• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "„Ein Meister wird nur, wer sich unterrichten läßt”" (20.03.1980)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "„Ein Meister wird nur, wer sich unterrichten läßt”" (20.03.1980)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

GESCHICHTE DER MEDIZIN

„Ein Meister

wird nur, wer sich unterrichten läßt”

Die Ausbildung des Arztes im alten Ägypten

Fortsetzung von Heft 11/1980 und Schluß

Kamal Sabri Kolta

Die Bedeutung der Tempelarchive Obiger Inschrift zufolge war das er- wähnte „Pr-cnb = Lebenshaus" eine Ärzteausbildungsstätte. Gardiner (24) wies nach, daß dieses „Lebens- haus" in seiner Hauptfunktion eine Art Tempelarchiv war, eine Schreib- werkstatt, wie sie den meisten Tem- peln angegliedert war, in der Texte abgeschrieben und auch neu zu- sammengestellt wurden, die sich auf Theologie, Hymnologie, Mathema- tik, Magie, Medizin, Astronomie und Traumdeutung bezogen. Volten be- zeichnet dieses „Pr-cnb" als Kolle- gium, in dem der König während sei- nes Lebens durch Magie und Medi- zin geschützt wird und im Jenseits wie die Götter durch Zauber erhal- ten bleibt (25). Gerade die drei Wis- senschaften Zauber, Medizin und Traumdeutung sind eng miteinander verbunden, denn alle verstanden es, nach ihren festen Regeln die Zu- kunft zu beeinflussen.

Eine Inschrift aus der Zeit Ramses II.

im Luksortempel berichtet, daß sei- ne Majestät in den Archiven suchte und die Schriften des „Pr-cnb" öff- nete. Abd-el-Razik interpretiert diese Stelle, indem er Ramses II. als Scho- lar darstellt, der in das „Pr-cnb" ging und die theologisch wichtige Rolle des Gottes Amun und der Stadt The- ben erforschte (26). Wir ersehen dar- aus, daß sich Razik an Gardiners Theorie vom „Pr-cnb" als Tempelar- chiv anschließt. Gardiner berichtet noch weiter, daß nach der Heirat Kö- nig Ramses II. mit Prinzessin Nefru- re, Tochter des Prinzen von Bacht- an, die ältere Schwester der Prinzes- sin von einer Krankheit befallen war.

Deshalb berief Ramses II. das Kolle- gium des Lebenshauses und die Höflinge und schickte einen hoch- qualifizierten Arzt aus dem Lebens- haus nach Bachtan (27). Ferner er- wähnt ein Text aus dem Neuen Reich einen Lehrer des Lebenshau- ses, der eine Lehrschrift für seine Gehilfen verfaßt hat (28). Gerade die- se beiden Aussagen sprechen dafür, daß das Lebenshaus nicht nur ein Tempelarchiv, sondern auch eine Lehrstätte gewesen ist.

Ärzte, Priester, Zauberer

Der Ägyptologe Habachi und der Arzt und Medizinhistoriker Gha- lioungui berichten von einem Pr-cnh und web-Priester der Sachmetgöttin (29) in Bubastis (30). Es ist keines- wegs befremdend, daß Sachmet- priester in Zusammenhang mit dem Ärzteberuf stehen. So erwähnt der Papyrus Ebers drei Bezeichnungen verschiedener Ärzte, nämlich den

„swnw" Arzt, den Sachmetpriester und den Zauberer (31). Ein „wcb- Priester" der Sachmetgöttin — daher Sachmetpriester — namens Wn-nfr (Unnefer) aus der 5. Dynastie über- wachte das Schlachten und die kul- tische Reinheit der Opfertiere (32).

Die enge Verschmelzung von Medi- zin und Zauber wird in einem Text aus Hatnub belegt, der von einem Sachmetpriester spricht, der zu- gleich Arzt und Zauberer war. Es heißt dort: „. . was der Sachmet- priester „Hrj-äj-nbtw = Herischef- nechtu sagte: Ich war Vorsteher der Sachmetpriester, Vorsteher der Zau- berer, Oberarzt des Königs . . . , der die Stiere kennt (33)".

