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Archiv "Die hyperkinetische Störung im Jugend- und Erwachsenenalter – Diagnose: hyperaktive Störungen" (29.10.1999)

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Zu dem sehr lesenswerten Arti- kel bleibt von neurologischer Seite nur anzumerken, daß es sich bei den Beschreibungen um hyperaktive und nicht um hyperkinetische Störungen handelt. Denn die Hyperkinesien sind gekennzeichnet durch pathologische Substrate im extrapyramidalen Sy- stem, speziell in den striären Anteilen.

Zu diesen Krankheitsbildern gehören zum Beispiel die Chorea Huntington, die Chorea Sydenham, dystone Syn- drome, Athetosen. Generell sind die- se Kranken von unwillkürlichen, nicht unterdrückbaren, bizarr anmutenden Bewegungsabläufen geplagt. Der Muskeltonus ist pathologisch herab- gesetzt. Es handelt sich also um ganz andere Symptome, als bei hyperakti- ven Kindern zu beobachten sind. Wo wir in der Medizin unterscheiden kön- nen, sollten wir es tunlichst auch tun.

Prof. Dr. med. Wolfgang Firnhaber Neurologische Klinik

des Klinikums Darmstadt

Mangoldweg 25 · 64287 Darmstadt

Erfreulicherweise wurde hier ein längst überfälliger und kompetenter Artikel über dieses auch im Erwach- senenalter häufig auftretende Stö- rungsbild veröffentlicht. Es besteht mit Sicherheit ein noch erheblicher Aufklärungsbedarf in der Ärzteschaft und insbesondere bei den hausärztlich tätigen Kollegen.

Kennzeichnend ist eine mehr oder weniger ausgeprägte Desorgani- sation (Stichwort „messies“) und eine Affektlabilität dieser Patienten. Dies führt zwangsläufig in den meisten Le- bensbereichen zu einer steten Anein- anderreihung von Mißerfolgserleb- nissen und damit immer wieder zu heftigen Verstimmungen, die ebenso zwangsläufig in Somatisierungen ihr Ventil finden – im Erscheinungsbild

„kompliziert neurotisch“ und frustrie- rend therapierefraktär. Keinesfalls im Gegensatz hierzu steht die oft verblüf- fende Leistungsfähigkeit in einzelnen

Bereichen, die allerdings von einer an Ausschließlichkeit grenzenden Moti- vation getragen wird.

Als erfahrene Behandler auch vieler Erwachsener drängt es uns je- doch, einige kritische Anmerkungen zu machen:

Praktische Beobachtungen spre- chen dafür, daß die Intensität der Störung im höheren Lebensalter (ab etwa 40 Jahre) nicht abnimmt.

Leider verwenden die Autoren die Diagnose „hyperkinetische Störung“

des ICD-10, obwohl die meisten Kolle- gen beipflichten würden, daß diese ICD-10 auch nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Erheblich aktueller und näher an der Realität ist die Diagnose des DSM IV „Aufmerksamkeitsdefizit/

Hyperaktivitätsstörung“ mit den drei Subtypen vorwiegend unaufmerksam, hyperaktiv/hyperimpulsiv und dem am häufigsten vorkommenden Kombinati- onstyp. Außerdem ist nur dort das Störungsbild in Residualform bei Ju- gendlichen und Erwachsenen ausge- wiesen. Allerdings spielt die Hyperak- tivität im Erwachsenenalter kaum noch eine Rolle, wohl der Hauptgrund für die lange Verkennung der Persistenz der Störung.

Das Leitsymptom der mangelhaf- ten Impulskontrolle inklusive der meist extremen Emotionsschwankungen ist unter Alkohol keineswegs ausgepräg- ter. Der überdurchschnittlich hohe An- teil von Alkoholmißbrauch erklärt sich durch eine subjektiv zumindest zu- nächst erlebte Ausgeglichenheit. Der Alkohol ist somit im Rahmen einer

„Selbstmedikation“ zu sehen.

Äußerst problematisch erscheint die Forderung des Nachweises einer hyperkinetischen Störung im Kindes- alter nach Angaben des Patienten und unabhängig davon nach Angaben zu- mindest einer Bezugsperson. Syn- dromtypisch kann der Patient auf- grund seiner mangelhaften Selbst- überwachung und -wahrnehmung häufig nur schlecht über sich berichten und dissimuliert darüber hinaus nicht selten. Fremdanamnestisch sollten al- lerdings auch Schulzeugnisse oder an- dere frühe Beurteilungen genügen dürfen.

