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Archiv "„Köhnlechner-Medizin”" (26.02.1976)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin GLOSSE

Soeben erschien im Verlag Kindler das zweibändige, von Köhnlechner herausgegebene „Handbuch der Naturheilkunde". In Band II ist auf den Seiten 621 bis 626 von den Au- gen die Rede. Angesichts der Po- pularität, die der Autor durch zahl- reiche Publikationen in Presse, Fernsehen usw. genießt, ist es kein Wunder, wenn der Arzt in Praxis und Klinik immer wieder von Pa- tienten über den Wert der Köhn- lechnerschen Aussagen befragt wird. Aus der Sicht des Ophthal- mologen sei deshalb im folgenden zu einigen wenigen Passagen des genannten Buchs Stellung genom- men: Seite 621: „Der normale Ab- stand zwischen Linse und Netzhaut beträgt 24 mm". Diese Feststellung ist falsch, denn 24 Millimeter be- trägt der normale Abstand zwi- schen Netzhaut und vorderem Hornhautscheitel. Ebenso ist die schematische Zeichnung des Au- ges auf Seite 622 des Bandes falsch, denn die Hornhaut wird nicht von der Bindehaut bedeckt.

Schließlich ist noch der auf Seite 623 stehende Satz unverständlich:

„Bei Therapieexistenz wirkt fast immer eine Eigenblutbehandlung".

Diese Liste ließe sich ohne Mühe fortsetzen.

Bei dieser Gelegenheit sei weiter- hin auf das Buch von Köhnlechner

„Vermeidbare Operationen" einge- gangen.

Dort heißt es: „Es macht einen et- was dramatischen Eindruck, und die anderen Patienten im Warte- raum beobachten die Szene wie ei- nen Bühnenauftritt. Ein Mann wird hereingeführt, Mitte Sechzig, den Kopf leicht in den Nacken gelegt, in der typischen Haltung eines Menschen, der nicht sehen kann.

Eine gute halbe Stunde später

kommt der gleiche Patient aus dem Ruhezimmer in den Warteraum und verabschiedet sich vom Praxisper- sonal. Zielsicher schüttelt er jedem die Hand, sieht dem Gesprächs- partner in die Augen und verläßt die Praxis ohne jede Hilfe. Sein Sehvermögen ist soweit wiederher- gestellt, daß er sich ohne Beglei- tung im Haus und auf der Straße bewegen kann. Nach etwa vier Mo- naten wird er wiederkommen, so gut wie blind, und eine neuerliche Behandlung wird ihm wieder genü- gend Sehkraft verleihen, so daß er für einige Zeit nicht auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Die Be- handlung: Eine neuraltherapeuti- sche Injektion in das Gebiet hinter dem rechten und linken Augapfel.

Die Erkrankung: Fortschreitende Linsentrübung nach Glaukomope- ration an beiden Augen".

Dieses Zitat, mit dem auf Seite 608 das Kapitel über das Auge einge- leitet wird, besagt klar, daß nach Meinung des Autors eine fort- schreitende Linsentrübung durch eine retrobulbäre Injektion schlag- artig gebessert worden ist. Nach etwa vier Monaten wäre dann die Katarakt wieder so intensiv gewor- den, daß sich das ganze wieder- holt. — Wer als Medizinstudent pa- thologische Anatomie gelernt hat, weiß, daß Linsentrübungen auf ei- nem organischen Untergang von Linsensubstanz beruhen und daß eine Regeneration von klarem Lin- sengewebe beim Menschen nicht möglich ist.

Einblicke in die Vorstellungswelt von Köhnlechner hinsichtlich der Anatomie läßt unter anderem auch ein Satz auf Seite 209 zu: „Im Aug- apfel befindet sich die glasklare Linse, die wir als schwarze Pupille sehen". Angesichts der Ausbildung des Autors — er ist Dr. jur. nicht

Dr. med. — verwundern solche Formulierungen allerdings ebenso- wenig wie die Feststellung (Seite 214): „Unbekannt ist, warum bei etwa 20 Prozent aller Menschen eine Veranlagung zu Glaukom ver- erbt wird" ... Ohne Schwierigkeit lassen sich noch weitere, willkür- lich aneinandergereihte, vielfach falsch verstandene Tatsachen, gro- be Irrtümer und pseudowissen- schaftliche Ungenauigkeiten fin- den. Aus dieser Sammlung nur noch zwei Beispiele: Köhnlechner schreibt, die Lasertechnik habe Dr.

