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Die Patientenverfügung aus notfallmedizinischer Sicht vor und nach der PatVG-Novelle 2018 mit Blick nach Deutschland

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Academic year: 2022

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Die Patientenverfügung aus notfallmedizinischer Sicht vor und nach der PatVG-Novelle 2018 mit Blick nach

Deutschland

MASTER THESIS

zur Erlangung des akademischen Grades

„Master of Laws (Medical Law)“

im Rahmen des Universitätslehrganges

„Medizinrecht“

an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

vorgelegt von:

Mag. iur. Simone Bründl Matrikelnummer 01120676

eingereicht bei:

Univ.-Prof. Mag. iur. Dr. iur. Michael Ganner

Innsbruck, Juni 2021

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebe- nen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Ma- gister-/Bachelor-//Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

Ort, Datum Unterschrift

Gender Erklärung

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Masterarbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstan- den werden soll.

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1

Vorwort

Diese Abhandlung wurde im Sommersemester 2021 an der rechtswissenschaftlichen Fa- kultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck als Masterarbeit eingereicht. Sie geht von der Rechtslage, Literatur und Judikatur bis einschließlich 14.06.2021 aus.

Besonderer Dank gilt meinem Betreuer Herrn Univ.-Prof. Dr. Michael Ganner sowie al- len Personen, die mich im Rahmen meiner Abhandlung unterstützt haben und mich mit spannenden Informationen zu diesem Thema versorgt haben.

Insbesondere danken möchte ich auch meiner Ausbildungsanwältin RA MMag. Eva Ha- vas (Benn-Ibler Rechtsanwälte GmbH in Salzburg), welche mich zu jeder Zeit beim Ab- fassen dieser Abhandlung unterstützt hat sowie dem gesamten Kanzleiteam der Benn- Ibler Rechtsanwälte GmbH, der Rechtsabteilung der Gemeinnützigen Salzburger Landes- kliniken Betriebsgesellschaft mbH in Salzburg für das Zurverfügungstellen sämtlicher Informationen betreffend deren internes Patientenverfügungssystem sowie Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht Dr. Marc Maisch (Kanzlei RECHTSANWÄLTE Maisch Mangold Schwartz in München), welcher mich mit Literatur und Judikatur zur Rechtslage in Deutschland unterstützt hat.

Salzburg, im Juni 2021

Mag. Simone Bründl

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2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ... 1

Inhaltsverzeichnis ... 2

A. Einleitung ... 5

B. Allgemeines zur Patientenverfügung... 7

1. Definition ... 7

2. Rechtsnatur der Patientenverfügung ... 8

3. Patient ... 8

4. Medizinische Behandlung ... 8

5. Höchstpersönliches Recht... 10

6. Entscheidungsfähigkeit ... 11

7. Kein Mindestalter ... 12

C. Arten der Patientenverfügung ... 13

1. Alte Rechtslage (Vor PatVG-Novelle 2018) ... 13

2. Neue Rechtslage (Nach PatVG-Novelle 2018) ... 14

a) Die verbindliche Patientenverfügung ... 17

(i) Inhalt gemäß § 4 PatVG ... 17

(ii) Aufklärung gemäß § 5 PatVG ... 19

(iii) Errichtung gemäß § 6 PatVG ... 20

(iv) Wirkungen einer verbindlichen Patientenverfügung ... 23

(v) Geltungsdauer ... 23

D. Unwirksamkeit der Patientenverfügung ... 24

1. Unzulässige Inhalte... 25

a) Strafrechtlich unzulässiger Inhalt - § 10 Abs 1 Z 2 PatVG ... 25

b) Sonstiger unzulässiger Inhalt ... 26

2. Widerruf... 26

E. Die Patientenverfügung in der Notfallmedizin ... 27

(6)

3

1. Allgemeines ... 27

2. Die Notfallregelung des § 12 PatVG ... 29

a) Ernstliche Gefährdung ... 31

b) Bringschuld oder Suchpflicht? ... 31

c) Dokumentation der Patientenverfügung ... 33

(i) Krankengeschichte... 33

(ii) Patientenverfügungsregister ... 33

(iii) Verpflichtende Speicherung gemäß § 6 Abs 2 PatVG ... 35

(iv) Recht der Speicherung gemäß § 14 Abs 3 PatVG ... 36

(v) Abfrageverpflichtung gemäß § 14a Abs 5 PatVG ... 36

(vi) EXKURS: Anfrage an Salzburger Landeskliniken (SALK) vom 13.03.2018 iZm SALK-internem Patientenverfügungsregistrierungssystem .. 37

F. Rechtsfolgen bei Missachtung ... 40

1. Allgemeines ... 40

2. Strafrechtliche Folgen... 41

3. Zivilrechtliche Folgen... 42

4. Conclusio ... 45

G. Pflicht des Patienten gemäß § 13 PatVG ... 46

H. Kosten ... 46

1. Ärztliche Aufklärung ... 46

2. Errichtung vor einem Juristen... 47

a) Patientenanwaltschaft ... 47

b) Rechtsanwalt/Notar ... 47

I. Verwaltungsstrafbestimmung ... 48

J. Rechtslage Deutschland ... 49

1. Allgemeines ... 50

2. Voraussetzungen, Inhalt, Unterschiede ... 51

3. (Präklinische) Notfälle ... 56

(7)

4

a) Notfallpatienten als Vertragspartner ... 57

b) Notfallpatienten in der Geschäftsführung ohne Auftrag ... 58

4. Conclusio ... 58

K. Internationale Aspekte ... 59

1. Bisherige Rechtslage ... 59

2. Neue Rechtslage ... 60

a) Entscheidungsfähigkeit ... 60

b) § 1 Abs 3 PatVG ... 60

L. Conclusio ... 61

Literaturverzeichnis ... 63

Abkürzungsverzeichnis ... 66

Entscheidungsregister ... 70

Internetquellen ... 70

Gesetzesmaterialien ... 72

Abbildungsverzeichnis ... 72

(8)

5

A. Einleitung

Das Recht auf medizinische Selbstbestimmung eines jeden Patienten sowie auch das Ver- bot der Zwangsbehandlung sind Teile der umfassenden und verfassungsrechtlich gewähr- leisteten Autonomie eines jeden Menschen.1

Das aus § 16 ABGB, § 110 StGB und aus zahlreichen anderen Regelungen abgeleitete Patientenrecht auf Selbstbestimmung verpflichtet den Arzt, den Patienten vor einer me- dizinischen Behandlung aufzuklären sowie dessen Einwilligung einzuholen.2

Die Behandlungsablehnung eines Patienten ist rechtlich verbindlich. Die Patientenauto- nomie begrenzt damit die ärztliche Behandlungspflicht.3

Es kann jedoch vorkommen, dass ein Patient nicht mehr in der Lage ist, selbst zu ent- scheiden, ob er medizinische Eingriffe oder Behandlungen an sich vornehmen lassen möchte oder nicht. Sei es, weil es dem Patienten nicht mehr möglich ist, seinen Willen rechtswirksam zu äußern und/oder weil er nicht mehr in der Lage ist die Situation selbst zu beurteilen.4

Um ungewollten Behandlungen vorzubeugen und die Rahmenbedingungen für die Er- richtung und Wirksamkeit von Patientenverfügungen festzulegen, wurde mit Einführung des Patientenverfügungsgesetzes 2006 das Instrument der Patientenverfügung geschaf- fen. Dies ermöglicht es, seinen Patientenwillen noch vor einer medizinischen Behandlung zu äußern, sowie festzulegen, welche künftigen Eingriffe bzw. medizinischen Behand- lungen man ablehnt.5

Ist es dem Patienten jedoch noch möglich, selbst eine Entscheidung zu treffen, also, eine Einwilligung zu einer Behandlung zu erteilen oder diese abzulehnen, gilt seine aktuelle Entscheidung und geht diese aktuelle Entscheidung jeder zuvor errichteten

1Pesendorfer/Traar, Internationale Aspekte der Patientenverfügung Kollisionsrechtliche Anknüpfungs- punkte und Reichweite des ordre public, iFamZ 2008/6, 367 (368).

