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Das erste — es ist in anderem Zusammenhang schon vor einiger Zeit bekanntgeworden

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Eine Freilassungserklärung für einen türkischen

Gefangenen aus dem Türkenkrieg 1683—1699

i^- -I

Von Käjrl Teply, Wien

\h^)'^.

1961 hat Kael Jahn mit seinem Aufsatz „Zum Loskauf christlicher

und türkischer Gefangener und Sklaven im 18. Jahrhundert^" in dankens¬

werter Weise erste Schritte getan, ein bedeutsames, bisher aber nur am

Rande beachtetes Problem der jahrhundertelangen osmanisch-abend-

ländischen Auseinandersetzungen deuthcher ins Bewußtsein zu rücken.

Den drei darin als Beispiele vorgeführten türkischen Freilassungser¬

klärungen christhcher Sklaven konnte er zwei Jahre später in Edition

und Übersetzung weitere 49 Freilassungserklärungen folgen lassen*, so

daß damit alle im österreichischen Staatsarchiv vorhandenen Doku¬

mente dieser Quellengruppe publiziert erscheinen. Sie ermöglichen

einen guten Einbhck, in welcher Weise die seit dem Frieden von Karlo¬

witz (1699) in alle Friedensverträge aufgenommenen Bestimmungen

ZIU Befreiung der beiderseitigen Gefangenen für die christlichen Ge¬

fangenen praktisch wirksam geworden sind. Mit Bedauern mußte

Jahn jedoch das Fehlen abendländischer Gegenstücke konstatieren.

Nachforschungen in Wiener und Grazer Archiven über das Schicksal

osmanischer Gefangener in Österreich haben nun neben reichem ande¬

rem Quellenmaterial zu dieser Frage wenigstens zwei derartige Doku¬

mente aus dem Großen Türkenkrieg 1683—1699, in dem das Gefangenen-

und Verschlepptenproblem seine klassische Zeit gehabt hat, zutage

gebracht.

Das erste — es ist in anderem Zusammenhang schon vor einiger Zeit

bekanntgeworden ■— soll hier jedoch nicht näher betrachtet werden,

denn es betrifft eine völlig singulären Fall und fällt dadurch auch formal

aus dem Rahmen des üblichen: Am 6. Jänner 1696 trat der bei der

Eroberung von Ofen in kaiserliche Gefangenschaft geratene Mehmed

Qolak Bog von Novigrad mit seiner Gattin zum Christentum über und

wurde daraufhin von Kaiser Leopold I. für frei erklärt und zugleich in den

iZDMG, Bd. 111/1, 1961, pp. 63—85.

" Kael Jahn, Türkisohe FreUassungserklärungen des 18 Jahrhunderts

(1702—1776), Neapel 1963 — Vgl. dazu die Besprechung von J. Matuz,

Orientalistische Literatiu-zeitung, 63, 1968, Nr. 1/2, Sp. 59—62.

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erbhchen Adelsstand erhoben*. Hingegen handelt das zweite Dokument

von einem der zahllosen gängigen Fälle*. Ein Blick auch auf das Gefange¬

nenschicksal selber dürfte daher keine ungebührhche Abschweifung dar¬

stellen.

Über die Person des Freigelassenen ist nicht viel mehr zu sagen, als

sich aus der Freilassungsurkunde selbst ergibt. Süleyman Ebter — so

dürfte sein in den Schriftstücken zu Solymann Abtee bzw. Abter ver¬

stümmelter Name zu deuten sein« — stammte aus Alasehir, einer kleinen

Stadt am Fuße des Boz Dagi in Westanatohen. Er war also Volkstürke

und bereits nicht mehr durch das dev§irme ins Janitscharenkorps ge¬

kommen. 1683 nahm er an dem Feldzug gegen Wien teil und wurde am

12. September in der Entsatzschlacht gefangen.

Mit großer Wahrscheinlichkeit läßt sich jedoch rekonstrideren, wie er

in den Besitz seines späteren Herren gelangt ist. Dieser, Graf Friedrich

Adolf von Haugwitz, Oberhofmarschall des Kurfürsten von Sachsen,

Wirkhcher Geheimer Rat, Geheimer Kriegsrat und Obersteuereinnehmer,

hatte den Zug des sächsischen Hüfskontingents nach Wien diplomatisch

vorbereitet, nahm aber selbst nicht an ihm teil, da ihm Johann Georg III.

als Mann seines besonderen Vertrauens auf die Dauer seiner Abwesen¬

heit die Leitung der Regierungsgeschäfte in Dresden übertragen hatte.

Nooh von Prag aus, wo das sächsische Heer vom 19. bis 23. August

* Freilassungs- und Nobilitationsurkunde im Allgemeinen Verwaltungs -

arehiv, Wien, Hofadelsakten, 19. 1. 1696. Das Lebensbild dieses ungewöhn¬

lichen Mannes gibt der Verfasser in den Mitteilungen des Instituts für österr.

Geschichtsforschung, 80, 1972. Im Grenzkampf als ,,Csonkabeg" zur be¬

rühmten Persönlichkeit geworden, fungierte er 1681—1683 als Verbindungs¬

mann zwisohen der Pforte und Thököly, nach seinem Glaubenswechsel warb

der nunmehrige Freiherr Leopold Josef Balthasar von Zungaberg em. Hu¬

sarenregiment und kämpfte als kaiserlicher Oberst im Spanischen Erbfolge¬

krieg.

