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Archiv "Kinderpathologie: Blick für wechselnde Morphologien" (01.10.2010)

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A 1858 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 39

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1. Oktober 2010

K

inder sind keine kleinen Er- wachsenen, das gilt auch für die Pathomorphologie der pädiatri- schen Erkrankungen und ihre Dia- gnostik. Die Kinderpathologie um- fasst die pränatale Diagnostik (Entwicklungspathologie des Em- bryos), Plazentabildungsstörungen, Entwicklungsstörungen des Feten sowie die Pathologie der angebore- nen oder erworbenen Wachstums- störungen, wobei hier insbesondere die Diagnostik angeborener Stoff- wechselerkrankungen eine große Rolle spielt.

Den heute größten Aufgabenbe- reich stellt die Diagnostik kinder- chirurgischer Operationsproben dar:

zum Beispiel die histologische Si- cherung einer nekrotisierenden En- terokolitis, einer Sprue, eines Mor- bus Hirschsprung, aber auch mali- gner Tumoren wie das Nephro- oder Hepatoblastom. Hierfür muss der (Kinder-)Pathologe mit der physiologischen Entwicklung der sich mit dem Wachstum verändern- den Normbefunde vertraut sein.

Diese können sich deutlich von den Befunden abweichen, die beim Er- wachsenen als regelrecht einzustu- fen sind. So ist zum Beispiel eine

Probe aus dem Bereich der Wachs- tumsfuge eines Kindes anders zu interpretieren als eine distale Kno- chenbiopsie eines Erwachsenen.

Diagnosekriterien, die für den Knorpel des Erwachsenen gelten, sind für Kinder in der Regel unzu- treffend. Altersgemäß noch unrei- fer Knorpel darf dementsprechend nicht als Chondrosarkom fehlge- deutet werden (Abbildungen).

Embryonal- und Fetalzeit:

Wieso liegt ein Abort vor?

15 bis 20 Prozent der klinisch be- stätigten Schwangerschaften führen zu einem Spontanabort. Vor allem in der Frühschwangerschaft sind neben Aneuploidien des Chromoso- mensatzes Veränderungen der ge- nomischen Prägung (epigenetische Veränderungen) eine häufige Ursa- che einer Fehlbildung oder eines Aborts.

Bei der Untersuchung der Aborte des ersten Trimenons wird die frühe Plazentaanlage bezüglich etwaiger Veränderungen der Chorionzotten und sich daraus ergebender Hinwei- se auf die Abortursache begutach- tet. Soweit kindliche Anteile enthal- ten sind, kann eine Obduktion mit-

tels spezialisierter Lupen oder Auf- lichtmikroskope erfolgen. Hierbei – ebenso wie bei der Obduktion von Feten aus einem späteren Trimenon – werden etwaige Fehlbildungen er- hoben, fotodokumentiert und mit den gynäkologischen Ultraschall- befunden korreliert. Zusätzlich wer - den Röntgenbilder, insbesondere bei Fragen nach Skelettfehlbildun- gen, sowie gegebenenfalls karyo - typische Analysen durchgeführt beziehungsweise in enger Zusam- menarbeit mit den entsprechenden Fachdisziplinen veranlasst.

Im Anschluss daran werden die verschiedenen Befunde wie in ei- nem Puzzle zusammengeführt. Das ermöglicht es, die Ursache für den Abort zu klären beziehungsweise die Fehlbildungen einem Syndrom zuzuordnen. Diese detaillierte Be- funderhebung dient auch als Grund- lage für die humangenetische Bera- tung der Eltern.

Ein intrauteriner oder perinataler Fruchttod kurz vor, während oder nach der Geburt stellt eine erhebli- che seelische Belastung für die El- tern dar und damit auch eine beson- dere Herausforderung an den Kin- derpathologen. Gerade während der KINDERPATHOLOGIE

Blick für wechselnde Morphologien

Das Spezialgebiet berücksichtigt die physiologischen Normvarianten

verschiedener Altersstufen und hiervon abweichende pathologische Befunde.

Chondrosarkom oder unreifer Knorpel? Eine Pro- be aus dem Bereich der Wachstumsfuge eines Kindes (links) ist anders zu inter- pretieren als eine distale Knochen- biopsie eines Er- wachsenen mit ei- nem hochdifferen- zierten Chondrosar- kom (rechts).

Foto: Annette M. Müller

Foto: Barbara Gürte-Lackner

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letzten Wochen der Schwanger- schaft und der Geburtsperiode spie- len Ausreifung des Plazentaparen- chyms, vaskuläre Veränderungen der Plazenta und der Gefäße der Dezidua insbesondere unter hypo- xischen Bedingungen des Kindes eine wichtige Rolle. Bei der exak- ten Aufarbeitung der Plazenta wird ausdrücklich Wert auf morphologi- sche Hinweise einer möglichen Insuffizienz gelegt. Wichtig dafür sind die Masse der Plazenta im Ver- hältnis zum funktionsfähigen Pa- renchym und mikroskopische Hin- weise auf eine intrauterine kindli- che Hypoxie (Trophoblastsprossen oder Erythroblasten in den Zotten- gefäßen).

Auch wenn Plazentabefunde na- turgemäß nur indirekte Hinweise liefern, erlauben sie dennoch Rück- schlüsse auf vorgeburtliche Fakto- ren, die Einfluss auf die postnatale Entwicklung inklusiv einer erhöh- ten Anfälligkeit gegenüber einer frühkindlichen zentralnervösen Schä - digung haben. Dementsprechend sind Plazentabefunde ebenfalls für Neonatologen von Interesse. Zum Beispiel ist der Nachweis von Me- konium in den Eihäuten mit einer erhöhten neonatalen Morbidität as- soziiert und die chronische Villitis in Kombination mit einer obliterati- ven fetalen Vaskulopathie überzu- fällig häufig mit einer infantilen Zerebralparese.

