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Der altassyrische Kalender.
Von
H. Ehelolf und B. Landsberger.
Die Serie der altassyrischen Monate, für welche das bis¬
herige Material bei Landsberger, Kultischer Kalender I, 88 ff.*) zu¬
sammengestellt ist, läßt sich jetzt vollständig rekonstruieren, haupt¬
sächlich mit Hilfe des Berliner Textes VAT 9909. Anf diese Tafel
aufmerksam geworden zu sein, verdanken wir Herm Dr. Ebeling,
der sie nebst einer größeren Anzahl von Kalendertexten der Berliner
Sammlung Landsberger namhaft machte*). Die Tafel stellte, soweit
sich bei dem.überaus fragmentarischen Erhaltungszustände urteilen
läßt, wahrscheinlich einen Ritualkalender für assyrische Tempel dar.
Anscheinend als Kommentar zu der Monatsfolge dieses Kalenders
wird in Z. 3 —10 die Reihe der altassyrischen Monate mit den
babylonischen bzw. spätassyrischen Monatsideogrammen und weiteren,
jedoch nur in undeutbaren Zeichenresten erhaltenen Charakterisie¬
rungen verzeichnet. Die Zeilen lauten *):
s [aya^qar-ra-a-t[e ]
4 [ara]b.tan-mar te*) arabBAR [ ]
5 arabku-zal-li «raj[ ] a»-aj(?) . . . [ ]
« aroj üBelat-ekalli [ ]
5 arai,M ki-na-te*) [ara-^hDUL ara]p{?) ...[....]
8 araba-bu LUOAL^) . MES'-ni [ara^iKAN [ ]
9 [arab]hi.bur arahA[B . .]
10 [mrab . . . .] /f- arabA[S . . .]
1) Im Folgenden als KK. abgekürzt.
2> [Korrekturzusatz: Auch der Rekonstruktionsverauch von Weidner, Alter und Bedeutung der babyl. Astronomie, S. 60, der in KK. noch nicht be¬
rücksichtigt ist und auch bei Abfassung dieses Artikels überseben wurde, scheint scbon VAT 9909 zu verwerten, konnte jedoch, da das Haterial der Kontrakte nicht herangezogen wurde, nicht zum richtigen Resultate führen.]
3) Am Anfang einer jeden Zeile stand wohl der Einleitungskeil (nur nocb in Z. 6 erhalten).
4) Dahinter kleine LUcke, woltl unbeschrieben. 5) Zeicben NiS.
Ehelolf u. Landaberger, Der aÜatiyrüche Kalender. 217
Die Angaben dieser Tafel, im Verein mit denen von VE 43,
liefern bereits in eindentiger Weise die Namen aller Monate bis
auf den 8. und 11. (Zählung nach KK.). Aber anch diese lassen
sich obne Scbwierigkeit feststellen. Eine Durchsicht der altassy¬
rischen Inschriften und Kontrakte des Berliner Museums ergab das 6
Vorhandensein von zwölf verschiedenen Monatsnamen. Zehn davon
decken sich mit den bereits identifizierten, die zwei übrig bleibenden
sind: araJmu^ur iläni xmä araii^ippu {^ppi). VAT 9909, Z. 10
kann nun, schon des geringen Baumes wegen, nicht anders als zu
[aip-}, bzw. [si-'lpi ergänzt werden. Das ara}iBU, welches V E 43 lo
an dieser Stelle bietet, erklärt -sich dadurch, daß der Kopist das
Zeichen sip vor B JJ unter den Tisch fallen ließ, was bei der großen Fehlerhaftigkeit dieser Tafel nicht weiter auffallt'). Es ergibt sich
somit: 8. Mon. = muhur iläni, 11. Mon. = pippi.
Einiges bestätigende Material für die Aufeinanderfolge der 16
Monate sei noch notiert :
VAT 10319 (Opferkalender): Vs. 9: arali[ku;\^.sal-li , Es. 3:
\arah.a-b}u Sarräni; Z. 6 und 8: arahhi-bur ;
VAT 8695: iStu "rabSd ki-na-te .... a-di araba-bu Sarräni;
VAT 9674: istu arabqar ra-tu .... a-di arabtan-mar-tu. «o
Die letztgenannte Tafel bestätigt übrigens auch den Beginn
des Jahres mit dem Monat qarräte, da, wie aus dieser Urkunde
ausdrücklich hervorgeht, im Monat qarräte der gleiche Eponym
fungierte wie im Monat tanmarte.