2 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 2.

3 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 2.

4Kerschner, Patientenrechte und Behandlungsbegrenzung (Abbruch, Patientenverfügung und Vorsorge- vollmacht), in Resch/Wallner (Hrsg), Handbuch Medizinrecht3 (2020), V., Rz 104.

5 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 1.

(9)

6

Patientenverfügung vor.6 Im Umkehrschluss bindet auch laut OGH „eine verbindliche Patientenverfügung den Arzt in gleicher Weise wie eine aktuelle Behandlungsentschei- dung des Patienten“.7

Am 15. 01. 2019 wurde die Patientenverfügungs-Gesetz-Novelle 2018 im Bundesge- setzblatt unter BGBl I 2019/12 kundgemacht und das österreichische Patientenverfü- gungsrecht damit novelliert. Das PatVG ist in der Fassung BGBl I 2019/12 seit 16.01.2019 in Kraft und ist seitdem auch verbindlich.8

Die Ziele dieser Novelle waren einerseits die Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Errichtung einer Patientenverfügung und andererseits die Einführung von Bestimmungen hinsichtlich zentraler Abfragemöglichkeiten.9

Unter anderem wurden folgende Änderungen bzw Anpassungen vorgenommen:

Verlängerung Geltungsdauer verbindlicher Patientenverfügungen;

Verfügungsstellung in ELGA;

Vereinfachung Erneuerungsverfahrens einer verbindlichen Patientenverfügung;

Pflicht eines Notars oder Rechtsanwalts, die Erneuerung, Änderung oder Ergänzung ei- ner Patientenverfügung in den jeweiligen Registern sowie in ELGA zu vermerken;

Streichung des Begriffs der bloß beachtlichen Patientenverfügung;

Festlegung der allgemeinen Rahmenbedingungen für die Verarbeitung von Patienten- verfügungen in ELGA;

Möglichkeit der Speicherung einer Patientenverfügung in ELGA;

Einführung Kollisionsregelung10

Diese Masterarbeit soll die Rahmenbedingungen der Errichtung und der Wirksamkeit von Patientenverfügungen im Allgemeinen behandeln sowie die rechtlichen Problemstellun- gen insbesondere im Zuge der Notfallversorgung beleuchten. Auch wird an einigen Stel- len die neue Rechtslage mit der alten Rechtslage verglichen, um die Neuerungen und

6 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 5.

7 RIS-Justiz RS0128218.

8 Rammelmüller, Die Novellierung des Patientenverfügungsgesetzes 2018 - ein Überblick, Zak 2019/4, 64 (64).

9 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 1.

10 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (64-65).

(10)

7

Auswirkungen auf allfällige notfallmedizinische Aspekte und mögliche Haftungsfragen herauszuarbeiten. Auch wird die Rechtslage in Deutschland erörtert.

Anmerkung: Wird in dieser Masterthesis der Begriff „PatVG“ verwendet, ist immer das

„neue“ bzw. novellierte PatVG gemeint, bezieht sich die Abhandlung auf Ausführungen des bzw zum „alten“ PatVG wird dies mit „PatVG alt“ ausdrücklich gekennzeichnet.

B. Allgemeines zur Patientenverfügung

1. Definition

Gemäß § 2 Abs 1 PatVG ist eine Patientenverfügung „eine Willenserklärung, mit der ein Patient eine medizinische Behandlung ablehnt und die dann wirksam werden soll, wenn er im Zeitpunkt der Behandlung nicht entscheidungsfähig ist.“11

Im Unterschied zum alten PatVG spricht das neue PatVG nunmehr vom Verlust der „Ent- scheidungsfähigkeit“ und nicht mehr von der mangelnden „Einsichts-, Urteils- oder Äu- ßerungsfähigkeit“.12

§ 2 Abs 1 PatVG alt § 2 Abs 1 PatVG Eine Patientenverfügung im Sinn dieses

Bundesgesetzes ist eine Willenserklärung, mit der ein Patient eine medizinische Be- handlung ablehnt und die dann wirksam werden soll, wenn er im Zeitpunkt der Be- handlung nicht einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig ist.

Eine Patientenverfügung im Sinn dieses Bundesgesetzes ist eine Wil- lenserklärung, mit der ein Patient eine medizinische Behandlung ab- lehnt und die dann wirksam werden soll, wenn er im Zeitpunkt der Be- handlung nicht entscheidungsfähig ist.

Durch das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz wurde der gesetzlich nicht näher definierte Be- griff der „Einsichts-, Urteils- oder Äußerungsfähigkeit“ durch „Entscheidungsfähig- keit“ ersetzt und in § 24 Abs 2 ABGB in der Fassung BGBl. I Nr. 59/2017 gesetzlich definiert: „Entscheidungsfähig ist, wer die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang verstehen, seinen Willen danach bestimmen und sich

11 § 2 Abs 1 PatVG.

12 vgl § 2 Abs 1 PatVG alt und § 2 Abs 1 PatVG.

(11)

8

entsprechend verhalten kann; dies wird im Zweifel bei Volljährigkeit vermutet.“13 (Mehr dazu unter Punkt B.6.)

2. Rechtsnatur der Patientenverfügung

Gemäß § 2 Abs 1 PatVG sowie den Gesetzesmaterialien handelt es sich rechtlich bei der Patientenverfügung um eine Willenserklärung. 14

Die Rechtsnatur der Patientenverfügung ist in der Lehre aber umstritten.15

Die rechtliche Qualifikation ist jedoch weitgehend irrelevant, da bei Einwilligungen in medizinische Maßnahmen sowie auch bei Patientenverfügungen die Regelungen über Willensmängel bei Willenserklärungen (analog) anzuwenden sind.16

3. Patient

Gemäß § 2 Abs 2 PatVG ist Patient „eine Person, die eine Patientenverfügung errichtet, gleichgültig, ob sie im Zeitpunkt der Errichtung erkrankt ist oder nicht.“

„Patient“ gemäß PatVG ist ad definitionem also jede Person, unabhängig davon, ob diese (noch) gesund ist oder (bereits) krank ist und sich unter Umständen sogar bereits in der Sterbephase befindet.17 Entscheidend ist, dass die Person, die einen Patientenver- fügung wirksam errichten möchte, noch die nötige Entscheidungsfähigkeit besitzt.18 4. Medizinische Behandlung

§ 2 Abs 1 PatVG spricht von der möglichen Ablehnung einer bestimmten „medizinischen Behandlung“19.