* Österreichisches Staatsarchiv (das ehemalige Haus-, Hof- und Staats¬

archiv, künftig HHStA), Wien, Turcica I, Karton 160, fol. 130. Zeitge¬

nössische Abschrift des mitgegangenen Originals. Vorweggenommen sei,

daß das Datum infolge Ziffernsturzes fälschlich 24. 5. 1098 lautet. Aus dem

Zusammenhang und der Einordnung unter die Akten September-Dezember

1691 ergibt sich jedoch zweifelsfrei, daß das Jahr richtig 1689 lauten soll.

Bezeichnenderweise hat der Abschreiber unmittelbar vorher auch ,,Derßden"

geschrieben.

« Da sich zwischen 'Abdi oglu Süleymän und den Formen Abtee / Abter

keine befriedigende Verbindung herstellen läßt, wird vielleicht der Deutung, daß es sich um den Beinamen Ebter (aräb. ,, kinderloser Mann") handelt, der Vorzug zu geben sein. Ich darf an dieser Stelle Dr. Richabd F. Kbeutel,

Kabul, für die wie stets gewährte freundschaftliche Beratung herzlichst

danken.

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244 Kam, Teply

Rast hielt, ergingen an ihn mehrere Befehle, die notwendigen Geldmittel

für den Feldzug flüssigzumachen«.

Ohne auf den Verlauf der Entsatzschlacht näher einzugehen, soll

doch festgehalten werden, daß das 10.400 Mann starke sächsiche Kon¬

tingent, das gemeinsam mit den Kaiserhchen den linken Flügel des

Entsatzheeres büdete, einen bedeutenden Anteü an dem glänzenden

Sieg gehabt hat'. Es geriet bei seinem zügigen Vorstoß mehrfach aueh

mit Janitschareneinheiten in Grefechtsberührung, zuletzt am späten

Nachmittag unmittelbar vor den Mauern Wiens, als es sich an der

Vertreibung der noch in den Laufgräben gegen die Stadt angesetzten

Janitscharen beteüigte. Während sich auf dem rechten Flügel bereits

die entscheidene Wende anbahnte, verteidigten sich diese kurze Zeit

noch erbittert, dann brach ihr Widerstand mit einem Schlag zusammen,

und sie wurden mit der allgemeinen Flucht fortgerissen. Gefangene

dürften dabei allerdings nicht gemacht worden sein. Insbesondere das

Tagebuch des kursächsichen Geheimen Kriegsrates Christoph von Bose

hätte diese Tatsache kaum mit Schweigen übergangen. Bitter vermerkt

es mit einem Seitenbhck auf die Polen ledighch, daß den Sachsen trotz

ihrer Bravour fast nichts von der reichen Beute zuteü geworden sei, und

findet nur schwer Trost in dem Bewußtsein, unsterblichen Ruhm ge¬

wonnen zu haben®.

Süleyman Ebter war also vermutlich einer jener vier türkischen Ge¬

fangenen, die König Johann III. Sobieski neben zwei Standarten, zwei

reich gezäumten Pferden, zwei Prunkvasen und einem kostbaren Schleier

aus seiner Beute dem Kurfürsten am 15. September bei dessen überstürz¬

tem Abschied zum Andenken an die gemeinsamen WafFentaten ver¬

ehrte*. Und allem Anschein nach schenkte ihn dann der Kurfürst un¬

mittelbar nach seiner am 3. Oktober erfolgten Rückkehr seinem Ober¬

hofmarschall zum Dank für das, was dieser an der Heimatfront geleistet

hatte.

Süleyman Ebter hatte jedenfalls in mehrfacher Hinsicht Glück gehabt.

Zunächst, daß er überhaupt mit Gefangenschaft davongekommen war.

Denn im Kampf waren vor Wien entgegen dem ruhmredigen Brief

' K. G. Helbig, Kurfürst Johann Georg der Dritte in seinen Beziehungen zum Kaiser und zum Reich 1682 und 1683, Archiv für die Sächsische Geschich¬

te, 9, 1871, pp. 83ff., 98. — Churfürst Johann Georg III. bei dem Entsätze von

Wien, Historisches Taschenbuch, hg. von Friedrich von Raumer, NF 9,

1848, p. 248.

' Zuletzt Thomas M. Babkeb, Double Eagle and Creseent. Vienna's Second

Turkish Siege and its Historical Setting, New York — Albany 1967, pp.

321—334.

8 Hist. Taschenb., 280ff.

» a.a.O., p. 289.

(4)

Sobiskis an seine Gemahlin nicht viele Gefangene gemacht worden.

Meistens Minengräber, ,, welche man hernach noch in denen Minen unter

der Cortine ertappt, und von dem Entsatz nichts wissende, noch in der

Confusion gewahrschauet, sich daselbst verspätet hatten und von den

Unserigen, ..., aufgehoben*"". Eine weitere Anzahl Türken wurde in den

nächsten Tagen in den Wäldern und den Ruinen der niedergebrannten

Vorstädte und noch in den weitverzweigten Minengängen aufgestöbert

und eingebracht. Unter härtesten Bedingungen zu Aufräumungsarbeiten

und zum Wiederaufbau der Werke eingesetzt, sind sie innerhalb weniger

Wochen ,,von Elend und Armut aber mehrenteüs gestorben**". Süleyman

Ebter hatte also auch das Glück gehabt, nicht unter diese Verlorenen

gestoßen zu werden. Auch das erbarmungslose Mittreiben durch die

kämpfende Truppe, in der Regel die erste und entsetzhchste Phase

der Gefangenschaft, bheb ihm erspart. Und letzUch war es ihm beschie¬

den, in die Hand eines anscheinend wohlwollenden Herren zu geraten, der

seine WUhgkeit, seinen Fleiß und seine Treue zu würdigen und zu be¬

lohnen wußte**.

