungs-

„Kostendämpfungsgesetzes”

(KVKG).

Das sich abzeichnende Disaster der Bildungspolitik.

Das „Milliarden-Loch" in der Ren- tenversicherung war der Anlaß, die an sich gesunde gesetzliche Kran- kenversicherung zur Kasse zu bit- ten, erinnerte Vilmar. Die Kostenver- lagerung wiederum habe man zum Vorwand genommen für strukturver- ändernde Maßnahmen im Kassen- arzt-Bereich. Seien die „Kosten"

Deckmantel für die strukturellen Än- derungen des KVKG gewesen, so habe der Deckmantel beim KVWG

„ärztliche Unterversorgung" gehei- ßen. Schon diese beiden Beispiele zeigten im übrigen, wie kurzsichtig und kurzfristig heute in der Sozial- politik „Politik" gemacht werde:

Von „Unterversorgung" rede heute kaum noch einer; und auch die „Ko- stenexplosion" rücke bereits deut- lich in den Hintergrund.

Vilmar erinnerte daran, daß der so- genannten Kostenexplosion eine Aktuelle Aspekte

Mir scheint es lohnenswert, insbe- sondere die Auswirkungen einer Be- seitigung der einschränkenden Ab- rechnungsbestimmung, wonach ei- ne Beratung nur neben der ersten Sonderleistung im Quartal abrech- nungsfähig ist, zu prüfen. Damit würde denjenigen Ärzten mehr Ge- rechtigkeit widerfahren, die mit ei- ner Multimorbidität — der Begriff ist nahezu identisch mit einer Langzeit- behandlung — ihres Patientengutes zu kämpfen haben.

Abschließend darf ich das Augen- merk noch auf die Gesundheitsvor- sorge lenken. Wir Ärzte haben stets unsere Patienten in Fragen der Ge- sundheitserhaltung beraten. In aller Regel suchen uns aber die Patienten nur dann auf, wenn sie krank sind oder sich krank fühlen. Die Ausnah- me bilden die Früherkennungsun- tersuchungen.

Gesundheitspolitisch wäre die ver- stärkte Hinwendung gerade der Hausärzte zur Gesunden-Beratung aber wünschenswert. Dies weniger, um den Zeichen der Zeit zu folgen, sondern weil es unser Wunsch ist, nicht nur Krankheiten zu heilen son- dern vielmehr Gesundheit zu erhal- ten. Darauf müßte nicht nur verstärkt die Fortbildung Rücksicht nehmen, sondern auch der vertragliche und honorarmäßige Rahmen mit den Vertragspartnern geschaffen wer- den.

Anschrift des Verfassers:

San itätsrat

Dr. med. Josef Schmitz-Formes Zweiter Vorsitzender

der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Haedenkampstraße 3 5000 Köln 41 (Lindenthal)

Die Ärzte

für die Politik gewinnen

Berufspolitische Veranstaltungen in Grado und Meran

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 44 vom 2. November 1978

2605

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Beim Neubau des Kongreßgebäudes in Grado sind die Rohbauarbeiten weitgehend beendet; der Innenausbau hat begonnen Foto: Voigt

Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

Berufspolitik in Grado und Meran

„Leistungsexplosion" gegenüber gestanden hat, daß also die Ärzte nicht künstlich für Ausgaben ge- sorgt haben, sondern dem Patienten real mehr haben zugute kommen lassen. Ein Gutteil der angeblichen Kostenexplosion sei außerdem Aus- druck von mehr Transparenz gewe- sen; im Krankenhausbereich sei durch das Krankenhausfinanzie- rungsgesetz lediglich eine Umbu- chung der Ausgaben vorgenommen worden: Mittel, die zuvor aus der Staatskasse geflossen seien, hätten nach dem KHG über die Pflegesätze und damit aus den Beiträgen der Versicherten refinanziert werden müssen.