13 ErläutRV 191 BlgNR 26. GP 1-2.

14 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 5; § 2 Abs 1 PatVG.

15 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht und Patientenverfügung (2015), § 2 PatVG, Rz 3.

16 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 2 PatVG, Rz 3.

17 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 2 PatVG, Rz 21.

18 § 3 PatVG.

19 § 2 Abs 1 PatVG.

(12)

9

Nach dem Gesetzeswortlaut sowie den ErläutRV können nur medizinische Behandlun- gen, jedoch keine Pflegemaßnahmen mit einer Patientenverfügung rechtswirksam abge- lehnt werden.20

Der OGH führte in seiner Entscheidung zu 9 Ob 68/11g aus, dass esgerade bei einer so sensiblen und in höchstem Maß grundrechtsrelevanten Norm wie dem PatVG […] unge- wiss [ist], ob der Gesetzgeber nicht bewusst, den engeren Begriff der „medizinischen Behandlung“ gewählt hat […]“.21

Es muss daher streng zwischen Pflegemaßnahmen und Heilbehandlungen unterschie- den werden.22

Pflegemaßnahmen unterliegen nicht dem Anwendungsbereich des Patientenverfügungs- gesetzes und kann ein Patient seine Grundversorgung mit Nahrung und Flüssigkeit bspw nicht mittels Patientenverfügung ablehnen.23

Die Sondenernährung wiederum ist eine pflegerische Tätigkeit, jedoch im mitverant- wortlichen Bereich (auf ärztliche Anordnung) iSd § 15 GuKG und daher als „medizini- sche Behandlung“ anzusehen und kann daher mittels Patientenverfügung rechtswirksam ausgeschlossen werden.24

Nach Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth ist der Begriff der „medizinischen Behandlung“

weit auszulegen und kommt dieser dem Begriff der „Heilbehandlung“ des § 110 StGB gleich.25

Unter Heilbehandlung gemäß § 110 StGB werden alle Maßnahmen verstanden, die me- dizinisch indiziert sind, wobei unter medizinischer Indikation alle Maßnahmen verstan- den werden können, die nach den Erkenntnissen der Medizin vertretbare Mittel sind, um Krankheiten festzustellen sowie Heil- und/oder Linderungsfunktion haben.26

20 § 2 Abs 1 PatVG; ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 5.

21 OGH 08.10.2012, 9 Ob 68/11g.

22 RIS-Justiz RS0128217.

23 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 5.

24 OGH 08.10.2012, 9 Ob 68/11g.

25 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 2 PatVG, Rz 10.

26 Soyer/Schumann, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Auflage, § 110 StGB, (Stand 1.8.2016, rdb.at), Rz 7.

(13)

10

Auch, wenn eine Maßnahme nicht lege artis durchgeführt wird, spricht man von einer Heilbehandlung, sofern eine sorgfaltsgemäße Durchführung beabsichtigt ist.27

Unter den Begriff der Heilbehandlung fallen also nicht nur therapeutische Maßnahmen, sondern auch diagnostische oder prophylaktische Maßnahmen (wie etwa eine Röntgen- untersuchung oder eine Blutabnahme28 oder auch schmerzlindernde Behandlungen.29 Wenn auch der Behandlungsbegriff des § 110 StGB über jenen der Heilbehandlung hin- ausgeht und alle Behandlungen zu diagnostischen, therapeutischen, prophylaktischen oder schmerzlindernden Zwecken gleichermaßen umfasst, so können darunter wissen- schaftliche oder experimentelle Versuche an Menschen, die keiner derartigen Behand- lung des Betroffenen dienen, nicht verstanden werden.30

Ob ein Arzt, das Pflegepersonal oder eine Privatperson die entsprechende Behandlung durchführt bzw. durchführen soll, ist für die Anwendung des PatVG irrelevant, man geht in diesem Zusammenhang von einem funktionalen Begriffsverständnis aus.31

5. Höchstpersönliches Recht

Gemäß § 3 PatVG „kann eine Patientenverfügung nur höchstpersönlich errichtet wer- den.“32

Der Patient iSd § 2 PatVG kann sich bei Patientenverfügungserrichtung also nicht vertre- ten lassen.33

Sofern ein Dritter die Patientenverfügung lediglich überbringt, ist dies jedoch nicht schäd- lich.34

27 Soyer/Schumann, WK2 StGB, § 110, Rz 7.

28 LGZ Wien 44 R 24/12y, EFSlg 134.251.

29 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 2 PatVG, Rz 10.

30 RIS-Justiz RS0093203.

31 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 2 PatVG, Rz 13.

32 § 3 PatVG.

33 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 5.

34 Memmer/Till, Patientenverfügung und Rettungsdienst, ZfG 2016/1, 4 (4).

(14)

11

6. Entscheidungsfähigkeit

„Der Patient muss bei Errichtung einer Patientenverfügung entscheidungsfähig sein.“35

§ 3 PatVG alt sprach von der nötigen Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten, die vorliegen musste, damit eine wirksame Patientenverfügung errichtet werden konnte.

Nach der Novellierung knüpft man die Errichtung der Patientenverfügung nunmehr an die Entscheidungsfähigkeit des Patienten.36

Das PatVG alt definierte den Begriff der Einsichts- und Urteilsfähigkeit nicht näher bzw.

ging dieses von keinem eigenen Begriffsverständnis aus. Aus diesem Grund orientierte man sich an der allgemeinen Lehre sowie Rechtsprechung die sich zu diesem in der Rechtsordnung oftmals verwendeten Begriff gebildet hat.37 Die nötige Einsichts- und Ur- teilsfähigkeit wurde entsprechend allgemeiner Regeln des ABGB38 ab dem 14. Lebens- jahr vermutet.39

Eine Definition der nunmehr maßgeblichen Entscheidungsfähigkeit findet sich in

§ 24 Abs 2 ABGB. Dieser besagt, dass „entscheidungsfähig ist, wer die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang verstehen, seinen Willen da- nach bestimmen und sich entsprechend verhalten kann. Dies wird im Zweifel bei Voll- jährigen vermutet.“40

Der neue Wortlaut soll aber grundsätzlich dieselbe Funktion erfüllen, wie die bisherige Formulierung der „Einsichts- und Urteilsfähigkeit“.41

35 § 3 PatVG.

36 vgl § 3 PatVG alt und § 3 PatVG.

37 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 2 PatVG, Rz 6.

38 § 173 ABGB alt (Stand 01.01.2016).

39 Memmer/Till, ZfG 2016, 4 (4).

40 § 24 Abs 2 ABGB.

41Schweighofer, Entscheidungsfähigkeit in medizinischen und pflegerischen Belangen nach dem 2. Er- wSchG, EF-Z 2018/4, 153 (154).