Wie zahllose andere seiner Schicksalsgenossen, die in ein adeliges Haus

aufgenommen wurden, diente Süleyman Ebter seinem Herrn als Heiduck

und Leibdiener. Gehörte es doch bis ins späte 18. Jahrhundert geradezu

zu den Statussymbolen mächtiger Herren, zum Dienst an ihrer Person

kostbar gekleidete fremdartige Diener, Türken und Mohren, heranzu-

1" Christian Wilhelm Huhn, Nichts Neues und Nichts Altes / oder umb¬

ständliche Beschreibung / Was Anno 1683. Vor / bey / und in der Denck-

würdigen Türkischen Belagerung Wien j . . . vorgelauffen . . ., Breslau 1717.

" Matthias Fuhrmann, Alt und neues Wien, Bd. 2, Wien 1739, p. 1138.

12 Friedrich Adolf von Haugwitz, 1637—1705, entstammte dem säch¬

sischen Zweig des meißnischen Uradelsgeschlechtes. Vorehelicht mit Susanne Elisabeth Gräfin von Dietrichstoin. Sorgfältig erzogen, unternahm er in jungen Jahren ausgedehnteBildungsreisen und trat dann in verschiedene, auch fremde Kriegsdienste. ZunächstObristlieutenant der Leibgarde zu Roß des Kurfürsten von Sachsen, avancierte er 1672 zum Hofmarschall. 1680 Oberhofmarschall,

Wirklicher Geheimer Rat, Geheimer Kriegsrat, Obersteuerdirektor. 1682 und

1683 mit diplomatischen Aufträgen an die Höfe Wien und Berlin entsandt

und auch in der Folgezeit in hohen Hof- und Landesämtern tätig. 1697 trat

er als Geheimer Etatsrat in preußische Dienste, legte aber bereits drei Jahre später alle Ämter nieder, um sich ausschließlich der Verwaltung seiner Güter

zu widmen; Neu vermehrtes Historisch- und Geographisches Allgemeines Lexi¬

con, Bd. 3, Basel 1742, p. 1053; Eberhard von Haugwitz, Geschichte der

Familie von Haugwitz, 2Bde, 1910; Neue Deutsche Biographie, Bd 8, 1969,

p. 93. — An dem Feldzug 1683 hat ein Hans Adolf von Haugwitz (der aber,

wenn die Lebensdaten in der Familiengeschichte stimmen, nicht sein gleich¬

namiger Sohn gewesen sein kann!) als Unter-Kammerjunker des Kurfürsten

teilgenommen; Hist. Taschenb., 239. Es ist nicht auszuschließen, aber wenig

wahrscheinlich, daß Haugwitz den Gefangenen von diesem bekommen hat.

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246 KabXj Teply

ziehen. Zumeist stellte sich rasch ein persönhches Verhältnis zwischen

Herr und Diener her. Die meist wohlwollend-patriachahsche Behandlung

wurde vielfach mit echter Ergebenheit erwidert, so daß man sich das

Schicksal dieser Gefangenen — abgesehen von der Trennung von Pamilie

und Heimat — als nicht hart vorstellen darP*.

Den Hauptteil seiner fünfeinhalbjährigen Gefangenschaft muß Süley¬

man Ebter in Dresden verbracht haben, wo sich sein Herr aus dienst-

hchen Gründen meist aufhielt, er begleitete ihn aber gewiß auch auf

Reisen und auf seine Güter. In Dresden, Leipzig und auf verschiedenen

Adelssitzen gab es seit der Eroberung Ofens 1686 viele türkische Kriegs¬

gefangene und Verschleppte, Männer, Frauen und Kinder**. Es kann

nicht ausgebheben sein, daß Süleyman zu einzelnen von ihnen Kontakt

gefunden hat. Was er aber im besonderen erlebte, ist leider auf immer

verweht. Doch mag es sich in den Grundzügen von den Erlebnissen

Osman Agas in Kapfenberg und Wien unterschieden haben*«. Wie dieser

hatte er einen ihm wohlgesinnten Herrn und zeigte seinerseits, soweit

man aus den kargen Angaben des Freibriefes ersehen kann, ähnliche

Züge wie Osman Aga, indem er sich anstellig, lernwülig und verläßlich

erwies. Auch ihm wird es nicht leicht gefallen sein, direkten Anträgen und

Verlockungen zum Glaubensübertritt auszuweichen, ohne Verstimmung

her vor zmuf en. Nur daß schließlich Osman A^^a in abenteuerlicher Flucht

den Weg in die Freiheit suchen mußte, während Süleyman Ebter mit

einigen ersparten und zum Abschied geschenkten Geldmitteln als freier

Mann 1689 seine Reise nach Wien antreten konnte.

Unter dem Eindruck der großen kaiserhchen Waffenerfolge hatte sich

September 1688 eine türkische Friedensgesandtschaft an den kaiserlichen

Hof begeben. Sie stand unter der Führung Dü'l-fiqär Efendis und des

Groß-Dragomans Alexandros Mavrokordatos*«. Zunächst monatelang

*' Kabl Teply, Schicksale türkischer Gefangener aus den Türkenkriegen in

Österreich und im Reich; in: Jahresbericht des Biuidesgymnasiums Wien 9,

Wien 1970; eine erweiterte Fassung dieses am Österreichischen Kulturinstitut in Istanbul 1970 gehaltenen Vortrages erscheint in den Südost-Forschungen.

