Kleine Beiträge zur Phonetik und Grammatik des Tibetischen.
Von
U. Francke, Missionar der Brüdergemeinde in Ladakh.
Die folgenden Zeilen sollen ein kleiner Nachtrag sein zu meiner
Sketch of Ladakhi Grammar, JASB., Vol. LXX, Part I, Extra No. 2
—1901. Weil alle die Fragen, welche im folgenden kurz behandelt
werden, von deutschen Forschem (Prof Dr. Conrady, Prof. Dr. Grün¬
wedel und Dr. Laufer) angeregt worden sind , habe ich mich zu
einer ersten Veröffentlichung der folgenden Beobachtungen in einer
deutschen Zeitscbrift entschlossen.
Es sollen auf Grund praktischer Beobachtungen zwei Fragen
besprochen werden : 1) Der Einfluss des Sanskrit auf das Tibetische,
2) Die Wirkung der Präfixe auf Media und Tennis.
Man hört heutzutage oft den Ausspruch, dass man das Tibetische,
bevor es vom Sanskrit durchgreifend umgebildet wurde, gar nicht
kenne und deshalb den ursprünglichen Stand der Sprache nicht
feststellen könne. Da sich nicht nur in Tibet, sondern auch ander¬
wärts gezeigt hat, dass die Volksdialekte häufig Formen und Stämme
besitzen , welche einen sehr alten Entwickelungsstand der Sprache
veranschaulichen , gebe ich der Hoffnung Raum , dass aus der Er¬
forschung der tibetischen Dialekte noch allerhand Material gewonnen
werden wird , welches auf das vorlitterarische Tibetisch Licht zu
verbreiten imstande ist.
Bei dem Studium tibetischer Handschriften , aber auch Holz¬
drucke, hat sich gezeigt, dass öfters Genitive auf kyi, gyi, gi, yi, i
an Stelle von Instrumentalen auf kyis, gyis, gis, yis, s angewendet
werden, dass an anderen Orten aber auch wieder der Instrumental
da gesetzt wird, wo ein Genitiv stehen sollte. Aus diesem Umstand
und der Thatsache, dass in den meisten Dialekten die Aussprache
von kyis und kyi , gyis und gyi u. s. w. ganz oder fast dieselbe
ist , folgerte man , dass das moderne Tibetisch, und möglicherweise
die vorlitterarische Sprache, nicht zwei Kasus, sondern nur einen,
den Genitjiv-Instrumental, besessen habe.
Diese Folgerung scheint auf den ersten Blick eine ganz rich¬
tige zu sein. Unmöglich wäre die Sache jedenfalls nicht, und das
Deutsche bietet im Gebrauch der Präposition »von* eine ent-
sprechende ParalleleDie Entwickelung dieser Kasusfrage müsste man sich in folgender Weise vorstellen : die vorlitterarische Sprache von Tibet besass einen Genitiv-Instrumental, welcher auf kyis, gyis.
gis, yis, s endete. Das heutzutage überall zu beobachtende Streben
des Tibetischen , s in i zu verwandeln . mag schon damals in
einigen Dialekten aufgetreten sein, und in diesen lautete der Genitiv-
Instrumental nun kyi (= kyii), gyi u. s. w. Als durch die Uber¬
setzungen indischer Pandits aus dem Sanskrit ins Tibetische die
erste Literatursprache des Landes gescballen wurde (abgesehen von
der gewiss schon damals sehr reichhaltigen Volkslitteratur), erschien
jenen Indern der Gebrauch nur eines Kasus für Genitiv und In¬
strumental verwirrend, und sie entschieden sich für eine Trennung
im Gebrauch der beiden von ihnen vorgefundenen Pormen.
Alles dies würde mir nun sehr einleuchten , wenn nicht der
Dialekt von Khalatse, überhaupt von Ünter-Ladakh, so ganz
dagegen spräche : wie soll man es sich erklären , dass, während in
Leh kein Unterschied zwischen Genitiv und Instrumental zu hören
ist, ein solcher in Khalatse sehr deutlich bemerkbar wird-). In
Leh sagt man ngä thongspin „ich sah' und ngä sta „mein Pferd
In Khalatse aber ngas t/tongspin „ich sah' und ngä sta „mein
Pferd'. Wenn nun das s des Instrumentals eine litterariscbe
Neuerung ist, müsste man erwarten können, dasselbe in dem ge¬
bildeteren Leh eher anzutreffen , als in dem vom Buddhismus viel
weniger berührten kleinen Dorf Khalatse oder in dem wenig
. . ^
gebildeten Unter-Ladakh. Da nun Unter-Ladakh eine ganze Anzahl
sprachlicher Altertümer besitzt (nur einige wenige Beispiele statt
vieler: man sagt grangmo, nicht drangmo , für „kalt' im Dorf
Gig tan; sby areas, nicht zharces, für „kleben', thoras, nicht thore.
für „morgen' in Khalatse), so liegt die Vermutung doch recht
nahe, dass auch das daselbst ertönende s des Instrumentals zu diesen Altertümern gehört.