Aktuelle internationale For- schungsergebnisse zeigen, daß Mäd- chen überwiegend dem nicht hyperak- tiven, sondern dem vorwiegend unauf-

merksam/impulsiven Typus angehö- ren, der oft erst im Jugendalter über- haupt auffällig wird – oder gar erst nach Geburt des ersten Kindes. Im Er- wachsenenalter scheint die Geschlech- terverteilung gleichmäßig zu sein, was bei als höchstwahrscheinlich ange- nommener Erblichkeit nur den Schluß zuläßt, daß im Kindes- und Jugendal- ter mit seiner „jungslastigen“ Diagno- sehäufigkeit viele Mädchen schlicht- weg nicht als betroffen erkannt wer- den, „weil Mädchen ja auch ruhig ein bißchen verträumter sein dürfen“.

Die Autoren warnen davor, hin- ter jeder emotional-instabilen oder dissozialen Persönlichkeit ADS zu su- chen. Sicher unter dem Aspekt, hier keiner – wie schon mancherorts geäußert – „Modediagnose“ Vor- schub zu leisten. Das ist verständlich, paßt aber nicht zu einer anzunehmen- den Prävalenz der Störung von sechs bis acht Prozent in der Bevölkerung.

Es ist sehr wohl häufig, daß eine le- benslang erfahrene Aneinanderrei- hung von Mißerfolgs-, Frustrations- und sozialen Ablehnungserlebnissen zu mannigfaltigen Persönlichkeits- störungen führen.

Wir würden eine sichere Diagno- sestellung nicht unbedingt zwingend durch Kinder- und Jugend-, sowie Er- wachsenenpsychiater als Vorausset- zung für die medikamentöse Therapie stellen lassen. Es erscheint uns we- sentlich wichtiger, daß Diagnostik und Therapie in den Händen erfahrener Kompetenz liegen sollte, zumal ADS nicht üblicherweise in Lehrplänen der Universitäten und in der psych- iatrischen Weiterbildung enthalten ist, somit also in weiten Kreisen der Ärzteschaft und auch der Kinder- und Jugend-, sowie Erwachsenenpsychia- ter zuwenig Kenntnis besteht.

Wir sind uns darüber im klaren, daß wir noch einen weiten Weg der Wissensverbreitung vor uns haben und betonen nochmals, daß wir alles begrüßen, was der Sache ADS und der Multiplikation profunder Infor- mationen darüber dient.

Dipl.-Psych. Cordula Neuhaus Alleenstraße 29 · 73730 Esslingen Thomas Wirth

Facharzt für Allgemeinmedizin Benzengasse 11/1 · 71636 Ludwigsburg

A-2755

M E D I Z I N DISKUSSION

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 43, 29. Oktober 1999 (59)

Diagnose:

hyperaktive Störungen

Kritische Ergänzungen

(2)

Die Übersichtsarbeit von Over- meyer und Ebert und andere Arbei- ten haben die Grundlagen gelegt, da- mit diese Erkrankung vermehrt dif- ferentialdiagnostisch erwogen wer- den kann, was bisher sicherlich nur bedingt der Fall war. Die Notwen- digkeit einer entsprechenden Kom- petenz von ärztlicher Seite ergibt sich auch, weil inzwischen eine Viel- zahl von Büchern vorliegt, die die Patienten motivieren, sich selbst mit der Frage der Differentialdiagnose eines möglicherweise bestehenden Aufmerksamkeitsdefizites beim Arzt vorzustellen (1, 2, 3, 4). Dies gilt für Eltern, deren Kinder Lernschwierig- keiten, Verhaltensauffälligkeiten so- wie Impulskontrollstörungen zeigen, aber auch für Erwachsene mit Aufmerksamkeitsstörungen, Persön- lichkeitsstörungen sowie Depressio- nen.

Unter der Verdachtsdiagnose des Aufmerksamkeitsdefizit - Syndroms kommt es damit zu der Vorstellung ei- ner Vielzahl von Patienten, deren Störung bisher unklar blieb, unbefrie- digend behandelt wurde, oder die mit der bisherigen Einordnung ihrer Störung nicht zufrieden waren.

Deshalb muß vor jedweder the- rapeutischen Überlegung – banal ge- sprochen – eine genaue Differential- diagnose erfolgen: beispielsweise zeigen sich Symptome der Unauf- merksamkeit bei Kindern mit niedri- gem IQ, die eine für ihre intellektu- elle Fähigkeit ungeeignete Schule besuchen. Dies gilt selbstverständ- lich auch für Kinder mit hoher Intel- ligenz, die eine Schule besuchen, die sie zu wenig fordert und anregt. In beiden Fällen liegt also keine Auf- merksamkeitsstörung im eigentli- chen Sinne vor.