Ganz gleich, ob „Kostenexplosion"

oder „Unterversorgung" — die Be- gründung für die strukturverändern- den Maßnahmen im Gesundheitswe- sen mögen auswechselbar sein;

festzuhalten bleibt — so Vilmar — durch KVWG und KVKG ist das Pla- nungsprinzip im Gesundheitswesen stärker betont worden. Man sei ab- gegangen von dem in unserer Wirt- schaftsordnung geltenden markt- wirtschaftlichen Prinzip, das auf Be- dürfnis und Nachfrage abstelle. An diese Stelle habe das Kostendämp- fungsgesetz letztlich die einnah- meorientierte Ausgabenpolitik ge- setzt; und die führe in letzter Konse- quenz fort vom Leistungsprinzip

und hin zur Verteilung von Gesund- heitsleistungen.

Aus ärztlicher Sicht müsse man sich dagegen für die „patientenorientier- te" Ausgabenpolitik einsetzen. Dr.

Dietrich Maiwald, der Präsident der Landesärztekammer Baden-Würt- temberg, ergänzte: Die Leistungen, die von den Ärzten im Interesse ihrer Patienten erbracht werden können, sollten auch erbracht werden dür- fen. Aber, so fragte Maiwald auch an die ärztlichen Körperschaften ge- wandt, was tun wir Ärzte eigentlich dagegen, um dem Trend zur einnah- meorientierten Ausgabenpolitik zu begegnen?

Das rief Dr. Günter Schulz-Klee von der Kassenärztlichen Bundesver- einigung auf den Plan. Man könne die einnahmeorientierte Ausgaben- politik auch herbeireden, meinte er;

und das werde von manchen heute kräftig besorgt. Doch die Gesetzge- bung, sprich: das „Kostendämp- fungsgesetz", gäbe dazu keinen An- laß. Das KVKG lasse doch die Mög- lichkeit der Einzelleistungsvergü- tung zu! Darauf sei auch die Politik der KBV gerichtet, siehe die neuen Vereinbarungen mit den Ersatzkas- sen (dazu DEUTSCHES ÄRZTE- BLATT Heft 31/1978). Die derzeitige Phase einer Pauschalhonorierung — im RVO-Bereich — müsse man als Übergangsperiode ansehen.

Entwicklung der Arztzahlen:

eine „Manövriermasse"

Noch einmal zu Vilmars Drei-Punk- te-Analyse: Nach dem Problem

„Rentenversicherung", dem Pro- blem „K-Gesetzgebung", bleibt also Problem Numero drei: die Bildungs- politik. Vilmar legte großen Wert darauf, von den Folgen der allge- meinen Bildungspolitik für die ärztli- che Berufstätigkeit zu sprechen, statt die Diskussion allein auf das Schlagwort „Ärzteschwemme" zu verkürzen. Denn nach Vilmar ist die Entwicklung der Medizinstudenten- und der Arztzahl im wesentlichen ei- ne Folge der euphorischen Bil- dungspolitik der letzten Jahre. Denn eine „Schwemme" sei auch in vielen anderen akademischen Berufszwei- gen zu verzeichnen.

Einige Zahlen aus Vilmars Referat:

1950 habe die Relation Arzt : Ein- wohnerzahl 1 : 750 betragen, heute liege sie bei 1 : 474 und für das Jahr 2000 werde mit 1 :217 gerechnet.

Die letzte Zahl könne sich zwar noch um einiges nach oben oder unten ändern. Im Prinzip seien sich aber die Fachleute einig. Die Medizinstu- dentenzahlen: Vilmar rechnet heute mit rund 12 000 Studienanfängern.

In den nächsten Jahren müßten rund 15 000 befürchtet werden. Vilmar für die Zukunft: „Eine Manövrier- masse."

Die hohe Zahl der Studienanfänger werfe nicht nur erhebliche Probleme für die ärztliche Ausbildung auf, sondern auch für die Weiterbildung.

Dazu Dr. Kurt Stordeur von der Bayerischen Landesärztekammer:

Heute seien zwar in manchen Berei- chen noch Stellen frei, aber bei 12 000 Approbationen im Jahr, mit denen auf Sicht zu rechnen sei, liege hier kein nennenswertes Potential mehr vor. Man müsse daher mit er- heblichen Engpässen für die Weiter- bildung rechnen.

Zu den wachsenden Arztzahlen dürfte noch eine gleichfalls wach- sende Zahl von psychotherapeu- tisch tätigen Psychologen kommen.

