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Archiv "Verlauf von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen" (17.09.2004)

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D

ie Chronifizierung psychischer Stö- rungen im Entwicklungsalter führt zu hohen Belastungen der Betrof- fenen. Deshalb sind rechtzeitige Inter- ventionen wichtig. Die symptomorien- tierte Betrachtung psychischer Störun- gen von Kindern und Jugendlichen sollte durch eine verlaufsorientierte abgelöst werden.

Wiederholt wurden Ärzte und Phar- mafirmen verdächtigt, aus finanziellem Interesse Krankheiten zu erfinden und Behandlungen zu empfehlen. Fünf Vor- gehensweisen sollen bekannt sein:

>Die Deklaration normaler Lebens- prozesse als medizinisches Problem

>Die Darstellung seltener Sympto- me als grassierende Krankheiten

>Die Darstellung von Risikofakto- ren als Krankheiten

>Das Aufbauschen leichter Sympto- me als Vorboten schwerer Leiden

>Das Ummünzen persönlicher so- zialer Probleme in medizinische.

Letzteres gelingt angeblich in der Nervenheilkunde besonders gut. Als Beleg dafür wird die mit der Entwick- lung der Psychiatrie steigende Zahl see- lischer Störungen in den offiziellen Klassifikationssystemen herangezogen (4). Leicht übersehen wird bei solchen Vorwürfen,

>dass seriöse epidemiologische For- schung kritische Risiken zu identifizie- ren vermag,

>dass leichte Symptome von der Ent- wicklungspsychopathologie zum Teil als valide Prädiktoren relevanter Störungen identifiziert wurden und

>dass die Verfeinerung des Klassifi- kationssystems allein zwischen ICD-9 und ICD-10, das umfangreicher gewor- dene Diagnosewissen in der Psychiatrie spiegelt, welches heute gezieltere Inter-

ventionen erlaubt als in den späten 1970er-Jahren

Die Klassifikation nach ICD-8, die bis dahin galt, war gegenüber heutigen Sy- stemen jedoch lediglich ein als grob zu bezeichnendes Raster (29).Wenn Defini- tionsmerkmale abgrenzbarer Krankheits- einheiten Symptomspektrum, Ätiologie beziehungsweise Pathogenese, Therapie und Verlauf sind, dann findet sich die Kinder- und Jugendpsychiatrie – wie die Psychiatrie – wegen möglicher Sym- ptomüberschneidungen und Defizite im ätiologisch-pathogenetischen Wissen so- wie teils nicht störungsspezifischer The- rapieansätze in einer schwierigeren Lage als somatische Fächer. Den größten Zu- wachs an diagnostischem Wissen über gegeneinander abgrenzbare Krankheits- bilder hat sie in den letzten 40 Jahren zweifelsohne aus der Verlaufsforschung gewonnen.

Unter den psychodynamisch orien- tierten Paradigmen der Nachkriegszeit

Verlauf von psychischen

Störungen bei Kindern und Jugendlichen

Zusammenfassung

Die Chronifizierung psychischer Störungen im Entwicklungsalter verursacht nicht nur Kosten, sondern belastet auch die Betroffenen und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch ihre Kinder. Symptome allein geben keine ausrei- chende Auskunft über die Behandlungsbedürf- tigkeit psychischer Störungen. Ebenso muss be- achtet werden, wieweit Symptome und Lebens- umstände eine altersgerechte Entwicklung behindern. Wesentlicher Wissenszuwachs zur Abgrenzbarkeit psychischer Störungsbilder ge- geneinander hat sich aus prospektiven Längs- schnittstudien ergeben. Die so genannten na- türlichen Verläufe nichtbehandelter Störungen werden von Symptommuster, Erkrankungsal- ter, Geschlecht und Lebensumständen von Kin- dern und Jugendlichen beeinflusst. Bestimmte Komorbiditäten sind für kritische Verläufe cha- rakteristisch. Circa 15 Prozent der unbehandel- ten psychisch auffälligen Kinder verlieren ihre Symptomatik bis ins Erwachsenenalter nicht. In der folgenden Übersicht werden Verlaufsmerk- male und -indikatoren für häufige und schwer-

wiegende psychische Störungen zusammenge- stellt und Überlegungen zum Übergang von einer symptomorientierten zu einer verlaufs- orientierten Betrachtungsweise dargelegt. Ent- scheidungen über Notwendigkeit, Zeitpunkt und Intensität von Interventionen sollten sich stärker an dem heute verfügbaren Verlaufswis- sen orientieren, um verfügbare Ressourcen op- timal einzusetzen.

Schlüsselwörter: psychische Störung, pädiatri- sche Erkrankung, Komorbidität, Krankheits- verlauf, Verhaltensstörung

Summary

Progression of Psychiatric Disorders in Children and Adolescents

Chronic psychiatric disorders in childhood and adolescence cause considerable costs for so- ciety and burden for the patients and probably also their children. The bare symptoms don't determine whether and how far disorders should be treated. It has to be examined which

symptoms and psychosocial circumstances pos- sibly impede an age appropriate development.

