11 Gleichgewicht und Elastizität
2
Objekte im Gleichgewicht
Geschwindigkeit des Massenschwerpunkts muss nicht notwendigerweise Null sein
Warum sind solche Bedingungen für die Physik trotzdem interessant?
Man findet kaum Situationen, in denen auf einen Körper keine Kräfte wirken. Teilweise können die angreifenden Kräfte so groß werden, dass sich die Objekte stark verformen.
Eine Kenntnis der statischen Gegebenheiten kann solche dynamischen Prozesse verhindern
Anwendung
Statische Berechnungen
Technik: Gebäude, Brücken, Maschinen, Fahrzeuge Medizin: Muskeln und Gelenke
( ) I ∑ F = 0 ( ) II ∑ τ = 0
Studienobjekt sind Körper, bei denen sowohl
die resultierende Kraft als auch das resultierende Drehmoment Null sind
Zahnspange
Nahe dem Gleichgewicht
° 80
Zugkraft F= 3 N
° 80
x
( 3N cos80 ) 0.35 N
2 ° =
x
= F
F
x4
Statisches Gleichgewicht
Erste Bedingung
∑ ∑
∑
=
=
= 0
0 0
z y x
F F F
Die Summe aller angreifenden Kräfte ist NULL
Meistens reduziert sich die Rechnung auf ein
zweidimensionales
Problem
Statisches Gleichgewicht
Erste Bedingung: Summe aller angreifenden Kräfte ist NULL
° 45
kg 50 F
DF
WF
gGewichtskraft
490.5N 9.81m/s²
kg
50 ⋅ =
g
= F
x y
Komponenten von FD,W entlang der Koordinatenachsen
berechnen
°
=
°
−
=
45 sin
45 cos
D Dy
D Dx
F F
F F
= 0
=
Wy
W Wx
F
F F
N 45 694
sin
m/s² 81 . 9 kg 50
45 sin 0
° =
= ⋅
−
°
=
= ∑
Dx
g Dx
y
F
F F
F
N 490 45
cos N 694
45 cos 0
=
°
=
°
−
=
= ∑
W
Dx W
x
F
F F
F
x-Komponente y-Komponente
Der Draht, der den Kronleuchter hält, muss also wenigstens ein Gewicht von 694N/g=71kg tragen können.
° 45
Deckenbefestigung
Wandbefestigung
6
Statisches Gleichgewicht
Zweite Bedingung
∑ τ = I α = 0
Die Summe aller
angreifenden Drehmomente an jedem Punkt eines
Körpers ist NULL
Summe der angreifenden Kräfte ist NULL, aber die Summe der Drehmomente ist
ungleich NULL.
In zweidimensionalen Problemen und das sind praktisch alle, reduziert sich die Anzahl der
Gleichungen auf drei.
Dabei ist das Koordinatensystems (x,y) für die angreifenden Kräfte frei wählbar
∑ ∑
∑
=
=
= 0
0 0
z y x
F F
τ
mg F R
r
R F mgr
M M
=
=
r m R
F
MGleichgewicht der Drehmomente
Verlagerung des Auflagepunkts, d.h. Reduzierung von r erhöht das Drehmoment durch FM enorm. R ändert sich dabei kaum
Massenschwerpunkt
Die Gravitationskraft auf einen Körper wirkt effektiv auf einen ausgezeichneten Punkt des Objektes, den Schwerpunkt (center of gravity, CG). Da heißt, dass wenn man die angreifenden
Kräfte statt an Volumenelement an den Schwerpunkt anreifen lässt, ändert sich weder die resultierenden Kraft noch das resultierende Drehmoment.
Wenn an alle Elemente des Körpers dieselbe Gravitationskraft angreifen, dann stimmt der Schwerpunkt mit dem Massenschwerpunkt (center of mass, CM) überein.
Normalerweise kann man diesen Unterschied vernachlässigen.
Es schadet aber nichts, dass einmal zu überprüfen Hier vielleicht nicht!