Bekanntlich arbeitet das Bundesge- sundheitsministerium an einem ein-

2606 Heft 44 vom 2. November 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Berufspolitik in Grado und Meran

schlägigen Gesetz. Auch darauf kam man in Grado zu sprechen. Vilmar wies darauf hin, daß das Ministerium offenbar daran denke, mit dem Psy- chotherapeuten eine weitere „Säu- le" ins Gesundheitswesen einzuzie- hen. Aus dem Hause von Antje Hu- ber habe er jedenfalls schon von drei Säulen sprechen hören: den Ärzten, den Heilpraktikern und den Psychotherapeuten (bisher galten als die „Säulen": die freie Praxis, das Krankenhaus und der öffentli- che Gesundheitsdienst). Dr. Erwin Odenbach, der sich bei der Bun- desärztekammer nicht nur der Fort- bildung, sondern auch dem Psy- chotherapeutengesetz intensiv wid- met, befürchtete in Grado, daß mit dem Psychotherapeutengesetz der Krankheitsbegriff der RVO ins Wan- ken kommt und sich statt dessen die schwammige Definition der WHO („Wohlbefinden" ...) ausbreite. In welche Höhen wird dann die „Ko- stenexplosion" wohl treiben?

Vilmar war in Grado selbstkritisch genug, um im Hinblick auf das Psy- chotherapeutengesetz zu fragen:

„Haben wir Ärzte dieser Entwick- lung nicht selbst dadurch Vorschub geleistet, daß wir uns zu viel auf die Technik gestützt haben?" Immerhin, eins der Seminare in Grado galt dem ärztlichen Gespräch; die Folgen da- von waren bis in die Berufspoliti- sche Veranstaltung zu spüren: Dort entwickelte sich nämlich eine länge- re Debatte über die Fragebogen- anamnese, einem Thema eben jenes Gesprächsseminars. In der Berufs- politik wurde schließlich klargestellt, daß der Fragebogen nur zur Ergän- zung und Vertiefung des Gesprächs genutzt werden könne, nicht aber das Gespräch ersetzen dürfe. Tat- sächlich — wäre es anders, dann würde „Technik" nur durch Frage- bogentechnik ersetzt. Was ja wohl nicht „patientenorientiert" genannt werden kann. NJ

Meran: Verantwortung jedes einzelnen Arztes

Einen stärkeren persönlichen Ein- satz der Ärzte in der Politik, in politi- schen Gremien im weitesten Sinne

und auf allen Ebenen wird nötig sein, um den langen Kampf um die Erhaltung der ärztlichen Freiheiten, mit denen auch die Freiheiten des Bürgers eng verknüpft sind, erfolg- reich zu bestehen. Dies war — ähn- lich wie in Grado— die von mehreren Sprechern und in verschiedener Weise formulierte Forderung, wel- che die Teilnehmer an der berufspo- litischen Veranstaltung beim Som- merkongreß in Meran mitnehmen konnten (und hoffentlich auch be- herzigen werden).

So der Präsident der Ärztekam- mer Niedersachsen, Dr. Gustav Osterwald: „Es gibt keine mächtige Ärztelobby — aber der einzelne Arzt

hat sehr viel Macht."

I> Der Erste Vorsitzende der Kas- senärztlichen Vereinigung Hessen, Dr. Gerhard Löwenstein: „Jeder schlage sich an seine eigene Brust."

I> Der Vorsitzende des Hartmann- bundes und Präsident der Bundes- vereinigung deutscher Ärzteverbän- de, Dr. Horst Bourmer: „Man kann sich auch als Sportarzt im Verein

‚politisch' betätigen oder als Rota- rier für das ,Jahr des Kindes' 1979."

> Und Dr. Horst Joachim Rhein- dorf, Hauptgeschäftsführer der Landesärztekammer Hessen: „Der freie Beruf ist in Gefahr — an uns liegt es, wie wir uns zur Wehr set- zen."