Eine andere Eigentümlichkeit des Leher Dialekts soll in diesem
Zusammenhang gleich erwähnt werden : der Ablativ wird in vielen
Fällen nicht vom Lokativ unterschieden. Das ablative s, welches
i gesprochen wird, verbindet sich mit dem na des Lokativs zu der
Endung nä, und diese wird häufig sowohl als Ablativ wie als Lokativ
gebraucht. So heisst z. B. inä sowohl „hier' als auch „von hier':
anä sowohl „dort* als auch „von dort'-'). Die Herleitung von
Lokativ und Ablativ aus einem Kasus i.st wohl aber noch schwerei-
1) Z. R. „von ihm gemacht" zeigt den instrumentalen Gebrauch, „ein Sohn von ihm" den genitiven.
2) In Grammatiki n findet man oft als Unterschied in der Aussprache angegeben : Instrumental kijl, gyi, yl. etc., Genitiv kyi, gyi, yi etc. Nach meiner Beobachtung ist ein solcher thatsächlich nicht vorhanden, das i ist als Silben¬
ausgang in beiden Fällen lang.
3) Kine interessante Beobachtung ist, dass in Dr. Läufers ,,Zwei Legenden des Milaraspa", Archiv für Religionswissenschaft, IV. Band, Heft 1, S. 4 obeu, auch das na der Bedingung mit einem s versehen als nas erscheint.
vorstellbar , als die des Genitivs und Instrumentals aus einem
Kasus, und es wird wohl das richtigste sein, wenn wir dieses Zu¬
sammenfliessen von Lokativ und Ablativ als Parallelerscheinung
zu dem modernen Zusammenfliessen von Genitiv und Instramental
auffassen.
Es ist sehr wahrscheinlich, vom Standpunkt der gesprochenen
Sprache von Unter-Ladakh aus betrachtet, dass die Scheidung zwischen
Genitiv und Instrumental nicht erst von den indischen Pandits, mit
Rücksicht auf ihre Übersetzungen, angeregt worden ist, sondern dass
sie schon in der alten Sprache bestanden hat. Die gegenwärtige
Unklarheit beim Gebrauch beider Kasus erklärt sich am einfachsten
aus dem Verschmelzen des als i ausgesprochenen s der Endungen
hyis gißs u. s. w. mit dem vorhergehenden i zu einem Laut i, und
dieses i konnte von dem i des Genitivs, welches als Auslaut von
Natur lang ist, nicht unterschieden werden.
Auch ist gelegentlich ein Zweifel an der Ursprünglichkeit der
tibetischen Sandhigesetze ausgesprochen worden. Das ist sehr natür¬
lich , denn wenn man tibetische Holzdrucke und MSS. auf deren
Anwendung hin untersucht, stösst man auf allerhand Unregelmässig¬
keiten. Deshalb hat man geschlossen, dass solche Sandhigesetze
eigentlich nur für die geschriebene, nicht die gesprochene Sprache
existierten, und dass die häufige Nichtbefolgung derselben auf die
Einwirkung der letzteren zurückzuführen sei. Dass für die schrift¬
liche Sprache Sandhigesetze aufgestellt wurden , schien nicht ver¬
wunderlich , da die übersetzenden Inder vom Sanskrit mit seinen
vielen Wohllautsgesetzen her ein besonders feines Ohr für Härten
im Klang der Sprache mitbrachten.
Nach meinen praktischen Beobachtungen herrscht in der ge¬
sprochenen Sprache durchaus keine Beliebigkeit inbetreff der Be¬
folgung von Sandhigesetzen. Von grosser Wichtigkeit ist aber die
Thatsache, dass diese Gesetze in verschiedenen Gegenden verschieden
lauten. Wiihrend z. B. in Leh die in Jäschkes Grammatik dar¬
gestellten Gesetze fast ohne Abänderung befolgt werden (eine solche
Abänderung, oder vielleicht Hinzufügung, könnte für Leh gemacht
werden in Bezug auf die Aussprache des Artikels, welcher nach
gewissen Konsonanten mit h gesprochen wird, ohne dass dieses b
in V übergeht), hat Khalatse und Unter-Ladakh zum Teil eigene
Gesetze. Um ein Beispiel zu bringen : Der indirekte Artikel wird
in Leh nach g, d und b — cig ausgesprochen, nach s — sliig,
und nach allen anderen Lauten — zhig. In Khalatse ist die
Aussprache cig aber nicht auf vorhergehendes g, d und b beschränkt,
sondern findet sich sicher auch nach n (wahrscheinlich über-
1) Ieli möchte doch einmal stark betonen, dass die Sandhigesetze des Sanskrit so ganz und gar verschiedener Natur sind von den tibetischen. Ich könnte kein tibetisches anführen, welches sich auf ein Sanskritgesetz direkt zurückführen liesse.
haupt nach Nasalen) , während auf vorhergehende Vokale zhig
folgt. Behalten wir die Thatsache , dass gewisse Distrikte eigene
Sandhigesetze haben , im Auge , so erklären sich leicht allerhand
Unregelmässigkeiten im Gebrauch der für klassisches Tibetisch an¬
gesetzten, welche wahrscheinlich eineni früher lebenden Dialekte
entnommen sind.
Aber auch eine andere Ursache möchte ich noch kurz erwähnen.