8
Beweis
Im Gravitationsfeld stimmen Schwerpunkt und Massenschwerpunkt überein
i i
gi
m g
F =
O
x
im
iy
x
Betrachte Einzelelemente mi
gi i i
= x F
τ
∑ = ∑
=
i i gires
τ x F
τ
Betrachte Gesamtsystem
x
SPSP F
giF
gCM i
i SP
i i SP
i i i
SP i
M x m x x
m x M
x
m x m
x
const g
=
=
=
=
=
∑ ∑
∑ ∑
∑ ∑ ∑ ∑
=
=
=
=
i i i i
i SP
gi i gi
SP
g SP
g m x g
m x
F x F
x
F x
τ
τ
Annahme
Diesen Zusammenhang haben wir schon
einmal benutzt Definition des Schwerpunkts
M m
x
CM= ∑ x
i i qedMuskelbelastung
( )( ) ( )( )
N 470
m 04 . 0
s² 81 m . 9 kg 0 . 4 m 38 . s² 0
81 m . 9 kg 5 . 2 m 16 . 0
0
=
⎟ ⎠
⎜ ⎞
⎝ + ⎛
⎟ ⎠
⎜ ⎞
⎝
⎛
=
= +
−
−
=
B Bizep
Bizep
buch buch Arm
Arm Bizep
buch buch Arm
Arm Bizep
Bizep
F F
r
F r F
F r
F r F
r F
r
Kräftevergleich
( ) 7 . 37
s² 81 m . 9 kg 0 . 4 kg 5 . 2
N
470 =
⎟ ⎠
⎜ ⎞
⎝ + ⎛
+
buch=
Arm Bizep
F F
F
10
Belastung der Wirbelsäule
Fünfter Lendenwirbel
Hebelarm Muskel
Θ=40°
ϕ=12°
wKopf wArm wWirbel Flv
FMuskel
36 cm 12 cm
12 cm
Fünfter Lendenwirbel
Belastung der Wirbelsäule
∑ τ = 0
( )( )
( )( )( )
( )( )( )
( )( )( )
w
w w
w l
w w
w l
w w
w l
F F
F l
W A K
W W
W
A A
A
K K
K
M M
M M
M
K A k
M
174 . 0
m 050 . 0 215
. 0 40 sin 0.36m sin
m 080 . 0 125
. 0 40 sin m 48 . 0 sin
m 044 , 0 069
. 0 40 sin m 72 . 0 sin
m 01 . 0 sin12
m 48 . 0 sin
0
−
= +
+
−
=
°
−
= Θ
−
=
−
=
°
−
= Θ
−
=
−
=
°
−
= Θ
−
=
⋅
=
°
=
=
= +
+ +
τ τ τ
τ τ τ
ϕ τ
τ τ τ τ
Gewichtsanteile im menschlichen Körpers Kopf 6.9 %
Arme 12.5 % Oberkörper 21.5 %
Unterkörper 9.6 % Füße 3.4 %
w w F l
M
W A K
M
1 . 74
m 01 . 0
m 174 . 0
sin + = =
= +
ϕ τ τ τ
Es wirken keine resultierenden Drehmomente
wKopf wArm wWirbel Flv
FMuskel
36 cm 12 cm
12 cm
y
x
° 12
° 40
°
=
°
−
° 12 28 40
° 28
Damit kann die Kraft, die der Muskel bereitstellen muss, berechnet werden
12
Belastung der Wirbelsäule
l w F
M
W A K
M
1 . 74
sin + =
= +
ϕ τ τ τ
w F
w w w F
F F
Vy
W A K M
Vy y
88 . 0
28 sin 0
=
−
−
−
°
−
=
= ∑
w F
F F F
Vy
M Vx x
23 . 2
28 cos 0
=
°
−
=
= ∑
w F
F
F
V=
Vx2+
Vy2= 2 . 40
Kraft auf den Lendenwirbel also mehr als das doppelte Körpergewicht Heben eines zusätzlichen Gewichtes
z.B. Paket von 30 kg (Körpergewicht 70kg)
( )
( )( )( )
w
w w
w l
A A
P A A
A
m 154 . 0
43 . 0 069 . 0 40 sin m 48 . 0
sin
−
=
+
°
−
=
+ Θ
−
= τ τ τ
w F
M= 2 . 52
wKopf wArm wWirbel Flv
FMuskel
36 cm 12 cm
12 cm
Drehmoment des Arms neu berechnen
y
x
° 12
° 40
°
=
°
−
° 12 28 40
° 28
x-Komponente y-Komponente
Elastizität
L
L L + Δ
Δ x Δ V
V
(II) Hydraulischer Druck
(III) Scherung (I) Dehnung oder Kompression