Gemeinsam das

„freie Arzttum" verteidigen Dr. Rheindorf hatte die Veranstal- tung eröffnet mit einem groß ange- legten Referat zum Thema „Freier Arzt oder Erfüllungsgehilfe? Zahlen

— Analysen — Perspektiven", in dem er zunächst einen historischen Überblick gab über die nunmehr fast hundertjährige Geschichte der Be- ziehungen zwischen den deutschen Ärzten und der deutschen Sozialver- sicherung. Dr. Rheindorf nannte das Kassenarztrecht, wie es sich von der

„Kaiserlichen Botschaft" des Jahres 1883 bis auf den heutigen Tag ent- wickelt hat und immer wieder weiter entwickelt worden ist, ein Jahrhun- dertwerk, die freie Ausübung des

Arztberufes zu ermöglichen, um das uns viele andere Länder der Welt beneiden — gleichzeitig aber waren diese hundert Jahre immer bestimmt von den Spannungen zwischen ärzt- licher Freiheit einerseits und dem Gedanken der Versorgung aller Bür- ger in einem geschlossenen Versi- cherungssystem andererseits: „Die Soziale Krankenversicherung war, und sie ist es geblieben, das Schlachtfeld, auf dem sich das Schicksal des freien Arztes in der Bundesrepublik Deutschland ent- scheidet."

Diese Geschichte beweist aber auch, wie Rheindorf und andere Sprecher ausführten, daß es immer dann gelang, das freie Arzttum zu verteidigen und zu erhalten, wenn Krankenhausärzte und niedergelas- sene Ärzte einig sind und auch be- reit sind, für die Erhaltung ihrer Frei- beruflichkeit Opfer auf sich zu neh- men. Dies habe sich — so Rheindorf

— etwa 1960 während der Auseinan- dersetzungen um die Blankschen Reformabsichten erwiesen oder aber zum Beispiel beim Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg in Hes- sen 1946, als der damalige Minister- präsident Christian Stock eine Ein- heitsversicherung einführen wollte.

Andererseits definierte es Dr. Oster- wald als ein typisches Phänomen der Nachkriegszeit, erklärbar aus ei- nem übersteigerten Sicherheitsden- ken, wie es aus den Verlusten des Krieges resultierte, wie der „Verlust von Freiheitsräumen" ohne Wider- spruch hingenommen werde. Die gleiche Erscheinung nannte Dr.

Bourmer ein Generationenproblem, erkennbar beispielsweise daran, daß junge Ärzte in zunehmendem Maße die Leistungen der Arbeitslosenver- sicherung in Anspruch nehmen Mit den Perspektiven für die neue Ärztegeneration hatte Dr. Rheindorf auch sein Referat beendet. Er wies darauf hin, daß die Entwicklung, die zur Ärzteschwemme führen muß, vom ärztlichen Berufsstand nicht beeinflußbar sei, weil Bildungspoli- tik heute zum Fetisch geworden ist und jede Kritik an ihr als Kritik an der

„Chancengleichheit in der Bildung"

ausgelegt werde. [2>

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 44 vom 2. November 1978 2607

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

FORUM

Hugo Hammans MdB:

Zur Absicht

des Gesetzgebers

Einer der umstrittenen Punkte bei der Diskussion des inzwischen in Kraft getretenen neuen Arzneimittel- gesetzes war der Wirksamkeitsnach- weis für Arzneimittel. Während nach

§ 1 des Regierungsentwurfs die Wirksamkeit und sogar Unbedenk- lichkeit der Medikamente gewährlei- stet werden sollte, wurden in der Diskussion ernst zu nehmende Zweifel hinsichtlich der Realisier- barkeit dieses Anspruchs angemel- det. Daraus entstand eine Grund- satzdiskussion der medizinisch-me- thodischen Fragen, die von uns Abgeordneten bewußt gefördert wurde.

Wir haben versucht, aus dem Ergeb- nis dieser Diskussion, die für den Gesetzgeber relevanten Konsequen- zen zu ziehen, und eine Reihe von

unseres Erachtens wichtigen Ände- rungen des Regierungsentwurfes durchgesetzt. Sie sind in dem seit dem 1. Januar dieses Jahres gelten- den Recht enthalten. Nunmehr ist es Zweck des Gesetzes, siehe § 1, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit

der Arzneimittel nach Maßgabe der verschiedenen Paragraphen sicher- zustellen.

Was ist ein Wirksamkeitsnachweis?