** Miscellanea Saxonica, Bd. 2, Dresden 1768, Berechnung der seit ao. 1682 zur Evangelischen Lutherischen Religion bekehrten, und zu Dresden getauften

Mohren, Türken und Juden, p. 21f. — Paul Meissneb, Eine Serie von

Türkentaufen in Leipzig, Familiengeschichtliche Blätter, 36, 1938, 333f.

— Otto Spies, Schicksale türkischer Kriegsgefangener in Deutschland nach den Türkenkriegen, Festschrift Werner Caskel, hg. von Erwin Gräf, Leiden 1968, pp. 326ff.

15 Richard F. Kreutel — Otto Spies, Der Gefangene der Giauren. Die

Schicksale des Dolmetschers 'Osman Aga aus Temeschwar, von ihm selbst erzählt;

Osmanische Geschichtsschreiber Bd. 4, Graz 1962.

15 Joseph von Hammer-Purgstall, Oeschichte des Osmanischen Reiches,

Bd. 6, Pest 1830, 528 ff.

(6)

im Schloß Pottendorf bei Wien festgehalten, gestattete man ihr erst zu

Beginn der eigenthchen Verhandlungen im Februar 1689 die Übersied¬

lung in die Wiener Vorstadt Landstraße, schob sie aber, nachdem sich

die Gespräche festgefahren hatten, ohne sie zu entlassen, im Jänner 1690

nach Komorn ab. Auf die dringenden Vorstellungen des Festungs¬

kommandanten convoyierte man sie trotz ihrer vehementen Proteste

Februar 1691 wieder nach Pottendorf zurück, wo sie noch über ein Jahr

in engen, haftähnlichen Umständen verbleiben mußte, bis sie schheßhch

die Erlaubnis zur Heimkehr erhielt.

So ergebnislos diese Gesandtschaft in ihren Verhandlungen war, so

sehr wurde sie die Hoffnung vieler der türkischen Gefangenen, unter de¬

nen sich die Nachricht von ihrer Ankunft wie ein Lauffeuer verbreitete.

Teüs wußten sie sich zu ihr durchzuschlagen, teüs knüpften die Ge¬

sandten selbst Fäden, um Gefangene loszukaufen, teüs erhielt sie solche

zum Geschenk. In dem sogenannten ,, Spitalgarten" vor der Stadt sam¬

melten sie ihre Schützlinge, allmähhch wuchs ihre Anzahl bis gegen

achtzig an".

Unter den darauf bezüglichen Nachrichten ragt der rührende Brief

einer Ümmihan, die mit ihrer Tochter Vidan 1688 bei der Eroberung

Belgrads gefangen und nach Schlesien geschleppt worden war, hervor".

Sie seien um vierhundert Löwentaler von einem Bürger und Seifen¬

sieder der Stadt Lissa bei Breslau erworben worden, doch dieser beab¬

sichtigte nun, sie um fünfhundert Taler an einen (polnischen?) Kauf¬

mann weiterzuveräußern. Auf ihre Bitten und gegen das Versprechen

eines schönen türkischen Säbels sei er jedoch bereit, vier Wochen zu¬

zuwarten, ob sie sich selber lösen könnten. Um nicht noch tiefer ins

Feindesland geführt zu werden, bitte sie demütig, den geforderten

Betrag ehest für sie auszulegen, ihr Mann Kassab Mustafa, sofern er

noch lebe, oder auch ihr Sohn Abdi, welcher als ^uhadär (Kammer¬

diener) im Dienste des Großwesirs stehe, würden die Ranzionssumme

mit Dank erstatten. Es scheint geklappt zu haben — wenigstens teü¬

weise. Auf der Liste der 58 erlösten Gefangenen, die November 1689

per Schilf donauabwärts in die Türkei geschickt wurden, scheint unter

den 27 Frauen auch eine ,,Umihan von Pantschowa" auf*. Der Name

ihrer Tochter fehlt allerdings.

Nicht weniger dramatisch erscheint das Schicksal eines anderen Süley¬

man. 1689 richtete der Regimentsquartiermeister von Raab Johann

Heinrich Löwenschüdt mehrfach Eingaben an den Hofkriegsrat, ihm

" HHStA, Turcica I, Karton 155, fol. 162.

18 HHStA, Turcica I, 154, fol. 185. Mangelhafte zeitgenössische Übertra¬

gung eines türkisch geschriebenen Briefes, datiert, Lissa, 25. 3. 1689.

19 HHStA, Turcica I, 155, fol. 60.

20 ZDMG 121/2

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248 Kabl Teply

seinen zur türkischen Gresandtschaft entflohenen Gtefangenen wieder

zu verschaffen. Der mit Ellärung des FaUes beauftragte kaiserhche

Dolmetscher Johann Adam Lachawitz meldete jedoch, der Gefangene

sei dem Gesandten von Obrist Grafen Ricciardi geschenkt worden.

Löwenschüdt wurde mit seinen Ansprüchen an diesen verwiesen, worauf

eine hitzige Auseinandersetzung zwischen den beiden begann; sie wäre

sicher noch lange weitergegangen, wenn Löwenschüdt nicht plötzhch

1691 gestorben wäre*".