Abbildung 6: Die Statue des agyptischen Priesters und Oberarztes Udja-Hor-res- net; aus: Ange-Pierre Leca, La medicine Egyptienne au Temps des Pharaons, Pa- ris 1971, S. 114, Abb. 26

Im Gegensatz zu Gardiner wollen Habachi und Ghalioungui in dem

„Pr-cnti" eine medizinische Einrich- tung sehen, an der Sachmetpriester wie auch Ärzte ihre Fachkenntnisse

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12 vom

20. März 1980 791

(2)

Aufsätze - Notizen

Arzt-Ausbildung im alten Ägypten

gelehrt haben (34). Auf eine Verbin- dung zur Medizin schließen sie auch daraus, daß die Wiederherstellung der Ärzteschule von Sais einem Prie- ster und Oberarzt anvertraut wurde.

Habachi und Ghalioungui erwähnen eine Statue des lwnj mit dem Titel eines „Vorstehers der Sachmetprie- ster, der die Geheimnisse des ,hn`

von Bubastis kennt (35). ,hn` bedeu- tet ein Kasten, in dem Kleider, Sal- bei, Haushaltsgeräte wie auch Buch- rollen enthalten sind und so sind Habachi wie Ghalioungui der Mei- nung, daß sich neben Sais auch in Bubastis eine Lehrinstitution be- fand, in der unter anderem auch me- dizinische Fächer gelehrt wurden, wiewohl beide Städte ein Haus des Lebens besaßen. Bubastis, das seit frühen Zeiten zu Heliopolis gehörte, dürfte mit seinem Lernzentrum an den Ruhm der heliopolitanischen Schule angeknüpft haben. Die Ver- bindung der Sachmetpriester zur

Abbildung 7: Die Kriegsgöttin Neith hält zwei gekreuzte Pfeile und Bogen in der linken und das Zeichen des Lebens in der rechten Hand; aus: E. Brunner-Traut und V. Hell: Ägypten, Kunst- und Reise- führer, 3. Aufl., Stuttgart 1978, S. 108

Heilkunst ist wiederholt berichtet worden (36). Diese Priester waren offenbar in der Human- und Veteri- närmedizin bewandert. Das erinnert uns an Herodots Hinweis auf Prie- ster, die die Stiere genauestens un- tersuchten (37).

Während im Papyrus Ebers drei ärzt- lich tätige Personen erwähnt sind, werden im chirurgischen Papyrus Edwin Smith nur der Sachmetprie- ster und der swnw-Arzt genannt (38).

Ebbell meint (39), daß der Sachmet- priester chirurgische Behandlungen ausgeführt habe, weil er in diesem hauptsächlich chirurgischen Papy- rus Smith noch vor dem swnw-Arzt an erster Stelle genannt wird (40).

Ein anderer Text bezeichnet den Sachmetpriester als einen mit ge- schickter Hand in seiner Kunst (41), was keine eindeutigen Rückschlüs- se erlaubt. Alle drei Stellen verdeutli- chen die Tätigkeit eines Sachmet- priesters, dessen Schutzpatronin, die löwenhäuptige Göttin Sachmet (Abbildung 8), in enger Beziehung zur Medizin stand. Sie galt als „Her- rin der Seuchen" und „Herrin der Heilkunst" (42).

Die bekannte Erzählung im „Buch von der Himmelskuh" besagt, daß der Sonnengott Re die Vernichtung der Menschen, die sich gegen ihn empörten, beschließt, und zwar durch die Göttin Sachmet, die das Menschenblut liebte (43) und hier als wilde, blutdürstige Löwin be- zeichnet wird (44). Somit wurde Sachmet und ihre Priester in Zusam- menhang mit dem Blut gebracht, so daß man in ihr die Patronin der Chir- urgie sehen möchte.

Ärzteschule in Sais

Kommen wir auf die Ärzteschule in Sais zurück. Der Großkönig Darius I.

beauftragte den ägyptischen Prie- ster und Oberarzt Udja-Hor-resnet für diese Schule junge Leute vor- nehmer Herkunft auszusuchen, die den Gelehrten als Lehrlinge oder Gehilfen zugeteilt wurden. Von einer solchen Auswahl des Schülerkreises nach Herkunft wissen wir seit dem Mittleren Reich, als Cheti seinen

Abbildung 8: Die Löwengöttin Sachmet mit der Sonnenscheibe und Urens- schlange am Haupt. Abb. in: Ange-Pierre Leca, La M6dicine Egyptienne aus Temps des Pharaons, Paris 1971, S. 82, Abb. 14

Sohn auf die Residenzschule brach- te. Auch das Gehilfensystem ist uns seit dem Neuen Reich bekannt. Da unser Bericht, in dem diese alten Regeln fortlebten, aus dem 6. Jahr- hundert v. Chr. stammte, dürfte die- se Schule schon vor dieser Zeit er- richtet worden sein.

