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NSAR-Einnahme senkt das Risiko für Mundhöhlenkrebs

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ARS MEDICI 19 ■ 2006

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F O R T B I L D U N G

Die Behandlung mit nicht steroidalen Anti- rheumatika (NSAR) scheint vor bestimmten Krebsarten zu schützen. So belegt eine Studie aus Norwegen, dass Raucher, die über längere Zeit NSAR einnehmen, seltener an Mundhöhlenkrebs erkranken. Andererseits steigt unter NSAR-Therapie aber das kardio- vaskuläre Risiko.

T H E L A N C ET

Plattenepithelkarzinome der Mundhöhle haben eine schlechte Prognose, daran hat sich in den letzten drei Jahrzehnten nichts Wesentliches geändert. Tabakrauchen ist der wichtigste Risiko- faktor für diese Erkrankung. Besonders gefährdet sind Patien- ten, die eine aneuploide orale Leukoplakie (Präkanzerose) auf- weisen: Ihr Risiko, ein Mundhöhlenkarzinom zu entwickeln, beträgt 80 Prozent. Die Rezidivrate ist hoch, und 70 Prozent der Patienten sterben innerhalb von fünf Jahren. Eine kom- plette chirurgische Exzision kann bei aneuploider oraler Leu- koplakie das Risiko eines aggressiven, tödlich verlaufenden Karzinoms nicht senken. Nikotinabstinenz bietet einen gewis- sen Schutz, ist jedoch schwer zu erreichen beziehungsweise dauerhaft durchzuhalten.

Cyclooxygenase (COX)-Enzyme scheinen über verschiedene Mechanismen zur Entstehung von Mundhöhlenkrebs beizutra- gen. Beispielsweise wurden in malignen und prämalignen Lä- sionen erhöhte Konzentrationen an Prostaglandin E2nachge- wiesen, die Folge einer Überexpression von COX-2 sind. Pros- taglandin E2 kann die Zellproliferation und Angiogenese stimulieren und die Apoptose sowie die Immunüberwachung hemmen. NSAR inhibieren die COX-Aktivität und schützen – zumindest im Tiermodell – vor Mundhöhlenkrebs. Beobach- tungsstudien weisen darauf hin, dass die Anwendung von NSAR vor bestimmten Krebsarten schützt.

Um herauszufinden, ob bei aktiven Rauchern und Exrauchern ein Zusammenhang zwischen der langfristigen Gabe von NSAR und dem Risiko von Mundhöhlenkarzinomen besteht, führte das Team um Jon Sudbø vom Norwegian Radium Hospital, Oslo, eine bevölkerungsbasierte Studie durch.

Methodik

Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine ein- gebettete Fall-Kontroll-Studie, die Daten einer bevölkerungsba- sierten Datenbank (Cohort of Norway, CONOR) verwendete.

Diese Daten wurden im Rahmen eines Gesundheits-Surveys in ganz Norwegen prospektiv erhoben.

Von den 123 234 aktiven Teilnehmern des Gesundheits-Surveys wurden 9241 als starke Raucher (≥15 pack-years) eingestuft, und die Untersucher gingen davon aus, dass diese Probanden ein hohes Risiko für Mundhöhlenkrebs aufwiesen. Für die Fall- Kontroll-Studie wurden 454 starke Raucher (279 Männer, 175 Frauen) identifiziert, die zwischen 1975 und 2004 Mundhöh- lenkrebs beispielsweise im Bereich der Zunge oder am Mund- boden entwickelt hatten. 454 starke Raucher ohne Krebs- erkrankung dienten als Kontrollgruppe. Mithilfe der CONOR- Daten und mittels Daten aus einem Zentralregister konnte festgestellt werden, ob und wie lange die Studienteilnehmer mit NSAR behandelt worden waren.

NSAR-Einnahme senkt das Risiko für Mundhöhlenkrebs

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■ Die Langzeitanwendung von NSAR geht mit einer reduzierten Inzidenz an Mundhöhlenkrebs einher – auch bei aktiven Rauchern.

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■ Jedoch erhöht die langfristige Behandlung mit NSAR die kardiovaskuläre Mortalität.

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■ Nutzen und Risiken einer Langzeitgabe von NSAR müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

M M M

M e e e e rr rr k k k k ss ss ä ä ä ä tt tt zz zz e e e e

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F O R T B I L D U N G F O R T B I L D U N G

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ARS MEDICI 19 ■ 2006

Ergebnisse

Von den insgesamt 908 Patienten und Kontrollpersonen hatten 29 Prozent NSAR und 9 Prozent Paracetamol über einen Zeit- raum von mindestens sechs Monaten eingenommen. Die übri- gen 62 Prozent hatten weder NSAR noch Paracetamol über längere Zeit angewandt. Zu den konsumierten NSAR zählten niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (zur Prävention einer ko- ronaren Herzkrankheit), Ibuprofen, Naproxen, Indometacin, Piroxicam und Ketoprofen (zur Behandlung von Schmerzen aufgrund einer rheumatoiden Arthritis oder anderer Erkran- kungen des Bewegungsapparats).

