A 428 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 9|
4. März 2011 Wer vor einer Darmkrebserkrankung länger-fristig nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) wie Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ibuprofen eingenommen hat, senkt sein Mortalitätsrisiko um nahezu 20 Prozent. Das berichten Wissen- schaftler um Prof. Dr. med. Cornelia Ulrich vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg in der Fachzeitschrift „Gut“
(doi:10.1136/gut. 2010.221143). Hierfür wur- den mehr als 1 700 Patienten zum Zeitpunkt der Krebsdiagnose gefragt, wie oft und wie lange sie Entzündungshemmer eingenommen hatten. Ein Drittel hatte niedrigdosiertes ASS über einen längeren Zeitraum eingenommen, die anderen Ibuprofen kürzer und höher do- siert. Die Nachbeobachtungszeit betrug acht Jahre – auch im Hinblick auf andere Risikofak- toren wie Rauchen, Alkoholkonsum, Überge- wicht, Medikamenteneinnahme, Erkrankungs-
stadien, Vorerkrankungen, Lokalisation des Tu- mors im Darm, Metastasen und Alter.
Sie fanden heraus, dass die Einnahme der beiden NSAR die Schwere der Krebserkran- kung in vielen Fällen abmildert. „Damit bestäti- gen wir Beobachtungen, die sich in früheren Studien schon angedeutet haben“, berichtet Ulrich. „Diejenigen Patienten, die zwei Jahre vor der Krebsdiagnose regelmäßig NSAR ein- genommen hatten, entwickelten seltener Tu- moren in Dünndarmnähe, die eine weniger gute Prognose haben.“ Eine längere Behand- lungszeit von mehr als zwei Jahren brachte keinen zusätzlichen Schutz.
„Ob ASS Ibuprofen überlegen ist, können wir aufgrund der vorliegenden Daten nicht sa- gen. Wir vermuten, dass es eher auf die Dosie- rung und die Dauer der Einnahme ankommt als auf einen bestimmten Wirkstoff dieser Me-
dikamentenklasse“, erklärt Ulrich. Beide Medi- kamente hemmen die Cyclooxygenase-Enzyme (COX), die an Entzündungsvorgängen im Kör- per beteiligt sind und bei der molekularen Ent- stehung von Krebs und der Blutversorgung von Tumoren eine entscheidende Rolle zu spielen scheinen.
Die Studie wirft weitere Fragen auf. Noch ist unklar, worauf der positive Effekt auf die Sterblichkeitsrate zurückzuführen ist. Es könnte etwa sein, dass sich unter der regel- mäßigen Einnahme der Medikamente Tumoren entwickeln, die besser behandelbar sind. Es könnte auch sein, dass Patientinnen und Pa- tienten, die regelmäßig vor einer Krebsdiagnose Entzündungshemmer nahmen, dies auch nach der Behandlung fortführen und sich dadurch ih- re Prognose verbessert. Diese Aspekte müssen in weiteren Studien untersucht werden. EB
NEUER BELEG: NSAR SCHÜTZEN VOR DARMKREBS
Das Bundesinstitut für Risikobe- wertung (BfR) in Berlin rät vom Gebrauch von Haarglättungsmitteln ab, die Formaldehyd in teilweise hohen Konzentrationen enthalten.
Aufgefallen waren den Überwa- chungsbehörden Mittel, die freies Formaldehyd in Konzentrationen von 1,7 bis 1,8 Prozent enthielten.
Die Freisetzung von Formaldehyd HAARGLÄTTUNGSMITTEL
Mit Formaldehyd gesundheitsschädlich
aus den untersuchten Mitteln ist so hoch, dass Reizungen von Haut, Schleimhaut, Augen und Atemwe- gen sowie allergische Reaktionen der Haut möglich sind. Der Stoff ist außerdem vom BfR als krebserzeu- gend eingestuft worden.
Formaldehyd kann Krebs im Na- sen-Rachen-Raum auslösen. Neuer- dings wird auch ein möglicher Zu- Als wichtigstes Ziel seiner
Arbeit hat der neue Vorsit- zende des Bayerischen Hausärzteverbandes, Dr.
med. Dieter Geis, die Fort- setzung der von zahlrei- chen Krankenkassen ge- kündigten Hausarztverträ- ge bezeichnet. „Nur durch gute und sichere Verträge können wir Hausärzte überleben, den Patienten eine wohnortnahe medizi- nische Grundversorgung bieten und den erforderlichen Nachwuchs da- BAYERISCHER HAUSÄRZTEVERBAND
Hausarztverträge fortsetzen
für finden“, sagte der Hausarzt aus Randersacker. Nach Angaben des Verbandes wird zumindest die Land- wirtschaftliche Krankenkasse ihren Hausarztvertrag rückwirkend zum 1. Januar fortsetzen.
Darüber hinaus will sich Geis für eine „nachhaltige Gesundheitspoli- tik“ einsetzen. „Diese Inflation an Gesundheitsreformen mit jedes Mal mehr Bürokratie muss ein Ende ha- ben“, forderte er. Zugleich wider- sprach der Hausarzt entschieden der Forderung nach einer politikfreien Praxis. Die Ärzte müssten ihre
Patienten über existenzgefährdende Maßnahmen informieren dürfen.
Die Delegierten des Bayerischen Hausärzteverbandes hatten Geis am 23. Februar mit 97 Prozent der Stim- men zum Vorsitzenden gewählt. Sei- nen Amtsvorgänger, Dr. med. Wolf- gang Hoppenthaller, ernannte der Vorstand zum Ehrenvorsitzenden.
Hoppenthaller war am 23. Dezember 2010 zurückgetreten, nachdem der Versuch gescheitert war, die bayeri- schen Hausärzte zum Ausstieg aus dem System der Kassenärztlichen Vereinigung zu bewegen. HK
sammenhang mit dem Auftreten der myeloischen Leukämie diskutiert.
In der Europäischen Union ist Formaldehyd für die Anwendung in Haarglättungsmitteln nicht zugelas- sen. Offenbar beziehen Verbraucher und Frisiersalons aber mittels Direkt- import oder über das Internet Pro- dukte aus dem Ausland, ohne zu wissen, dass diese schädlich sind. EB Dieter Geis
Foto: dpa