Was das Verhältnis zum babylon isch en'Kalender betrifft, ss
so stimmen VAT 9909 und V B 43 in der Gleicbsetzung assyrischer
und babylonischer Monate überein. Um einen Monat früher als
diese beiden Listen setzt ein durch folgende Doppeldatierung einer
Inschrift Tiglathpileser's I. (VAT 9557) gelieferter Synchronismus den
assyrischen Monat: arahjii-bur Sd tar-si arabKAN ümu2li('f) KAM, 30
Ob sicb eine derartige Verschiebung in dem zeitlichen Verhältnis
der beiden Kalender im Laufe der Jahrhunderte eingestellt bat*)
oder die durch die beiden Listen gelehrte Entsprechung nur eine
1) Vgl.'.KK. 63. Verwechslung mit dem Trennungszeichen, das in
gelegentlicher Schreibung mit SIB völlig fibereinstimmt, mag der Grand dieser Auslassung sein.
2) In diesem Falle würde die Doppeldatierung Tiglathpileser's I. das Ver¬
hältnis am Ende des Gebrauches der altassyrischen Monatstexte ausdrücken. Denn unmittelbar oder bald nach Tiglathpileser I. scheint sie durch die babylonische verdrängt worden zu sein. Freilicb findet sie sich nocb auf einer Inschrift Salmanassar's III. (Andrae. Anu-Adad-Tempel, S. 41), doch hier wobl schon archaisierend gebraucht.
218 Ehelolf u. Landubergei-, Der altaseyrisehe Kalender.
theoretische war, welche in der Praxis wegen der Verschiedenheit der Schaltung nicht genau stimmte, läßt sich noch nicht entscheiden, zumal sieh trotz des relativ reichen Materials noch keine Spur eines
Schaltmonats im assyrischen Kalender gefunden hat*).
5 Liste der altassyrischen Monate:
Entsprechender Monat im babyl. Kalender nach V R 48 u. VAT 9909 nach VAT 9557
1. qarräte 12. 11.
2. tanmarte 1. 12.
3. ilSin 2. 1.
4. kuzalli 3. 2.
5. allanäte 4. 3.
6. ÜBelat-elcalli 5. 4.
7. Sa saräte .
*}. 5.
8. sa kinäte 7. 6.
9. mujiur iläni 8. 7.
10. ab{u) Sarräni 9. 8.
11. hilmr (hubur) 10. 9.
12. sippi 11. 10.
to Die Monatsnamen wurden hier im Genitiv gegeben (sc. arah ),
doch findet sich neben diesem in Datierungen auch der Nominativ.
Bemerkungen zu den einzelnen Monaten:
1. Beachte die Schreibung qar-ra-tu MES VAT 8819; qar-tu
VAT 9311 wohl Pehler. Auf der „kappadokischen" Tafel VAT
25 9278, Rs. 2 findet sich arah KAMga-ra-a-tim. Bedeutung des
Monatsnamens unklar
3. Meist ilSin (30) gesehrieben. Bemerkenswert ist <*rali üSu-en
VAT 8588 und 8888«), vgl. zuletzt Thureau-Dangin, Lottres et
Contrats 66. Auch VAT 9233, Vs. 9 („kapp."): arahsu en.
1) Alle Schlüsse aus dieser eine arge Lücke in unserer Kenntnis des Kalenders darstellenden Tatsache erscheinen uoch verfrüht.
2) Eine Ableitung von H^p „glühen" (oder ähnlich) pafit ebensowenig zur Jahreszeit, in welche der Monat fiel, wie etwa die Herleitung von einem etwa für das spez. Assyrische anzunehmenden "Hlp „kalt sein". Aurh an einen Zusammenhang mit dem Bernfsnamen der „kapp." Tafeln ga-ri-im (Delitzscb, Beitr. zur Entzifterung 45) ist wobl kaum zu denken. [Noch nicht sicher ist eine qarratu genannte, aus VAT 10157, Ks. 9, für den arafy^E hezeugte Kult¬
feier im Assur-Tempel, nach welcher der Honat heifien würde. K.-Z.]
3) Diese beiden Tafeln sind assyriseb, uicht , kappadokisch".
Ehelolf u. Landeherger, Der altaesyrische Kalender. 219
6. ilNlN . Ä . GAL oder UNIN . E .. GAUim geschrieben.
Zum Kulte dieser Göttin vgl. Weidner, MVAG. 1915, 4, 33.
7. Die KK. 150 erwogene Fassung als sarrati ist wegen der
konsequenten Schreibung mit einem r abzulehnen.