Sowohl die länger dauernde Applikation von Paracetamol als auch von NSAR reduzierte das Risiko für Mundhöhlenkrebs, wobei dieser Zusammenhang für Paracetamol nicht signifikant war. Je nach Dauer der NSAR-Anwendung wurden verschie- dene Hazard Ratios (HR) beobachtet: Sie betrugen bei einer Behandlungsdauer unter 5 Jahren 0,53, bei eine Behandlungs- dauer zwischen 5 und 10 Jahren 0,68, bei einer Behandlungs- dauer zwischen 10 und 15 Jahren 0,61 und bei einer Behand- lungsdauer über 15 Jahren 0,30. Bei einer mehr als 15-jährigen Anwendungsdauer wurde also die niedrigste HR für Mundhöh- lenkrebs mit der höchsten Signifikanz dokumentiert. Zwischen den verschiedenen NSAR gab es keine signifikanten Unter- schiede. Die Einnahme von NSAR reduzierte bei allen Rauchern das Risiko für Mundhöhlenkrebs, doch der protektive Effekt war bei starken Rauchern ausgeprägter. Wurde das Rauchen auf- gegeben, sank das Risiko für Mundhöhlenkrebs ebenfalls. Die Gesamt-HR für Mundhöhlenkrebs bei Exrauchern betrug 0,41.

Obwohl die Applikation von NSAR das Risiko für Mundhöhlen- krebs senkte, konnte keine Verlängerung des Gesamtüberle- bens beobachtet werden. 16 Prozent der NSAR-Anwender, aber nur 7 Prozent der Nichtanwender und 5 Prozent der Paraceta- mol-Anwender starben an kardiovaskulären Komplikationen.

Acetylsalicylsäure schien die kardiovaskuläre Mortalität nicht zu erhöhen. Im Gegensatz dazu wiesen Naproxen, Piroxicam, Ketoprofen, Indometacin und Ibuprofen HR zwischen 1,70 und 2,86 auf und Indometacin sowie Ibuprofen waren mit einer sig- nifikanten Zunahme der kardiovaskulären Mortalität assoziiert.

Die Anwendung von Paracetamol ging mit einer nicht signifi- kanten Reduktion der kardiovaskulären Mortalität einher.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen darauf hin, dass die langfristige Anwendung von NSAR das Risiko für Mund- höhlenkrebs bei aktiven starken Rauchern und Exrauchern um etwa 50 Prozent senken kann, wobei der protektive Effekt mit demjenigen einer Nikotinabstinenz vergleichbar ist. NSAR sind vielversprechende Medikamente, die zur Krebsprävention bei Hochrisiko-Populationen wie beispielsweise Patienten mit an- euploider oraler Leukoplakie eingesetzt werden könnten. Bei aneuploider oraler Leukoplakie sind Krebsrisiko und Krebs- mortalität extrem hoch, weswegen in dieser Population die Prä- vention gleichbedeutend mit Krebstherapie ist, betonen die Autoren. Eventuelle unerwünschte Wirkungen sind bei diesen Hochrisiko-Patienten eher akzeptabel als in einer Population mit niedrigem Risiko.

Studien, in denen NSAR zur Prävention von Mundhöhlenkrebs eingesetzt werden, sind geplant oder bereits initiiert. Die Teil- nehmer dieser Studien müssen hinsichtlich möglicher kardio- vaskulärer Nebenwirkungen sorgfältig überwacht werden, denn sie weisen nicht nur ein erhöhtes Risiko für Mundhöhlen- krebs, sondern auch für kardiovaskuläre Erkrankungen auf.

Sicherheitshalber sollten Patienten mit manifesten kardiovas- kulären Erkrankungen oder mit speziellen kardiovaskulären Risikofaktoren nicht an solchen Studien teilnehmen. In den nächsten Jahren werden diese Studien zeigen, ob NSAR die verheerenden Folgen von Mundhöhlenkrebs für die Patienten und ihre Familien sowie für das Gesundheitssystem reduzieren

können. ■

Jon Sudbø (Department of Medical Oncology and Radiotherapy, The Norwegian Radium Hospital, Montebello, Oslo) et al.: Non-steroidal anti-inflammatory drugs and the risk of oral cancer: a nested case-control study. Lancet 2005; 366: 1359–1366.

Andrea Wülker

Interessenkonflikte: Einer der Autoren gibt an, als Berater für die Firma Pfizer gearbeitet zu haben, jedoch nicht in Zusammenhang mit der vorliegenden Studie.

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