• Keine Ergebnisse gefunden

Erfolg versprechende Industrie 4.0-Zielposition

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Erfolg versprechende Industrie 4.0-Zielposition"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Den Ausgangspunkt bildet ein Industrie 4.0-Reifegradmodell.

Es dient dazu, die Leistungsfä- higkeit eines Unternehmens im Kontext von Industrie 4.0 (I4.0) zu bewerten. Reifegradmodel- le gliedern sich in der Regel in Handlungsbe- reiche, darin enthaltene Handlungselemente (Kriterien) sowie zugehörige Leistungsstufen je Kriterium. Mithilfe eines I4.0-Reifegradmodells ist zunächst die aktuelle Leistungsfähigkeit ei- nes Unternehmens zu bestimmen. Je nach Rei- fegradmodell kann dies auf verschiedene Wei- se erfolgen, beispielsweise Software-gestützt oder in Workshops mit Unternehmensvertre- tern. Im vorliegenden Beispiel wurde der sog.

Quick-Check Industrie 4.0 des Forschungsver- bundprojekts INLUMIA – Instrumentarium zur Leistungssteigerung von Unternehmen durch Industrie 4.0 verwendet. Unabhängig davon existieren zahlreiche weitere Industrie 4.0-Rei- fegradmodelle wie der Maturity Index von aca- tech [1]. Eine Übersicht liefert beispielsweise [2]. Auch für andere Reifegradmodelle kann das hier vorgestellte Vorgehen herangezogen werden, solange sie dem oben beschriebenen Aufbau entsprechen.

Den Aufbau des hier verwendeten I4.0-Reife- gradmodells verdeutlicht Bild 1. Dem Projekt INLUMIA liegt die Annahme zugrunde, dass es sich bei Unternehmen in Anlehnung an Ulich um soziotechnische Systeme handelt. Neben der rein technischen Weiterentwicklung von Unternehmen sind demnach ebenso organi- satorische und soziale Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen [3]. Vor dem Hintergrund ökonomischer Unternehmensziele gilt es au- ßerdem, wirtschaftliche Aspekte in Betracht zu ziehen. Daher erfolgt im vorliegenden Rei- fegradmodell eine Unterteilung in drei sog.

Dimensionen Technik, Business und Mensch.

Jede Dimension enthält vier sog. Handlungs- bereiche. In der Dimension Technik sind dies beispielsweise die Technikorganisation, das Engineering, die Produktion und das Produkt.

Jeder Handlungsbereich enthält Kriterien, die mit je vier Leistungsstufen versehen sind [4].

Beispiele für Kriterien in der Technikorganisa- tion sind die Horizontale und Vertikale Integ- ration oder die IT-Prozessunterstützung. Die detaillierten Beschreibungen der Leistungs- stufen ermöglichen eine genaue Einschätzung der Leistungsfähigkeit je Kriterium. Die Work- shop-Version des Quick-Check Industrie 4.0

Erfolg versprechende

Industrie 4.0-Zielposition

Ermittlung unter Berücksichtigung zukünftiger Umfeldentwicklungen

Christoph Pierenkemper, Jannik Reinhold, Roman Dumitrescu und Jürgen Gausemeier, Heinz Nixdorf Institut, Universität Paderborn

Mithilfe von Industrie 4.0-Reifegradmodellen können Unternehmen ihren Leis- tungsstand im Kontext Industrie 4.0 systematisch erfassen. Mit der Ermittlung des Status Quos ist in aller Regel die Frage verbunden „Wo wollen wir zukünftig hin?“. Vor dem Hintergrund, dass Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen nicht immer das grundsätzlich Mögliche einführen können, ist die Beantwor- tung dieser Frage nicht trivial. Ist sich ein Unternehmen über seine I4.0-Zielposi- tion vermeintlich im Klaren, führen äußere Einflüsse häufig dazu, dass die Zieler- reichung erschwert wird, was oftmals eine Anpassung der Zielposition zur Folge hat. Es gilt also, diese Umstände bereits in der Planung zu berücksichtigen. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, wie Umfeldentwicklungen bei der Ermittlung ei- ner Erfolg versprechenden I4.0-Zielposition von Unternehmen einbezogen wer- den können.

Determining a Promising Industry 4.0 Target Position for Companies Taking Into Account External Influences

Using industry 4.0 maturity models, companies can systematically record their performance in the context of industry 4.0. When the status quo is determined, the question “Where do we want to be in future?” is usually associated at the same time. However, companies are not always in a position to introduce what is fun- damentally possible. Therefore, this question is not trivial. If a company is supposedly aware of its I4.0 target position, external influences often lead to the fact that the achievement of the target is made more difficult or hindered.