Prospective longitudinal studies have provided us with a growing knowledge concerning bet- ter classification of psychiatric disorders. The natural course of (untreated) disorders de- pends on symptom pattern, age of onset, gen- der, and psychosocial circumstances of the pa- tients. Also certain comorbidities characterize critical courses. About 15 per cent of untreated psychiatric disorders of children continue into adulthood. The following survey summarizes the specifics of courses and determinants of frequent and significant psychiatric disorders.

It presents course-centered classification ap- proaches alternative to the symptom-centered approaches. Necessity of treatment, point of time, and intensity of intervention should be derived from our actual knowledge on courses of disorders to enable optimal use of available ressources.

Key words: psychiatric disorder, pediatric dis- ease, comorbidity, disease progress, behavioral disorder

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Martin H.

Schmidt), Mannheim

Martin H. Schmidt

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herrschte ein erheblicher Optimismus bezüglich therapeutischer Möglichkei- ten. Erst die aufkommende Verhal- tenstherapie hat die Evaluation von Psychotherapie thematisiert. Der thera- peutische Optimismus zuvor hat wenig nach unterschiedlichen Störungsverläu- fen bei behandelten und nichtbehandel- ten Kindern gefragt. Erst 1985 hat die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie erstmals den Lang- zeitverlauf kinder- und jugendpsychiatri- scher Störungen zum Hauptthema eines Kongresses gemacht (25). 1990 hat der von Heinz Häfner gegründete Sonder- forschungsbereich Psychiatrische Epide- miologie, der diese Forschungsrichtung in Deutschland wiederbelebt hat, seine Ergebnisse zusammengefasst (26). In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhun- derts wurden in verschiedenen Ländern größere Kohorten nichtbehandelter psychisch auffälliger Erwachsener und Kinder längsschnittlich verfolgt und so der natürliche Verlauf psychischer Stö- rungen untersucht.Verlaufsangaben, die auch ätiologische Schlussfolgerungen ermöglichen, entstammen auch Lang- zeitstudien über Zwillingspaare mit ei- nem psychisch auffälligen Partner (24) oder größeren Adoptionsstudien wie der Colorado Adoption-Study (18).

Aussagen zum Verlauf kinder- und jugendpsychiatrischer Störungen kann man unter verschiedenen Gesichts- punkten darstellen:

>Durch den Vergleich von Kindern und Jugendlichen mit behandelten und nichtbehandelten Störungen; Letztere bilden den so genannten natürlichen Verlauf ab, der bei Betroffenen beider Geschlechter unterschiedlich sein kann.

Differenzen zwischen behandelten und nichtbehandelten Störungen sind umso bedeutsamer, je einheitlicher und besser Behandlungen evaluiert wurden.

>Verlaufsergebnisse können bezo- gen auf Minderbegabte mit unterschied- lichen psychischen Störungen demon- striert werden, eventuell unter Berück- sichtigung komorbider Störungen. Sie ändern sich, wenn neben dem klini- schen Syndrom das Funktionsniveau des Patienten – bei Kindern und Ju- gendlichen also die Fähigkeit zur Be- wältigung alterstypischer Entwick- lungsaufgaben – berücksichtigt wird.

Diese kann unabhängig von der Sym-

ptomatik erheblich variieren (zum Bei- spiel bei Tic-Störungen). Beeinträchti- gungen des Funktionsniveaus können auch bei Symptommustern unterhalb der (kategorial definierten) Krank- heitswelle vorliegen.

>Verlaufsergebnisse können für un- terschiedliche Störungen separat darge- stellt werden. Dieses Vorgehen ist auf- wendig, wirft Fragen der Behandlung komorbider Störungen auf, erlaubt aber eine Hierarchie von Störungsbildern nach ihrer Behandlungsnotwendigkeit zu erstellen. Solche Informationen sind für behandelte Störungen umso aussa- gekräftiger, je einheitlicher und besser die benutzten Therapien evaluiert und je mehr Katamnesen berücksichtigt sind. Verlaufsergebnisse für einzelne Störungen sind dann altersabhängig, wenn Störungen mit fortschreitender Entwicklung zur natürlichen Remission neigen.

>Verlaufsergebnisse können retro- spektiv ermittelt werden, indem bei psychisch gestörten Erwachsenen etwa im Kindes- und Jugendalter behandelte Störungen zurückverfolgt werden.

Störungsübergreifende Verlaufsangaben

Tabelle 1 zeigt die 6-Monats-Prävalenz- raten psychischer Auffälligkeiten aus dem repräsentativen Teil einer 17 Jahre lang verfolgten Kohorte von im Jahr 1970 Geborener. Zur Diagnose wurden neben der ICD-9-Diagnose der Grad der Behandlungsbedürftigkeit (Beob- achtungs- oder Behandlungsbedürftig-

keit) hinzugenommen. Die Gesamt- prävalenzraten pendeln – wie in ähnli- chen Untersuchungen – um 17 Prozent.