Auch die Zahl der zur Fahndung ausgeschriebenen entlaufenen Ge¬

fangenen ist deutlich höher als vorher und später. Zu welchen Irrwegen

mitunter solche Fluchten führten, beleuchtet der Fall zweier aus Ofen

ausgerissener Türkinnen, die schüeßUch in Krems wieder aufgegriffen

wurden**. Diese nur zur Demonstration typischer Fälle herausge¬

griffenen Beispiele ließen sich leicht vermehren. Man ist beim Durch¬

gehen der Protokollbücher des Hofkriegsrates überrascht, wie viele

Gefangene sich in jenen Jahren auf dem Weg nach Wien befanden.

Verhinderte der ungeklärte Status Süleymans dessen Repatrüerung,

war Süleyman Ebter anscheinend zu spät zur Gesandtschaft gestoßen,

um noch mit dem Transport mitzukommen. So gesellte er sich zum

Gesandtschaftsgefolge und machte sich im Alltagsbetrieb als Dolmetscher

und Einkäufer nützhch. Doch seine Hoffnung auf baldige Heimkehr

wurde aus den oben angeführten Gründen bitter enttäuscht. Andererseits steht eines fest : Über Eintönigkeit hatte er sich gewiß nicht zu beklagen.

Schon in Komorn war es fortgesetzt zu Zwischenfällen gekommen.

Sie gipfelten darin, daß es den Türken angebhch gelang, die über sie

verhängte Nachrichtensperre zu durchbrechen. Vizekommandant Obrist

Georg Zamori mußte deswegen einen scharfen Rüffel einstecken. Und

schließhch hatte man eine einer Ungarin gehörige gefangene Türkin

ertappt, als sie unter dem Schein, von der Gesandtschaft mehrere

Stanitzel mit Zucker, Zimt und anderen Gewürzen abzuholen, eine ge¬

heime Nachricht durchschmuggelte; sie war auf eines der Einwickel¬

papiere geschrieben**.

W^ährend des zweiten Aufenthalts in Pottendorf nahmen die Reibe¬

reien geradezu Spannungscharakter an. Klagten die Bewachungsmann¬

schaften und der Pfleger des Schlosses über boshafte Exzesse der Türken,

waren diese mit Erbitterung erfüllt über die in ihren Augen provo¬

zierenden und demütigenden Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit.

2» Kriegsarohiv, Wien, Expeditprotokoll (künftig nur HKR Ex bzw. Reg.,

wenn Registraturprotokoll) 1689 fol. 203,247,260,269; Justiz Reg. 1691

fol III.

21 Hinterlassener HKR Ex 1690 fol. 279.

22 HHStA, Turcica I, 157 aus 1690.

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Süleyman Ebter wurde Zeuge mehrerer aufregender Affären. Eines

Kriminalfalles — ein Tschausch war aus persönhchen Gründen von

einem deutschen Feldwebel erschossen worden — und mehrerer ge¬

glückter Fluchten. Denn wie Gefangene bei der Botschaft Unterschlupf

suchten, gingen umgekehrt ihr Leute durch — zwei, weil sie gestohlen

hatten, einer, der es nicht mehr aushielt und heber den Christenglauben

annahm, und auch einige Raizen und Griechen, sogar ein Greisthcher

des Mavrokordätos. Scharfe Eingaben der Gesandten um Rückstellung

der Geflohenen beschäftigten den Hofkriegsrat und die Mitgheder der

,, Konferenz in Turcicis**". Den Hauptärger aber hatte doch der Kom¬

mandant der Bewachungsmannschaft, Hauptmann Johann Kaspar

Fanckhler, dem auf seine Meldungen über die ,, Schwierigkeit" der

Gtesandtschaft am 26. Jänner 1692 ledigUch geraten wurde: ,,Da solle er

die Wachten wol besezen und zur Verhüetung des Ausreißens den

überfrorenen Schloßgraben aufeisen lassen, sie, Türcken, aber im üb¬

rigen höfUoh traktieren und ohne Extremität keinen Gewalt brauchen**".

Im Herbst 1691 hatte Süleyman Ebter genug. Es scheint sich zunächst

mit der Bitte an seinen ehemahgen Herrn gewendet zu haben, ihm weiter¬

zuhelfen. Und dieser dürfte, wie aus einer Bemerkung des Aktes zu er¬

schheßen ist, diesbezüglich sowohl an den Vizepräsidenten des Hof¬

kriegsrats, Ernst Rüdiger Grafen Starhemberg, als auch an den böh¬

mischen Obristkanzler Franz Ulrich Grafen Kinsky geschrieben haben.

November richtete Hauptmann Fanckhler an Grafen Kinsky ein Ant¬

wortschreiben, in dem es heißt: ,, Unter andern bitt Sohmann Abter,

so sich vor einen teütschen DoUmetsch bey der Gesandtschafft der

Zeit gebrauchen last, ..., ganz instendig, in deme er bloß auß diser Mai-

nung zu der Gesandtschafft gegangen, damit er mit derselben ehist

nacher Hauß komen wiu'de, dieweUen er aber spüren mueß, daß ihm die

Zeit gar zu lang, auoh das Seinige, was er anhero gebracht, allbereit

verzeret, und mit allhier bei ihnen zu verbleiben gesunnen ist. Euer

Exoellenz möchten ihm doch die hoche Gnad thun, und mit den anderen

Ranzionirten und Voluntierern nacher Hauß zu gehen gnedig verwUhgen.

Zum Fahl es aber nit verwilliget werden solte, ihm wenigst zu erlauben,

daß er nacher Wienn gehen und mit Euer ExceUenz mündUch reden

derßte*«".