It is therefore important to take these circum- stances into account. This paper shows how environmental developments can be taken into account when determining a promising I4.0 target position. The target position forms the starting point for the implementation of industry 4.0 in the company.

Keywords:

industry 4.0, maturity model, performance im- provement, strategy, target position

M. Sc. Christoph Pierenkemper ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fachgruppe Advanced Systems Engineering am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn.

M. Sc. Jannik Reinhold ist als wissen- schaftlicher Mitarbeiter in der Fach- gruppe Advanced Systems Enginee- ring am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn beschäftigt.

Prof. Dr.-Ing. Roman Dumitrescu ist Direktor am Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM und Leiter der Fachgruppe Advanced Sys- tems Engineering am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn.

Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gausemeier ist Seniorprofessor für Strategische Planung und Systems Engineering am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn und Vorsitzender des Clusterboards des BMBF-Spitzenclus- ters „Intelligente Technische Systeme Ostwestfalen-Lippe (it´s OWL)“.

christoph.pierenkemper@

hni.upb.de

www.hni.uni-paderborn.

de/ase

(2)

enthält insgesamt 59 Kriterien. Eine reduzierte Form mit 33 Kriterien steht darüber hinaus als Online-Selbstcheck unter www.inlumia.de zur Verfügung.

Die Online-Version ermöglicht einen Vergleich des eigenen Reifegrads mit der Leistungsfähigkeit ähnlicher Un- ternehmen in der Datenbank.

Ermittlung einer Erfolg versprechenden Industrie 4.0-Zielposition

Die Leistungsstufen eines Reifegrad- modells können nicht nur zur Ermitt- lung der heutigen Leistungsfähigkeit herangezogen werden. Sie eignen sich ebenso zur Bestimmung einer Erfolg versprechenden Zielposition.

Wie eine solche Zielposition aussieht, ist von Unternehmen zu Unterneh- men unterschiedlich und daher nä- her zu untersuchen. Im Umfeld eines Unternehmens existieren zahlreiche Entwicklungen, die Einfl uss auf die Erreichung einer Zielposition haben. Dazu zählen Trends und Einfl ussfaktoren aus verschiedenen Be- reichen wie beispielsweise Politik, Ökonomie, Gesellschaft, Technologie oder Umwelt [5]. Wir erläutern im weiteren Verlauf, was wir darunter verstehen.

Die beschriebenen Entwicklungen beeinfl us- sen die Kriterien eines Reifegradmodells sowie deren Weiterentwicklung – und zwar zu unter- schiedlichen Zeitpunkten in der Zukunft. Wir schlagen daher eine schrittweise Weiterent- wicklung der Kriterien vor. Konkret bedeutet dies die Erhöhung der Leistungsfähigkeit durch Erreichen höherer Leistungsstufen im Reife- gradmodell zu verschiedenen Zeitpunkten.

Unter Berücksichtigung der Umfeldentwick- lungen ermitteln wir in einem zweistufi gen Vorgehen Erfolg versprechende Zielpositionen für die mittlere und lange Frist (Bild 2). Daraus ergeben sich folgende Vorteile:

• Die Entwicklung von Zukunftsbildern be- ruht auf dem Grundprinzip des vernetzten Denkens [5]. Die Komplexität dieser Aufga- be wird häufig unterschätzt. Durch die Kom- bination von Trends und Zukunftsszenarien wird dieses Prinzip bestärkt und sicherge- stellt, dass die Gesamtheit aller äußeren Ein- flüsse bei der Ermittlung der Zielpositionen ins Kalkül gezogen wird.

• Durch die iterative Bewertung von Trends und Szenarien können quasi „spielerisch“

verschiedene Zukunftsbilder ermittelt wer- den. Das unterstützt ein weiteres wichtiges Grundprinzip – nämlich das der multiplen

Zukunft [5]. Dieses Grundprinzip ermun- tert den Anwender, das „Undenkbare“ zu denken und die Grenzen des gewohnten Denkens zu überwinden.

• Kein Umfeld eines Unternehmens gleicht dem des anderen. Das beschriebene Vorge- hen greift diese These auf und ermöglicht eine unternehmensindividuelle Beschrei- bung der Zukunft. Jedes Unternehmen ist dadurch in der Lage, daraus die entschei- denden Schlüsse zu ziehen und eine Erfolg versprechende Industrie 4.0-Zielposition zu definieren.

