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Archiv "Finanzpolitik: Steuern runter – Schulden rauf" (25.07.2003)

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ie Bürger können 2004 mit einer fühlbaren Entlastung bei der Ein- kommensteuer rechnen. Die für 2005 vorgesehene dritte Stufe der Steu- erreform soll auf 2004 vorgezogen und zusammen mit der zweiten Stufe in Kraft gesetzt werden. Diese Entla- stungsstufe war 2003 zurückgestellt worden. Bundeskanzler Schröder will mit dem Vorziehen der Reform Wachs- tumsimpulse setzen. Von der nun für 2004 angestrebten Steuerentlastung, die durchschnittlich etwa zehn Prozent be- tragen dürfte, profitieren vor allem die Bezieher niedriger und höherer Ein- kommen, während der Entlastungsef- fekt bei den mittleren Einkommen pro- zentual am geringsten ausfällt.

Wie stark die Bürger aber tatsächlich entlastet werden, hängt davon ab, ob dieser Entlastung bei der Einkommen- steuer Mehrbelastungen durch die Er- höhung anderer Steuern oder der So- zialbeiträge, durch Subventionsabbau und Leistungskürzungen gegenüberste- hen. Darüber wird erst Ende des Jahres Klarheit bestehen.

Die selbstständig tätigen Freibe- rufler müssen sich allerdings darauf ein- stellen, schon vom nächsten Jahr an in die Gewerbesteuer einbezogen zu wer- den. Rot-Grün hat sich auf die „Revita- lisierung“ dieser wichtigsten kommuna- len Steuer festgelegt. Auch aus Län- dern, in denen CDU und CSU regieren, kommt Zustimmung.

Mehrbelastung für Freie Berufe

Umstritten ist noch, ob vom Ertrag un- abhängige Elemente, wie Mieten, Kre- ditzinsen und Leasingraten, der Bemes- sungsgrundlage zugeschlagen werden.

Damit könnte in Verlustjahren die Steuer nur aus der Substanz gezahlt werden. Die Höhe der Belastung wird sich nicht nur nach dem Ertrag und dem örtlichen Hebesatz richten, sondern auch davon abhängen, in welchem Aus- maß die Gewerbesteuer mit der Ein- kommensteuer verrechnet werden kann. Freiberufler haben jedenfalls trotz der Entlastung bei der Einkom- mensteuer mit Mehrbelastungen zu rechnen. Das ist nicht zu rechtfertigen.

Für die Neuorientierung der Koaliti- on in der Steuerpolitik waren auch poli- tische Überlegungen bestimmend. Der Kanzler wollte die politischen Diskus- sionen in der Sommerpause mit einem populären Thema besetzen und die Union vor die Entscheidung stellen, entweder seine Pläne zu unterstützen oder die unpopuläre Rolle des Blockie- rers zu übernehmen.

Im ersten Anlauf ist die Union Schröder prompt auf den Leim gegan- gen. Da hörte man nein, von anderen ja und von wieder anderen jein. Inzwi- schen hat sich die Union mühsam auf P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3025. Juli 2003 AA1981

Finanzpolitik

Steuern runter – Schulden rauf

Die Entlastung wird vorgezogen / Reform auf Pump.

Freiberufler werden in die Gewerbesteuer einbezogen.

die Kooperation zwischen niedergelas- senen und Krankenhausärzten inner- halb der vernetzten Strukturen deutlich besser als außerhalb des Systems. Doch das Modell hatte auch seine Kritiker:

ein Einkaufsmodell, das die Ärzteschaft grundsätzlich ablehne, lautete das Ur- teil einiger deutscher Delegierter. Dem hielt Oesingmann die Rolle des Bun- desverbandes der Knappschaftsärzte entgegen, deren Vorsitzender er ist. Der Verband übernehme die Rolle einer Kassenärztlichen Vereinigung, indem er die Verträge für die beteiligten Ärzte aushandle.

„Vieles, was in Deutschland und Österreich im Zuge der geplanten Gesundheitsreformen als traumatisch wahrgenommen wird, ist in Italien schon Realität“, erklärte der Präsident der Ärztekammer Südtirol, Klaus Wid- mann. Aber: „Was man gewohnt ist, ver- liert seinen Schrecken. Die Italiener lieben ihren staatlichen Gesundheits- dienst.“ Doch Widmann kritisierte ebenfalls den Verlust der ärztlichen Au- tonomie innerhalb staatlicher Struktu- ren. Auch Italiens Gesundheitswesen leidet dem Kammerpräsidenten zufolge unter Finanznot, weshalb man dort ebenfalls Selbstbehalte der Patienten eingeführt habe. Im Gegensatz zu Deutschland herrsche zudem eine hohe Arbeitslosigkeit unter den Ärzten.