Beckmann vom Sinai-Hospital 1974 in Detroit für die Glaukombehand- lung entdeckt. Tatsache ist, diese Operation wurde bereits Jahre vor- her von Professor Dr. H. Hager, dem Direktor der Universitäts-Au- genklinik Berlin-Steglitz, durchge- führt und publiziert. Oder auf Seite 215: Die dort stehende Fest- stellung, daß Kortison und seine Abkömmlinge „über die zentrale Netzhaut erhebliche Sehstörungen hervorrufen und nicht mehr zu be- handelnde Infektionen auslösen"

können, ist barer Unsinn.

Was zur medikamentösen Behand- lung des Glaukoms ausgeführt wird, die bis heute zahllosen Pa- tienten das Augenlicht erhalten hat, ist geeignet, die Patienten sträflich zu verunsichern. Man kann von einem medizinischen Lai- en schließlich nicht verlangen, daß er die stellenweise recht unterhalt- sam geschriebenen, aber unsachli- chen, unbewiesenen oder schlicht- weg unmöglichen Behauptungen des Autors durchschaut. Dazu ein Satz von Seite 213: „Wer am Abend einen guten reinen Weißwein trinkt und danach schlafen geht, wird eine echte Druckerleichterung im glaukomkranken oder glaukomge- fährdeten Auge verspüren". Hier verwechselt Köhnlechner eine ob- jektiv nachweisbare Druckerhö- hung im Augeninnern mit subjekti- vem Druckgefühl. Abgesehen von der Symptomatologie beim akuten Glaukomanfall, sind beide jedoch nicht korreliert.

Die „Neuraltherapie" in Form von Injektionen hinter den Augapfel ist

„Köhnlechner-Medizin”

Wolfgang Straub

DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT Heft 9 vom 26. Februar 1976 581

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

„Köhnlechner-Medizin"

nichts Neues, schon vor Jahrzehn- ten wurde sie praktiziert. Selbstver- ständlich hätte diese „Therapie", wenn sie einer Nachprüfung stand- gehalten hätte, sofort weltweite Verbreitung gefunden. Auch nicht der Schein eines Beweises exi- stiert für die auf Seite 223 in den Raum gestellte Behauptung: „Je nach Können des neuraltherapeu- tisch arbeitenden Arztes sollte es möglich sein, jeden zweiten an pri- märem Glaukom erkrankten Pa- tienten durch diese Injektionen so zu regulieren, daß weder eine star- ke Dauermedikation, noch eine Operation notwendig wird."

Offensichtlich steht der Autor den großen Gefahren einer Einsprit- zung hinter den Augapfel naiv ge- genüber. Jeder operativ tätige Au- genarzt, der retrobulbäre Injektio- nen zur Lokalanästhesie als Vor- bereitung bei Operationen vorneh- men muß, weiß, daß dadurch re- flektorisch ein Verschluß der Netz- hautzentralarterie und damit eine dauernde Erblindung eintreten kann.

Nicht weniger gefährlich ist Köhn- lechners Verharmlosung retrobul- bärer Injektionen im Hinblick auf das Zustandekommen eines Orbi- tahämatoms. Seite 223: „Biswei- len entsteht nach der Injektion an das Ganglion ciliare unter dem Aug- apfel ein Bluterguß, dem ‚Boxer- veilchen' nicht unähnlich. Es sieht furchterregend aus und hat nach der Erfahrung der Neuraltherapeu- ten keine bleibenden Folgen, wohl aber nach der bislang noch unbe- wiesenen Befürchtung einiger Au- genärzte." In der ophthalmologi- schen Literatur kennt man zahlrei- che Berichte, aus denen hervor- geht, daß nach jeder retrobulbären Einspritzung die Gefahr von Gefäß- zerreißungen, insbesondere bei äl- teren Patienten, besteht. Durch das sich entwickelnde Orbitahämatom bleiben unter Umständen Schädi- gungen des Sehnervs zurück, die ebenfalls bis zur dauernden Erblin- dung gehen können. Das Herunter- spielen dieser Gefahr ist einer der schlimmsten Aspekte des vorlie- genden Buches.