Das in der Introduction zu meiner Ladakhi Grammar beschriebene
Streben der Tennis, wie eine Media ausgesprochen zu werden, hat,
weil nun manche Worte zwar mit Tenuis geschrieben, aber mit
Media ausgesprochen werden , eine grosse Verwirrung in vielen
Köpfen angerichtet. Man ist sich gar oft über die eigentliche
Natur dieser beiden Lautklassen nicht klar und braucht die eine
für die andere.
Aus dem obigen ergiebt sich also, dass Ungewöhnlichkeiten in
der Schreibung nur mit allergrösster Vorsicht zu gebrauchen sind,
selbst dann, wenn man weiter nichts zu erkennen wünscht, als
etwaige dialektische Eigentümlichkeiten des Schriftstellers oder
Schreibers.
Verdacht erregt haben schon seit langem die vier Stämme,
welche sich bei einer ganzen Anzahl von Verben finden. Diesen
Verdacht kann ich bis zu einem gewissen Grad teilen, da keiner
der bisher ein wenig bekannt gewordenen modernen Dialekte vier¬
stämmige Verben besitzt. Merkwürdig ist, dass nicht nur in Ladakh,
sondern auch in Lhassa und bei Darjeeling der klassische Perfekt¬
stamm fast allein im Gebrauch ist. Er stellt jedenfalls die Grund¬
form des Verbs dar, und es sieht fast so aus, als ob wir in den
anderen klassischen Stämmen zum Teil die Schöpfungen indischer
Pandits besässen. Gerade die einigermaassen durchgeführte Regel
dem Futurstamm d oder g als Präfix zuzufügen und dem Perfekt¬
stamm b, erregt um so mehr Zweifel an ihrer Ursprünglichkeit,
als in den modernen Dialekten fast keine Erinnerung an einen
solchen Unterschied zu finden ist. Das einstige b des Perfekt¬
stammes mag wohl gelegentlich noch ertönen, wie z. B. in khabzä
(kha bzas) statt khazas, Nahrung, oder in shabtsongpa, statt sha
tsongpa, Fleischer (eigentlich „Fleischverkäufer"). Aber gerade
dieses letztere Wort kann als Beispiel dafür gelten , dass schon in
jener Zeit, als das b noch tönte, dieser sogenannte Perfektstamm
in präsentialer Bedeutung gebraucht wurde ; denn im Wort btsongpa,
Verkäufer , liegt eben doch ein Partizip der Gegenwart , nicht der
Vergangenheit, eingeschlossen. Dass aber das alte Tibetisch, wenn
auch nicht vier, so doch mehr als einen Stamm für das Verbum
besessen haben mag, wird durch die westtibetischen Dialekte wahr¬
scheinlich gemacht. Wie aus meiner Ladakhi Grammar ersichtlich
ist, zeigen noch heutzutage viele Verben zwei oder drei verschiedene
Stämme , obgleich deren Unterschiede nicht so gross sind , wie sie
die klassische Sprache ansetzt.
Beispiele sind:
Präsensstamm Perfektstamm Imperativstamm
Ita Itas Uos
dnd druls drul
tang tangs tong
za zos zo
phu phus phus
yong yongs yong
u. s. w.
Auf das etwaige Vorhandensein eines ehemaligen Puturstammes
werfen die Dialekte aber kein Licht, und deshalb kann der oben
erwähnte Verdacht inbetreff der vierstämmigen Verben nicht ohne
weiteres als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Frage der Komposita soll hier nur kurz berührt werden.
Die Bildung der tibetischen und der Sanskritkomposita ist eine so
verscbiedene , dass wohl noch nie die Behauptung aufgetaucht ist,
dass in dieser Sache Tibet von Indien belehrt worden sei. Hierbei
scheint es mir vielmehr, als ob sich oft noch deutlich erkennen
liesse , ob ein Wort (oder ein Name) aus dem Indischen übersetzt
ist oder nicht. Praktische üntersuchungen der Personennamen in
einzelnen Dörfern von Ladakh zeigen deutlich, dass alle diese Namen
echte tibetische Komposita sind, d. h. aus reinen Stämmen zu¬
sammengesetzte Bildungen. Kasussuffixe finden sicb bei diesen
noch heute praktisch gebrauchten Namen nicht. Sobald nun solche
bei einem Namen erscheinen, erhebt sich die Frage, ob der mit
Suffixen versehene Name etwa aus einer fremden Sprache übersetzt
sein könnte.')
Alles in allem genommen, ergiebt sich aus der vorhergehenden üntersuchung, dass der Einfiuss des Sanskrit selbst auf das klassische
Tibetisch nicht zu hoch angeschlagen werden sollte. Wenn wir die
einheimischen Grammatiken studieren, finden wir, dass diese Arbeiten
durchaus nicht wie sklavisches Kopieren von indischen Vorbildern
aussehen , sondern dass sie trotz ihrer Kindlichkeit den Charakter
selbständiger Forschung tragen. Obgleich sie allerdings bei der
Aufzählung und Anordnung der acht Kasus (z. B. der Genitiv wird
der sechste Kasus, der Instrumental der dritte Kasus genannt) das
indische Vorbild erkennen lassen, so enthalten sie doch auch anderer¬
seits eine ganze Anzahl von Gegenständen, welche unmöglich durch
das Studium indischer Grammatiken angeregt worden sein können,
und hier möchte ich im besonderen auf das Tonsysteni aufmerksam
machen, da dasselbe recht ausführlich abgehandelt wird.