Ob ihm eine Unterredung gewährt worden ist, muß offen bleiben,

denn aus dem folgenden Briefwechsel ist ledighch zu ersehen, daß sich

23 HKR EX 1691 fol. 440,485,605,613, 1692 fol. 24,39,219; Reg. 1691 fol.

456,588; 1692 fol. 37,172. — Turcica I, diverse Schriftstücke in den Kartons 156 bis 159.

24 HKR Ex 1692 fol. 51.

25 HHStA Turcica I, 160 fol. 132.

20*

(9)

250 Kabl Teply

der Hofkriegsrat in einem seharfen Schreiben an die Böhmische Hof¬

kanzlei über den Eingriff in seine Kompetenzen beschwerte. Hauptmann

Fanckhler erhielt dagegen ein Lob, weü er die Vorsicht gebraucht

hatte, seine Antwort dem Hofkriegsrat zu communicieren, und wm-de

instruiert, wie er sich künftig zu verhalten habe, wenn ,,von einer oder

anderen Hofstelle etwas dahin geschickt werden sollt**". Wahrscheinlich

also eher nicht. Man vertröstete den Ungeduldigen offenbar, daß nun

die Abreise der Gesandtschaft ohnehin bevorstehe. Diese erfolgte dann

tatsächlich endlich im Mai 1692. Kmz zuvor hatte es noch einmal

großen Wirbel um zwei von dem Gesandten an sich gelockte Christen¬

knaben gegeben. Die bereits beschnittenen Kinder wmden ihm schlie߬

hch mit Gewalt abgenommen*'.

Damit mündet dies kleine Schicksal unter Tausenden in dem gleichen

Dunkel, aus dem es etwa ein Jahrzehnt vorher aufgetaucht ist. Glück¬

hcherweise nicht, ohne uns ein kostbares Rehkt zu hinterlassen, das

auch zm Aufhellung ähnhcher Geschicke ein wenig beitragen kann.

Überdie Freüassungserklärung können aus Mangel von Vergleichs¬

stücken natürhch nur vorsichtige Vermutungen angestellt werden, inwie¬

weit sie als typisch anzusehen sein dürfte. Jedenfalls sind in ihr zwei wesent¬

hche Elemente zu erkennen : die eigenthche Freüassungsformel — sie ist in

ähnhcher Form auch in der Freüassungserklärung für Mehmed Qolak

Beg enthalten — und ein ,, Abschied". Dieser entspricht, was eigentlich

nahehegt, formal völlig den Briefen, die etwa bei Abdankung von Miütär-

personen übhch waren oder auch sonst unter der Bezeichnung ,, Zeugnis", ,, Testimonium", ,, Paßport" u.ä. entlassenen Bediensteten als Bezeu¬

gung ihres Wohlverhaltens und Empfehlung auf den weiteren Lebens¬

weg mitgegeben wmden*®. Beide scheinen bei jeder individuellen Frei¬

lassung unbedingt erforderlich gewesen zu sein.

Herbst 1692 wmde der Türke ,, Achmet Rusthene" in Breslau ange¬

halten, weü er wohl einen Freibrief, ausgestellt von Johann Christoph

von Ponickau, aber keinen Paßport besaß. Allerdings hatte er sich über¬

dies dmch seine guten Kenntnisse der deutschen Sprache verdächtig

gemacht. Nach einer Kontroverse, wer die Kosten zu tragen habe,

wmde schheßhch den Landkutschern der Route Breslau — ^Wien aufer¬

legt, üm „in Band und Eisen" nach Wien zu führen**.

26 HKR Reg 1691 fol. 543; Ex 1691 fol. 604.

" HKR Ex 1691 fol. 181; 1692 fol. 210; Reg 1692 fol. 141,201.

2* Zwei derartige Stücke, 1611 ausgestellt für den Nürnberger Johannes Wild, sind im Anhang zu seiner „Reysbeschreihung eines Gefangenen Christen

Anno 1604" abgedruckt. Nach dem Nürnberger Erstdruck von 1613 von

Kabl Teply in der ,, Bibliothek klassischer Reiseberichte", Stuttgart 1964.

29 HKR Reg 1692 fol. 576; Ex 1692 fol. 516. Hofkammerarchiv, Wien,

Hoffinanz Reg 1693 fol. 67; Hoffinanz FaszUtel 571.

(10)

Dimission und Paßport konnten nun — wie in vorliegendem Fall —

in einem Dokument vereinigt sein, oder es wurden zwei oder sogar

mehrere Briefe ausgestellt. Im März 1691 wurde in Wien in Begleitung

des griechischen Priesters Mercurios Lascarios der zweiundzwanzig-

jährige Türke Ali Be§e, der 1686 in Ofen gefangen und nach Breslau

geführt worden war, aufgegriffen. Seine Dokumente sind nicht erhalten,

doch geht aus dem Akt über seine Vernehmung hervor, daß er im Besitz

eines von dem kurbrandenburgischen Artillerie- Obristenheutnant

Weiller ausgestellten ,, Losbriefes" und daneben zweier Paßporte, der

eine gleichfalls von Weüier, der andere von einem Baron Freyberg

gefertigt, gewesen ist*".

Die Paßporte lauteten vermutlich in der Regel auf Wien oder auch

auf Graz, da es in der Kompetenz des Kaiserhchen Hofkriegsrates

in Wien bzw. des Innerösterreichischen Hofkriegsrates in Graz stand,

die Erlaubnis zur Einreise ins ungarisch-kroatische Grenzgebiet zu er¬

teüen. Die Genehmigung erfolgte in Form von Einzelpässen oder durch

Aufnahme auf Sammelhsten, wenn eine Gruppe entlassen oder ein

größerer Transport zusammengestellt wurde**. Um zu verhüten, daß

dadurch Gefangene, die eigenthch dem Kaiser zugestanden wären,

unrechtmäßig freikämen, sollten die genannten Stellen vorher das

Einvernehmen mit der Hofkammer herstellen**.