Die unterschiedlichen Raten für die bei- den Geschlechter zeigen, welche Diffe- renzen bei Nichtberücksichtigung des Geschlechts übersehen werden. (10)

Die Ähnlichkeit der Prävalenzraten sagt aber nichts darüber, ob jeweils die gleichen Kinder und Jugendlichen be- troffen waren. Die Stabilität psychi- scher Störungen beträgt in der genann- ten Studie unabhängig von den Diagno- sen über die 5- beziehungsweise 7-Jah- res-Intervalle circa 50 Prozent, das heißt, dass jeweils etwa die Hälfte der psychisch Auffälligen in die Gruppe der Gesunden überwechselten. Jeweils cir- ca 13 Prozent der Unauffälligen er- krankten während eines Intervalls und wechselten in die Gruppe der Auffälli- gen. Stets blieben also etwa 87 Prozent der Unauffälligen auch unauffällig.

Von den Kindern, die im Alter von acht Jahren als psychisch auffällig be- schrieben wurden, gehörten als 25- Jährige noch zehn bis 15 Prozent zur Gruppe der Auffälligen. Zu diesen sta- bil Auffälligen tragen Kinder mit hyper- kinetischen Störungen und Störungen des Sozialverhaltens oder der Kombi- nation beider Störungen am meisten bei. Deshalb findet man darunter we- sentlich mehr Männer als Frauen. Dem gegenüber ist die Stabilität emotionaler Störungen insbesondere im Kindesalter wesentlich geringer.

Bei den Teilnehmern der zitierten Kohortenstudie handelt es sich über- wiegend um Nichtbehandelte. Ver- laufsdaten für Behandelte lassen sich

´ Tabelle 1 ´

6-Monats-Prävalenzraten psychischer Auffälligkeiten nach ICD-10 (Kohorte der Mannheimer Kurpfalzstudie)

8 Jahre 13 Jahre 18 Jahre 25 Jahre

(n = 216) (n = 191) (n = 181) (n = 174)

(Prozent) (Prozent) (Prozent) (Prozent)

Gesamt 16,2 17,8 16,0 18,4

Männlich 22,2 22,0 14,8 20,2

Weiblich 10,2 13,0 17,2 16,7

Schwere Formen 4,2 4,5 3,9 6,3

Männlich 8,3 6,0 6,8 8,4

Weiblich 0,0 3,0 1,1 4,4

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am ehesten für stationär Behandelte, also Patienten mit stärkeren Beein- trächtigungen, finden (3). Übersichten zeigten bei mehr als 50 Prozent der Be- handelten günstige Langzeiteffekte, sofern eine adäquate psychiatrische Therapie erfolgte. Das gilt für die Sym- ptomatik mehr als für das Funktionsni- veau. Als am wenigsten veränderbar erwiesen sich familiäre Bedingungen.

Beste Prädiktoren für erfolgreiche Be- handlungen waren die Behandlungs- qualität (insbesondere kognitiv-beha- viourale Therapien), gute Nachsorge- systeme und das Funktionsniveau der Familien der Patienten. Das Symptom- spektrum beeinflusste die Langzeiter- folge nachhaltiger als die Diagnose.

Der Aufenthaltsdauer kam wie der In- telligenz nur mäßige prädiktive Be- deutung zu.

In der Falldefinition von Verlaufsstu- dien werden in der Regel kategoriale Diagnosen verwendet; sie beruhen also auf einer bestimmten obligaten Zahl von Symptomen, die zum Teil unter- schiedlich zusammengesetzt sind, dürf- ten aber doch ein im Wesentlichen ge- meinsames Symptommuster abbilden.

In der Great Smoky Mountains Study hatten von Kindern, die keine kinder- psychiatrischen Dienste in Anspruch nahmen, 17,9 Prozent eine Diagnose zu- geschrieben bekommen. Nur bei 6,2 Prozent war diese mit einer Beeinträch- tigung des Funktionsniveaus kombi- niert. Auf 8,9 Prozent traf eine solche Beeinträchtigung zu, ohne dass sich ei- ne kategoriale Diagnose definieren ließ. Tabelle 2 zeigt die entsprechenden

Raten für Inanspruchnehmer kinder- psychiatrischer Dienste.

Es gibt also einen nicht unerheblichen Prozentsatz von Kindern und Jugendli- chen, die deutliche Funktionseinschrän- kungen aufweisen, welche mit ihren kli- nischen Symptomen zusammenhängen, die das volle, für eine diagnostische Zu- ordnung nötige Symptommuster aber nicht aufweisen. Ein Hauptgrund für die Inanspruchnahme kinderpsychiatrischer Dienste ist nach dieser und anderen Stu- dien die Kombination einer psychischen Störung mit einer relevanten Entwick- lungsbeeinträchtigung.