1) Es finden sicti aucti einige Genitive in den Namen der Kesarsage, z. B.
■/serri buzhung , dunggi dardkar, welcher Umstand auf auswärtige Einflüsse sehliessen lässt.
2 ^
Prof. Dr. Conrady hat schon mit Becht darauf hingewiesen,
dass das tibetische Tonsystem im engsten Zusammenhang mit
den Präfixen steht. Die folgenden Zeilen sollen nur zur Be¬
stätigung seiner Theorie beitragen. Orthographisch betrachtet, zer¬
fallen die Präfixe in zwei Gruppen : Die erste wird über den
folgenden Stammbuchstaben gesetzt und mit ihm zu einem Zeichen
verbunden. Zu dieser Gruppe gehört l, r und s. Die zweite
Gruppe wird vor dem Stammbuchstaben geschrieben und behält
ihre graphische Selbständigkeit. Hierher gehört b, d, m und 'a.
Diese verschiedene Schreibweise wird kaum auf dem Zufall beruhen.
Ich könnte mir vorstellen, dass zur Zeit der Peststellung der tibe¬
tischen Orthographie die Präfixe der ersteren Gruppe mit dem
Konsonanten des Stammes zu einem Laut verbunden wurden, während
die der zweiten Gruppe (wie das ja auch von Prof Dr. Conradv
wahrscheiiüich gemacht wird) mit einem dumpfen Vokal, etwa
ähnlich dem y mehrerer slavischen Sprachen, zusammen gesprochen
wurden. Der Klang der heutigen Dialekte verrät allerdings nichts
von dieser angenommenen ui-sprünglicben Aussprache. In mehreren
Dialekten (Spitti, Rubschu, Lhassa, Darjeeling) tönt weder die eine
noch die andere Gruppe überhaupt ; in anderen (Ladakh , Purig.
vielleicht auch Sikkim) tönen beide gleich: nämlich nicht nur r
und s wie r und s (gelegentlich sh gesprochen mit über die Backen¬
zähne streichendem Luftstrom), sondern auch g, d, b klingen wie
r und s; m und 'a ertönen als Nasale nur nach auf Vokale enden¬
den vorhergehenden Worten , und unter diesem Umstand können
auch g, d und b ihren Originalwert wieder zur Geltung bringen.
Es wäre nun aber doch kaum denkbar, dass Buchstaben (und
seien sie auch nur Präfixe) aus einer Sprache verschwinden , ohne
eine Spur ihres ehemaligen Daseins zu hinterlassen. Das ist auch
nicht der Fall, und es ist garnicht angebracht, so, wie Dr. Laufer
gethan hat, von den Mengen der tibetischen Homonyme zu reden.
Solche existieren höchstens für das weniger feine Ohr des Europäers, nicht für das der Eingebornen.
Der Einfluss der verstummenden Präfixe auf den Rest des
Wortes zeigt sich nun thatsächlich in zweifacher Weise, und auf
beides hat Prof Dr. Conrady schon längst hingewiesen: erstens
wird der dem Präfix folgende Konsonant aspiriert, zweitens wird der
Ton der ursprünglich m.it einem Präfix versehenen Silbe verändert.
Es ist recht interessant zu sehen, dass dieselben Veränderungen,
welche in den arischen Sprachen durch die Aspiration bewirkt
werden, im Tibetischen von den Präfixen ausgehen. Die Wirkung
der Aspiration in den arischen Sprachen ist eine zweifache. Setzen
wir als ursprüngliche Aussprache der aspirierten Tenuis kh (^3),
ih (T), /JÄ CSR) etc. einen deutlichen Hauchlaut, welcher der Tenuis
direkt folgte , an , so finden wir , dass sich diese Aussprache wohl
nirgends länger gehalten hat, sondern entweder, wie in den modernen 2 4
indischen Dialekten, zu einer verstärkten , härteren Aussprache der
Tennis (gleichsam ihrer Verdoppelung) führte , oder , vfie z. B. im
Griechischen, neue Reibelaute, (f, &, x hervorrief.
Diesem ersteren Gesetz des Arischen : kh = kk, ph = pp, th
= tt, entspricht nun im Tibetischen das folgende:
sg oder rg — gg (von Conrady u. Sandberg gh geschr. = k = kh.
sö oder rb — bb „ , , , bh , = p = ph.
sd oder rd — dd „ , , , dh ^ = t = th.
In Worten ausgedrückt heisst dies : Durch ein vorgesetztes *
oder r (seltener Z) wird die Aussprache der folgenden Media ge¬
steigert, bis sie zur Tenuis wird, oder bei vollständiger Aufgabe
des Präfi.xes zur sogenannten aspirierten Tennis, deren Aussprache
aber am genauesten durch kk, tt, pp wiedergegeben wird.
Hierzu die folgenden Bemerkungen : In meiner Ladakhi Grammar
sind S. 35 36 bei den regelmässigen Typen der Kausative g = sg,
iu Klammern einige Typen eingefügt, deren Formel g — sk ist.