§ 3 PatVG alt § 3 PatVG

Eine Patientenverfügung kann nur höchstpersönlich errichtet werden.

Der Patient muss bei Errichtung einer Patientenverfügung einsichts- und urteilsfähig sein.

Eine Patientenverfügung kann nur höchstpersönlich errichtet werden. Der Patient muss bei Errichtung einer Patientenverfügung entscheidungsfähig sein.

(15)

12

Der Begriff der Entscheidungsfähigkeit findet sich in verschiedensten österreichischen Gesetzen wieder und sollte die Anpassung der Terminologie samt Definition dazu führen, dass klargestellt wird, welche Fähigkeit tatsächlich für ein rechtserhebliches Veralten mindestens erforderlich sein soll.42

Um entscheidungsfähig zu sein, müssen drei Voraussetzungen bzw. Fähigkeiten vorlie- gen:

 die (1) kognitive Fähigkeit,

 die (2) voluntative Fähigkeit, sowie

 die (3) Fähigkeit, sich „entsprechend zu verhalten“:43

(1) Ausschlaggebend für die kognitive Fähigkeit ist die Fähigkeit Grund und Bedeu- tung von vorzunehmenden Rechtshandlungen einzusehen. Ein Patient muss seine Erkrankung, den daraus resultierenden und notwendigen medizinischen Eingriff so- wie die Konsequenzen des Eingriffs verstehen können. 44

(2) Dem Patienten muss es möglich sein, seinen Willen entsprechend für oder gegen eine medizinische Behandlung bilden zu können. 45

(3) Der Patient muss die Fähigkeit besitzen seiner Einsicht sowie seiner Willensbildung nach entsprechend handeln zu können46.

7. Kein Mindestalter

In Deutschland wird für die Errichtung einer Patientenverfügung Volljährigkeit voraus- gesetzt47 (näher dazu Punkt Punkt J. 2.). Dies ist in Österreich keine Voraussetzung, da das PatVG keine Altersgrenze für die Errichtung vorsieht.48 Einzige Grenze ist die Ent- scheidungsfähigkeit, welche im Zweifel bei medizinischen Behandlungen bei mündigen

42 Schweighofer, EF-Z 2018/4, 153 (154).

43 ErläutRV 1461 BlgNR 25. GP 9.

44 Schweighofer, EF-Z 2018/4, 153 (154).

45 Schweighofer, EF-Z 2018/4, 153 (154).

46 Schweighofer, EF-Z 2018/4, 153 (154).

47 § 1901a BGB.

48 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 3 PatVG, Rz 3.

(16)

13

Minderjährigen, also ab dem 14. Lebensjahr, vermutet wird49. Das Vorliegen der Ent- scheidungsfähigkeit ist jedoch einer Einzelfallprüfung zu unterziehen.50

Hier kommt es neben Alter, Reife, Gesundheitszustand, Persönlichkeit auch im Gegenzug dazu auf die Schwere der abgelehnten Behandlung an, sowie auch auf die mit der Ableh- nung verbundenen Risiken und Spätfolgen. Hier ist aufgrund der möglichen gravierenden Auswirkungen auf das Leben eines jungen Menschen ein strenger Maßstab zu legen.51

C. Arten der Patientenverfügung

1. Alte Rechtslage (Vor PatVG-Novelle 2018)

Bis zur Patientenverfügungsnovelle 2018 normierte das PatVG alt zwei verschiedene Ar- ten der Patientenverfügung, die verbindliche Patientenverfügung sowie die beachtliche Patientenverfügung. Man sprach dann von einer verbindlichen Patientenverfügung, wenn die Inhaltserfordernisse sowie die Formvorschriften der §§ 4 – 7 PatVG alt erfüllt waren. Waren diese nicht erfüllt oder wurde eine bereits abgelaufene verbindliche Paten- tenverfügung nicht gemäß § 7 PatVG alt erneuert, handelte es sich um eine beachtliche Patientenverfügung.52

Charakteristisch für die beachtliche Patientenverfügung war, dass für diese grundsätzlich Formfreiheit bestand. Diese konnte sowohl mündlich als auch schriftlich, ausdrücklich oder auch konkludent begründet werden. Eine Patientenverfügung war bspw auch beacht- lich, wenn überhaupt keine Aufklärung erfolgte. Diese hatte keine Ablaufdauer, und musste daher auch nicht wie die verbindliche Patientenverfügung nach einer bestimmten Zeit erneuert werden.53

49 § 173 Abs 1 ABGB.

50 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 3 PatVG, Rz 3-4.

51 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 3 PatVG, Rz 6.

52 Koller, Gibt es eine qualifiziert beachtliche, unmittelbar bindende Patientenverfügung? Überlegungen de lege lata und de lege ferenda, iFamZ 2012/1, 24 (24).

53 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 8 PatVG, Rz 1-4.

(17)

14

Die beachtliche Patientenverfügung diente vorrangig als eine Art „Richtschnur“ und Ori- entierungshilfe für den behandelnden Arzt.54

Je mehr Voraussetzungen der verbindlichen Patientenverfügung die beachtliche Patien- tenverfügung erfüllte, umso beachtlicher war diese. Je beachtlicher die Patientenverfü- gung war, umso mehr musste diese bei Ermittlung des Patientenwillens eine Rolle spie- len.55

Der OGH zitierte in seiner Entscheidung zu 9 Ob 68/11g auch § 9 PatVG und sprach von einem beweglichen System mit dem die einzelnen Faktoren wie zB die Einschätzung der Krankheitssituation des Patienten im Errichtungszeitpunk oder Ausmaß der ärztlichen Aufklärung vor Errichtung der Patientenverfügung gegeneinander abgewogen wurden.

Der OGH nahm dazu an, dass den beachtlichen Patientenverfügungen dadurch eine un- terschiedliche Bindungsqualität zukommt.56

2. Neue Rechtslage (Nach PatVG-Novelle 2018)

Die Unterscheidung zwischen verbindlicher und beachtlicher Patientenverfügung wurde aufgrund ausgeübter Kritik der Enquete-Kommission mit der Patientenverfügungs-Ge- setz-Novelle 2018 aufgegeben 57:

„Die Verlängerung bestehender Fristenregelungen bzw. Vereinfachungen bei Verlänge- rungen sollen geprüft und ehebaldigst Neugestaltungen (2016) vorgenommen werden.

Weiters sollten Fragen zu Möglichkeiten einer generellen und spezialisierten Patienten- verfügung und hinsichtlich einer Zusammenführung von beachtlicher und verbindli- cher Patientenverfügung besprochen werden.“58

Der Begriff der „beachtlichen“ Patientenverfügung stieß in der Literatur immer wieder auf Kritik.59 Der missverständliche Terminus der „Beachtlichkeit“ führte auch dazu, dass nach der Entscheidung 9 Ob 68/11g des OGH eine lebenserhaltende Maßnahme

54 OGH 8.10.2012, 9 Ob 68/11g.

55 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 9 PatVG, Rz 1.