Verlaufsbeobachtungen zeigen wäh- rend unterschiedlicher Katamnesezeit- räume für die Symptomatik eher eine diskrete weitere Besserung, für das Funktionsniveau relative Stabilität, für die Veränderung im Umfeld des Patien- ten eine Neigung zu deutlichen Ver- schlechterungen. Aus den Daten der herangezogenen Kohortenstudie lässt sich ableiten, dass das Funktionsniveau über 5-Jahres-Zeiträume bei circa 50 Prozent nichtbehandelter Individuen stabil bleibt.

Verlauf einzelner psychischer Störungen

Für einzelne psychische Störungen von Kindern und Jugendlichen haben Beob- achtungen der letzten Jahrzehnte nach- stehend wiedergegebene Persistenzra- ten und die genannten entwicklungs- psychopathologischen Risiken ermit- telt.

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperakti- vitätsstörungen – Die Symptombela- stung im Jugendalter beträgt 60 Pro- zent, 30 bis 50 Prozent setzen sich bis ins Erwachsenenalter fort. Bei Kombina- tionen mit Störungen des Sozialverhal- tens sind die Hauptrisiken in der Ado- leszenz Substanzmissbrauch und Delin- quenz. Die Raten für Substanzmiss- brauch sind bei Erwachsenen auch oh- ne komorbide Störung des Sozialver- haltens erhöht. Bei solchen Komorbi- ditäten besteht das Risiko antisozialer Persönlichkeitsstörungen. Die Progno- se ist günstiger, wenn im Kindesalter keine aggressiv-oppositionellen Auffäl- ligkeiten gegenüber Erwachsenen be- stehen. Komorbide Ängste und Depres- sionen sind stabil.

Störungen des Sozialverhaltens – Die Prognose ist ungünstig bei frühem Be- ginn. Breite, häufig auftretende Sym- ptomatik und komorbide hyperkineti- sche Störungen begünstigen schwere und persistente Verläufe. Spät begin- nende Formen bilden sich nach der Adoleszenz häufig zurück. Das Risiko von antisozialen Persönlichkeiten steigt mit niedriger Intelligenz und antisozia- len Persönlichkeitsstörungen der El- tern. Früher Beginn, niedrige Schulab- schlüsse und schlechter sozio-ökonomi- scher Status begünstigen Rezidive. Die Risiken für andere psychische Störun- gen, Substanzmissbrauch und niedriges Funktionsniveau sind erhöht. Soziale Kompetenz und positive Peer-Erfah- rungen begünstigen die Prognose (14).

Oppositionelle Störungen des Sozi- alverhaltens – Von Kindern mit oppo- sitionellen Störungen gehen im 3-Jah- res-Verlauf etwas weniger als die Hälf- te in eine Störung des Sozialverhaltens über. Die Übergänge werden begün- stigt durch Armut, niedriges Alter der Mutter, Substanzmissbrauch der El- tern, inkonsistenter Erziehung und mangelnder Aufsicht. Niedrige Intelli- genz, körperliche Auseinandersetzun- gen und schlechte Konditionierbarkeit beim Kind beeinträchtigen die Pro- gnose (13).

Tic-Störungen – Die Symptomatik von Tic-Störungen schwächt sich nach der Pubertät ab. Ein Drittel der Betrof- fenen wird bis zur Spätadoleszenz sym- ptomfrei, ein Drittel bessert sich bis zum Erwachsenenalter deutlich, bei ei-

´ Tabelle 2 ´

Verteilung von Diagnosen und (symptombezogenen) Beeinträchtigungen unter 9- bis 13-jährigen Nicht-Inanspruchnehmern und Inanspruchnehmern psychiatrischer Dienste

Klinische Diagnosen Nicht-Inanspruchnehmer Inanspruchnehmer

(Prozent) (Prozent)

Diagnose ohne Entwicklungs- 17,9 47,8

beeinträchtigung Entwicklungs-

beeinträchtigung 15,1 59,7

Diagnose allein 11,7 9,4

Diagnose und Entwick- 6,2 38,4

lungsbeeinträchtigung Entwicklungs-

beeinträchtigung allein 8,9 21,3

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nem Drittel bestehen Beeinträchtigun- gen durch Symptome fort. Risiken für Beziehungsstörungen und Arbeitslosig- keit sind erhöht, komorbide Depressio- nen, Angststörungen und selbstverlet- zendes Verhalten beeinträchtigen die Prognose. Beim Tourette-Syndrom häu- fen sich Schlafstörungen (5).

Enkopresis – Etwa zwei Drittel der weitaus größten Subgruppe mit Obsti- pation lässt sich erfolgreich behandeln.

Psychiatrische Komorbidität erschwert die Prognose (15).

Enuresis – Spontanremissionen re- duzieren die Symptomatik bei 18-Jähri- gen auf ein Prozent, darunter sind we- sentlich mehr Männer als Frauen. Erst in der Adoleszenz auftretende sekundä- re Enuresis hat eine schlechtere Pro- gnose und geht häufiger mit psychiatri- schen Störungen einher (32).