Die Ermittlung der Zielposition gliedert sich in drei übergeordnete Phasen, dargestellt in Bild 2 oben: Vorausschau durchführen (Phase 1), Aus- wirkungsanalyse durchführen (Phase 2) und Zielpositionen ermitteln (Phase 3). Diese über- geordneten Phasen werden in den zwei darun- ter befi ndlichen Strängen näher konkretisiert.

Oberhalb der grau gestrichelten Linie (oranger Pfad) wird die Trendanalyse zur Ermittlung des mittelfristigen Zielprofi ls beschrieben (Schritte 1a) bis 3a)). Unterhalb (roter Pfad) kommt die Szenario-Technik zum Einsatz (Schritte 1b) bis 3b)). Die Anwendung dieser Methoden führt zu zwei Zielprofi len mit unterschiedlichen Zei- thorizonten und wird im Folgenden näher be- schrieben.

Vorausschau durchführen (Phase 1)

Zur Abschätzung der mittelfristigen Industrie 4.0-Entwicklungen (Zeithorizont ca. fünf Jahre) wird zunächst eine Trendanalyse durchgeführt.

Bei einem Trend handelt es sich um eine mögli-

Soziotechnische Unternehmensklassifizierung Quick-Check Industrie 4.0

Technik Business Mensch

2. Innovations- kultur 3. Geschäfts-

modell

4. Daten

1. Arbeits- gestaltung

2. Qualifikation

3. Innerbetr.

Kommunik.

4. Interaktion

Jetzt kostenlos teilnehmen!

1. Strategie

Quick-Check Industrie 4.0 Dimension Technik

Technikorganisation

T1: Horizontale Integration: Wie stark sind die Prozesse/Ressourcen der Unternehmen Heutige Position

Angestrebte Zielposition

Heutige Position Angestrebte Zielposition

T3: IT-Prozessunterstützung: Wie hoch ist der Anteil der digitalen Prozessunterstützung

T4: Tool-Landschft: Wie homo

T2: Vertikale Integration: Wie stark vernetzt sind die verschiedenen Unternehmenseben Keine horizontaleIntegration

1 2 Partielle horizon-tale Integration 3horizontale IntegrationUmfangreiche

Umfangreiche vertikale Integration 3

Durchgehende IT- Unterstützung 3

Keine vertikaleIntegration

1 2 Partielle vertikaleIntegration

Heutige Position Angestrebte Zielposition

Rudimentäre IT-Unterstützung

1 2 IT-UnterstützungUmfangreiche

Wie hoch ist der Anteil der digitalen Prozessunterstützung 4. Produkt

3. Produktion 2. Engineering 1. Technik-

organisation

Bild 1: Aufbau des Rei- fegradmodells „Quick- Check Industrie 4.0“ von

INLUMIA.

(3)

che Entwicklung der Zukunft, die in gewissem Rahmen bereits heute beobachtet werden kann und aufgrund ihrer Eintrittswahrschein- lichkeit und Auswirkungen aller Voraussicht nach einen Einfl uss auf das künftige Geschäft haben wird [5]. Die Trendanalyse (Schritt 1a) beinhaltet verschiedene Maßnahmen. Zu- nächst erfolgt die Ermittlung der Industrie 4.0-Trends. Als geeignete Quellen hierfür ha- ben sich Studien, Fachpublikationen, Exper- teninterviews und Webcrawler, die das Internet nach aufkommenden Trends in verschiedenen Themenfelder durchsuchen, erwiesen. An- schließend werden die Trends dokumentiert.

Dies erfolgt beispielsweise mithilfe von Trend- steckbriefen. Sie beinhalten eine Trendbe- schreibung sowie mit dem Trend verbundene Chancen und Risiken [6]. Daraufhin werden die Trends bewertet. Geeignete Bewertungskrite- rien sind die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkungsstärke. Mithilfe der Bewertung lässt sich schließlich ein Trendradar aufspan- nen. Ein Trendradar visualisiert die Ergebnisse der Bewertung und gibt Aufschluss darüber, welche Trends von besonderer Bedeutung für das Geschäft von morgen sind. Trends mit ho- her Eintrittswahrscheinlichkeit liegen im Zen- trum des Trendradars. Trends mit hoher Aus- wirkung weisen einen großen Durchmesser auf. Die Visualisierung ermöglicht eine schnelle Erfassung relevanter und geschäftsbeeinfl us- sender Trends.