Typischerweise beginnen Sym- ptome der Unaufmerksamkeit bei affektiven Störungen, Angststörun- gen, Dissoziationsstörungen, Per- sönlichkeitsstörungen nach dem siebten Lebensjahr, so daß in diesen Fällen kein Aufmerksamkeitsdefi- zitsyndrom vorliegt. Bei Erwachse- nen läßt sich diese differenzierte Anamnese aber oftmals kaum erhe-

ben, weil anamnestische Angaben fehlen: Die Lehrer sind nicht mehr erreichbar, Eltern sind verstorben oder Kontakte aus den Jugendjahren bestehen nicht mehr, Zeugnisse sind nicht mehr auffindbar, so daß die Störung nicht eindeutig zu diagnosti- zieren ist. Gleichzeitig unterliegen anamnestische Angaben nach vielen Jahren retrospektiv einem Wandel (5). Der notwendigen strikten An- wendung der diagnostischen Richtli- nien des DSM IV stehen eigene Er- fahrungen bei der Analyse der

„Krankengeschichte“ mehrerer Fa- milien mit hyperkinetischem Syn- drom gegenüber.

Bei der klinischen und neuro- psychologischen Untersuchung von mehreren Familien, deren Mitglie- der in drei Generationen ein hyper- kinetisches Syndrom (HKS) aufwei- sen, zeigte sich, daß das Syndrom, wie im übrigen auch bei anderen neurogenetischen Krankheitsbil- dern, offenbar auch abortive Mani- festationen zeigen kann. Patienten mit „Schwachformen“ der Erkran- kung berichten nicht eine typische Krankengeschichte mit Hyperakti- vität, Impulskontrollstörungen, mo- torischen Auffälligkeiten oder be- wußt erlebten Aufmerksamkeits- störungen, die zu Schulproblemen führten. Einem erwachsenen Famili- enmitglied war seit seiner Jugend nur die verminderte Aufmerksam- keitsspanne auffällig, die ihn dazu zwang, immer länger am Schreib- tisch zu sitzen, als andere Mitschüler sowie seine Berufskollegen. Die Diagnose der „Störung“ wurde erst erwogen, weil bei den Kindern ein- deutig HKS diagnostiziert wurde.

Dieser Umstand weist auf ein gewis- ses Dilemma, insbesondere bei der Diagnose der sporadisch auftreten- den Störungen hin und stützt die Notwendigkeit der Etablierung von neurogenetischen Studien (Segrega- tionsanalysen).

Hilfreich ist neben der entschei- denden Anamnese der Betroffenen und der neuropsychologischen Te- stung der Patienten der sogenannte TOVA-Test (test of variables of at- tention), der es gestattet, über eine einfache, nonverbale (visuelle oder auditive) Aufgabenstellung Fehler- muster zu erkennen und so Rück-

schlüsse auf eine vorliegende Auf- merksamkeitsstörung zu ziehen. Die Messung von richtigen und falschen Antworten, eine Bestimmung der Reaktionszeiten und eine Auswer- tung der Daten nach statistischen Gesichtspunkten werden computer- gesteuert durchgeführt. Die Evalua- tion der Leistung des Probanden er- folgt über eine Datenbank mit al- tersabhängigen Normwerten, die zum Vergleich herangezogen werden (5). Der Test kann aber auch zur quantitativen Erfassung und Über- prüfung der Wirksamkeit medika- mentöser Therapien herangezogen werden. Dabei ist einerseits der ob- jektivierbare Vergleich zwischen der Wirksamkeit verschiedener medika- mentöser Behandlungen möglich.

Andererseits kann eine optimale Ba- lance zwischen einer Symptomre- duktion des HKS und dem Auftreten von Nebenwirkungen erreicht wer- den. Dies ist insofern relevant, als daß sich die Anpassung der Dosis als Problem erweisen kann (6). Der TOVA-Test erlaubt überdies die the- rapiebegleitende Prüfung der Auf- merksamkeit und Reaktionszeit, so daß eine langsame Titration der me- dikamentösen „Therapie“ möglich ist. Damit werden durch die compu- tergestützte Aufmerksamkeitsprü- fung Überdosierungen vermeidbar.