Mutismus – Bei Fortbestehen über das zwölften Lebensjahr hinaus ist die Prognose ungünstig. Die Risiken für schulische Minderleistungen, beeinträch- tigte Peer-Beziehungen und sekundärer Krankheitsgewinn sind erheblich. Per- sistente Störungen gehen mit sozia- len Phobien,Vermeidungsverhalten,Ver- weigerung und Zwangsstörungen ein- her (23).

Reaktive Bindungsstörungen – Die Kombination mit körperlicher und psy- chosozialer Deprivation führt zu Lang- zeitbeeinträchtigung bezüglich Wachs- tum und Intelligenzniveau. Emotionale Probleme und Entwicklungsverzöge- rungen sind häufig.

Trennungsangststörungen – Ein er- heblicher Prozentsatz der Betroffenen nimmt keine Hilfe in Anspruch oder re- mittiert ohne Behandlung. Unter den Behandelten zeigen weniger als zehn Prozent wiederholte Rückfälle und ins Erwachsenenalter fortgesetzte Behin- derungen. Chronische Schulverweige- rung geht im Erwachsenenalter mit schlechter Anpassung und psychiatri- schen Symptomen einher. Auch bei Wiederaufnahme des Schulbesuchs bleiben schlechtere emotionale und so- ziale Funktionen. Abhängigkeit, Soma- tisierungsneigung, Vermeidungshaltun- gen und schulische Minderleistungen erhöhen das Risiko für Fehlzeiten im Beruf und Arbeitslosigkeit (11).

Soziale Phobien – In der Adoleszenz erhöht sich das Risiko sozialer Fehlan-

passung und der Beeinträchtigung der Ausbildung (durch Schulverweigerung) sowie des Substanzmissbrauchs. Persi- stenz ins Erwachsenenalter ist häufig, dann kombiniert mit beruflichen Min- derleistungen, Depressionen, generali- sierten Angststörungen und sozialen Funktionseinschränkungen.

Generalisierte Angststörungen – Kinder mit generalisierten Angst- störungen behalten ihre Symptomatik wesentlich häufiger als Kinder mit Tren- nungsangststörungen. Im Erwachse- nenalter haben die kontinuierlich Auf- fälligen ein Risiko für depressive Ent- wicklungen und Somatisierungsstörun- gen. (16)

Panikstörungen – Kinder mit Panik- störungen entwickeln häufiger Agora- phobien auch Angststörungen und De- pressionen (1). Beginn vor der Pubertät ist ungünstig für den Verlauf (31).

Zwangsstörungen – Zwangsstörun- gen haben eine deutliche Tendenz zur Persistenz bis ins Erwachsenenalter, dann oft mit Beeinträchtigungen des Funktionsniveaus. Der Wunsch nach Distanzierung von den Zwängen be- günstigt die Behandlungsprognose. Das Risiko von Schulleistungs- und Peer- Beziehungsstörungen ist erhöht (33).

Anorexia nervosa – Bei Beginn in der Adoleszenz wird nach sieben- bis achtjährigem Verlauf – zum Teil nach Übergängen in eine Bulimie – mit 72 Prozent dauerndem Behandlungser- folg gerechnet. Chronische Verläufe weisen nach dieser Zeit 25 Prozent auf.

Angegebene Mortalitätsraten schwan- ken um fünf Prozent. Übergänge in ei-

ne Bulimie werden bei 20 Prozent beobachtet. Bei chronischen Verläu- fen treten später affektive und Angst- störungen, Substanzkonsum und Per- sönlichkeitsstörungen auf. Lange Krank- heitsdauer und hoher Gewichtsverlust vor Behandlung beeinträchtigen die Pro- gnose (9).

Bulimia nervosa – Spezifische Daten der in der Adoleszenz beginnenden Er- krankung liegen nicht vor. Mit chroni- schen Verläufen ist bei einem Drittel zu rechnen, die Mortalitätsrate ist mit un- ter einem Prozent angegeben. Über- gänge in affektive und Angststörungen, Substanzmissbrauch und Impulskon- trollstörungen häufen sich (7)

Posttraumatische Belastungsstörun- gen – Ein stabiles, unterstützendes Fa- miliensystem und eine sichere Umge- bung begünstigen die Prognose. Noch Jahre nach dem auslösenden Ereignis können Symptome mit Schlafstörungen und hilflosem Vermeidungsverhalten fortbestehen. Körperliche oder sexuelle Misshandlungen in der Vorgeschichte erhöhen das Lebenszeitrisiko für psy- chiatrische Symptome insbesondere für Frauen (20).

Geschlechtsidentitätsstörungen – Behandelte Mädchen zeigen als Er- wachsene eine größere Streuung bezüg- lich geschlechtlicher und sexueller Ori- entierung als Jungen. Eine Behandlung im Kindesalter ergibt bessere Resultate als die Behandlung in der Adoleszenz.