Der Hinweis, daß diese Schule wie zu früheren Zeiten, d. h. vor ihrem Verfall, mit allem Notwendigen und auch mit Instrumenten ausgestattet werden sollte, läßt an eine chir- urgische Spezialisierung denken.

Unter dem Patronat der blutdürsti- gen Göttin Sachmet, Herrin der Heil- kunst, waren die Sachmetpriester offenbar als Chirurgen tätig. So dürften wir die Zentren in Sais, Bu- bastis, Memphis und Heliopolis als medizinische Ausbildungsstätten unter Einbeziehung der Chirurgie sehen. Man ist auf Vermutung dar-

792 Heft 12 vom 20. März 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Abbildung 9: Das bekannte Instru- mentenrelief in dem ptolemäischen Tem- pel Kom-Ombo. Die drei Register von oben nach unten und von rechts nach links enthalten fol- gende Instrumente:

Salbtöpfe, verschie- dene Zangen und auch ein Pulver- säckchen, eine Waa- ge, 4 Spaten, ein Etui, eine Schere, ei- ne Rolle, 2 Schröpf- köpfe. Abb. in: An- ge-Pierre Leca, La M6dicine Egyptien- ne au Temps des Pharaons, Paris 1971, Abb. 84

4, „nem ree

Arzt-Ausbildung

über angewiesen, wo der Unterricht abgehalten worden ist. Die am be- sten erhaltenen ptolemäischen Tem- pel lassen vermuten, welche Räume für Tempelschulen geeignet gewe- sen sein könnten. Daumas möchte in der großen Säulenquerhalle des Dendera-Tempels den passenden Unterrichtsraum sehen. Die archi- tektonischen Verhältnisse dieser Halle bieten genügend Licht zum Le- sen und Schreiben. Die an den Wän- den befindlichen Inschriften von Festkalendern, Listen der Gaben und deren Orte könnten didakti- schen Zwecken gedient haben. Ei- nen Beweis für die Existenz dieser Schulräume konnte Daumas jedoch nicht erbringen (45). Auch der gut erhaltene Edfu-Tempel hat in der entsprechenden Querhalle einen kleinen Bibliotheksraum; dieser ist jedoch für Unterrichtszwecke zu klein und dunkel. Im warmen Klima Ägyptens könnten die Dunkelheit und Kühle des „Bücherhauses", d. i.

des Bibliotheksraumes, beabsichtigt sein, um die Papyrusrollen länger und besser zu erhalten.

Erinnern wir uns an Udja-Hor-res- nets Bericht, in dem die Rede von zwei Häusern, der Halle und dem Haus, ist. Demnach dürfte das Le- benshaus zwei Räume enthalten.

Wenn wir dabei Hinweise aus dem Neuen Reich über Schulräume in den hinteren Tempelräumen in Be- tracht ziehen, könnten wir die zwei Räume des „Pr-cnb" wie folgt lokali- sieren: Ein Raum der Schulklasse in den hinteren Räumen des Tempels, weit weg von jeglicher Störung des Alltags und ein zweiter Raum, eine Bibliothek, im vorderen Tempel, wie dies im Edfu-Tempel der Fall ist. Fer- ner befindet sich im Kom-Ombo- Tempel hinter dem Allerheiligsten an der Innenseite der Umfassungs- mauer ein Relief mit chirurgischen Instrumenten (Abbildung 9). Da die hinteren Räume bis heute nicht frei- gelegt sind, läßt sich nur vermuten, daß hinter dieser Mauer ein Ort für eine Medizinschule bzw. eine medi- zinische Einrichtung bestanden ha- ben könnte. Das „Lebenshaus" — und wenn es nur ein Tempelarchiv war — dürfte eine Institution gewe- sen sein, in der tüchtige Ärzte,