Literatur beim Verfasser Priv.-Doz. Dr. med.

Victor-Felix Mautner Klinikum Nord-Ochsenzoll Neurologische Abteilung Langenhorner Chaussee 560 22149 Hamburg

Nun wissen wir es also: Es gibt scheinbar eine Rotte „unaufmerksa- mer“, „geistesabwesender“ Kinder und neuerdings auch Erwachsener mit gefährlichem Hang zu „Alkohol/

Drogenmißbrauch“ und „dissozialen Persönlichkeitszügen“. Diese Perso- nen wollen sich einfach „nicht unter- ordnen“ und „Anweisungen durch- führen“. – Oh, jeh! All diese leiden A-2756

M E D I Z I N DISKUSSION

(60) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 43, 29. Oktober 1999

Differentialdiagnose jetzt möglich

Einseitig biologische

Sichtweise

(3)

an einem hyperkinetischen Syn- drom. Allerdings ist die Hyperakti- vität „nicht obligat“, oft wirken diese Personen einfach nur „gelangweilt“

und „dysphorisch“. Aber wie soll man sie dann erkennen? Dabei bräuchten diese Personen nur einen guten Arzt, der ihnen Ritalin und Amphetamin nebst etwas Verhal- tenstherapie rezeptiert.

Entgegen weit verbreiteter und immer wieder publizierter Ansicht, gibt es bis heute keine epistemolo- gisch saubere wissenschaftliche Un- tersuchungen, die im Falle eines so- genannten hyperkinetischen Syn- droms den Behandlungserfolg mit Stimulanzien zweifelsfrei belegt. In der frankophonen Literatur wird ei- ne neuro-physiologische Begrün- dung des hyperkinetischen Syn- droms sogar weitgehend bestritten.

In den Tagen einseitig biologisch ori- entierter Psychiatrie bleiben abwei- chende Konzeptualisierungen wohl besser verschwiegen.

Gänzlich unbeachtet bleiben in dem Artikel die dynamischen Rela- tionen zwischen Sozialisations- und Enkulturationsbedingungen und die Symptommanifestation als wesent- licher causa. Wer sich klinisch ein- gehend mit unruhigen Kindern be- schäftigt, kann beobachten, daß noch jedes „hyperkinetische“ Kind bei ausreichender Einzelzuwendung sta- bile Aufmerksamkeit und emotiona- le Ausgeglichenheit erzielen kann.

Dr. med. et lic. theol.

Peter Hellwege

Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

Frankenweg 46 · 21680 Stade

Aus verschiedenen Perspektiven kritisieren zwei Stellungnahmen den Begriff der „hyperkinetischen Stö- rung“ aus der ICD-10-Klassifikation.

Wir schließen uns der Meinung an, daß die aus der amerikanischen DSM- IV-Klassifikation entlehnte Diagnose

„Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperakti- vitätsstörung“ die Störung besser be- schreibt (siehe hierzu auch eine um- fassende Nomenklatur-Diskussion in

1). Die amerikanischen Kriterien sind weicher und bedingen deshalb eine höhere Prävalenz der Störung (2).

Die Zuschriften spiegeln die Diskussion über die Diagnosekrite- rien der Störung. So wird einerseits die Diagnose an sich, sogar im Kin- desalter, angezweifelt, andererseits werden weniger ausschließende Dia- gnosekriterien oder „Diagnosepro- zeduren“ gefordert oder es wird auf unterdiagnostizierte „Abortivfor- men“ der Erkrankung hingewiesen.

In Kenntnis dieser Kontroverse und um nicht eine zu häufige Diagnose durch im Umgang mit dem Krank- heitsbild wenig Erfahrene zu för- dern, haben wir in unserem Beitrag konservative Diagnosekriterien an- gegeben.

Nach unserer Erfahrung wird dadurch das Risiko vermindert, die Störung falsch positiv zu diagnosti- zieren, während falsch negative Dia- gnosen bei strenger Anwendung der Kriterien durchaus möglich sind.

Dementsprechend begrüßen wir die Hinweise auf die zu seltene Diagno- sestellung bei Mädchen/Frauen und auf die Notwendigkeit, Abortivfor- men zu beachten. Diese Mitteilun- gen entsprechen unseren ähnlichen klinischen Erfahrungen.

Mehrere Zuschriften widmen sich der Ätiologie der Störung. Wir haben uns in dem Beitrag darauf be- schränkt, wenig umstrittene oder aufgrund der Datenlage konsistente wissenschaftliche Untersuchungen zu erwähnen. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist die Ätiologie der Störung nicht geklärt, und es ist auch offen, ob eine einzelne oder ver- schiedene mögliche Ursachen zum gleichen phänomenologischen Bild führen.