Ich möchte diese TyP^'i geradezu als die allerregelmässigsten an-
iresehen haben. Hier zeigt sich, dass das Präfix s die Media schon
so weit gehoben hat, dass die tibetische Orthographie schon eine
Tenuis statt der Media setzte.
Der Typus kh = sk bei den Kausativen in meiner Ladakhi
Grammar ist so zu erklären : Die mit kh, th und ph beginnenden
Grundformen haben schon einmal ein Präfix aufgenommen. Indem
man von diesen wieder durch Vorsetzung von s einen Kausativ
bildete, entstand statt des unmöglichen skh die Bildung sk.
So lange ich nur den westtibetischen Dialekt zu hören bekam,
war mir die aspirierte (d. h. durch ein verschwundenes Präfix ver¬
stärkte) Media , also Bildungen wie gh = gg , bh = bb , dh = dd
nur eine Möglichkeit. Von ihrer Wirklichkeit habe ich mich erst
hier in Darjeeling überzeugt. Es muss nun eingeschoben werden,
dass nicht nur die Präfixe r. s und l die Arbeit des sogenannten
Aspirierens übernehmen , sondern dass auch g . d und b , nachdem
ihre Aussprache zu s und r geworden ist , das gleiche thun. So
ist z. B. die Aussprache von bzhi, vier, in Ladakh thatsächlich zhi,
in Darjeeling aber geradezu shi (müsste nach Sandberg eigentlich
zhhi. oder nach meiner .Auffassung zhzhi geschrieben werden). Die
Aussprache von bdun , sieben , in Ladakh dun , in Darjeeling aber
nahezu tün (eigentlich dhün, ddün).
Aber nicht nur dies ist geschehen . sondern dje Veränderung
in der Aussprache der ursprünglich präfigierten Media hat die ganze
Klasse Media mit fortgerissen und es will mir scheinen, dass, wenn
dem Darjeelinger Dialekt die reine Media nicht schon verloren ge¬
gangen ist,') dies allernächstens bevorsteht. So spricht man «tatt
1) Sandberg ziebt zwischen roiner Media und aspirierter Media eine Grenze, welche ich nicht oline weiteres anerkennen kauu. Nach ihm finden wir die reine
zer, sagen, ser ; statt dang, und, tang, etc. Die tibetische Sprache
zeigt demnach zwei Extreme: Nach Prof. Dr. Conrady's Demon¬
strationen ist es sehr wahrscheinlich, dass die ursprüngliche Sprache
gar keine Tenues, sondern nur Mediae besass. Der Dialekt von
Darjeeling dagegen wird vielleicht bald keine reine Media mehr
besitzen , sondern nur wie Tenues klingende aspirierte Mediae und
sogenannte Tenues aspiratae haben.
Zu dem zweiten Gesetz des Arischen : kh = %, th = ß- , ph
= cp, finden wir die entsprechende Parallele im tibetischen Dialekt
von Rong, Lad. Gr. p. 6. Dort ist rk oder sk zu h (gelegent¬
lich ch) geworden, rp oder sp aber zu f. Eine dritte Paralle st
oder rt = &, habe ich noch nicht entdecken können.
Wie schon gesagt, zeigt sich der Einfluss der Präfixe aber
auch im Ton des Wortes. Die schon von Jäschke entdeckte und
nicht wieder umgestossene Regel ist allgemein gesagt die folgende :
Durch ein oder mehr Präfixe wird der Ton des Wortes erhöht. So
einfach diese Regel nun auch klingt, so schwierig gestaltet sicb
ihre Ausführung in der Praxis.
Die Geschichte der Untersuchungen des tibetischen Tonsystems
scheint so alt zu sein wie die tibetische Litteratur selbst ; denn in
dem Legs bshad, welcher Thon mi sam bhota zugeschrieben wird,
findet sich schon eine vom tibetischen Standpunkt aus vollständige
Übersicht des Systems. So interessant und vielleicht auch wichtig
diese Auseinandersetzungen der tibetischen Grammatiker nun auch
sein mögen , bis zum heutigen Tag haben sie uns noch nicht viel
helfen können ; und zwar hauptsiicblich deshalb , weil die termini
technici grösstenteils unbekannt sind, und weil das ganze gramma¬
tische System der Tibeter uns bisher noch sehr fremd und un¬
durchsichtig geblieben ist. Man kann sich deshalb nicht wundern,
wenn die europäischen Forscher sich bisher lieber ihren eigenen
Ohren, als den tibetischen Grammatiken anvertrauten.
In Jäschke's phonetischen Tabellen (Introduction to the Dictio¬
nary) finden wir, dass bei allen Worten des Centraltibetischen an¬
gegeben wird, ob ein Wort hoch- oder tieftonig ist. Jäschke kannte
also zwei verschiedene Töne. Suchen wir nun aus seiner Tabelle
alle hochtönigen Worte heraus , so sehen wir , dass diese Worte
Media immer im Schutz eines Präfixes, die aspirierte Media dagegen in Worten ohne Präfix. Dio Grenze zwischen beiden muss wohl anderswo gosuclit werden.
[Späterer Zusatz : Es scheint mir , dass es nötig sein wird , bei eingehenderen Untersuchungen über diesen Gegenstand die Dialelcte getrennt zu bebandeln.