Anschließend erfolgt die Abschätzung der lang- fristigen Industrie 4.0-Entwicklungen (Zeithori- zont ca. 10 Jahre). Anstelle der Trendanalyse wird

hier die Szenario-Technik angewandt (Schritt 1b).

Bei Zukunftsszenarien handelt es sich um allge- meinverständliche Beschreibungen von mögli- chen Situationen in der Zukunft. Sie beschreiben verschiedene denkbare Entwicklungsmöglich- keiten eines bestimmten Betrachtungsbereichs mit wählbarem Planungshorizont und eignen sich auch zur Abschätzung von langfristigeren Entwicklungen [5].

Die Erstellung von Zukunftsszenarien gliedert sich ebenfalls in verschiedene Maßnahmen. Zu Beginn erfolgt die Analyse des Szenariofelds.

Das Szenariofeld beschreibt den Betrachtungs- bereich, dessen Entwicklungsmöglichkeiten beschrieben werden sollen (z.B. das zu be- trachtende Unternehmen oder einen Teilbe- reich wie die Produktion sowie dessen Umfeld).

In diesem Szenariofeld werden die Einfl ussfak- toren identifi ziert sowie deren Relevanz und Vernetzung untereinander bewertet. Einfl uss- faktoren beschreiben Faktoren, die auf ein Un- ternehmen einwirken und durch Variation ihrer Ausprägungen unterschiedliche Einfl üsse auf ein Unternehmen haben können [7]. Anschlie- ßend lassen sich daraus die relevantesten Ein- fl ussfaktoren, sog. Schlüsselfaktoren, ermitteln.

Daraufhin werden alternative Entwicklungs- möglichkeiten je Schlüsselfaktor beschrieben (Zukunftsprojektionen). Darunter sind die o.g.

alternativen Entwicklungsmöglichkeiten eines Einfl uss- bzw. Schlüsselfaktors zu verstehen.

Abschließend werden alle Projektionen einer Konsistenzanalyse unterzogen. Hochkonsis- tente Projektionen werden darin zu schlüssi- gen Projektionsbündeln (Zukunftsszenarien)

Trendanalyse zur Abschätzung mittelfristiger Entwicklungen

Auswirkungsanalyse durchführen Vorrausschau

durchführen Zielpositionen

ermitteln Bewertung der Auswirkungen

prognostizerter Industrie 4.0-Trends Ermittlung des mittelfristigen Zielprofils Ermittlung des langfristigen Zielprofils

1 2 3

Heutige Industrie 4.0-Leistungsfähigkeit (Ist-Position) Mittelfristige Industrie 4.0-Leistungsfähigkeit (Trends) Langfristige Industrie 4.0-Leistungsfähigkeit (Szenarien)

Horizontale Integration IT-Prozessunterstützung Systems Engineering Sensorik (Produktionssyst.) Aktorik (Produktionssystem) Intralogistik

Fertigungsflexibilität

Industrie 4.0-Strategie

Pioniergeist Innovationsorganisation Digitale Services Ergonomie

Dokumentation von Wissen Führungstransparenz

Leistungsstufen (L)

Priorisierte Kriterien L1 L2 L3 L4

T1 T3 T5 T6 T7 T15 T17 B1

B8 B11 B12 M7 M9 M11

Mitarbeiterpartizipation M12

Datenspeicherung (Produkt) T23

Wertschöpfungskooperation B4

iness Eintrittswahrscheinlichkeit

Technik

Men

sch Bus

6 4 7 16

33 44

3843 29 26 15

34 46 8 13 10 112

9 17

14 32

42 37 36 45

40 39 34

35

41 21

23 27

20 20

24 5

3hoch

gering

Szenarien zur Abschätzung langfristiger Entwicklungen 1b)

Politik t

Umfeld

Gestaltungsfeld

Politik ÖkonomieGesellschaftUmwelt

Technologie Mensch

Organisation Industrie 4.0

Heutige Industrie 4.0- Leistungsfähigkeit auf Basis des Quick-Checks

Mittelfristige Industrie 4.0- Leistungsfähigkeit auf Basis der Trendanalyse

Leistungssteigerung durch Auswirkungen der Industrie 4.0-Trends (plus eine Stufe)

L1 L2 L3 L4Leistungsstufe Kriterium T23 (Beispiel): Datenspeicherung (Produkt)

+ 1

+ 2 Bewertung der Auswirkungen des Referenzszenarios

2b)

Heutige Industrie 4.0- Leistungsfähigkeit auf Basis des Quick-Checks

Langfristige I4.0- Leistungsfähigkeit auf Basis des Referenzszenarios

Leistungssteigerung durch Auswirkungen des Referenzszenarios (plus 2 Stufen)

L1 L2 L3 L4Leistungsstufe Kriterium B4 (Beispiel): Wertschöpfungskooperation a) Trendanalyse zur Ermittlung des mittelfristigen Zielprofils b) Szenario-Technik zur Ermittlung des langfristigen Zielprofils

1a) 2a) 3a)

3b)

Bild 2: Vorgehen zur Ermittlung einer Erfolg versprechenden Ziel- position.