56 OGH 8.10.2012, 9 Ob 68/11g.

57 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 2.

58 Empfehlungen der Enquete-Kommission, AB 491 BlgNR 25. GP 9.

59 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (66); Kopetzki, Neue Impulse für Patientenverfügungen, RdM 2018/5, 161.

(18)

15

erzwungen werden konnte, sofern der Konsens zwischen Arzt und Vertreter des Patienten fehlte. Dies bei Vorliegen einer ausdrücklichen Behandlungsablehnung im Rahmen einer beachtlichen Patientenverfügung.60

Anstelle der Terminologie „beachtliche Patientenverfügung“ spricht das PatVG nun- mehr von „anderen Patientenverfügungen“. Gemäß § 8 PatVG sind dies nunmehr alle Patientenverfügungen, die „nicht alle Voraussetzungen der §§ 4 bis 7 erfüllen“, diese sind aber „dennoch der Ermittlung des Patientenwillens zu Grunde zu legen“61:

Auch durch die Einführung des § 1 Abs 2 Satz 2 PatVG erfolgte nun eine wesentliche Klarstellung62:

60 9 Ob 68/11g = EF-Z 2013/22, 30 = EvBl 2013/60, 414 (Pfurtscheller) = iFamZ 2013/14, 50 (Ganner) = RdM 2013/74, 104 (Kopetzki) = SZ 2012/100 = Zak 2012/762, 415 (Kletečka); siehe auch Kopetzki, RdM 2018/119, 161.

61 vgl § 8 PatVG alt und § 8 PatVG.

62 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (65).

3. Abschnitt

Beachtliche Patientenverfügung Voraussetzungen

3. Abschnitt Bedeutung anderer Patientenverfügungen Voraussetzungen

§ 8 PatVG alt § 8 PatVG

Eine Patientenverfügung, die nicht alle Voraussetzungen der §§ 4 bis 7 erfüllt, ist dennoch für die Ermittlung des Willens des Patienten beachtlich.

Eine Patientenverfügung, die nicht alle Voraussetzungen der §§ 4 bis 7 erfüllt, ist dennoch der Ermittlung des Patientenwillens zu Grunde zu legen.

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16

Daraus folgt, dass jede vorliegende Patientenverfügung der Ermittlung des Behandlungs- willens des Patienten zu Grunde zu legen ist. 63 Der Terminus „zu Grunde zu legen“

wurde bewusst gewählt, um den behandelnden Ärzten einen möglichst großen Spielraum zu lassen, um „ihren Beruf nach bestem Wissen und Gewissen ausüben zu können“.64 Nach wie vor sind nach § 9 PatVG „andere“ Patientenverfügungen gemäß § 8 PatVG

„bei der Ermittlung des Parteiwillens umso mehr zu berücksichtigen, je mehr sie die Voraussetzungen einer verbindlichen Patientenverfügung erfüllen.“65

„Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. inwieweit der Patient die Krankheitssituation, auf die sich die Patientenverfügung bezieht, sowie deren Folgen im Errichtungszeitpunkt einschätzen konnte,

2. wie konkret die medizinischen Behandlungen, die Gegenstand der Ablehnung sind, beschrieben sind,

3. wie umfassend eine der Errichtung vorangegangene ärztliche Aufklärung war, 4. inwieweit die Verfügung von den Formvorschriften für eine verbindliche Patien-

tenverfügung abweicht,

5. wie lange die letzte Erneuerung zurückliegt und

63 § 1 Abs 2 Satz 2 PatVG.

64 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (66); ErläutRV 337 BlgNR 26 GP 2.

65 § 9 PatVG.

§ 1 PatVG alt § 1 PatVG

(1) Dieses Bundesgesetz regelt die Voraussetzungen und die Wirksamkeit von Patientenverfügungen.

(2) Eine Patientenverfügung kann verbindlich oder für die Ermittlung des Patientenwillens beachtlich sein.

(1) Dieses Bundesgesetz regelt die Voraussetzungen und die Wirksamkeit

von Patientenverfügungen.

(2) Eine Patientenverfügung kann den Willen eines Patienten, eine

medizinische Behandlung abzulehnen, verbindlich festlegen (§ 6). Im Übrigen ist jede vorliegende

Patientenverfügung der Ermittlung des Patientenwillens zu Grunde zu legen (§ 8).

(3) Die Voraussetzungen, das Bestehen, der Umfang, die Wirkungen, die Änderung und die Beendigung einer Patientenverfügung richten sich für Behandlungen in Österreich nach österreichischem Recht.

(20)

17

6. wie häufig die Patientenverfügung erneuert wurde.“66 a) Die verbindliche Patientenverfügung

Eine verbindliche Patientenverfügung liegt dann vor, wenn die allgemeinen Voraus- setzungen erfüllt sind. Daher müssen die Kriterien der Entscheidungsfähigkeit sowie der Höchstpersönlichkeit zum Errichtungszeitpunkt vorliegen (§ 3 PatVG, vgl Punkt II. und III.), die besonderen Inhalts- sowie Formerfordernisse gemäß den §§ 4-7 PatVG einge- halten worden sein sowie darf die Patientenverfügung nicht gemäß § 10 PatVG unwirk- sam sein.67

(i) Inhalt gemäß § 4 PatVG

§ 4 PatVG normiert die besonderen Inhaltserfordernisse der verbindlichen Patientenver- fügung.68

Eine Patientenverfügung ist in der Regel dann unmittelbar verbindlich, wenn die medizi- nischen Behandlungen, die darin abgelehnt werden, inhaltlich eindeutig umschrieben werden und muss die in der Patientenverfügung definierte medizinische Situation der tat- sächlich eingetretenen Situation auch entsprechen.69 Damit kann laut Barth/Ganner hier nur der Fall gemeint sein, dass die vom Patienten definierte Behandlungsablehnung me- dizinisch indiziert und vorzunehmen wäre.70

Es reicht also grundsätzlich aus, wenn die abgelehnten medizinischen Behandlungen ein- deutig aus dem Zusammenhang der Patientenverfügung hervorgehen.71

Konkret kann daher bspw die Ablehnung einer Dialyse oder die Ablehnung einer Lang- zeit-Beatmungsbehandlung festgelegt werden.72

Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist zu entnehmen, dass allzu allgemeine For- mulierungen, wie das Verbot eines „menschenunwürdigen Daseins“, der Wunsch nach

66 § 9 PatVG.

67 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, Vor § 4 PatVG, Rz 1.

68 § 4 PatVG.

69 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 6.

70 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3 (2018), 393.

71 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 392.

72 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 392.

