Die Information:
Bericht und Meinung
Ausbildung in der Krankenpflege
Dementsprechend sind sich die Beteiligten darüber einig, daß die Ausbildung der Krankenschwe- stern und Krankenpfleger, Kinder- krankenschwestern, Krankenpfle- gehelferinnen und Krankenpflege- helfer prinzipiell nicht von der Aus- bildungsstätte Krankenhaus losge- löst werden sollte. Allerdings sollte auch nicht mehr darauf bestanden werden, daß die Schülerinnen und Schüler im Krankenhaus wohnen.
Bei einer Neuordnung der Ausbil- dung kommt es primär darauf an, in Zukunft der Ausbildung eine wirklich ausreichende theoretische und praktische Grundlage zu ge- ben. Damit kann zugleich die ge- genseitige Anerkennung der Ex- amina im internationalen Raum ge- währleistet werden. Außerdem ist für ausreichende Weiterbildungs- möglichkeiten im Beruf selbst zu sorgen, etwa im Sinne einer Fach- krankenschwester für Anästhesie. Gleichzeitig haben aber auch die Sachverständigen betont, daß bei aller Spezialisierung die allgemei- ne Krankenpflege besonderer För- derung bedarf, weil sie die Basis der persönlichen Betreuung der Patienten ist und bleiben muß.
Wegen der veränderten Situation auf dem Arbeitsmarkt, aber auch wegen einer geänderten Einstel- lung der Jugendlichen gegenüber sozialen Aufgaben klagen die Krankenpflegeschulen heute nicht mehr über akuten Nachwuchsman- geL Sie haben im Gegenteil die Möglichkeit, wieder mehr als früher darauf zu achten, daß ungeeignete Bewerberinnen und Bewerber von Anfang an ausgeschieden werden.
Nur sollte man jetzt nicht - und davor warnte vor allem der Ärzte- tag - aus falsch verstandenem Sparsinn die Zahl der Ausbildungs- plätze kürzen. Das müßte sich in Zukunft bitter rächen. Die Situation macht es allerdings möglich, über die in manchen Augen überzoge- nen, bisher zumeist schon vierstel- ligen Tarifgehälter der Schülerin- nen zu sprechen. Die allgemeine Meinung der beteiligten Organisa- tionen geht dahin, die Praktikan- tengehälter der Krankenpflege- schülerinnen und -schüler in ihrer
Höhe an den jeweiligen Sätzen des Bundesausbildungsförderungs- gesetzes zu orientieren. Diese Prak·
tikantengehälter könnten dann in den Pflegesatz eingehen; dabei ge- hen die meisten Organisationen da- von aus, daß etwa fünf Schülerin- nen oder Schüler einer examinier·
ten Pflegekraft im Sinne des Stel- lenplans gleichzustellen sind.
Der Zeitdruck, der sich aus dem Krankenhausfinanzierungsgesetz ergibt, sollte allerdings kein Grund sein, neben den Finanzfragen auch die Ausbildungsstruktur schon bis Ende 1977 abschließend neu zu re- geln. Dazu sind die Probleme zu kompliziert. Vor allem wird es schwierig sein, innerhalb dieser Zeit schon neue realistische Vor- schläge für diesen Ausbildungsbe- reich zu erarbeiten, die sich sinn- voll in eine Gesamtkonzeption für alle medizinischen Assistenzberufe einordnen lassen, zumal eine sol- che Gesamtkonzeption noch nicht einmal in den Ansätzen erkennbar ist.
Vor der Interparlamentarischen Ar- beitsgemeinschaft forderte der Vertreter der Bundesärztekammer, Dr. med. Wolfgang Bechtoldt, Frank- furt, für alle durch Bundesgesetz gestalteten nichtärztlichen Berufe in der Medizin ein "Basisjahr" zu erwägen, das der Berufstindung und der Angleichung des unter- schiedlichen Wissensstandes der zuführenden allgemeinbildenden Schulen dienen soll. ln ihm sollten insbesondere die naturwissen- schaftlichen und biologischen, aber auch die menschlichen Grundlagen für die Tätigkeit in den medizinischen Assistenzberufen gelegt werden. Dieses Basisjahr sollte allerdings nicht identisch sein mit dem "Berufsbildungs- grundjahr", das im Berufsbildungs- gesetz vorgesehen ist und bereits zu längeren Auseinandersetzungen über die Einteilung der Berufsfel- der und den Inhalt der berufsfeld- bezogenen Ausbildung geführt hat.
..,.. Eine "Systemänderung", bei der die Pflege kranker Menschen nur noch vorwiegend theoretisch ge-
1732
Heft 26vom
24. Juni 1976DEUTSCHES ARZTEBLA'IT
lehrt werden sollte, hätte für unser Gesundheitswesen einschneidende nachteilige Konsequenzen, vor al- lem für die Patienten. Das hat auch der 79. Deutsche Ärztetag Mitte Mai noch einmal in aller Deutlich- keit hervorgehoben. GV
ZITAT
Keine Verschulung
" ... Der Deutsche Ärztetag macht eindringlich darauf aufmerksam, daß die Pflege des kranken Menschen nicht theoretisch erlernbar ist und nur in tätiger Zuwendung zum Patienten vermittelt wer- den kann. Gerade der für die Pflegeberufe so wichtige Aspekt in der beruflichen Ausbildung - die praktische Arbeit am kranken Men- schen, verbunden mit menschlicher Hinwendung zu ihm läßt sich in der Schule nur unzulänglich ver- mitteln. Der Deutsche Ärzte- tag ist der Auffassung, daß gerade in diesem Bereich eine ,Systemänderung' zu einschneidenden, nachteili- gen Konsequenzen für den Kranken führen muß.
Der Deutsche Ärztetag beob- achtet gleichfalls mit großer Sorge, daß bereits in einigen staatlich anerkannten Kran- ken- und Kinderkrankenpfle- geschulen heute schon die Zahl der Ausbildungsplätze verringert worden ist, um so- mit auch, wie es begründet wird, einen Beitrag zur Sen- kung der Krankenhauskosten zu leisten. Der Deutsche Ärz- tetag macht auf die ernste Gefahr für die Sicherstellung der Krankenpflege in der Zu- kunft durch solche ein- schneidenden Maßnahmen eindringlich aufmerksam .... "
Aus einer Entschließung des 79. Deutschen Ärztetages 1976 in Düsseldorf