(4)

zusammengefasst. Ein Szenario besteht also aus einem Bündel von Zukunftsprojektionen, die gut zueinander passen. Es bietet sich an, die Projektionen zu Prosatexten auszuformulieren, damit die Zukunftsszenarien gut zu verstehen und leicht im Unternehmen zu kommunizieren sind. Anschließend werden die entwickelten Zukunftsszenarien bewertet. Analog zur Trend- bewertung empfehlen sich hier die Eintritts- wahrscheinlichkeit und die Auswirkungsstärke als Bewertungsdimensionen. Die Bewertung erlaubt die Auswahl eines Referenzszenarios, das zur weiteren strategischen Planung heran- gezogen wird und ebenfalls als Eingangsgröße für eine Auswirkungsanalyse dient. Das Refe- renzszenario eignet sich außerdem sehr gut, um den Mitarbeitern eine detaillierte Vorstel- lung von der Entwicklung der Zukunft zu ver- mitteln und sie zu motivieren, ihr Denken und Handeln im Arbeitsalltag auf diese Zukunft auszurichten.

Bei den in der Vorausschau zu Grunde geleg- ten Zeitperspektiven für die mittlere und lange Frist (5 bzw. 10 Jahre) handelt es sich um eta- blierte Planungshorizonte der strategischen Vorausschau. Diese können selbstverständlich auf die individuellen Bedürfnisse eines Unter- nehmens angepasst werden, ohne dass das Vorgehen dadurch in irgendeiner Weise einge- schränkt würde.

Auswirkungsanalyse durchführen (Phase 2)

Im Anschluss wird eine Auswirkungsanalyse durchgeführt. Hier wird untersucht, welchen Einfl uss die antizipierten Umfeldentwick- lungen auf die mittelfristige und langfristige Zielposition ausüben. Es wird ermittelt, ob die Trends bzw. ein Referenzszenario eine Leis- tungssteigerung behindern oder begünstigen.

Es wird deutlich, ob unter Berücksichtigung der Umfeldentwicklungen höhere Leistungsstufen erzielt werden können. Die Auswirkungen be- rechnen sich zum einen aus den individuellen Bewertungen der zukünftigen Entwicklungen (Trends und Szenarien). Zum anderen wurde eine Einfl ussanalyse mithilfe einer Einfl ussma- trix durchgeführt, die den Einfl uss der Umfel- dentwicklungen auf die Entwicklung der Leis- tungsstufen im Reifegradmodell (Quick-Check) untersucht. Diese Einfl ussmatrix kann anschlie- ßend in eine Auswirkungsmatrix überführt werden (Bild 3). Wir erläutern die Auswirkungs- analyse am Beispiel der Industrie 4.0-Trends.

In der Einfl ussmatrix geht es um die Fragestel- lung, wie ein Trend j (Spalte) die Leistungsstei- gerung eines Quick-Check-Kriteriums i (Zeile)

beeinfl usst. Als Bewertungsmaßstab dienen fünf Ausprägungen: von -2 (Trend erschwert Leistungssteigerung stark) bis 2 (Trend be- günstigt Leistungssteigerung stark). Mithilfe dieser Matrix kann der Einfl uss jedes Trends auf die Quick-Check-Kriterien ermittelt wer- den. Als Beispiel dient der paarweise Vergleich des Quick-Check-Kriteriums T1 „Horizontale Integration“ und Trend 7 „Durchdringung von CPS“. Der Trend begünstigt eine Leistungs- steigerung des Kriteriums stark und wird da- her mit einer Einfl ussstärke von 2 bewertet.