Der Kostendruck wächst auch in der Schweiz. Auf der Reformagenda stehen derzeit die Auflösung des Kontrahie- rungszwangs zwischen Krankenkassen und Ärzten sowie die kantonale Be- darfsplanung für die ambulante Versor- gung. „Es scheint weltweit gleich zu sein. Die Politik behauptet, die Kosten im Gesundheitswesen sind zu hoch und der Kuchen wird nicht größer“, sagte Dr. med. Max Giger, Mitglied des Zen- tralvorstandes des Schweizer Ärztever- bandes FMH. Glücklich können sich angesichts der Finanzmisere offenbar nur noch die Luxemburger schätzen.

Trotz rückläufiger Konjunktur liegt dem Parlament ein Gesetzentwurf vor, demzufolge das ärztliche Honorar um 6,7 Prozent aufgestockt werden soll.

Dazu der Ärztevertreter Luxemburgs, Daniel Mart: „Die Politik hat begriffen, dass man keine bessere Medizin be- kommt, wenn man die Ärzte in die Knechtschaft treibt.“ Heike Korzilius

Grafik

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die Sprachregelung verständigt, dass es Aufgabe der Regierung sei, das Vorzie- hen der Steuersenkung mit seriösen Vorschlägen zu deren Finanzierung zu verbinden. Diese Aufgabe wollen Schrö- der und Eichel den Ländern und vor al- lem der Union mit ihrer Mehrheit im Bundesrat zuschieben. Allen beteilig- ten Akteuren sollte freilich klar sein, dass sie sich angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage Deutschlands die Fortsetzung der taktischen Spielchen nicht mehr leisten können.

Die Steuerentlastung hat die Regie- rung zusammen mit dem Haushaltsent- wurf für 2004 beschlossen. Dieser sieht Ausgaben von 251,2 Milliarden Euro vor; das sind 2,3 Prozent weniger als im laufenden Jahr. Die Kreditaufnahme sollte zunächst auf etwa 24 Milliarden Euro begrenzt werden. Dann hat man sich entschlossen, den Kreditrahmen des Bundeshaushalts um weitere sieben Milliarden Euro auszuweiten. Das ent- spricht dem Betrag, den der Bund 2004 zusätzlich auf der Einnahmeseite durch das Vorziehen der Reform verliert.

Schröder und Eichel haben dem Etat- entwurf inzwischen „Eckwerte“ zur Fi- nanzierung der Reform nachgeschoben (Grafik). Die Regierung will am 13. Au- gust die Gesetzentwürfe verabschieden und in das Gesetzgebungsverfahren einbringen. Bis dahin mag sich noch ei- niges ändern.

Union in der Zwickmühle

Die Union verlangt weiterhin, dass die Steuerentlastung „seriös“ finanziert wird. Richtig ist auch ihr Hinweis, dass es der Verantwortung der Regierung entspreche, dafür die Vorschläge zu lie- fern. Aber was tut die Union, wenn die Regierung ihrem Ansinnen nicht folgt?

Sie wird am Ende die Steuersenkung mittragen müssen – mit oder ohne Ge- genfinanzierung. Sie liefe sonst Gefahr, vom Kanzler nicht nur der Reform- blockade bezichtigt, sondern gegebe- nenfalls auch für die Fortdauer der wirt- schaftlichen Misere verantwortlich ge- macht zu werden. An taktischer Raffi- nesse ist Schröder kaum zu übertreffen.

Mit ihrem Etatentwurf geht die Re- gierung hohe Risiken ein. Der Schät- zung der Einnahmen liegt noch immer

die Annahme zugrunde, dass das Brut- toinlandsprodukt (BIP) 2003 um 0,75 Prozent und 2004 um zwei Prozent wächst. Das sind wieder einmal zu opti- mistische Annahmen. Für das laufende Jahr wird die Wachstumsrate von den Ökonomen auf null bis 0,5 Prozent ge- schätzt, für 2004 allenfalls auf 1,4 Pro- zent. Es ist also mit einem weiteren An- stieg des Kreditbedarfs zu rechnen.