Ich habe seit einigen Monaten Gelegenheit gehaht, mit einem Tibeter aus Trashi- lunpo viel zu verkehren. In Betrefl' seiuer Aussprache der Media liess sich die folgende Regel aufstellen : Mit aspirierter (also fast wie Tenuis kliugeuder Media) sprach er die Worte, welche entweder kein Präfix haben, oder OT und 'a als Präfix gebrauchen. Mit reinerer Media sprach er dio Worte, welche r, l, s, g, d, b, als Präfix haben. Doch gab os da auch wieder Ausnahmen, wie z. B. das Wort bzhi, vier, welches er geradezu shi sprach.]
folgende Eigentümlichkeiten zeigen: Sie beginnen meist entweder
mit Tenuis oder Tennis aspirata, oder mit einem präfixierten Kon¬
sonanten.
Demnach würde eine Darstellung des Alphabets so aussehen :
Hochton Tiefton
k kh 9 ng w
c ch J ny
,a
t th d n y
P ph b m r
ts ths dz l
s z h
sk («?) zh
Schon diese Einteilung enthält ein gut Teil Wahrheit, da .ja
nach Prof. Dr. Conrady's üntersuchungen, wie auch oben gesagt
wurde , die Tennis und Tenuis aspirata erst aus der präfigierten
Media entstanden ist, und das Präfix immer eine Erhöhung des
Tones bewirkt.
An das Tonsystem Jäschke's scbliessen wir das von Sandberg
aufgestellte Alphabet an. Es ist das folgende:
Unbestimmt Hochton Tiefton
* ng kh 9
c ny ch
J,
t n th d
p in ph b
ts w ths dz
s z sh zh
r y l 'a
ffl h
Was bei diesem System als Neuerung erscheint, ist der üm¬
stand, dass nicht nur zwei, sondern drei Töne erscheinen ; jedenfalls
scheinen nun die unbestimmt gelassenen Buchstaben einen Ton in
der Mitte, zwischen hoch und tief, darzustellen. In dieser Hinsicht
stellt das System einen Portschritt dar, in anderer Beziehung aber
nicht. Ein Blick auf die Tabelle zeigt, dass nach Sandberg die
Tenuis aspirata einen höheren Ton besitzt, als die reine Tennis,
und gerade in dieser Beziehung weicht sein System von der Praxis
ab. Es gehören allerdings sehr geübte Ohren dazu, um solche
ünterscbiede des Tones zu bemerken , und in diesen Dingen wird
ein geborener Tibeter meist eher Bescheid geben können, als ein
Europäer. Das ürteil des Tibeters findeu wir ausser in der Praxis
in den einheimischen Grammatiken ; aber gerade ihr Tonsystem des
2 k *
Alphabets ist schon in Schmidt's Grammatik und wohl auch in anderen veröfFentlicht worden, ohne dass man offenbar klar erkannte, was man eigentlich damit herausgab.
Die tibetischen Grammatiker sprechen zunächst von vier Tönen,
dem starken (dragpu) , dem schwachen {zhanpa) , dem mittleren
(ranpa) und dem gleiehmässigen {mnyampd). Und zwar ist mit
dem starken Ton zu sprechen, was unter pho aufgeführt wird, mit
dem schwachen , was als mo bezeichnet wird , mit dem mittleren
die zu maning gehörigen Buchstaben, und mit dem gleiehmässigen
Ton, was als shintu mo aufgezählt wird.
Hier sind aber noch nicht alle Buchstaben untergebracht, und
die noch übrigen werden mit dem Namen mo ySham versehen, ohne
dass etwas über deren besonderen Ton ausgesagt würde. Auch aus
diesen wieder wird häufig noch a ausgesondert und mtlisan med,
„namenlos" genannt.
Neben dieser Haupteinteilung läuft eine andere her, nach welcher
alle Vokale (dbyangs) als mo gelten, alle Konsonanten (ysal byed)
als pho.
Dass alle Buchstaben, wenn aus der Reihe herausgenommen
und klar ausgesprochen , verschiedene Töne haben , liess sich sehr
deutlich hören, als Missionar Amundsen vor mir an einem Ein¬
geborenen das Experiment machte. Dabei ergab sich deutlich, dass
dragpa (pho) oder die starke Stimme den hohen Ton darstellte,
zhanpa (mo) oder die schwache Stimme, den tiefen Ton. Dies ist
etwas merkwürdig, weil, als ich auf dem Harmonium hohe Töne
vorspielte, dieselben mo skad, Frauenstimme, genannt wurden; die
tiefen aber pho skad, Männerstimme. Dass aber in der Grammatik
mit pho die hohen Töne bezeichnet werden, ist mir auf besondere
Anfrage hin immer wieder bestätigt worden. Die von den Gramma¬
tikern aufgestellte Liste der Buchstaben ist die folgende:
pho maning mo shintu mo mo ysham
k kh
9 ng r
c ch J ny l
t th d n h
p pll b m a
ts ths dz
w zh z 'a y sh s
Diese Liste ist von Wichtigkeit für alle Worte, welche mit
diesen Buclistaben anfangen (womöglich aber auch keinen weiteren
2 k *
Konsonanten enthalten). Es entging den Tibetern nicht, dass durch
Präfixe (wie auch vielleicht durch Affixe) der Ton des Wortes
verändert wird, und um sich diese Veränderungen erklären zu
können, richteten sie sich ein neues Tonsystem für Präfixe (sngon
^qjug) und Suffixe (rjes 'qfug und yang 'cy'ug) ein.i) Es ist das
folgende :
pho maning shintu mo
Präfix :
Suffix:-) S ds b a
\ n r l
nd 1 nach alter rd ; Schreib-
Id 1 weise
ngs ms 'a
ng m ,a
Bei dieser Liste ist auffallend, dass gerade für die allerhäufigsten
Präfixe * und r keine Begel gegeben wird, wodurch die Brauch¬
barkeit des Systems bedeutend vermindert wird. Pür die recht
häufigen Wortschlüsse gs und bs giebt es die Namen skyes bu rab
für den ersteren und skyes bu 'abring für den letzteren; wahr¬
scheinlich gelten beide als pho.