Die Matrix gilt es vollständig auszufüllen. An- schließend können die Gesamt-Auswirkungen berechnet werden. Dies erfolgt mithilfe der Auswirkungsmatrix. Darin geht es um die Fra- gestellung, welche Gesamt-Auswirkung ein Trend j (Spalte) auf die Leistungssteigerung eines Quick-Check-Kriteriums i (Zeile) hat. Im Gegensatz zur Einfl ussmatrix wird hier neben der Einfl ussstärke auch die individuelle Trend- bewertung eines Unternehmens berücksich- tigt. Durch Multiplikation der drei Kennzahlen Einfl ussstärke, Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungsstärke eines jeden Trends kann die Auswirkungsmatrix berechnet werden. Für das oben genannte Beispiel ergibt sich hier eine Gesamt-Auswirkung von 30. Bildet man zusätzlich für jedes Quick-Check-Kriterium die Zeilensumme, erhält man eine Kennzahl für die Beeinfl ussung eines Quick-Check-Kriteriums durch die antizipierten Industrie 4.0-Trends.

Ausgehend von diesen Zeilensummen können

Fragestellung:

die Leistungssteigerung des Quick- Check- Kriteriums i (Zeile)?“

Bewertungsmaßstab:

-2: Trend erschwert Leistungssteigerung stark -1: Trend erschwert Leistungssteigerung leicht

0

1: Trend begünstigt leichtTrend hat keinen Einfluss

2: Trend begünstigt stark Industrie 4.0-Trends Zunahme von Big Data Zunahme Cloud Comput. AR-/VR-Anwendungen Losgröße 1 Additive Fertigung Virtuelle Wartung/Inst. Durchdringung von CPS ...

Quick-Check-Kriterien Nr. 1 2 3 4 5 6 7 ...

Horizontale Integration T1 2 2 0 -1 1 2 2

...

Vertikale Integration T2 2 2 0 1 0 1 2

IT-Prozessunterstützung T3 2 2 2 1 1 1 2

Tool-Landschaft T4 2 2 2 1 1 2 2

Systems Engineering (SE) T5 1 1 1 1 0 2 2 Sensorik (Produktionssystem) T6 2 1 2 1 1 2 2 Aktorik (Produktionssystem) T7 1 1 1 1 2 2 2

... ... ...

22 ertikale Integration

-Prozessunterstützung ool-Landschaft Systems Engineering (SE) Sensorik (Produktionssystem)

ertikale Integration -Prozessunterstützung ool-Landschaft Systems Engineering (SE) Sensorik (Produktionssystem)

Einflussstärke: 2 Der Trend „Durchdringung von CPS“ begünstigt eine Leistungssteigerung des Kriteriums „Horizontale Integration“ stark.

„Wie beeinflusst der Trend j (Spalte)

Auswirkungsmatrix Fragestellung:

„Welche Auswirkung hat die Bewertung von Trend j (Spalte) auf die Leistungssteigerung des Quick-Check-Kriteriums i (Zeile)?“

Bewertungsmaßstab:

20 < x ≤ 30:Stark positive Auswirkung 10 < x ≤ 20:Positive Auswirkung

0 < x ≤ 10:Gering positive Auswirkung

≤ 0: Negative Auswirkung Industrie 4.0-Trends Zunahme von Big Data Zunahme Cloud Comput. AR-/VR-Anwendungen Losgröße 1 Additive Fertigung Virtuelle Wartung/Inst. Durchdringung von CPS ... Zeilensumme Quick-Check-Kriterien Nr. 1 2 3 4 5 6 7 ... Horizontale Integration T1 16 8 0 -15 3 24 30

...

237 Vertikale Integration T2 16 8 0 15 0 1230 220 IT-Prozessunterstützung T3 16 8 30 15 3 12 30 271

Tool-Landschaft T416 8 30 15 3 24 30 306

Systems Engineering (SE) T5 8 4 15 15 0 24 30 324 Sensorik (Produktionssystem) T616 4 30 15 3 24 30 341 Aktorik (Produktionssystem) T7 8 4 15 15 6 24 30 271

... ... ... ...

3030 Aus Einflussmatrix:

Einflussstärke 2

Aus Trendbewertung:

Eintrittswahrscheinlichkeit 5 Auswirkungsstärke 3

Ableitung der mittelfristigen Ziel- Leistungsstufe je Kriterium Ausgehend von den Zeilensummen in der Auswirkungsmatrix können Empfehlungen für mittelfristige Ziel- Leistungsstufen abgeleitet werden.

Bei ausreichender Teilnehmerzahl in der Werkzeugunterstützung lassen sich diese Ziel-Leistungspositionen mit ähnlichen Unternehmen abgleichen.

ertikale Integration -Prozessunterstützung ool-Landschaft Systems Engineering (SE) Sensorik (Produktionssystem)

ertikale Integration -Prozessunterstützung ool-Landschaft Systems Engineering (SE) Sensorik (Produktionssystem)

Gesamt-Auswirkung: 30 Die Konsolidierung der Einflussstärke und Trend- bewertung führt zu einer stark positiv wirkenden Gesamt-Auswirkung.

