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Archiv "Angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter" (06.03.1992)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

Angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter

A

m 7. 9. 1991 fand an der Kölner Universitätsklinik die 1. Tagung über angeborene Herzfehler im Adoleszenten- und Erwachsenenal- ter statt. Veranstalter war die dort im vergangenen Jahr gegründete

„Arbeitsgruppe für angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter", an der die Abteilung für Kinderkar- diologie (Direktor: Prof. Dr. U. Men- nicken), die Klinik III für Innere Me- dizin/Kardiologie (Direktor: Prof.

Dr. H. H. Hilger) sowie die Klinik für Herzchirurgie (Direktor: Prof. Dr. E.

R. deVivie) beteiligt sind. Die Ar- beitsgruppe hat sich eine lückenlose, fächerübergreifende Betreuung von Patienten mit angeborenen Herzfeh- lern zum Ziel gesetzt, die in der Kindheit beginnt und über die Ado- leszenz bis ins Erwachsenenalter reicht.

Erwachsene in der Kinderklinik?

Die Tagung hatte drei Haupt- themen. In der ersten Sektion gab Prof. Dr. H. C. Kallfelz, Direktor der Abt. für pädiatrische Kardiologie der Medizinischen Hochschule Hanno- ver, eine Einführung zu dieser Pro- blematik aus Sicht des Kinderkardio- logen. Nach statistischen Erhebun- gen der WHO von 1971 leiden acht bis zehn von 1000 Lebendgeborenen an einer Fehlbildung des Herzens oder der großen Gefäße. Durch die enormen Fortschritte der medika- mentösen Therapie, der interventio- nellen Kardiologie und der Herzchir- urgie konnte die primär hohe Letali- tät von über 80 Prozent soweit ge- senkt werden, daß mittlerweile über 70 Prozent von ihnen das Erwachse- nenalter erreichen konnten. Schon im Jahre 1983 konstatierte Perloff, daß in den vorausgegangenen 25 Jahren mehr als eine halbe Million Menschen mit funktionell bedeuten- den kardialen Mißbildungen auf-

grund einer internistischen und/oder chirurgischen Behandlung das Er- wachsenenalter erreichten.

Seit der ersten Ligatur eines persistierenden offenen Ductus Bo- talli im Jahre 1938 durch Frey in Düsseldorf und 1939 durch Gross in Boston sowie dem Beginn der Chir- urgie am offenen Herzen im Jahre 1954 ist die Operationsfrequenz sprunghaft angestiegen. In der Bun- desrepublik Deutschland wurden zwischen 1978 und 1985 etwa 5,7 Promille der lebend geborenen Kin- der wegen eines angeborenen Herz- fehlers operiert. Insgesamt ist der- zeit mit einem jährlichen Aufkom- men von etwa 3000 bis 4000 Kindern zu rechnen.

Viele Patienten haben auch nach Korrektur oder Palliation eine bessere, zum Teil auch normale Le- bensqualität, eine längere Lebenser- wartung und können das Erwach- senenalter erreichen. Probleme be- stehen für sie in Form von Herz- rhythmusstörungen, Herzinsuffi- zienz, pulmonaler Hypertonie, Endo- karditis, Schwangerschaft, zusätzlich erworbenen Herzerkrankungen und Reoperationen.

Um Spätfolgen rechtzeitig er- kennen und behandeln zu können, ist auch nach erfolgreichen Eingrif- fen in der Mehrzahl der Fälle eine weitere, meist lebenslängliche Über- wachung erforderlich. Solche Kon- trollen können aber nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn sich der behandelnde Arzt genauestens mit der Hämodynamik des zugrundelie- genden Herzfehlers, dem durchge- führten Operationsverfahren, mögli- chen Spätfolgen und neuentwickel- ten interventionellen und operativen Techniken auskennt. Dies ist bei ein- fachen angeborenen Herzfehlern, wie zum Beispiel Ductus Botalli, Pul- monalstenosen, Vorhof- oder Ven- trikelseptumdefekten meist unpro- blematisch. Vitien wie Fallot'sche Tetralogie und Pulmonalatresien,

Truncus arteriosus, Transposition der großen Gefäße, Tricuspidalatre- sien, Singuläre Ventrikel und andere sind aber so komplex, daß die Nach- sorge nur von Spezialisten durchge- führt werden sollte, die mit diesen Krankheitsbildern ausreichend Er- fahrung gesammelt haben. Bislang war dies naturgemäß den Kinderkar- diologen vorbehalten. So ist es nicht verwunderlich, daß viele Erwachsene mit komplexen Herzfehlern auch in höherem Alter noch in kinderkardio- logischen Zentren betreut werden.

