Leserdienst
Hinweise • Anregungen
BRIEFE AN DIE REDAKTION
die falsche Behauptung aufgestellt, durch Art. 10 des Gesetzes 180 würden
„Geisteskrankheiten abge- schafft" — statt dessen ver- fügt Art. 10 die Streichung der Begriffe „geistes- krank" und „geistig behin- dert" aus einigen Paragra- phen des italienischen Strafgesetzbuches.
5. Die Gegenüberstellung der kalifornischen und der italienischen Psychiatriere- form wirkt oberflächlich.
Die demokratischen Psych- iater Italiens distanzieren sich ausdrücklich von dem kalifornischen Psychia- triemodell, das eine Betten- reduzierung und damit ein Sich-Selbst-Überlassen der Ex-Patienten aus allein ökonomischen Gründen vorsieht.
Vielmehr wurde und wird als unabdingbare Voraus- setzung in Italien für die Entlassung eines Patienten (und damit für die Auflö- sung der Irrenanstalt) die Gewährleistung einer nachfolgenden Betreuung angesehen; sei es durch die Möglichkeit, mit dem Status des „Gastes" im ehemaligen Anstaltsbe- reich zu leben, sei es durch ambulante Betreuung in ei- nem der „Centri di Salute Mentale" (dessen Existenz Moises nicht einmal er- wähnt, obwohl sie die tra- genden Säulen der psych- iatrischen Versorgung sind), sei es durch Wieder- eingliederung in familiäre Verhältnisse.
Wir bedauern, daß wieder einmal von seiten eines deutschen Psychiaters eine Gelegenheit verpaßt wur- de, eine angemessene Re- zeption des italienischen Psychiatrie-Modells vorzu- nehmen.
Beate Lange Michael Köhlert Via San Cilino 16 Ex-O.P.P.
1-34100 Trieste
Stellungnahme
Dr. Middelhoff erfreut sich als tatkräftiger Direktor der PLK Wiesloch meiner vol- len, kollegialen Wertschät- zung. Aus diesem Grunde bedauere ich es sehr, sei- nen auf einer falschen An- nahme beruhenden, teils beleidigenden Beitrag hier korrigieren zu müssen. Dr.
Middelhoff schreibt wört- lich: „Wir bevorzugen die korrekte, wissenschaftlich fundierte Auseinanderset- zung und halten das Jon- glieren mit nicht vergleich- baren Statistiken für der Sache wenig dienlich."
Worauf stützt sich diese ve- hemente Kritik? — Der Le- serbrief von Dr. Middelhoff besteht aus drei Teilen:
1) Der Vergleich der beiden Versorgungsmodelle Triest und Mannheim wird als
„Jonglieren mit nicht ver- gleichbaren Statistiken"
kritisiert. 2) Zum Ausgleich wird der eigene Beitrag des PLK Wiesloch zur Versor- gung Mannheims ausführ- lich geschildert. 3) In der Sache, der Beurteilung der italienischen Reformpsych- iatrie, wird zugestimmt. Zu den Punkten 1) und 2) ist zu sagen: Zu 1): Die vorge- brachte Kritik ist nicht halt- bar, da von der falschen Annahme ausgegangen wird, die Triester Zahlen gäben die Gesamtversor- gung wieder. Wie dem Arti- kel und der Literatur zu entnehmen ist, beziehen sich die Zahlen des „Ver- sorgungsmodell Triest" je- doch auf die von Prof. Ba- saglia reformierte Anstalt San Giovanni. An der psychiatrischen Versor- gung in Triest sind ferner eine Psychiatrische Univer- sitätsklinik, eine private Psychiatrieklinik, ein Kran- kenhaus für chronische Er- krankungen und eine gro- ße Neurologische Klinik im Allgemeinkrankenhaus be- teiligt. Da über diese Ein- richtungen keine Daten vorliegen, mußte der Ver- gleich notgedrungen auf die Teilversorgung in Triest
und Mannheim beschränkt bleiben. — Zu 2): Der Wies- locher Anteil an der Mann- heimer Versorgung wurde nie bestritten, ist jedoch für den Vergleich der Versor- gungsmodelle Triest (An- stalt San Giovanni) und Mannheim (Zentralinstitut für Seelische Gesundheit) irrelevant, da alle vergli- chenen Daten sich aus- schließlich auf diese bei- den, von der WHO 1978 als beispielhafte Versuchspro- jekte diskutierten Einrich- tungen beschränken. —Von
„Jonglieren mit nicht ver- gleichbaren Statistiken"
kann somit nicht die Rede sein. Fassen wir zum Schluß Dr. Middelhoff's
„korrekte, wissenschaftlich fundierte Auseinanderset- zung" inhaltlich zusam- men: Vehemente Kritik ba- sierend auf einer falschen Annahme, irrelevante Fak- ten pro domo, in der Sache jedoch volle Übereinstim- mung.
Dr. med. Hans W. Moises Neurologische Klinik Klinikum Minden Bismarckstraße 8 4950 Minden
KÖHNLECHNER
Zu dem Leserbrief von Frau Dr. med. E. Husstedt in Heft 4/
1982:
Lakritz gegen Bluthochdruck
... Der „berühmteste"
Heilpraktiker empfiehlt einige höchst bemerkens- werte Verordnungen beim hohen Blutdruck. Sie wi- dersprechen wohl in jedem Fall der herrschenden An- sicht.
Im einzelnen handelt es sich um
1. einen Aderlaß von 50 ml Blut, einmal jährlich 2. der normale Blutdruck beträgt nach Köhnlechner 120/80 bis 140/90. Köhn-
lechners Alter beträgt 56 Jahre, und demnach wäre ein systolischer Blutdruck von 150-160 schon patho-
logisch.
3. Heilen kann man sei- ner Ansicht nach einen an- lagebedingten Hochdruck nicht, und senkende Mittel richten angeblich nur we- nig aus, weshalb 25 Pro- zent aller Menschen über 50 Jahren einen zu hohen Druck haben.
4. In Amerika ist nach An- sicht Köhnlechners für ei- nen 25prozentigen Rück- gang des Herzinfarktes der Aderlaß verantwortlich.
5. Sehr gravierend aber ist sein Vorschlag: zwischen- durch eine Handvoll Lakrit- zen zu lutschen, da die Wirkstoffe die Blutgerin- nung hemmen sollen, so- wie die Galle anregen und den Blutdruck senken sol- len. Gerade das Gegenteil ist der Fall.
Die Wirkstoffe G lycer-h izi n- und Glycer-hetin-Säure steigern den Blutdruck nicht unerheblich. Die Hy- pertonie ist in der einschlä- gigen wissenschaftlichen Literatur als strenge Kon- tra-Indikation erwähnt. Die Anwendung der Lakritze ist daher bei dem genannten Leiden sehr bedenklich.
Interessant ist auch an an- derer Stelle in der gleichen Zeitung die Empfehlung bei Leberentzündungen.
Sie besteht u. a. aus trok- kenem Wein (0, Erbsenge- müse (Hülsenfrüchte sind bekanntlich besonders schwer verdaulich). Zur Diagnostik werden hervor- gehoben: bläulich verfärb- te Lippen, netzförmige Adern im Auge u. a. Als Therapie empfiehlt er ne- ben den Erbsen die Injek- tion von Procain in die Ma- gengrube.
Dr. Dr. Eberhard Brüg mann Nibelungenweg 2
4950 Minden (Westf.)
10 Heft 22 vom 4. Juni 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B