(21)

18

der Unterlassung einer „risikoreichen Operation“, die Ablehnung einer „künstlichen Le- bensverlängerung“ oder das Verlangen nach einem „natürlichen Sterben“, jedenfalls zu unbestimmt sein würden. Etwaige Formulierungen können sodann nur bei der Ermittlung des Patientenwillens eine Rolle spielen.73

Die Eingriffsvoraussetzungen (bspw irreversibler Bewusstseinsverlust), die nach Verlust der Einwilligungsfähigkeit vorliegen müssen und die der Patient aber mit hinreichender Deutlichkeit beschreiben muss, werden von § 4 PatVG jedoch nicht umschrieben. Fehlt es der Patientenverfügung jedoch inhaltlich an der Namhaftmachung von Eingriffsvo- raussetzungen, besteht laut Bernat die Gefahr, dass die Patientenverfügung regelmäßig wegen zu unbestimmten Inhalts unwirksam ist.74

Pflegemaßnahmen unterliegen (wie bereits unter Punkt B.4. ausgeführt) nicht dem PatVG und kann die Ablehnung dieser nie Inhalt einer Patientenverfügung sein.75

Darüber hinaus muss gemäß § 4 PatVG ebenfalls eindeutig aus der Patientenverfügung hervorgehen, dass der Patient die aus der Ablehnung der medizinischen Maßnahme re- sultierenden Folgen richtig einschätzt.76 Dies muss auch vom Arzt in der Patientenverfü- gung festgehalten werden, um eine „unreflektierte Ablehnung von medizinischen Behand- lungen [zu] vermeiden.“77

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage führen hierzu aus, dass hierbei frühere Erkran- kungen des Patienten selbst oder eine Erkrankung seiner Angehörigen ein Anhaltspunkt bei der richtigen Folgeneinschätzung sein „können“. Auch nennen die Erläuterungen mögliche religiöse Gründe als Beispiel.78

Gemäß § 11 PatVG ändert es an der Wirksamkeit einer Patientenverfügung nichts, wenn der Patient inhaltlich weitere Anmerkungen wie zB mögliche Kontaktpersonen anführt.79

73 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 6.

74 Bernat in Kodek/Schwimann (Hrsg), ABGB Praxiskommentar / ABGB §§ 1-284 ABGB5 (2018), § 4 PatVG, Rz 1.

75 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 5.

76 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 6.

77 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 6.

78 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 6-7.

79 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 9.

(22)

19

(ii) Aufklärung gemäß § 5 PatVG

Gemäß § 5 PatVG muss „der Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung […]

eine umfassende ärztliche Aufklärung

einschließlich einer Information über Wesen und Folgen der Patientenverfügung für die medizinische Behandlung vorangehen.

Der aufklärende Arzt hat

die Vornahme der Aufklärung und

das Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit des Patienten

unter Angabe seines Namens und seiner Anschrift

durch eigenhändige Unterschrift zu dokumentieren und

dabei auch darzulegen, dass und aus welchen Gründen der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt, etwa weil sie sich auf eine Behandlung be- zieht, die mit einer früheren oder aktuellen Krankheit des Patienten oder eines nahen Angehörigen zusammenhängt.“80

Welcher „Arzt“ aufklärender Arzt iSd § 5 PatVG sein kann, wird im PatVG nicht genauer definiert. Da im Rahmen von Patientenverfügungen auch oftmals der Abbruch lebenser- haltender medizinischer Behandlung einschließlich der künstlichen Ernährung und Beat- mung im Falle irreversibler Bewusstlosigkeit angeordnet wird, sollten laut Bernat als auf- klärender Arzt iSd § 5 PatVG nicht nur ein Arzt für Allgemeinmedizin, sondern auch Internisten sowie Intensivmediziner befugt sein, das ärztliche Aufklärungsgespräch zu führen.81

Ein Facharzt kann jedoch nur dann die ärztliche Aufklärung iSd § 5 PatVG durchführen, sofern durch die Behandlungsablehnung sein medizinisches Fachgebiet berührt wird.82 Eine allfällige Überschreitung des Sonderfachs hat zwar keine Auswirkungen auf die Pa- tientenverfügungsverbindlichkeit, kann jedoch Haftungsfolgen bzw. berufsrechtliche Folgen nach sich ziehen. Unter Umständen könnte eine derartige Überschreitung jedoch auch zur Unwirksamkeit einer Patientenverfügung führen, weil die ordnungsgemäße Auf- klärung angezweifelt werden könnte.83

80 § 5 PatVG.

81 Bernat in Kodek/Schwimann, ABGB Praxiskommentar / ABGB §§ 1-284 ABGB, § 5 PatVG, Rz 1.

82 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 5 PatVG, Rz 5.

83 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 398.

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20

Ein Zahnarzt fällt nicht unter den Arztbegriff iSd ÄrzteG 1998 und kann daher kein rechtswirksam aufklärender Arzt iSd § 5 PatVG sein.84

Auf die ärztliche Aufklärung im Rahmen einer verbindlichen Patientenverfügung kann nicht verzichtet werden!85

Wird diese nicht eingeholt, liegen nicht alle Voraussetzungen für eine verbindliche Pati- entenverfügung vor und kann diese Patientenverfügung somit nur mehr eine „andere“

Patientenverfügung iSd § 8 PatVG sein, ist aber dennoch der Ermittlung des Patienten- willens zu Grunde zu legen.86

Wichtig ist, dass die erfolgte ärztliche Aufklärung über das Vorliegen der Entscheidungs- fähigkeit und die Abschätzung der Folgen für die jeweils abgelehnte Behandlung durch Namen und Anschrift des aufklärenden Arztes eigenhändig und schriftlich durch diesen bestätigt wird.87

Da die ärztliche Aufklärung vor der Errichtung bei einem Juristen erfolgen muss, emp- fiehlt es sich aus praktischen Gründen auch das jeweilige Datum an der Bestätigung an- zubringen.88

Diese oben genannten Punkte müssen nicht zwingend selbst Teil der Patientenverfü- gung sein (Achtung, anders bei der juristischen Beratung!), es reicht, wenn die ärztliche Bestätigung darüber der Patientenverfügung angeschlossen ist.89

(iii) Errichtung gemäß § 6 PatVG

§ 6 Abs 1 PatVG normiert, dass die Patientenverfügung dann verbindlich ist, wenn sie

„schriftlich unter Angabe des Datums 1. vor einem Rechtsanwalt oder 2. vor einem Notar oder

84 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 398.

85 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 6.

86 § 8 PatVG.

87 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 5 PatVG, Rz 17-18.

88 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 5 PatVG, Rz 17.

89 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 5 PatVG, Rz 17-18.