Von juridischem Standpunkt aus betrachtet, ist die vorliegende

Freüassungserklärung Ausdruck eines einseitigen Rechtsgeschäftes: der

Eigentümer entläßt seinen Gefangenen ohne jede Gegenleistung. Es ist

also eine Freüassungserklärung im eigentlichen Sinn. Bei Jahn ent¬

sprechen trotz der im Islam betonten religiösen VerdienstUchkeit solchen

Handelns nur vier türkische Stücke diesem Vorgang**.

Daneben muß es besonders häufig Freüassungserklärungen gegeben

haben, die den Selbstloskauf durch persönlich oder durch Vermittler

eingeholte Ranzionsgelder dokumentierten. Jedenfalls finden sich in den

ProtokoUbüchern des Hofkriegsrates bzw. der Hofkammer zahlreiche

Hinweise darauf.

»0 HHStA, Turcica I, 160 fol. 27 ff; Berioht vom 1. 4. 1691.

'1 Beispiel für einen Einzelpaß : Paßbrief des 1686 in Ofen gefangenen und

Mai 1688 mit seinem Diener entlassenen Janitscharenpräfekten Mehmed Aga,

ausgestellt von General Antonio Caraffa, Wien, am 29. 5. 1688; Hoffinanz

Faszikel 545. — Ein Beispiel für eine Repatriierungsliste aus 1689 ist das

„Verzaichnus der ausgelösten Türcken und Türckinnen . . ., welche auf

allergnädigste Kayh Erlaubnis nacher Türkey fortgelassen worden", HHStA, Turcica I, 155, fol. 59f ; vgl. Anmerk. 19.

32 Hoffinanz Reg 1687 fol. 46.

33 Jahn, Freilassungserklärungen, Nr. I,II,IV,XL; vgl. Matuz Sp. 60f.

(11)

252 EL&BL Teply

Eine weitere Gruppe stellten wohl einfache Kaufverträge dar, wenn

osmanische Gesandte oder Mitglieder ihres Gefolges, aber auch Personen

jenseits der Grenze Gefangene loskauften. Belegstücke dazu haben sich

bisher nicht gefunden, doch Korrespondenzen, die schließhch in solch

einen Kaufvertrag gemündet gaben müssen**. Auch bei Jahn gibt es

diese Kategorie ; sie stellt sogar den Hauptanteü der von ihm veröffent¬

hchten Freüassungserklärungen.

Soweit gehen die Verhältnisse auf osmanischer und christhcher

Seite deuthch parallel. Es gibt auch Unterschiede, vor allem in for¬

maler Hinsicht. Während im Osmanischen Reich die Schreiber in

diesem Bereich in einer Jahrhunderte alten Tradition standen, dürften

sich im Abendland kaum gefestigte Formen entwickelt haben. Im

vorliegenden Stück ist wohl die Anlehnung an die Form des Mandates

nicht zu übersehen. Außer der Narratio, der Erzählung der tatsäch¬

lichen oder vorgebHchen Einzelumstände, welche die Ausstellung der

Urkunde veranlaßt haben, und der Dispositio, dem Ausdruck der

eigenthchen Wülensmeinung, sind auch noch die alten ProtokoU-

teüe der Intitulatio und der Inscriptio erkennbar, während an die

Stelle der sonst den Kontext beschheßenden Sanctio naturgemäß das

Ersuchen und eine Dankformel getreten sind. Offizielle Stellen, In¬

haber von Grundherrschaften mögen sich — wie hier Haugwitz —

immerhin weitgehend dieser aus Patenten, Paßporten, Abzugscheinen

und ähnhchen Urkunden geläufigen Formeln bedient haben; ,, Losbriefe"

sonstiger Eigentümer sind vermuthch erheblich schlichter gewesen. Es ist

sogar anzunehmen, daß die Masse jener Gefangenen, die durch Übertritt

zum Christentum die Freiheit erlangten, überhaupt keine Freibriefe

erhielten. Osman Aga konnte daher in dem von ihm fingierten Reise¬

paß den lediglich die vorgebliche Tatsache feststellenden Passus auf¬

nehmen, er sei ,, ursprünglich Muslim gewesen, nunmehr aber zum

christlichen Glauben bekehrt und somit frei und ledig*«".

Interessant wäre zu wissen, ob es auch ein Analogon zu dem im Os¬

manischen Reich so häufigen Fall der Ausstellung der Freilassungs¬

erklärung durch einen Kadi gegeben hat. Es bestehen jedoch keine

Fingerzeige auf das Vorhandensein „gerichtlicher" Urkunden.

Entgegen der ursprünglichen Annahme, unsere Archive enthielten

kaum Material über türkische Gefangene, hat sich selbst das, was bisher

bruchstückweisen bekannt geworden ist, als ziemlich reichhaltig erwiesen.

Z.B. die Korrespondenz zwischen dem Großbotschafter Ibrahim Paacha

imd Herzog Ferdinand von Tiefland, Kurland und Semgallcn über dio Frei¬

lassung einer Gruppe von neun Gefangenen, November/Dezember 1700;

HHStA, Turcica I, 175, fol. 17 ff.