Gesamt-Auswirkung (Produkt): 30

Bild 3: Ermittlung von Auswirkungen der Indust- rie 4.0-Trends auf die Leis- tungssteigerung.

(5)

Empfehlungen für mittelfristige Ziel-Leistungs- stufen jedes Kriteriums abgeleitet werden. Dies erfolgt zweistufig:

• Die Zeilensumme aus der Auswirkungsma- trix kann in eine Intervallskala überführt werden. Je nachdem, in welchem Intervall sich eine Zeilensumme befindet, werden dadurch Handlungsempfehlungen von 0 bis zu 3 Stufensprüngen ausgegeben. Die mittelfristige Industrie 4.0-Leistungsfähig- keit (z. B. Leistungsstufe 3) ergibt sich dann aus Summe der heutigen Industrie 4.0-Leis- tungsfähigkeit (z. B. Leistungsstufe 2) und der Leistungssteigerung durch die Auswir- kungen der Industrie 4.0-Trends (z. B. plus 1 Stufe), wie am Beispiel des Kriteriums T23 „Datenspeicherung (Produkt)“ in Bild 2 (Phase 3a bzw. orangefarbener Pfad) dar- gestellt.

• Die dadurch ermittelte, mittelfristige Ziel- position kann mithilfe der Datenbasis aus der Online-Software mit ähnlichen Unter- nehmen verglichen und ggf. korrigiert wer- den. Das führt dazu, dass die Ermittlung der Zielposition nicht einzig und allein auf der eigenen Einschätzung beruht, sondern zusätzlich durch die Einschätzung externer Anwender verifiziert wird. Zum gegenwärti- gen Zeitpunkt beinhaltet die Software rund 200 Vergleichs-Datensätze.

Durch analoges Vorgehen kann die Auswir- kung des ausgewählten Referenzszenarios auf die langfristige Zielposition ermittelt wer- den. Anstelle der Industrie 4.0-Trends werden in der Einfluss- bzw. Auswirkungsmatrix die Quick-Check-Kriterien sowie die im Referenz- szenario enthaltenen Zukunftsprojektionen gegenübergestellt. Bild 2 unten (bzw. roter Pfad) zeigt das Ergebnis der Auswirkungsana- lyse am Beispiel des Kriteriums B4 „Wertschöp- fungskooperation“. Eine Leistungssteigerung unter Berücksichtigung des Referenzszenarios wird stark begünstigt. Im Zeithorizont von 10 Jahren wird eine Leistungssteigerung um zwei Stufen von L2 auf L4 empfohlen.

Zielpositionen ermitteln (Phase 3)

Aus der Auswirkungsanalyse ist jetzt bekannt, wie sich die Industrie 4.0-Trends sowie das Re- ferenzszenario auf die einzelnen Kriterien des Reifegradmodells auswirken. Daraus können in der dritten Phase ein mittel- und langfristiges Zielprofil gebildet werden. Darin kann abgelesen werden, welcher Handlungsbedarf sich für die priorisierten Kriterien in den kommenden fünf bzw. zehn Jahren ergibt. Durch die prägnanten und detaillierten Beschreibungen der Leistungs- stufen erhalten Unternehmen einen Überblick

darüber, welche Maßnahmen zur Erreichung der Zielprofile zu ergreifen sind. Diese Maßnahmen können ggf. über Maßnahmenpläne oder Um- setzungs-Roadmaps konkretisiert werden.