(24)

21

3. vor einem rechtskundigen Mitarbeiter der Patientenvertretungen (§ 11e des Kran- kenanstalten und Kuranstaltengesetzes, BGBl. Nr. 1/1957) oder

4. nach Maßgabe technischer und personeller Möglichkeiten vor einem rechtskundi- gen Mitarbeiter eines Erwachsenenschutzvereins

errichtet worden ist und der Patient über die Folgen einer verbindlichen Patientenver- fügung sowie die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs belehrt worden ist.“90

Laut OGH ist „für das Kriterium der Schriftlichkeit in § 6 Abs 1 PatVG auf § 886 ABGB zurückzugreifen“.91

Unter „Errichten“ iSd § 6 PatVG versteht man die Verpflichtung des Patienten, Textie- rung sowie den Inhalt den die Patientenverfügung zum Ausdruck bringen soll, in Gegen- wart einer von § 6 Abs 1 PatVG genannten Person zu unterzeichnen.92

§ 6 Abs 2 PatVG normiert überdies explizit, dass die Belehrung über die Folgen einer verbindlichen Patientenverfügung sowie die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs in der Patientenverfügung samt Namen, Adresse, Datum und eigenhändiger Unterschrift der in § 6 Abs 1 Z 1-4 PatVG genannten Person dokumentiert werden muss.93 Bei der anzu- gebenden Adresse handelt es sich um die berufliche Anschrift des in § 6 Abs 1 Z 1-4 PatVG angeführten Juristen.94

Auch enthält Abs 2 die mit der Patientenverfügungs-Gesetz-Novelle 2018 eingeführte Verpflichtung, die Patientenverfügung – sofern der Patient nicht widerspricht – in ELGA (elektronische Gesundheitsakte) zur Verfügung zu stellen.95 Wie diese Zurverfü- gungstellung genau aussehen soll, ist in einer zu erlassenden Verordnung des Bundesmi- nisterin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz gem § 14d PatVG fest- zulegen.96

90 § 6 PatVG.

91 RIS-Justiz RS0128219.

92 Bernat in Kodek/Schwimann, ABGB Praxiskommentar / ABGB §§ 1-284 ABGB, § 6 PatVG, Rz 1.

93 § 6 Abs 2 PatVG.

94 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 3.

95 § 6 Abs 2 PatVG.

96 § 6 Abs 2 PatVG.

(25)

22

Aufgrund der verpflichtenden Höchstpersönlichkeit muss in einem ersten Schritt die Identität des errichtenden Patienten überprüft werden.97

Gemäß § 10 Abs 4 RAO gilt für den Rechtsanwalt, dass dieser die Identität der Partei an Hand eines amtlichen Lichtbildausweises zu überprüfen hat. Überdies muss die Partei

„umfassend über die mögliche Gestaltung der Urkunde und deren Rechtswirkungen be- lehrt werden und muss sich der Rechtsanwalt vergewissern, dass die Partei die Tragweite und die Auswirkungen ihrer rechtsgeschäftlichen Verfügung verstanden hat“.98

Selbiges gilt gemäß § 5a NO für den Notar. 99

Laut Barth/Ganner kann idZ auch § 4c Abs 3 ErwSchVG analog angewendet werden.100 Den errichtenden Juristen trifft zusammengefasst die Belehrungs- sowie auch die Doku- mentationsfunktion. Auch ist dieser für die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen verantwortlich sowie auch für die klare Formulierung für den später behandelnden Arzt oder eine sonstige am Behandlungsgeschehen beteiligte Person (Textverantwortlich- keit).101

Die rechtskundige Person hat sich zusätzlich nochmals von der Entscheidungsfähigkeit zu überzeugen102.

Die juristisch zu leistende Aufklärung besteht einerseits in der Information des Patienten über die rechtlichen Folgen (vA Wirksamkeit) sowie über die Möglichkeit des jederzei- tigen, formfreien Widerrufs.103

Es empfiehlt sich auch ein Hinweis im Zusammenhang mit der Dauer der Wirksamkeit.104

97 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 406.

98 § 10 Abs 4 RAO.

99 § 5a NO.

100 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, FN 1770.

101 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 404; ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 7.

102 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 6 Rz 12; Memmer, Das Patientenverfügungs-Gesetz 2006, RdM 2006/6, 163 (170); Kunz/Gepart, Aufgaben der bei der Errichtung einer Patientenverfügung mitwirkenden Juristen - am Beispiel des Rechtsanwalts, FamZ 2006/2, 81 (85); Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 406.

103 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 6 PatVG, Rz 11-13.

104 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 6 PatVG, Rz 11-13.

(26)

23

Außerdem müssen die inhaltlichen und formellen Erfordernisse geprüft werden (Text- verantwortlichkeit).105

Man kann die Aufgaben des errichtenden Juristen somit wie folgt zusammenfassen:

 Belehrungsfunktion

 Textverantwortlichkeit

 Beglaubigungsfunktion

 Bestätigung über Belehrung.106

(iv) Wirkungen einer verbindlichen Patientenverfügung

Eine verbindliche Patientenverfügung kann mehrere Adressaten haben und somit auch unterschiedliche Wirkungen entfalten. Grundsätzlich kann die Patientenverfügung Wir- kungen gegenüber

 dem behandelnden Arzt

 Angehörigen der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe

 einer Krankenanstalt bzw. Versorgungseinrichtung

 einem Vertreter des Patienten

 dem Gericht

entfalten.107

(v) Geltungsdauer a. PatVG alt

Gemäß § 7 PatVG alt hatte die verbindliche Patientenverfügung eine allgemeine Gel- tungsdauer von fünf Jahren, berechnet ab Unterschrift des Patienten vor dem Juristen.

Ausgenommen davon normierte § 7 Abs 3 PatVG alt, dass die Patientenverfügung dann

105 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 405; ErläutRV 1299 BlgNR 26. GP 3.

106 Kunz/Gepart, FamZ 2006/2, 81 (82).

107 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, Kapitel III, Punkt 2., Ziffern a-e.

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24

nicht durch Zeitablauf ihre Gültigkeit verliert, wenn der Patient einwilligungsunfähig wird.108

Eine am 12.03.2018 errichtete Patientenverfügung ist somit bis einschließlich 12.03.2023 verbindlich.

b. PatVG neu

Gemäß § 7 Abs 1 PatVG verliert die verbindliche Patientenverfügung nunmehr nicht nach dem Ablauf von fünf sondern von acht Jahren ab Errichtung ihre Verbindlichkeit, sofern kein kürzeres Ablaufdatum bestimmt wurde. Eine Erneuerung ist nach ärztlicher Aufklä- rung gemäß § 5 PatVG möglich. Die 8-Jahres-Frist oder die kürzer bestimmte Ablauf- dauer beginnt sodann neu zu laufen.109

Nach alter Rechtslage mussten zur Erneuerung der verbindlichen Patientenverfügung die Formerfordernisse des § 6 PatVG alt eingehalten werden, dies wurde nunmehr gestrichen und das Erneuerungsverfahren sohin vereinfacht.110

Es genügt nunmehr die bloße ärztliche Aufklärung iSd § 5 PatVG, eine juristische Bera- tung ist nicht zwingend erforderlich.111

D. Unwirksamkeit der Patientenverfügung

§ 10 Abs 1 PatVG regelt die Unwirksamkeit von Patientenverfügungen und führt dazu aus, dass eine Patientenverfügung dann unwirksam ist, wenn

„sie nicht frei und ernstlich erklärt oder durch Irrtum, List, Täuschung oder physi- schen oder psychischen Zwang veranlasst wurde, ihr Inhalt strafrechtlich nicht zulässig ist oder der Stand der medizinischen Wissenschaft sich im Hinblick auf den Inhalt der Patientenverfügung seit ihrer Errichtung wesentlich geändert hat.“112

108 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht und Patientenverfügung, § 7 PatVG, Rz 3.

109 § 7 PatVG.

110 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (65).

111 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 3.

112 § 10 Abs 1 PatVG.