Die betreuenden Kinderärzte wer- den jedoch zunehmend mit erwor- benen Erkrankungen des Erwach- senenalters konfrontiert, mit denen sie wenig klinische Erfahrung sam- meln konnten. Darüber hinaus ent- stehen auch logistische Probleme, wie zum Beispiel die Patientenauf- nahme in Kinderkliniken, nicht al- tersgerechte Instrumenten- und Ge- räteausstattung im Echo- oder Herz- katheterlabor oder auf der Intensiv- station. Somit wird verständlich, daß zwischen den primär betreuenden pädiatrischen Kardiologen und den nachsorgenden Erwachsenenkardio- logen wieder eine Brücke geschlagen werden muß. Dies ist im günstigsten Falle dadurch zu erreichen, daß Kin- derkardiologen, Kardiologen und Herzchirurgen interdisziplinär zu- sammenarbeiten. So können pädia- trische Kardiologen, die in der Regel ein viel engeres Verhältnis zu ihren Patienten aufgebaut haben, als etwa Internisten es je bekommen, diese an die „Erwachsenenklinik" übergeben, ohne sie ganz aus den Augen zu ver- lieren. Damit wird es vielleicht er- möglicht, aus „wirklichen" Langzeit- verläufen, die Jahrzehnte umfassen, Konsequenzen für künftige Patien- tengenerationen zu ziehen.

Im Anschluß an diese Ausfüh- rungen stellte Prof. Dr. J. Perloff, University of California, Los Angeles (UCLA), das von ihm 1979 begrün- dete Programm zur Betreuung ange- Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992 (81) A1-813

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borener Herzfehler bei Erwachsenen vor. In das „adult congenital heart disease programm" werden Patien- ten aufgenommen, die das 18. Le- bensjahr und/oder eine entsprechen- de Reife erlangt haben. Sie werden von einem sehr erfahrenen, interdis- ziplinär arbeitendem Team weiterge- führt, dem neben Pädiatern, Interni- sten und Herzchirurgen auch spezi- ell ambitionierte Vertreter der Fach- richtungen Pathologie, Anästhesie, Hämatologie, Rheologie, Nephrolo- gie, Pulmonologie, Radiologie, Nu- klearmedizin und psychosozialer Medizin angehören.

An der UCLA existiert mit die- ser Einrichtung ein weltweit führen- des Zentrum, an dem die meisten der oben geäußerten Vorstellungen schon verwirklicht wurden.

TEE und MRT

Der zweite Teil der Tagung be- handelte den Einsatz bildgebender Verfahren in der Verlaufskontrolle angeborener Herzfehler. Anhand von Fallbeispielen erläutern Prof.

Dr. J. M. Curtius, Klinik III für Inne- re Medizin, Köln, Methodik und Aussagekraft der transösophagealen Echokardiographie (TEE), PD Dr.

U. Sechtem, Klinik III für Innere Me- dizin, Köln, die der Magnetreso- nanztomographie (MRT) bei dieser Fragestellung.

Wegen der einfacheren Handha- bung und leichteren Verfügbarkeit wird die transösophageale Echokar- diographie vielfach frühzeitig einge- setzt. Genauer als in der MRT lassen sich hier Gradienten an Klappen- oder Gefäßstenosen quantifizieren.

Sie kann darüber hinaus auch intra- operativ und bei intensivpflichtigen Patienten durchgeführt werden. In- dikationsgebiet und Aussagekraft der TEE wird sich in naher Zukunft durch Verwendung bi- oder multi- planer Echosonden noch ausdehnen.

Demgegenüber bietet die Ma- gnetresonanztomographie gerade bei schwierigen anatomischen Ver- hältnissen den Vorteil der besseren Übersicht bei großem Gesichtsfeld, beliebig wählbarer Schnittführung und hoher räumlicher Auflösung.