Schreiber oder Priester tätig waren und wo gleichzeitig die Bestände an Buchrollen über die Annalen, Ritual- Texte, Astronomie, Mathematik, Me- dizin, Magie und Traumdeutung also wie in einer Bibliothek aufbewahrt wurden. Die doppelte Funktion die- ses Lebenshauses als „Lehranstalt"

und „Haus der Bücher" entspricht den Aufgaben des Museions von Alexandrien, das Ptolemaios I. Soter (323 — 283 v. Chr.) als Heimstätte für Künstler, Gelehrte, Mathematiker und Ärzte sowie Astrologen errich- ten ließ. Auch dort gab es eine Bi- bliothek mit einer Wandelhalle, eine Sitzhalle und einen Speisesaal für die am Museion angestellten Gelehr- ten. Vielleicht hat das altägyptische

„Pr-cnb" für dieses Museion als Vor- bild gedient.

Anschrift des Verfassers:

Akademischer Rat

Dr. med. Kamal Sabri Kolta Institut für Geschichte der Medizin der Ludwig-Maximilians-Universität Lessingstraße 2, 8000 München 2

(Die in Klammern stehenden Ziffern beziehen sich auf das Quellenverzeichnis, das den Son- derdrucken beiliegt.)

Der richtige „Hering"

Nicht Ewald Hering, der Prager und Leipziger Physiologe, sondern sein Namensvetter Constantin Hering, der Gründer des Hahnemann Medi- cal Colleges in Philadelphia, hat.

Nitroglyzerin unter dem Namen Glo- noinum als homöopathisches Arz- neimittel geprüft und benutzt. Dar- auf hat Privatdozent Dr. med. H.-R.

Koch, Klinisches Institut für experi- mentelle Ophthalmologie der Uni- versität Bonn, hingewiesen. Die Ver- wechslung ist leider unkorrigiert ge- blieben bei der Veröffentlichung des Beitrages „Unter dem Namen Glo- noinum" von Dr. med. W. Gawlik, Bad Tölz, in Heft 46 vom 15. Novem- ber 1979, Seite 3087. Ergänzend zu seiner Beschreibung des „Erstge- burtsrechts" für Nitroglyzerin als Therapeutikum durch einen homöo- pathischen Arzt teilt Dr. Gawlik noch mit, daß bereits im Jahr 1851 in der „Allgemeinen Homöopathischen Zeitung" Glonoin als Arzneimittel in Deutschland eingeführt wurde, also immer noch 16 Jahre vor der Einfüh- rung des Nitroglyzerins durch Sir Lauder Brunton. DÄ

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 12 vom 20. März 1980 793

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wichtigste ist die Erfüllung von Kun- den bedürfnissen; wenn die Kunden zufrieden sind, dann sind wir erfolg- reich." Nun, heutzutage gibt es viele Beispiele, wo Unternehmen

Es geht nicht darum, möglichst alt zu werden, sondern bis ins hohe Alter eine hohe Lebensqualität zu ge- niessen.. Würde das Instrument der Qualitäts- kriterien implementiert, gäbe

ius einer Schrift von tagen Brachvogel.. 2tu* Otn ortpceufcifctjen mimntfccifcn.. 75—80 Jahre, von seinem Verwandten Bruno Franz Pohl, früher Allenstein, Krummstraße 1,

Hauptschule, Realschule, Gymnasium: Konzepte, Arbeitsblätter, Kopiervorlagen, Unterrichtsentwürfe c OLZOG Verlag GmbH... Wer kennt

Dass meine Gewerkschaft einer – nachge- wiesen nicht ausgereiften – Lebensanschau- ung ungefiltert eine Plattform bietet und da- bei zulässt, dass alle Kollegen, die sich nicht

Peter Scherer: Am Schluss ist auch die Branche selber dafür verantwortlich, dass nicht darüber diskutiert wird, ob eine Ingenieur-Leistung fünf oder zehn Pro- zent mehr Wert

Der FiBL Gruppe gehören derzeit FiBL Schweiz (gegründet 1973), FiBL Deutschland (2001), FiBL Österreich (2004), ÖMKi (ungarisches Forschungsinstitut für biologischen Landbau,

FiBL Schweiz (gegründet 1973), FiBL Deutschland (2001), FiBL Österreich (2004), ÖMKi (ungarisches Forschungsinstitut für biologischen Landbau, 2011), FiBL Frankreich (2017) und