Später in Transsexualität übergehende Formen sind schwer beeinflussbar und zeigen mehr psychosoziale Anpassungs- probleme (17).

´ Tabelle 3 ´

Odds Ratios bei Persönlichkeitsstörungen mit vorangehenden Erkrankungen im Kin- des- und Jugendalter

Störung im Kindes- und Jugendalter Vervielfachung des Risikos für Persönlichkeitsstörungen Depressive Episoden Schizoide Persönlichkeitsstörung (10fach) („major depressive disorder“) Vermeidende Persönlichkeitsstörung (5fach)

Abhängige Persönlichkeitsstörung (4fach) Borderline-Persönlichkeitsstörung (3fach) Schizotype Persönlichkeitsstörung (3fach)

(unabhängig von Alter, Geschlecht und Komorbidität) Disruptive Störung Narzisstische Persönlichkeitsstörung (6fach)

Antisoziale Persönlichkeitsstörung (5fach) Störung mit Substanzkonsum Borderline-Persönlichkeitsstörung (2–3fach)

Vermeidende Persönlichkeitsstörung (2–3fach) Paranoide Persönlichkeitsstörung (2–3fach)

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Autismus – Frühkindliche autistische Störungen verschlechtern sich im Schul- alter durch Verstärkung von Zwängen und Selbstverletzungen. In der Adoles- zenz besteht das Risiko zerebraler An- fallsleiden. Spätes Auftreten der Sym- ptomatik, höheres Intelligenzniveau, soziale Fertigkeiten und Etablierung sprachlicher Kommunikation bis zum Alter von fünf Jahren begünstigen die Prognose (19).

Lese-Rechtschreib-Schwäche – Eine Behandlung verbessert die schrift- sprachlichen Leistungen in der Regel, jedoch verbleiben sie oft im Rahmen der in der Kindheit bestehenden Ab- weichung von der Norm. Die Prognose wird beeinträchtigt durch phonologi- sche Störungen in der Vorgeschichte, niedriges Intelligenzniveau und (häufi- ge) psychiatrische Begleiterkrankun- gen, insbesondere der Komorbidität mit hyperkinetischen Störungen. Das Risi- ko für Störungen des Sozialverhaltens ist erhöht. Im Erwachsenenalter sind bei Männern Ausbildungsabschlüsse niedrig und Arbeitslosigkeit häufiger (6). Das Gebäralter betroffener Frauen liegt niedriger.

Affektive Störungen – Ein Teil der Dysthymien geht in depressive Epi- soden über, die Wiederholungswahr- scheinlichkeit für depressive Episoden beträgt mehr als 30 Prozent. Treten Rückfälle früh auf, sind die Episoden länger und Suizidgedanken häufiger.

Beeinträchtigt sind Bildung und Ausbil- dungsabschlüsse sowie Peer-Beziehun- gen. Bei depressiven Episoden Jugend- licher mit plötzlichem Beginn, psycho- motorischer Retardierung, psychoti- schen Symptomen und hypomanischen Nachschwankungen sowie bei einschlä- gig belasteten Familienanamnesen ist der Übergang in bipolare Störungen häufiger (30).

Schizophrene Störungen – Schizo- phrene Störungen, die im Jugendalter anfangen, zeigen einen ungünstigeren Verlauf als im Erwachsenenalter be- ginnende. Schizophrene Störungen in der Adoleszenz beeinträchtigen die Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse bei zwei Dritteln der Betroffenen, ebenso häufig die psychosoziale An- passung an Erwachsenenrollen. Das Suizidrisiko ist höher als bei Erwach- senen (28).

Retrospektiv vermittelte Verlaufshinweise

Als Beispiel einer aktuellen, von Stö- rungen bei Erwachsenen ausgehenden und die Bedeutung vorangehender Be- handlungen in Kindheit und Adoles- zenz untersuchenden Studien, sei die von Ramklint et al. genannt. Die For- scher überprüften 150 früher stationär Behandelte auf Persönlichkeitsstörun- gen im mittleren Alter von 30 Jahren.

Die Störungen im Kindes- und Jugend- alter wurden in DSM-IV-Diagnosen überführt und ihre Bedeutung mittels logistischer Regressionen analysiert.

Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 zusam- mengefasst.

Die Resultate solcher Analysen sind abhängig vom Patientenkollektiv der vorbehandelnden kinder- und jugend- psychiatrischen Klinik. Bei randomisier- ten Patientenstichproben dürften darin im Kindesalter Patienten mit disrupti- ven Störungen – also hyperkinetischen Störungen und Störungen des Sozialver- haltens – den Anteil der depressiven Störungen überwiegen, sodass die Rolle der kinderpsychiatrischen Morbidität für antisoziale und narzisstische Persön- lichkeitsstörungen eher ins Gewicht fällt als die Bedeutung schizoider oder schizotyper Persönlichkeitsstörungen.