Angeborene oder erworbene Kinderkrankheit?

Bei internistischen Erkrankungen arbeiten die Kinderpathologen eng mit den Pädiatern zusammen; zum Beispiel in der Diagnostik der Heli- cobacter-Gastritis, in der Abklärung einer Wachstumsstörung bei Vorlie- gen einer Zöliakie oder einer chro- nischen Darmerkrankung wie Mor- bus Crohn oder Colitis ulcerosa. Je- doch sind hier – in Abhängigkeit vom Alter – jeweils völlig andere Differenzialdiagnosen als bei Er- wachsenen in Betracht zu ziehen.

Bei Kindern sind zum Beispiel bei Verdacht auf ein Glutensensiti- vitätsspektrum differenzialdiagnos- tisch eine Autoimmunenteropathie, Nahrungsmittelproteinintoleranz oder ein prolongiertes Postenteritis-

Syndrom zu diskutieren. Bei protra- hierter Diarrhö sind differenzial - diagnostisch bei Neonaten zum Beispiel eine Glukose-Galaktose- Malabsorption oder ein angebore- ner Laktasemangel, beim Kleinkind hingegen eher ein Disaccharidase- mangel oder eine A-beta-/Hypo-be- ta-Lipoproteinämie, und beim älte- ren Kind ein Trehalasemangel zu erwägen – also Differenzialdiagno- sen, die im Erwachsenenalter keine nennenswerte Rolle mehr spielen.

Aber auch angeborene Störungen wie eine segmentale Darmduplika- tur ist eine im Erwachsenenalter äußerst seltene Diagnose, die bei Kindern zu einer Ileussymptomatik führen kann.

Auch Lebererkrankungen weisen ein vom Erwachsenen gänzlich un- terschiedliches Krankheitsspektrum auf. So reicht das Spektrum der Differenzialdiagnosen einer Galle- stauung im Neugeborenenalter über metabolische Erkrankungen bis zu Fehlbildungen und Atresie der Gal- lengänge. Eine Obstipation in der Neugeborenenzeit und im frühen Kindesalter kann Ausdruck eines Morbus Hirschsprung sein, bei dem es infolge einer kongenitalen Agan- glionose zu einer ausgeprägten Darmkonstriktion und konsekutiv einem oral davon gelegenen Mega- kolon kommt.

Spezifika maligner Tumoren im Kindesalter

Maligne Tumoren treten im Kindes- alter im Vergleich zum Erwachse- nenalter selten auf. Um möglichst effiziente Therapieschemata zu ge- währleisten, werden Behandlung und Therapie in internationalen Studien zusammengefasst. Solide Tumoren des Kindesalters (vor al- lem angeborene) zeigen ein völlig anderes Spektrum als jene des Er- wachsenenalters.

Ein typischer Tumor des Kin- desalters ist das Nephroblastom der Niere, ebenso wie das meist im Bereich der Nebenniere auftreten- de Neuroblastom. Die Besonder- heit ist, dass sie morphologisch embryonalem Geweben unter- schiedlicher Entwicklungsstadien gleichen können. Weitere Beispie- le sind das Hepatoblastom, ein ty-

pischer maligner Lebertumor des Kindesalters, oder das Rhabdo- myosarkom, welches mikrosko- pisch wie embryonale Skelettmus- kulatur imponiert.

Interessanterweise konnte in der Entstehung von embryonalen Tu- moren eine Reaktivierung embryo- naler genetischer Signalwege ge- zeigt werden. In der Diagnose, Be- handlung und Prognose von kindli- chen Tumoren spielen häufig gene- tische Veränderungen eine Rolle.

Die wohl bekanntesten Beispiele dafür sind die Amplifikation des n-myc-Gens in Neuroblastomen oder die Translokation von Chro- mosom 1 beziehungsweise 2 und Chromosom 13 in alveolären Rhab- domyosarkomen.

Nachweis von genetischen Veränderungen routinemäßig

Der molekularpathologische Nach- weis onkogener Amplifikationen oder Translokationen hat somit eine therapeutische und konkrete pro - gnostische Relevanz und nimmt heute eine wichtige Rolle in der Diagnostik dieser Tumoren ein, so dass diese weiterführenden Unter- suchungen in kinderpathologischen Zentren heute routinemäßig mit durchgeführt werden.

Neben der Diagnostik spiegeln auch Fragestellungen in der For- schung die Besonderheit der Kin - derpathologie wider. Ziel aktueller Bemühungen in der grundlagenori- entierten und klinischen Forschung ist es daher, neue Therapieansätze zu entwickeln, um so bei gleich - bleibendem kurativem Erfolg den Einsatz an Chemotherapeutika und Strah lenbehandlung nach Möglich- keit zu reduzieren. ■

Priv.-Doz. Dr. med. Barbara Gürtl-Lackner Leiterin der Forschungseinheit „Kinderpathologie und Perinatalpathologie“, Institut für Pathologie, Medizinische Universität Graz, Auenbrugger Platz 25, A-8036 Graz, E-Mail: barbara.guertl-lackner@medunigraz.at

Prof. Dr. med. Ivo Leuschner Kindertumorregister, Universitätsklinik Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Arnold-Heller-Straße 3, Haus 14, 24105 Kiel, E-Mail: ileuschner@path.uni-kiel.de

Prof. Dr. med. Annette M. Müller Abteilung für Kinderpathologie, Universitätsklinik Bonn, Sigmund-Freud-Straße 25, 53127 Bonn, E-Mail: annette.mueller@ukb.uni-bonn.de

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