Zur Erklärung dieses letzteren Systems lässt sich etwa das
folgende sagen: 1. Es wurde vielleicht aufgestellt zu einer Zeit, in
welcher die Präfixe noch eine kurze Silbe mit Hilfe eines unklaren
Vokals (slavisches y) bildeten , und der Ton dieser Silbe mag von
dem der Hauptsilbe verschieden gewesen sein. 2. Oder aber das
System ist ein nicht ganz gelungener Versuch, sich die Wirkung
von Präfix und Snffix auf die Stammsilbe zu erklären.
Zum Schluss gebe ich Missionar Amundsen's Tonsystem, wobei
ich neben seinen Zahlen gleich die entsprechenden tibetischen Be¬
zeichnungen einfüge:'')
1) Als rjes 'ajug wird von den Tibetern der zweite Konsonant der Stämme, welcben wir als zum Stamm gehörig ansehen würden, bezeichnet; als yang 'ajug ein jenem angehangenes s oder d, drag genannt, welches sich aber nur in deu ältesten Handschriften ündet, weil es heutzutage nicht mehr geschrieben wird.
In alten Handschriften fiudet man z. B. gyurd to fiir heutiges gyur to, ysold to für heutiges ysol to etc.
2) Suffix nur im tibetischen Sinn des Wortes zu verstehen.
3) Missionar Amundsen kam nach Ghum bei Darjeeling, nachdem er
mehrere Jahre in der China Inland Mission gedient hatte und bracbte ein durch das Chinesische äusserst fein geschultos Ohr mit. Er "tollto sein System auf, ohue je die tibetiseben Grammatiker eingesehen zu haben. Erst als er fertig war , machte ich ihn auf die Uberraschenden t'bereinstimmungen aufmerksam.
Diese sind vielleicht die beste Empfehlung für die Schärfe seines Ohres.
Bd. LVII. 20
1. pho 2. — 3. maning 4. — 5. mo shintu mo
k kh r 9 ng
c ch ,
a 3 ny
t th d n
p ph b m
ts ths dz w
sh zh l
s z
h ,
a y
Ich bin fast geneigt, in einigen Punkten Amundsen mehr Gehör
zu schenken, als den tibetischen Grammatikern, und zwar um des¬
willen , weil der Tibeter s und z , sh und zh , alle unter mo auf¬
führt , während doch schon Jäschke erkannt hatte , dass s und sh
die Eigentümlichkeiten der Tenuis teilen, s und zh aber der Media
angehören.
Amundsen's System bringt uns auch endlich eine Erklärung
des Unterschiedes zwischen mo und shintu mo. Zur Veranschau¬
lichung des ganzen Systems dient die folgende Zeichnung:
m ist der Mund , 1 bezeichnet den
hohen kurzen Ton, 2 den hohen langen
Ton ; 3 den mittleren kurzen, 4 den mitt¬
leren langen Ton ; 5 den tief beginnenden,
nachher aber etwas höher geführten Ton
(wie beim Fragen im Deutschen) , 6 den
tiefen langen Ton.
Nun ist es interessant, zu sehen, dass
die tibetischen Grammatiker mit mo den
schwachen Ton (zhanpa), mit shintu, mo
aber nicht den „schwächsten", sondern mnyampa , den „ gleich -
massigen' Ton bezeichnen. Wenn der eine Ton im besonderen als
gleichmässig bezeichnet wird, dann liegt die Vermutung nahe, dass
der andere (nämlich mo , Nr. 5 bei Amundsen) nicht gleichmässig
ist, und dies wird durch Amundsen's System klar bewiesen.
Genau gesprochen , hat Amundsen's System , ebenso wie das
alttibetische, auch nur vier Töne, denn wenn auch 1 und 2, 3 und 4,
verschieden lang ausgehalten werden , so bleibt doch die thatsäch¬
liche Tonhöhe die gleiche.
Durch Amundsen wird auch die Angabe der tibetischen Gramma¬
tiker, dass die reine Tennis einen höheren Ton hat, als die Tenuis
aspirata, bestätigt. Das ist bei weiterem Nachdenken nicht so ver¬
wunderlich. Wie vorher gesagt, wird durch das Präfix nicht nur
eine Erhöhung des Tones, sondern auch eine Verstärkung der Media
bewirkt, so dass dieselbe schliesslich zur Tenuis und Tennis aspirata
wird. Da nun überhaupt die Grenze zwischen Media und reiner
Tenuis keine allzu scharfe ist , so haben Worte , welche (nachdem
das Präfix seinen Laut ganz verloren hat), nur mit Tenuis anfangen,
eine Hervorhebung durch den Ton viel nötiger, als die mit Tennis
aspirata anlautenden, denn die Aussprache von Media und Tenuis
aspirata ist auch im Tibetischen grundverschieden.