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(I) Dehnung
Spannung = Modul x Dehnung
L E L A
F = Δ
Elastizitätsmodul oder Youngscher Modul Einheit 1 N/m²= 1Pa
gebräuchlich GPa bzw MPa
Thomas Young 1773-1829
ε σ = E
Hooksches Gesetz
Neben der Längenänderung erfolgt auch eine Abnahme des Querschnitts. Für eine quadratische Probe ergibt sich bei geringen Änderungen näherungsweise
⎟ ⎟
⎠
⎞
⎜ ⎜
⎝
⎛ ⎟
⎠
⎜ ⎞
⎝ Δ ⎛ Δ Δ −
Δ =
−
= Δ
Δ
−12
² 1 2
²
l l d
d l
l l
d
l dl l
d V
V
( ) ( )
( ) ( )
d dl l
d V
l d l d d
l d l
d l d d
dl l
d V
l d l l d d
V
Δ
− Δ
≈ Δ
− Δ Δ
+ Δ Δ
− Δ + Δ
+ Δ
−
= Δ
− Δ
− Δ
−
= Δ
2
²
² 2
² 2
²
²
2 2
2
l Δ l
=
= ε σ Dehnung
A F
g Zugspannun
) neu ( 1/
(alt)
; l Poissonzah
ktionzahl Querkontra
ktion Querkontra
μ μ
μ ε
μ ε ε
⇒
=
= Δ
q
q
d
d
( μ )
ε 1 − 2 Δ =
V V
Kraft pro Fläche Längenänderung durch Originallänge
grüne Terme werden vernachlässigt kleine Änderung mal kleine Änderung!
Messung des Elastizitätsmoduls
Dehnung des Messfühlers bewirkt eine Änderung des
elektrischen Widerstandes R.
E
A const F R
R = Δ
Grosse Empfindlichkeit für geringe
Abmessungen und ein kleines Elastizitätsmodul
Messfühler wird an Untersuchungsobjekt
angeheftet
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Elastitizätsmodul
E: Elastizitätsmodul
μ: Querkontraktionszahl R m: Zugfestigkeit A: Bruchdehnung
Werte zum Teil nur gültig nahe Raumtemperatur sowie geringer, langsamer Beanspruchung
Zum Teil auch nicht genau definiert Die Werte für das Elastizitätsmodul überdecken viele Größenordnungen
(II) Kompression
V K V
p Δ
−
= Δ Δ V
V
Hooksches Gesetz für die Kompression
K nennt man man das Kompressionsmodul
Einheit [N/m²]
üblicherweise in GPa oder MPa angegeben Zusammenhang zum Elastizitätsmodul E
E Δ p
−
⇒ 3
ε
Faktor 3: Druck wirkt von allen Seiten auf den Körper ein( )
( μ )
μ 2 3 1
2 3 1
− Δ =
= Δ
Δ − Δ =
E V
p K V
E p V
V
Allseitiger Druck (Gas, Flüssigkeit) bewirkt eine Volumenänderung
Spezialfälle
μ=1/3: K=E (z.B. Aluminium, Eis) μ>1/3: K>E
μ<1/3: K<E
( μ )
ε 1 − 2 Δ =
V
V
18
(III) Scherung
Tantentialspannungen
F
Scherung des Körpers
γ
γ ε ⇒
γ
τ G
ung Schubspann
=
= A F
A
Im Gegensatz zum Elastizitätsmodul E, dem Kontraktionsmodul K und der Querkontraktionszahl μlässt sich das Schermodul Gnicht aus bekannten E, μoder E, K oder K, μherleiten
Torsionwird ebenfalls durch eine Schubspannung verursacht. In der Literatur wird das zugehörige Schubmodul deshalb auch als Torsionsmodul bezeichnet.