Fazit und Ausblick

Der Beitrag liefert ein Vorgehen, das die Er- mittlung einer Erfolg versprechenden Indus- trie 4.0-Zielposition unter Berücksichtigung von Umfeldentwicklungen ermöglicht. Mit- hilfe eines Reifegradmodells, Methoden der Vorausschau und einer Auswirkungsanalyse ist es möglich, Zielprofile zu zwei aufeinander aufbauenden Zeitpunkten in der Zukunft zu ermitteln. Damit sind die Grundvoraussetzun- gen zur Umsetzungsplanung von Industrie 4.0 geschaffen. Durch die Beschreibungen der Leistungsstufen im Reifegradmodell gewin- nen Unternehmen eine genaue Vorstellung von zukünftig erforderlichen Aktivitäten. An die Grenzen stößt das methodische Vorgehen derzeit noch bei der Berücksichtigung der In- terdependenzen zwischen den Kriterien, die weiterentwickelt werden sollen. Identifizierte Abhängigkeiten gilt es bei der Umsetzung zu berücksichtigen, um Synergien bestmöglich auszuschöpfen. Diese Berücksichtigung er- folgt derzeit noch manuell und häufig erst in der Umsetzungsplanung. Sie basiert vor allem auf der Erfahrung des Anwenders. Der Gegen- stand aktueller Forschungsbemühungen ist es, diese Interdependenzen bereits frühzeitig mit ins Kalkül zu ziehen. Ferner wird aktuell ein me- thodisches Vorgehen zum Umsetzungs- und Prämissen-Controlling erprobt. Beim Prämis- sen-Controlling wird regelmäßig geprüft, ob die bei der Zielpositionsermittlung getroffe- nen Annahmen (z. B. die Trends) nach wie vor gelten. Das Umsetzungs-Controlling hat hin- gegen die Aufgabe, die Umsetzung der Maß- nahmen zur Erreichung der ermittelten Zielpo- sitionen sicherzustellen. Für den Fall, dass hier Abweichungen in Bezug auf Annahmen und Umsetzungsmaßnahmen festgestellt werden, können die Zielpositionen und Maßnahmen iterativ angepasst werden.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Verbund- projekts INLUMIA – Instrumentarium zur Leis- tungssteigerung von Unternehmen durch Indus- trie 4.0. Das Verbundprojekt aus 11 Partnern wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung NRW (EFRE.NRW) mit einem Förder- volumen von rund 2,5 Millionen Euro unterstützt.

Schlüsselwörter:

Industrie 4.0, Reifegradmodell, Leistungsstei- gerung, Strategie, Zielposition

Literatur

[1] Schuh, G.; Anderl, R.; Gau- semeier, J.; ten Hompel, M.;

Wahlster, W. (Hrsg.): Indust- rie 4.0 Maturity Index – Die digitale Transformation von Unternehmen gestalten (aca- tech STUDIE). München 2017 [2] Kese, D.; Terstegen, S.:

Benchmark Reifegradmodel- le, Wie reif ist ein Unterneh- men für die Industrie 4.0? In:

IEE – Industrie Engineering Effizienz 10 (2017), S. 30-34 [3] Ulich, E.: Arbeitssysteme als

Soziotechnische Systeme – eine Erinnerung. In: Psycho- logie des Alltagshandelns 6 (2013) 1, S. 4-12.

[4] Christiansen, S.-K.: Methode zur Klassifikation und Ent- wicklung reifegradbasierter Leistungsbewertungs- und Leistungssteigerungsmodel- le. Paderborn 2009.

[5] Gausemeier, J.; Plass, C.: Zu- kunftsorientierte Unterneh- mensgestaltung – Strategien, Geschäftsprozesse und IT-Sys- teme für die Produktion von morgen. 2. Auflage. München 2014.

[6] Pierenkemper, C.; Drewel, M.;

Gausemeier, J.: Zukunftsori- entierte Leistungssteigerung von Unternehmen durch Industrie 4.0. In: Smajic, H.

(Hrsg.): Tagungsband AALE 2018. Köln 2018.

[7] Karl, F.: Bedarfsermittlung und Planung von Rekonfigu- rationen an Betriebsmitteln.

München 2017.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Hinweis: Benutzen Sie die Tatsache, dass die Klasse der regul¨aren Sprachen unter Komplementbildung

Sie werden sich dafür einsetzen, dass ph akzente weiterhin eine attrak- tive Plattform für Diskussionen in der Bildungslandschaft bleiben wird..

Dies erfordert eine Verschrän- kung von zwei Erkenntnisebenen: erstens der empirischen Ebene – was weiss man über den Identitätsbildungspro- zess von Kindern und Jugendlichen,

1) Karten mit schwarzen Zahlen der Reihe nach auslegen. Jeder schwarzen Zahl eine passende rote Zahl zuordnen, so dass das Ergebnis immer 5 ist. 2) Karten an zwei Spieler

[r]

Dann rufen Sie an unter 02831/98412 oder schreiben Sie an PVP-Petra, Viern- heimerstr. attraktive Witwe würde sich sehr freuen das neue Jahr als Paar erleben zu können. Sie ist

In der Diskussion wurde deut- lich, dass die Arbeit mit behin- derten Jugendlichen und vor allen Dingen ihre Vermittlung in Ausbildung und Arbeit einge- schlossen in Werkstätten

Persönliche Assistenz ermöglicht Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben, indem sie Aufgaben, die sie nicht selbst bewäl- tigen können, anderen Personen übertragen..