Im Folgenden citiere ich Amundsen's Regeln , welche seiner
tibetischen Sprachlehre vorgedruckt werden sollen, im Original:
Tone I. High pitched, often nasal and short.
a) words with a high-toned initial, ending in g, d, b.
b) words prefixed, headed, or both, ending in g, d, b.
Examples: myidpa, fade; myedpa, find; stodpa, praise; htig,
hook; hod, sheaf; ynyid,, sleep.
Tone II. High, but long. . , ,
a) words with a high-toned initial ) having sr, d, b, as second
' T r 1 , -I 1 consonant, e.\cept when follo-
b) words prefixed, headed, or both ./ s suffix.
Examples : tsitsi, mouse ; ytsobo. Lord ; kun, all ; can, having ;
ynam, sky; sku, body; bslangs, raised.
Tome III. Medium pitch, short.
Words neither headed, prefixed, nor having a high-toned initial, but ending in g, d, b.
Examples : med, is not ; red, be ; dadpa, faith ; ngag , speech ;
'adug, be.
Tone IV. Medium pitch, long.
a) Words headed , prefixed , or both , having s as second
consonant.
b) hightoned initial, with s as second consonant.
c) low-toned initials, headed or prefixed , not having g, d,
b as second consonant, except when suffixed by s.
Examples : 'ugyelba , fall ; ri, hill ; rnams , plural sign ; spos, incense.
Tone V. Deep, but gradually raised to medium pitch.
Words with a low-toned initial, without head or prefix,
not ending in d or s.
Examples : nang, inside ; dang, and ; langba , rise ; lam , road ; 'oma, milk; mar, butter.
Tone VI. Deep and long.
Words with deep-toned initials, without prefixes or heads, with s as second consonant.
Examples : ngos, side ; yos, roasted corn ; nyos, bought.
Anmerkung: Als selbstverständlich ist bei den obenstehen¬
den Regeln ausgelassen , dass, falls ein Wort nur aus einem Buch-
20*
staben des Alphabets (mit folgendem Vokal) besteht, es immer den¬
jenigen Ton hat, welcher dem Buchstaben zugehört.
General Rules:
1. Words prefixed or headed are in high pitch.
2. Words beginning with a high-toned letter , not having s as
second consonant, are in high pitch.
3. g, d and b as second consonants shorten the sound.
4. s as second consonant and suffix lengthens the sound.
5. s as second consonant and suffix deepens the tone.
Exception :
Some low-toned letters, like d and_y, are low even with a
prefix.
Das Dahische Gesetz.
Von Carl Meinhof.
Im Jahre 1897 reiste der Missionar Edmund Dahl von der
Brüdergemeine in Herrnhut nach Urambo im Lande der Wanj'amwezi
in Deutsch-Ostafrika, um die dort bestehende Missionsstation von
den Engländern zu übernehmen. Die ihn aussendende Missions¬
gesellschaft hatte ihn auf vier Wochen zu mir gesandt, damit er
wenigstens etwas von Lautlehre und von ostafrikanischen Sprachen
lernen sollte, ehe er hinausging. Ich habe dieses Verfahren sehr
zweckmässig gefunden. Bei dem heutigen Stande der Sprachwissen¬
schaft ist es wirklich eine Vergeudung von Zeit und Kraft, wenn
man alles das mühsam als Autodidakt in Afrika unter sehr er¬
schwerenden Verhältnissen lernen soll, was man leichter, schneller
und richtiger in der Heimat lemen kann. Es versteht sich von
selbst, dass Dahl in vier Wochen nicht in alle Geheimnisse der
Phonetik und dazu in ostafrikanische Sprachen eingeführt werden
konnte. Immerhin hat er vermöge seines grossen Fleisses so viel
gelernt, dass er nach einem Aufenthalt von sechs Monaten in Afrika
in der Sprache der Suaheli Gottesdienst gehalten hat.
Dass er auch in der Phonetik einiges gelernt hat, hat er durch
die selbständige Auffindung eines Lautgesetzes bewiesen, das nicht
nur für das Nyamwezi , sondern für eine Reihe anderer Spracben
in Ostafrika, ja darüber hinaus, seine Bedeutung hat. Ich schlage
vor , dass wir das Gesetz dem Entdecker zu Ehi-en das Dahische
Gesetz nennen.
Es lautet kurz — die Formulierung ist von mir —:
„Wenn in einem Wortstamm zwei aufeinanderfolgende Silben
mit einer stimmlosen Explosiva beginnen , so wird die erstere
stimmhaft."
Unsere Kenntnis der Sprache der Wanyamwezi beschränkt sich
ausser den handschriftlichen Mitteilungen , die ich von Missionar
Dahl und seinem Amtsgenossen Stern erhalten habe, abgesehen von
kleineren Wörterverzeichnissen auf folgende Veröffentlichungen :