Nach der Lektüre bleiben Kopf- schütteln und Bestürzung. Man sollte den Untertiel des Buches

„Die verschenkte Chance" denjeni- gen Patienten ins Stammbuch schreiben, die mit einer Augen- krankheit in die Hände von Köhn- lechner geraten.

Anschrift des Verfassers:

Professor

Dr. med. Dr. h. c.

Wolfgang Straub Universitätsaugenklinik Robert-Koch-Straße 4 3550 Marburg an der Lahn

ECHO

Zu: „Koronare Herzkrankheiten bei Jugendlichen" von Dr. med.

Heinrich Schmidt-Gayk in Heft 4/

1976, Seite 186 ff.

Rauchen besonders für Jugendliche schädlich Wer bereits im Jugendalter zu rauchen beginnt, richtet gesundheitlich größeren Schaden an, als wenn erst im Erwachsenenalter mit dem Rauchen begonnen wird.

Dies berichtete das in Köln erscheinende DEUTSCHE ÄRZTEBLATT. Nach Erhe- bungen von Dr. Heinrich Schmidt-Gayk von der Uni- versitätsklinik Heidelberg fänden sich bereits bei ju- gendlichen Rauchern Erkran- kungen der Herzkranzgefäße und sogar der Herzinfarkt.

Auch die Zahl der Todesfälle durch koronare Herzerkran- kungen liege im Verhältnis zur Gesamtzahl der stati- stisch berücksichtigten Er- krankten und Gesunden in jungen Raucher-Jahren hö- her als im späteren Leben (nach dpa in Westdeutsche Allgemeine und anderen Ta- geszeitungen).

IN KÜRZE

Diagnostik

Erkrankungen der großen Kopf- speicheldrüsen machen sich oft zu- erst in Form von Schwellungen im Gebiet des Kieferwinkels, am Mundboden oder präaurikulär be- merkbar. Für solche Fälle bietet sich die technisch einfach durch- zuführende und unriskante Sialo- graphie an, bei der durch Einlegen eines Plastikkatheters die Gangpa- pille der Speicheldrüse dargestellt wird. Der zweite Untersuchungs- schritt besteht in der manuellen Applikation des Kontrastmittels unter Durchleuchtungskontrolle.

Schließlich werden in verschiede- nen Ebenen Zielaufnahmen ge- schossen. Verwendet man wäßri- ge Kontrastmittel, ist nur ein gerin- ger Füllungsdruck erforderlich. Lo- kale Irritationen werden von ihnen kaum ausgelöst. Auf Grund der röntgenmorphologischen Alteratio- nen am Gangsystem können ent- zündliche und tumoröse Prozesse sicher differenziert werden. cb (Ecke!, H.; Schneider, D.: Rönt- gen-BZ. 28 [1975] 436-439)

Die orale Cholegraphie läßt sich möglicherweise in ihrer Treffsi- cherheit noch weiter verbessern, wenn man — von theoretischen Überlegungen ausgehend — fol- gende praktische Konsequenzen zieht: Man sollte die Resorption fördern, indem statt Säure Salz, gleichzeitig gallensaure Salze und eventuell eine fettreiche Mahlzeit verabreicht werden. Aufnahme und Transformation in der Leber lasen sich womöglich ankurbeln, wenn Phenobarbital gegeben wird; es stimuliert das Y-Protein und die Glukuronyltransferase. Die Aus- scheidung ist ebenfalls mit gallen- sauren Salzen und einem fettrei- chen Mahl zu beschleunigen. Die Gabe sekretinhemmender Sub- stanzen kann möglicherweise die Verdünnung des Kontrastmittels in den Gallengängen unterbinden.

Diese Maßnahmen sorgen wahr- scheinlich für eine bessere Opazi- tät des Gallengangsystems. cb (de Reus, H. D.: Röntgen-BI. 28 [1975] 362-372)

582 Heft 9 vom 26. Februar 1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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