Der Beitrag von Michael Peter Jaumann fügt den erwähnten Hypo- thesen eine weitere in Form einer

„Allergiehypothese“ hinzu. Diese ist zwar umstritten, aber, wie der Bei- trag zeigt, durch Untersuchungen belegt und weiter überprüfbar.

Auf die fehlende Berücksichti- gung psychodynamischer und sozio- kultureller Einflußfaktoren, wobei aber ausschließlich auf die Störun- gen im Kindesalter Bezug genom- men wurde, sowie auf den therapeu- tischen Nutzen von Psychopharmaka

gehen weitere Beiträge ein. Nach un- serer klinischen Erfahrung und auch wissenschaftlichen Untersuchungen ist der Einsatz von biologischen und/oder psychotherapeutisch ori- entierten Therapieverfahren ge- rechtfertigt.

Literatur

1. Krause K-H, Krause J, Trott G-E: Das hyperkinetische Syndrom (Aufmerksam- keitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) des Erwachsenenalters. Nervenarzt 1998; 69:

543–556.

2. Toone BK, van der Linden GJ: Attention deficit hyperactivity disorder or hyperki- netic disorder in adults. Br J Psychiatry 1997; 170: 489–491.

Dr. med. Stephan Overmeyer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie

Friedrich-Schiller-Universität Philosophenweg 3–5

07740 Jena

A-2757

M E D I Z I N DISKUSSION

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 43, 29. Oktober 1999 (61)

Schlußwort

Berichtigung

In Heft 42 vom 22. Oktober 1999 wurde aufgrund eines technischen Versehens die Abbildung 1 zweimal reproduziert. Die korrekte Abbildung 2 ist hier dargestellt.

Abbildung 2: S.K. (4 Jahre, 3 Monate): Fallot’sche Te- tralogie, postoperativer AV-Block nach Korrektur-OP (6/92), myokardiale VVI-Implantation 6/92, Um- wandlung in ein DDD-System 6/95

(4)

ie Arbeitsgruppe „Genfer Ge- spräche GnRH-Agonisten in der Gynäkologie“ erarbeitete im Frühjahr 1999 einige Grundsätze zur Therapie des prä- und perime- nopausalen Mammakarzinoms. Zur Zeit sind weltweit acht Millionen Frau- en erkrankt. In Deutschland erkranken jedes Jahr 45 000 Frauen, wobei der Al- tersgipfel derzeit bei 55 bis 60 Jahren liegt. Aktuell erkrankt etwa jede neun- te Frau im Laufe ihres Lebens an einem Mammakarzinom. Therapie der ersten Wahl ist die chirurgische Entfernung des Primärtumors und der axillären Lymphknoten (gegebenenfalls des Sentinel-Lymphknotens, derzeit Ge- genstand klinischer Studien) mit bezie- hungsweise ohne nachfolgende Be- strahlung, je nach chirurgischer Vorge- hensweise. In vielen Fällen ist eine me- dikamentöse adjuvante Nachbehand- lung erforderlich, da bereits mit einer okkulten Fernmetastasierung gerech- net werden muß. Nodal positive Patien- tinnen sind dabei im Vergleich zu nodal negativen Patientinnen deutlich ge- fährdeter, Fernmetastasen zu manife- stieren. Bei der prä- und perimenopau- salen Frau wird heute in vielen Fällen eine adjuvante Chemotherapie, bei- spielsweise mit Cyclophosphamid-/Me- thotrexat-/5 Fluorouracil-Schema oder anthracylin- beziehungsweise taxan- haltigen Kombinationen, durchge- führt. Hierdurch läßt sich sowohl das rezidivfreie Überleben als auch das Ge- samtüberleben im Vergleich zu unbe- handelten Patientinnen um zirka 25 Prozent verbessern, wobei der absolute Nutzen bei acht bis zehn Prozent liegt (nach Daten der EBCTCG-Studie).

Der Nutzen der Chemotherapie ist da- bei sowohl für nodal positive als auch nodal negative Patientinnen gesichert.