Diese Frage hatten wir zunächst zu klären. Dabei wurde die Behauptung aufgestellt, die Wirksamkeit solle mit Hilfe der kontrollierten klinischen Versuche bewiesen werden, die er- rechnete Erfolgswahrscheinlichkeit sei die Grundlage einer rationalen Therapie und ohne den Versuch be- stünde die Gefahr der Schäden durch Anwendung unwirksamer Arzneimittel. Bei der Analyse dieser Behauptung stellte sich schnell her- aus, daß sie unhaltbar ist, weil sie wie folgt widerlegt werden kann:

• Statistische Verfahren erlauben nur Wahrscheinlichkeitsaussagen;

sie können vom Grundsatz her we- der etwas beweisen noch widerle- gen.

• Auch im kontrollierten klinischen Versuch wird praktisch mit Irrtums- wahrscheinlichkeit gearbeitet. We- der das Bundesministerium für Ju- gend, Familie und Gesundheit noch sonst irgend jemand konnte nach- weisen, wann jemals Erfolgswahr- scheinlichkeiten auf Grundlage der Stichprobentheorie errechnet wor- den seien.

Grado und Meran

„Studienvermassung"

— Gefahr für die freie Praxis

Die Hauptgefahr sah Rheindorf dar- in, daß als Auswirkung der „Studien- vermassung" ein Konkurrenzkampf unter den Ärzten entsteht, der zum Ende der freien Praxis und damit zu einer grundlegenden Änderung un- seres Systems der Gesundheitssi- cherung führen muß. Es sei schon heute feststellbar, daß junge Ärzte ohne genügende Vorbereitung zur Niederlassung drängen, weil sie ei- nen Stopp fürchten. Andere bleiben lieber gleich von vornherein in ei- nem Angestelltenverhältnis.

Die Entwicklung könnte letzten En- des darauf hinauslaufen, daß Polikli- niken oder Ambulatorien schon des- wegen eingeführt werden müssen, weil die jungen Ärzte für die selb- ständige Arbeit in freier Praxis gar nicht genügend ausgebildet sind.

Um dem zu begegnen, forderte Rheindorf, ein Unterlaufen des Si- cherstellungsauftrages für die Kas- senärztlichen Vereinigungen durch Öffnung der Krankenhäuser auf je- den Fall zu verhindern, das Beleg- arztsystem in Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung auf je- den Fall zu erhalten und mit allen verfügbaren Mitteln darauf hinzu- streben, daß bei den niedergelasse- nen Ärzten wieder ein Zahlenver- hältnis von 60 zu 40 zwischen Allge- meinmedizinern und Fachärzten entsteht.

Die Diskussion wandte sich zeitwei- lig auch der Öffentlichkeitsarbeit der Ärzteschaft zu, wobei wohl ebenfalls

— wie bei der Frage einer im weite- sten Sinne politischen Betätigung — die meisten Teilnehmer verstanden, daß der einzelne Arzt jeweils sein eigener bester PR-Mann ist. Hier war es insbesondere Dr. Löwenstein, der darauf aufmerksam machte, daß Ärzte eben keine Machtpolitik be- treiben können, sondern daß Ver- handlungen, worüber und mit wem auch immer, wohl mit politischem Geschick, vor allem aber auf der Ba- sis der Unterstützung durch eine weitgehend in sich einige Ärzte- schaft geführt werden müssen. gb

PRÜFUNG VON ARZNEIMITTELN IN DER DISKUSSION (V)

Wirksamkeitsnachweis

nach dem neuen Arzneimittelgesetz

Innerhalb der in loser Folge erscheinenden Artikelserie unter dem Generaltitel „Prüfung von Arzneimitteln in der Diskussion" sind bisher erschienen: Dr. jur. Horst Hasskarl: Rechtliche Zulässigkeit der klini- schen Prüfung (Hefte 18 und 19/1978); Udo Fiebig MdB: Anforderun- gen des Gesetzgebers an die Prüfrichtlinien (Heft 21 /1978); Prof. Dr.

med. Karl-Friedrich Sewing: Vorsätzliche Irreführung (Heft 40/1978).

Prof. Dr. jur. Martin Fincke: Strafrechtswidrige Methoden der klini- schen Prüfung (Heft 43/1978). Die Redaktion beabsichtigt, die Diskus- sion einstweilen fortzusetzen, spätestens jedoch zum Jahresende abzuschließen.

2608 Heft 44 vom 2. November 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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