Klappenfunktion, Shuntverbindun-

gen sowie die Funktion der Ventri- kel können zumindest semiquantita- tiv bewertet werden.

TEE und MRT ergänzen sich in- zwischen in der Primärdiagnostik so- wie bei der postoperativen Beurtei- lung anatomischer und funktioneller Abnormitäten derart, daß zumindest ein Teil der früher üblichen Herz- katheteruntersuchungen eingespart werden kann.

Diagnostik, Therapie und Nachsorge

Teil drei der Tagung beschäftig- te sich mit einem speziellen Krank- heitsbild, der Transposition der gro- ßen Gefäße (TGA).

Privatdozent Dr. G. Arnold, In- stitut für Pathologie, Köln, beschrieb die pathologische Anatomie dieser Fehlbildung und lieferte damit die theoretischen Grundlagen zu den Ausführungen von Frau Dr. S. Schik- kendantz, Abteilung für Kinderkar- diologie, Köln, über Diagnostik, me- dikamentöse und interventionelle Therapie dieses Krankheitsbildes im Kindesalter. Die Möglichkeiten der chirurgischen Behandlung zeigte Prof. Dr. deVivie, Klinik für Herz- chirurgie, Köln, auf. Er beschrieb die verschiedenen Operationsverfahren der Vorhofumkehroperation nach Mustard oder Senning, die als „arte- rial-switch" bezeichnete anatomi- sche Korrekturoperation sowie die Anlage von extrakardialen Conduits, zum Beispiel im Sinne einer Rastelli- Operation.

Den Abschluß bildeten zwei Vorträge, die sich mit den Proble- men nach einer Vorhofumkehrope- ration beschäftigten. Dr. Dr. H.

Kaemmerer, Klinik III für Innere Medizin, Köln, gab einen Überblick über Klinik, Diagnostik und Thera- pie der wichtigsten anatomischen und funktionellen Rest- und Folge- zustände der Mustard-Operation.

Als wichtige Punkte wurden dabei anhand kernspintomographischer Befunde Baffle-Lecks, system- oder pulmonalvenöse Obstruktionen, linksventrikuläre Ausflußbahnob- struktionen und Trikuspidalklappen- insuffizienzen besprochen. Besonde- re Betonung fanden die funktionel-

len Aspekte der Ventrikelfunktion und die Funktion der rechten Herz- kammer, die in diesem speziellen Fall als Systemventrikel fungieren muß.

Abschließend befaßte sich Prof.

Dr. Kallfelz, Hannover, mit der Pro- blematik bradykarder und tachykar- der Herzrhythmusstörungen, die ne- ben den oben gen. Problemen die be- deutsamste Komplikation nach Vor- hofumkehroperation darstellen.

Ein letzter, sehr wichtiger Ge- sichtspunkt betraf die psychosoziale Situation Jugendlicher und junger Erwachsener mit angeborenen Herz- fehlern. Dieser Aspekt wurde von Dr. Eyermann, Kinderklinik des Deutschen Herzzentrums, München, im Rahmen einer Posterdemonstati- on zur Diskussion gestellt. Zu die- sem Problemkreis gehört auch die Hilfestellung in Alltagsproblemen wie Versicherungsfragen, Schwierig- keiten bei Berufswahl und Anstel- lung.

Die große Teilnehmerzahl und die angeregte Diskussion ließen er- kennen, daß die Problematik des an- geborenen Herzfehlers im Erwach- senenalter erkannt wurde. Es ist zu hoffen, daß es gelingt, einen Kontakt zwischen der Arbeitsgruppe der Köl- ner Klinik und Kollegen, die Patien- ten mit angeborenen Herzfehlern betreuen, herzustellen. Nur durch regen Meinungsaustausch ist es mög- lich, zum Nutzen und Wohle der Pa- tienten größere Erfahrungen auf die- sem Gebiet zu sammeln.

Dr. med. Dr. vet. Harald Kaemmerer, Privatdozent Dr. med. Udo Sechtem Arbeitsgruppe für angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter Joseph-Stelzmann-Straße 9 Universitätskliniken Köln W-5000 Köln 41

A1-814 (82) Dt. Ärztebl. 89, Heft 10, 6. März 1992

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