Zwei Milliarden Euro werden aus dem Verkauf von Aktien der Telekom und der Post erwartet. Die Aktien wer- den bei der Kreditanstalt für Wieder- aufbau „geparkt“, bis sie zu besseren Kursen verkauft werden können. Eichel hilft das, den Aktionären aber wohl kaum. Sparen will der Bund durch das Streichen der Eigenheimzulage. Auch soll die Steuerpauschale für Fahrten zwischen Arbeitsstätte und Wohnort nur noch gewährt werden, wenn die Entfernung mehr als 20 Kilometer be- trägt. Hier sind Widerstände der Flächenländer zu erwarten. Die Kohle- subventionen sollen, schneller als bis- her geplant, abgebaut werden. Die Ko- sten der zusätzlichen Kreditaufnahme sollen durch den Abbau von Vergünsti- gungen der Bauwirtschaft und der Landwirtschaft bei der Umsatzsteuer gedeckt werden. Das alles sieht mehr nach „Flickschusterei“ als nach syste- matischem Subventionsabbau aus.

Die Haushaltspolitik der Regierung gerät aus zwei weiteren Gründen in die Kritik. Die nach dem Etatentwurf zuläs- sige Kreditaufnahme übersteigt die in- vestiven Ausgaben, die mit 24,8 Milliar- den Euro beziffert werden, um etwa fünf Milliarden Euro. Damit wird erneut die von der Verfassung gesetzte Ver- schuldungsgrenze (Art. 115 GG) deut- lich überschritten. Das ist nur bei ei- ner Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig. Diese liegt wei- terhin vor, auch wenn Eichel mit einem

Wachstum von zwei Prozent für 2004 rechnet. Auf diese Ausnahmeregel wird sich die Regierung freilich nicht Jahr für Jahr berufen können. Bedeutsamer ist freilich, dass die Regierung wiederum die im europäischen Stabilitätsvertrag verankerte Schuldengrenze von drei Prozent des BIP nicht einhalten kann.

Hoffen auf die Konjunktur

Koalition und Opposition fehlt bis jetzt der Mut, aus der Krise der Staatsfinan- zen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und drastisch Subventionen zu kürzen. Die Befürworter des Vorzie- hens der Steuersenkung stecken jedoch in einem Dilemma. Die Steuerent- lastung kann dringend erwünschte Wachstumsimpulse bringen. Werden je- doch die Entlastungen durch den Ab- bau von Subventionen und Steuerver- günstigungen ausgeglichen, um die De- fizite in den Haushalten zu begrenzen, so könnte sich der erhoffte konjunktu- relle Effekt verringern. Defizitpolitik kann jedoch nur kurzfristig belebend wirken, denn die Defizite von heute müssen morgen finanziert werden.

Konsolidierung schafft dagegen die Voraussetzung für Steuerentlastungen und Wachstum in der Zukunft.

Das Lager der Ökonomen ist gespal- ten: Die einen halten den konjunkturel- len Anstoß der Steuerentlastung für un- verzichtbar, um dem Abgleiten der Wirtschaft in Rezession oder Deflation vorzubeugen. Die anderen halten nichts von unseriös finanzierten konjunkturel- len Strohfeuern. Aus diesem Dilemma gibt es nur einen Ausweg: Die Steuerre- form sollte auf 2004 vorgezogen und verbindlich in Gesetzesform mit dem massiven Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen verbunden wer- den, der konsequent nach 2004/2005 zu beginnen hätte. Das brächte konjunktu- relle Impulse und den Bürgern und Unternehmen hinreichend Klarheit für ihre Konsum- und Investitionsentschei- dungen. Da über den Haushalt und die Steuern erst kurz vor dem Jahresende und im Paket entschieden werden dürf- te, ist bis dahin ein die Bürger und Un- ternehmen lähmender politischer Streit programmiert. Vertrauensbildend wirkt das nicht. Walter Kannengießer P O L I T I K

A

A1982 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3025. Juli 2003

Steuersätze

Beim Vorziehen der Steuerreform auf 2004 sinkt der Eingangssteuersatz von 19,9 auf 15 Prozent. Der Grundfreibetrag steigt von 7 235 auf 7 664 Euro.

Der Spitzensteuersatz ermäßigt sich von 48,5 auf 42 Prozent. Dieser Satz gilt schon von einem zu versteuernden Einkommen von 52 152 (derzeit 55 008) Euro an. Das führt zu einem steileren Anstieg der Progression im mittleren Einkommens-

bereich. Kg

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