10. Schreibungen: a-bu LUGAL . ME und MES^); a-bu &
LUGAL. AN. M[ES\ VAT 8849 und 8620; aal LUGAL. ME
VAT. 8616; ab sar a nu VAT 8790. In den .kapp.« Tafeln: vgl.
KK. 91 d). — Der „Monat des Vaters der Könige" weist auf den
Kultus eines königlichen Ahnen.
11. Hibur, Hubur wohl der bekannte Flußname. Ob eine in lo
diesem Monate mit dem Chaboras vor sich gehende Veränderung
oder eine den als ünterweltsfluß gedachten gubur betrefi'ende mytho¬
logische Vorstellung dem Monatsnamen zugrunde liegt , läßt sich
nicht entscheiden Dieser Monat findet sich auch auf einem Kon¬
trakt von Kanna (vgl. Ungnad, VS I, X), s. KK. 91. Danach war is
in diesem Ort der altassyrische Kalender im Gebrauch, wie ja nach
dem dui-chaus assyrischen Charakter der dort gefundenen Urkunden
nicht anders zu erwarten.
12. Schreibungen: ,si-(ip)-pulpi , si2J-2)u(pi) , einmal si-ip-'u (VAT 8965 ). Danach ist der bisher zi-zu im gelesene „kapp." Monat ao (Gol. 11, 9, vgl. KK. 91) vielmehr zi-ip(\)-{m zu lesen.
1) a-ia LUGAL VAT 8978 wolil Foliler.
2) I)«ß niclit otwa das Appellativum liuhüru vörliegt, zeigt die endungs¬
lose Forin. Freilich findet sich tür den geographischen Uegriff bisher nur IJahur, fi\T don mythologischen l/uOur und Habur (Jensen, KU. VI, 1, 308).
1 I
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Kleine Mitteilungen.
Zu südarabischen Inschriften. — Sollte das i-fttsel-
hafte ihHo® Gl. 904,2 nicht Fehler sein für iMo,l,0? ,Und
Sa'dil war der es vorzulesen (auszurufen) beauftragt wurde". Das
darauf Folgende freilich ist mir unklar. Vgl. Rhodokanakis, Grund-
5 satz (SWA. Bd. 177) S. 16 ff.; Glaser, altjem. Nachr. S. 160.
Über h[X]lI)XÄ spricht Rhodokanakis, Studien, II. Heft, S. 143.
Ohne über die Bedeutung des Wortes an der betr. Stelle näheres
sagen zu können, bemerke ich, daß K^d""^ von Munzinger bei
.Dillmann, Lex. für das Tigre als Plural zu Hang, bourbier
10 angelührt wird. Natürlich zu wC9', gehörig ; s. Nöldeke, Neue
Beiträge S. 61.
Zur Erklärang von X^'llll verweist Rhodokanakis, Studien I,
S. 63; II, S. 44 auf K/V(D hören, gehorchen. Sollte nicht JCA, näher liegen ? „tabula in qua quid inscnlpitur, inscribitui-, pingitur, lapidea, 15 metallica".
In CIH. Nr. 282 (= ZDMG. Bd. 29, S. 591 ff.) scheint es sich
zu handeln um Bewahrung der Emte vor gewissen Schädlingen oder
sonstigem Schaden. Unter liiäp sind Schädlinge oder Schaden zu
verstehen, unter pi3 eine bestimmte fruchtbringende Pflanze; viel-
80 leicht t"» »nCf esplce de iuberoule , patate. Zl. 5 f. „sie zu be¬
wahren vor Schädlingen in den Brqpflanzungen des im Jahre des . . .
künftigen Frühjahrs". Zl. 9 f. „und sie brachten vortreffliche Früchte, und Schädlinge waren nicht da". Es liegt nahe, .T'N"! hier an das
J^) anzuschließen, über das Rhodokanakis GGAnz. 1914, 27 ge-
25 handelt hat, und so habe ich übersetzt. Es steht aber auch nichts
im Wege zu übersetzen „und Schädlinge hat man nicht gesebn".
Zwischen der Benennung des Stifters als npna und den Brq¬
pflanzungen besteht wohl ein Zusammenbang.
F. Praetorius.
) Zu WZKM. 30, 320 und 322. — Da die WZKM. einst¬
weilen nicht weiter erscheinen wird , mögen zu L. v. Schroeder's
dort abgedruckter Biographie des Sanskritisten Poley auf Wunsch
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