Auch kann diese Betrachtungsweise zwar größere Gruppen psychisch auffäl- liger Erwachsener retrospektiv erfas- sen, hat aber den Nachteil, dass keines- wegs alle Kinder und Jugendliche, zum Beispiel mit einer depressiven Störung, sich in die genannten Richtungen ent- wickeln müssen, sondern übersieht ihre mögliche Entwicklung in rezidivierende unipolare oder bipolare Störungen. Zu- dem ist das bei den Erwachsenen einbe- zogene Störungsspektrum begrenzt auf Persönlichkeitsstörungen (21).

Fazit

Die Angaben in dieser Übersicht sind selektiv und betreffen nicht alle psychi- schen Störungen des Kindes- und Ju- gendalters. Sie zeigen aber, wie unter- schiedlich Verlaufscharakteristika sein können. Sie zeigen weiter, dass mit Blick auf den Langzeitverlauf die thera- peutischen Bemühungen stärker auf

einzelne Krankheitsbilder konzentriert werden müssen.

Eine am wahrscheinlichen Verlauf ausgerichtete Behandlungsintensität er- scheint nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch unter dem Aspekt der

„subjektiven Kosten“ der Betroffenen, das heißt: bezogen auf Ausbildungs- und Einkommensniveau, Partnerschaften und Lebensqualität. Letztlich ist dieses Vorgehen wichtig wegen der bekannten Transgenerationseffekte, das bedeutet der Fortschreibung pathogener Bedin- gungen auf eigene Kinder bei unzurei- chenden Interventionen.

Eine Betrachtung psychischer Stö- rungen von Kindern und Jugendlichen, nicht unter Symptom- sondern Ver- laufsaspekten, haben Remschmidt et al.

(22) deswegen vorgeschlagen. Dieser Vorschlag soll die traditionellen sym- ptombezogenen Klassifikationsansätze überwinden helfen; er unterscheidet:

>Verhaltensvarianzen und Bela- stungsreaktionen: Sie umfassen Normab- weichungen im Entwicklungsverlauf, die aus differenzialdiagnostischen Gründen beachtet werden sollten (zum Beispiel Entwicklungsverzögerung der Sprache), oder Reaktionen auf in der Regel akute, gelegentlich mittelfristige Belastungen (beispielsweise Anpassungsstörungen).

>Frühbeginnende Störungen mit überdauernder Beeinträchtigung: Stö- rungen, die sich in der frühen Kindheit manifestieren und bis ins Erwachsenen- alter hinein oder lebenslang auswirken (autistische Syndrome; hyperkinetische Störungen des Sozialverhaltens).

>Entwicklungsabhängige Störungen:

Sie betreffen umgrenzte Funktionsbe- reiche, sind passager und remittieren in der Regel spontan (altersspezifische Phobien, sexuelle Reifungskrisen); ihre Prävalenzen sinken mit zunehmender Funktionsreifung und steigendem Ent- wicklungsstand.

>Altersspezifisch beginnende Stö- rungen: Sie treten in definierten Phasen von Kindheit und Adoleszenz auf und haben unterschiedliche Verläufe; sie setzen sich also zum Teil ins Erwachse- nenalter fort. Es wird angenommen, dass künftige Langzeitbeobachtungen zeigen, anhand welcher Merkmale ein Teil die- ser Störungen den entwicklungsabhängi- gen Störungen zugeordnet werden kann (Mutismus, Anorexia nervosa).

(6)

>Entwicklungsabhängige Interakti- onsstörungen: Störungen, die in einem bestimmten Alter und Entwicklungssta- dium aus gestörter Interaktion mit Be- zugspersonen resultieren. Sie nehmen mit der Abhängigkeit des Minderjähri- gen von seinen Bezugspersonen ab.

(Trennungsangststörungen; auf die Fami- lie beschränkte Störung des Sozialver- haltens).

>Früh beginnende erwachsenentypi- sche Störungen: Störungen, die überwie- gend im Erwachsenenalter vorkommen und in geringer Häufigkeit in der späten Kindheit oder Adoleszenz beginnen, sich aber in der Regel bis ins Erwachsenenal- ter fortsetzen (schizophrene Störungen, Panikstörungen).

Gemäß den Leitlinien zur Behand- lung psychischer Störungen im Entwick- lungsalter sind Behinderten- und Ju- gendhilfe gerade an den Interventionen bei Störungen mit ungünstigem Lang- zeitverlauf in erheblichem Umfang be- teiligt. Diese Verantwortung steht in ei- nem Missverhältnis zu der dort mitunter fehlenden Vorstellung von der Verlaufs- dynamik bestimmter Störungen (27) und von zielführenden Behandlungsmetho- den (8). Mehr Verlaufswissen sollte also sowohl in der Kinder- und Jugendpsy- chiatrie als auch in ihren Nachbardiszi- plinen zu weniger Spät- und Fehlbehand- lungen und zu einer ökonomischen Mit- telverwendung führen. Diese Erwartung ist auch angesichts des Wissens gültig, dass verschiedene psychische Störungen von Kindern und Jugendlichen nur teil- weise behoben werden können.