Zusammenhang zwischen den elastischen Konstanten
= G
= K μ=
= E
Elastische Moduli
Material Elastizitätsmodul Schermodul Kompressionsmodul
GPa GPa GPa
Eisen Stahl Blech Aluminium
Beton Stein Marmor
Granit Holz Nylon Knochen
Wasser Alkohol Quecksilber
Luft, H2, Helium, CO2
Festkörper 100 40 90
200 80 140
100 35 80
70 25 70
21
50 70
15 80
Flüssigkeiten 2
1 2
Gase 10-4
45 45
1 5 14
20
Spannungs-Dehnungsdiagramm
nicht-lineares Verhalten
permanenter Verformung des Materials
L Δ L
lineare Verformung des Materials
A
F
Knochenbrüche
jenseits der Elastizitätsgrenze
Beim Torsionsbruch liegt der Bruchpunkt am niedrigsten.
Erfahrungswert 120 Nm führen zum Bruch des Oberschenkelknochen
z.B. Krafteinwirkung von 100 N auf die Skispitze bei fixiertem Fuß
22
Statik von Gebäuden
Entwicklungsgeschichte
24
Statik von Gebäuden
Parthenon, Athen
Antike, Griechenland
Breite des zu überspannenden Raumes limitiert durch die Größe der Steine. Durch das Gewicht ergibt sich eine zusätzliche Beanspruchung durch Kompression, die es verhindert, dass größere Abstände der Pfeiler realisiert werden können.
Das Baumaterial Stein hat aber nur ein geringes Modul bezüglich Spannung und Scherung.
Erste Innovation:
Antike, Rom
Halbkreisförmiger Torbogen
Im Halbkreisbogen wird im Wesentlichen ein Kompressionsdruck erzeugt. Dadurch werden
vertikale Kräfte in horizontale Kräfte transformiert.
Allerdings stimmt die Richtung der einwirkenden Gewichtskraft nicht mehr mit der Richtung des Druck überein. Das hat zur Folge, das die Seiten nach außen gedrückt werden und das Zentrum die Tendenz zeigt einzustürzen.
Panthenon, Rom
Spitzbogen
Zweite Innovation ca. 1100 n. Chr.
Jede Seite des Bogens ist ein Ausschnitts eines Kreissegments. Dadurch wird der Bogen schmaler.
Zusätzlich stimmt die Richtung der Krompressionsdrucks besser mit der einwirkenden Gewichtskraft überein.
Gotische Kathedrale, Amiens, erbaut 1220 n. Chr.
26
Spitzbogen
R
R
2 2 R
R 2 F
gF
gF
gF
gF
VF
HF
HF
Vg H
H g
g
H g
V
F F
RF R F
RF
RF R F
RF
2 1 0 2
0 2
=
−
−
=
−
−
=
g H
H g
g
H g
V
F F
RF R F
F R
RF R F
F R
4 1 2 2 0
2 2 0
=
−
−
⋅
=
−
−
⋅
=
Rechnung für jeweils die eine Hälfte eines Bogens
2 / R 2
/ R
Gesucht: Kraft nach außen am Fuß des Bogens
Statisches Gleichgewicht
Summe der Drehmomente ergibt NULL
horizontale Belastung halbiert sich
Kuppeln
Problem der Baumeister:
Die Konstruktion ist nur unter Druck stabil, d.h. erst wenn der letzte Stein eingesetzt ist.
Lösung durch schichtweises aufbauen der Kuppel.
Innerer Ring stabilisiert die Konstruktion
Kathedrale von Florenz, 1296 n. Chr.
Kuppeldurchmesser 23 m
28
Flachkuppeln
Palazzetto dello Sport, Rom, 1956/57
Abmessungen
Stahlbetonkuppel Durchmesser 60 m
Höhe 21 m
Gewicht der Kuppel 106kg
Anzahl der Y-förmigen Stützpfeiler 36 Winkel 38°
( )
N F
N F F
N F
H
V H
V
6
6
6 6