Bei etwa der Hälfte der prä- und peri- menopausalen Patientinnen liegt ein hormonabhängiger Tumor, definiert durch einen positiven Hormonrezep- torbefund, vor. Diese Patientinnen können von einer antiöstrogenen The-

rapie profitieren. Für die Hormonre- zeptorbestimmungen haben sich in den letzten Jahren immunhistochemische Methoden mit monoklonalen Antikör- pern durchgesetzt. Diese können auch am paraffineingebetteten Material oder an kleinen Tumoren und Rezidi- ven durchgeführt werden.

Therapie mit GnRH-Agonisten

Die aktuellen Metaanalysen zur Ovarektomie in der adjuvanten Situati- on haben gezeigt, daß in der Prä- und Perimenopause die Ovarektomie der Chemotherapie hinsichtlich der Ver- besserung des rezidivfreien Überle- bens, aber auch des Gesamtüberlebens, mindestens ebenbürtig ist. Aktuell wird geprüft, ob die Effekte der Ovarekto- mie sich auch durch einen auf zwei Jah- re befristeten Hormonentzug durch die Gabe von Gonadotropin-Releasing- Hormon-(GnRH-)Agonisten erzielen lassen. GnRH-Agonisten bewirken ei- ne medikamentöse reversible und da- mit steuerbare endokrine Regulation auf ein niedrigeres Niveau, wobei die sekundären Erscheinungen (bedingt durch die Östradiolsuppression) dem klimakterischen Beschwerdebild glei- chen. Im Stadium der Fernmetastasie- rung ist das oberste Ziel eine Lebens- verlängerung bei guter Lebensqualität.

Bei rezeptorpositiven Patientinnen oh- ne deutliche klinische Beschwerdesym-

ptomatik ist eine Erstlinientherapie mittels endokriner Schritte zu überle- gen. Die mediane Überlebenszeit liegt bei nicht foudroyanter Metastasierung nahezu unabhängig von der gewählten Therapieform bei etwa zwei Jahren.

Die objektiven Ansprechraten bei GnRH-Agonisten liegen bei Hormon- rezeptor-positiven Tumoren bei 30 bis 40 Prozent. Die mediane Dauer des Ansprechens beträgt etwa zwölf Mona- te. Bei einem initialen Ansprechen wird die GnRH-Agonisten-Therapie bis zum Progreß fortgesetzt. An- schließend ist eine Kombinationsthera- pie des GnRH-Agonisten mit einer zweiten endokrin wirksamen Substanz (Tamoxifen, Aromatasehemmer, Ge- stagene) sinnvoll. Allerdings deuten er- ste Studienergebnisse darauf hin, daß eine primäre Kombination (GnRH plus Tamoxifen, GnRH plus Aromata- sehemmer) höhere Wirksamkeit zeigt als eine Monotherapie oder als eine Se- quenztherapie. In etwa 20 Prozent der Fälle kann durch eine erneute endokri- ne Kombination ein Ansprechen er- zielt werden. Bei einer primären Pro- gression ist die Umstellung auf eine Chemotherapie in Erwägung zu zie- hen. Eine endokrine Therapie beim metastasierten prä- beziehungsweise perimenopausalen Mammakarzinom verschlechtert die Chancen einer even- tuell nachfolgenden Chemotherapie wahrscheinlich nicht. Hormonrezep- tor- positive prä- beziehungsweise peri- menopausale Patientinnen mit meta- stasiertem Mammakarzinom und einer Metastasierung mit geringem Risiko ohne klinische Beschwerdesymptoma- tik oder foudroyanter Metastasierung können grundsätzlich im ersten Schritt mit einem GnRH-Agonisten behan- delt werden.

Prof. Dr. med. A. E. Schindler Geschäftsführender Direktor Zentrum für Frauenheilkunde Universitätsklinikum Essen Hufelandstraße 55 · 41522 Essen A-2758

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

(62) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 43, 29. Oktober 1999

Gonadotropin-Releasing- Hormon-Agonisten

Einsatz in der gynäkologischen Onkologie

D

An der Erstellung des Manuskripts waren folgende Personen beteiligt:

Dr. med. K. Bühler, Hamburg, Prof. Dr. med.

G. Emons, Göttingen, Prof. Dr. med. L. Kie- sel, Tübingen, Prof. Dr. med. R. Kreienberg, Ulm, Prof. Dr. med. B. Lunenfeld, Tel Aviv, Dr.

med. A. Malter, Merzig, Prof. med. K. W.

Schweppe, Westerstede, Priv.-Doz. Dr.

med. M. Untch, München, Prof. Dr. med. D.

Wallwiener, Tübingen, Prim. Dr. W. Zeil- mann, Schwarzbach (Salzburger Land)

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