Manuskript eingereicht: 16. 3. 2004, angenommen:

30. 3. 2004

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 2536–2541 [Heft 38]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit3804 abrufbar ist.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Martin H. Schmidt Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Postfach 12 21 20

68072 Mannheim

E-Mail: schmidt@zi-mannheim.de

Kein erkennbarer Nutzen

Den Ausführungen der Autoren, dass Statine effektive Arzneimittel seien, deren präventiver Nutzen bei der koro- naren Herzkrankheit (KHK) nachge- wiesen wurde (erneut für Simvastatin in der HP-Studie mit positivem Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit) und dass in der HP-Studie eine deutliche Minde- rung des Schlaganfallrisikos bestätigt wurde, sprechen die Ergebnisse der

„number needed to treat“ (NNT) aus zahlreichen großen mit höchstem Evi- denzgrad ausgestatteten Statinstudien entgegen: So wurden in der erwähnten HP-Studie durch Simvastatin gegen- über einem Placebo ein tödlicher Schlag- anfall um 0,3 Prozent (NNT = 333) ver- ringert, ein nichttödlicher Schlaganfall um 1,3 Prozent (NNT = 77). Die Ge- samtsterblichkeit wurde um 1,8 Prozent (NNT = 55) reduziert, ein tödliches vas- kuläres Ereignis um 1,5 Prozent (NNT

= 67) verringert, ein tödliches korona- res Ereignis um 1,2 Prozent (NNT = 83) und ein nicht tödlicher Herzinfarkt wurde um 2,1 Prozent (NNT = 48) ge- senkt. Danach ist weder der von den Autoren propagierte effektive Nutzen für die Verhinderung eines zerebralen Insultes noch für die Gesamtsterblich- keit erkennbar, ebenso rechtfertigen die anderen minimalen Ereignisreduk- tionen beziehungsweise die hohen und schlechten NNT einen Simvastatinein- satz.

Durch die tägliche Einnahme von 40 mg Simvastatin kann nach fünf Jahren nur jeder 83 KHK-Patient vor einem

tödlichen koronaren Ereignis geschützt werden, 82 haben diesen Profit nicht.

Hochgerechnet würden von 8 300 KHK- Patienten nur 100 profitieren, der Rest von 8 200 hat, obwohl ebenfalls Simva- statin zu enormen Kosten eingenommen wurde, diesen Nutzen nicht.

Die NNTs der anderen großen Statin- studien (WOS, 4S, CARE, LIPID, LIPID follow up, PROSPER ASCOTT-LLA) betragen für die primären Endpunkte 30 bis 91, für die Gesamtmortalität 26 bis 500.

Über die NNT der Statin-Endpunkt- studien kann anschaulich die weitgehend fehlende Effizienz dieser Medikamente zur Sekundär- (Gesunde mit erhöhtem Cholesterin) und Tertiärprävention (vas- kuläre Risikopatienten mit normalem oder hohem Cholesterin) dargestellt werden. Die von den Berichtverfassern angeführten „positiven“ Statinwirkun- gen sind nicht relevant.

Gemeinschaftspraxis

Drs. med. Volker Traut und Hermann Hörscher Am Himmelreich 1, 79312 Emmendingen

Coenzym-Q-10-Mangel

Ich halte es für äußerst bedenklich, Stati- ne zur Cholesterinsenkung zu geben, da diese zu einem Coenzym-Q-10-Mangel führen. Coenzym Q 10 ist einer der wich- tigsten Faktoren zur Vermeidung von Herzinsuffizienz. Ich sehe es deswegen als Manko an, dass mit einem Medika- ment, das die Herzleistung reduziert, Cholesterin gesenkt wird. Würde sich ei- ne Universitätsklinik die Mühe machen, Coenzym-Q-10-Spiegel bei älteren Pati- enten zu bestimmen, würden weniger äl- tere Personen an Herzinsuffizienz ster- ben.

Dr. med. Barbara Würschnitzer-Hünig Bahnhofstraße 18, 87435 Kempten

Immunmodulatorische Wirkungen von Statinen

Wir begrüßen den aufschlussreichen Bei- trag zu den nichtlipidsenkenden Effek- ten von Hemmern der 3-Hydroxy-3-me- thylglutaryl-Coenzym-A- (HMG-CoA-) Reduktase („Statine“). Ergänzend muss zu dem Beitrag

Nichtlipidsenkende Effekte von Statinen

von

Dr. med. Michael Igel Dr. med. Thomas Sudhop Prof. Dr. med. Klaus von Bergmann

in Heft 6/2004

DISKUSSION

(7)

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Literaturverzeichnis Heft 38/2004

Verlauf von psychischen

Störungen bei Kindern und Jugendlichen

Martin H. Schmidt

Referenzen

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