35 Kbeutel — Spies, p. 146.

(12)

Weiterhin dürften vor allem die Archive der alten Grundherrschaften

noch unaufgeschlossene Hoffnungsgehiete für die Lösung dieser Fragen

darstellen.

Beilage: Freilassungserklärung für Süleyman Ebter

[Fol. 130 r] Des durchleuchtigsten Churfürstens zu Sachsen unnd Bmg-

graflfens zu Magdeburg, meines g[nä]digsten Herren, bestelter Ober Hoflf-

marschall, Wüerckhlich Geheimber- unnd Geheimber Khriegs-Rath,

auch Ober Steuer-Einnehmer.

Ich, Fridrich Adolph von Haugwiz, uff Ober- unndt Nieder-Lichtenau,

Reichenpach unnd Koisch[witz] etc. füge hiermit mäniglich zu wissen,

daß gegenwertiger Tirckh Nahmens Solymann Abtee, auß Alaschaer

hinter Constantinopel gebürtig, nach deme er bey dem Endtsaz der Anno

1683 von denen Tirckhen damahlß belegerten khayserl. Haubt- unnd

Residenz-Statt Wienn in Österreich undter andern alß ein Janitschär

gefangen unnd mir präesentiret worden, sich auch bey mir diser Zeit

in meinen Diensten unnd Aufifwartung gahr treu unnd vleissig erwisen,

mich gahr inständiglich unnd gehorsamst umb Erhaltung seiner Frey-

heith angeflehet unnd dabei gebetten, weUlen er mit der aniezo zu

Wienn sich befindenden tickhischen Gesandtschafft undter dero Suite

nacher Hause zu denen Seünigen zu begeben sich vor ..., ihme mit einen

offenen Paas zu versehen. Wan dan solch seinen Ansuochen nicht gerne

abschlagen wollen, alß

[Fol. 130 v] habe ihme hierdurch ganz frey, ledig unnd loß geben wollen;

dabenebenst alle und jede hohe Obrigkeiten unnd Herrschafften, dero

hohen und nidere Khriegsofi&ziere, Beambten unnd Räthe der Städte,

auch sonst iedermänighch nach Standes Gebühr undterthänigst, gehor¬

samst, dienst- unnd freündhchst ersuochendten, die Churf. Sächs. aber

erinnerndten, sye wollen disen ertheilleten unnd zu seinen besten Fort-

khomen gemeinten Abschiede völligen Glauben beymessen und denselben

aller Orthen frey, sicher unnd ungehindert passieren lassen. Solches

wierdt er mit tieflfster Demuth danckbar erkhennen; unnd ich bin

erbietig, solche Willfahrung gegen einen iedwedern nach Standtes Er-

forderung mit undterthänigsten Gehorsamb, auch Dienst, unnd wUli-

gisten Bezeugung nach Vermögenheit zu erwidern.

Signatum in der churfürstlichen Residenz Dreßden, den 24. May Anno

1689*«.

L[oco] S[igilh] Fridrich Adolph von Haugwiz

3' Vgl. Anmerkung 4.

(13)

Persepolis — Weitere Beiträge zur Funktionsbestimmung

Von Wolfgang Lentz, Marbiu-g, Wolfhabd Schlosseb, Bochum, und

Gebd Gbopp, Hamburg

Vorbemerkung. Gegenstand der nachfolgenden Mitteilungen ist

noch einmal eine — nicht : die — astronomische Funktion der Terrassen-

Anlage von Persepohs. Wir knüpfen damit an die 1969 veröffenthchten

Würzburger Vorträge von Lentz und Schlosseb* an. Zur Erleichterung

der Ubersicht beim Zitieren bleiben wir bei der damaligen allgemeinen

Fassung des Titels und der Reihenfolge der Autoren, ordnen jedoch die

Beiträge nach ihrer Entstehung.

I ist der Bericht Gbopps über einen Besuch der Stätte zur Zeit der

Sommer-Sonnen-Wende 1970. Bei Sonnenaufgang wirrden von verschie¬

denen Standorten aus 34 Photographien gemacht.

Das Material ging an Schlosser, der an II. Stelle die Ergebnisse einer

astronomischen Auswertung an Hand von vier Abbildungen (Tafel I

und II) erläutert.

Beide Autoren machten sodann ihr Manuskript Lentz für eine Zu¬

sammenfassung der derzeitigen Forschungslage zugänghch. Sie wird

unter III vorgelegt.

I.

Auf Anregung von Lentz beobachtete ich am 24. 6.1970 — meine

Ankunft am Tage der Sonnenwende, also dem 21. 6., wurde durch unvor¬

hergesehene Zwischenfälle auf der Reise verzögert — den Sonnenaufgang

auf der Palastterrasse von Persepolis. Ich bestieg die Terrasse morgens

um vier Uhr — dazu hatte ich die freundhche Genehmigung des Museums¬

kurators Herrn Ethnaashari erhalten — und beobachtete, daß kurz

darauf in der Ebene die Dämmerung begann. Durch die Bergwand des

Kuh-e Rahmat östlich der Terrasse wurde aber die Sonne noch zwei

Stunden lang abgeschirmt. Erst um 6,10 h, als die Ebene schon taghell

* Persepolis — ein Beitrag zur Funktionsbestimmung. Zeitschrift der Deut¬

schen Morgenländischen Gesellschaft. Supplementa I. XVII. Deutscher

Orientalistentag Würzburg 1968. Vorträge hrsg. von Wolfgang Voigt,

Teü 3, 1969, 957—83, mit vier Tafeln.

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