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25

Dies bedeutet grundsätzlich, dass eine Patientenverfügung zusammengefasst dann un- wirksam ist, wenn:

 Fehlende Höchstpersönlichkeit und/oder

 Fehlende Entscheidungsfähigkeit und/oder

 Willensmangel und/oder

 Strafrechtswidrigkeit des Inhalts und/oder

 Nicht mehr am Stand der medizinischen Wissenschaft und/oder

 Widerruf.113

Unwirksamkeit wird eine Patientenverfügung auch dann, wenn sie widerrufen wird oder der Patient deutlich macht, dass sich sein Wille geändert hat.114

1. Unzulässige Inhalte

a) Strafrechtlich unzulässiger Inhalt - § 10 Abs 1 Z 2 PatVG

In diesem Zusammenhang verweisen die ErläutRV auf § 879 ABGB, nach welchem ein Rechtsgeschäft jedenfalls nichtig ist, sofern es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.115 Der explizite Verweis auf die Normen des Strafrechts soll verdeutlichen, dass durch das Errichten einer Patientenverfügung keine aktive direkte Sterbehilfe gefordert werden kann. Sofern im Rahmen der Patientenverfügung eine Aufforderung zur Tötung oder Mit- wirkung an einem Selbstmord festgelegt wird, ist dies jedenfalls unwirksam.116 Ein unzulässiger Inhalt der Patientenverfügung führt aber nicht zur gänzlichen Unwirk- samkeit, sondern nur zu einer Teilunwirksamkeit einzelner Anordnungen der Patienten- verfügung. Vorausgesetzt es liegt kein Bedingungszusammenhang zur verfügten Behand- lungsablehnung vor. Analog zu § 698 ABGB sind die unzulässigen Inhalte als nicht bei- gesetzt zu behandeln.117

113 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 10 PatVG, Rz 2.

114 § 10 Abs 2 PatVG.

115 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 9.

116 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 10 PatVG, Rz 6.

117 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 10 PatVG, Rz 7.

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26

b) Sonstiger unzulässiger Inhalt

Andere Inhalte, die nicht strafrechtlicher Natur sind, können ebenso unwirksam sein. Dies kann in einer möglichen Sittenwidrigkeit liegen oder auch an unmöglichen Bedingun- gen.118 Es sollte hier jedoch einerseits zwischen dem notwendigen Teil einer Patienten- verfügung, also der expliziten Ablehnung der medizinischen Behandlung und einem möglichen sonstigen Inhalt (§ 11 PatVG) unterschieden werden.119

Unzulässig ist die Ablehnung einer Behandlung die im Rahmen einer gesetzlichen Be- handlungspflicht stattfindet (vgl auch Punkt G. zu § 13 PatVG).120

Behandlungsablehnungen, die im Zusammenhang mit einer allfälligen Fremdgefährdung stehen, können ebenso sittenwidrig sein. Auch Behandlungsablehnungen, die beispiels- weise einen enormen Behandlungsaufwand verursachen, und somit für dritte Personen keine zumutbaren Konsequenzen nach sich ziehen, können unwirksam sein.121

Bei der Überprüfung der Sittenwidrigkeit sollte jedoch eher Zurückhaltung herrschen.

Dies insbesondere aufgrund unterschiedlichem Wertebewusstsein und auch unterschied- licher Moralvorstellungen in Österreich.122

2. Widerruf

Der Widerruf einer Patientenverfügung ist formfrei und jederzeit ohne Angabe von Gründen möglich.123 Er kann ausdrücklich sowie auch schlüssig erfolgen.124 Ein Wider- ruf setzt jedoch Höchstpersönlichkeit voraus. Dies ergibt sich insbesondere aus der ent- sprechenden Formulierung des § 10 Abs 2 PatVG125 „[…] wenn sie der Patient selbst widerruft oder zu erkennen gibt, dass sie nicht mehr wirksam sein soll“.126

118 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 10 PatVG, Rz 9.

119 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 432.

120 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 10 PatVG, Rz 8.

121 Traar/Pesendorfer/Fritz/Barth, Sachwalterrecht, § 10 PatVG, Rz 8.

122 Kathrein, Das Patientenverfügungs-Gesetz, ÖJZ 2006/14-15, 555 (564), FN 76.

123 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 434.

124 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 9.

125 Kathrein, ÖJZ 2006/14-15, 555 (553).

126 § 10 Abs 2 PatVG.

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27

Die Entscheidungsfähigkeit des Patienten wird jedoch für einen wirksamen Widerruf nicht vorausgesetzt. Nach den ErläutRV ist es „nicht erforderlich, dass er [der Patient]

noch einsichts- und urteilsfähig ist.“127 Dies ist ein klarer Unterschied zur deutschen Rechtslage (vgl Punkt J. 2.)

Ist eine Patientenverfügung in ELGA registriert und möchte der Patient diese formlos widerrufen, kann dieser selbst die ELGA-Ombudsstelle samt Datumsangabe des Wider- rufs zur entsprechenden Informationsübermittlung an ELGA beauftragen.128

Überdies hinaus hat eine in § 6 Abs 1 PatVG genannte Person einen Widerruf zur Spei- cherung sowie zur Aufnahme von Verweisen in ELGA zur Verfügung zu stellen.129

E. Die Patientenverfügung in der Notfallmedizin

1. Allgemeines

Nach einer repräsentativen Telefonumfrage im Zuge einer Studie über die rechtlichen, ethischen und faktischen Erfahrungen nach In-Kraft-Treten des Patientenverfügungs-Ge- setzes (PatVG alt), in Auftrag gegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und durchgeführt von Ulrich Körtner, Christian Kopetzki, Maria Kletečka-Pulker und Julia Inthorn im Jahr 2009130 gaben nur ca. 4% der Österreicher an, eine Patientenverfügung errichtet zu haben, etwa ein Drittel davon sei verbindlich. Der Errichtende sieht die Pati- entenverfügung laut dieser Studie als „Kommunikationsinstrument, das am Lebensende im Sinne der Patienten die Arzt-Patienten-Kommunikation fortsetzen soll“. Eine zentrale Rolle spielte für die Befragten die Vorstellung eines „würdevollen“ Sterbens.131

Dem Endbericht aus dem Jahr 2009 ist ebenso zu entnehmen, dass die Befragten das In- strument der Patientenverfügung aus drei verschiedenen Perspektiven sahen. Die erste Gruppe interpretierte die Patientenverfügung als Instrument zur Absicherung, die

127 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 9.

128 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 435; ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 5.

129 § 14a Abs 4 PatVG.

130 Körtner/Kopetzki/Kletečka-Pulker/Inthorn, Studie über die rechtlichen, ethischen und faktischen Erfahrungen nach In-Kraft-Treten des Patientenverfügungs-Gesetzes (PatVG) Dezember 2009, 3.

131 Körtner/Kopetzki/Kletečka-Pulker/Inthorn, Endbericht 2009, 3.

(31)

28

zweite Gruppe als Abwehrinstrument und die dritte und größte Gruppe der Befragten sahen die Patientenverfügung als Instrument zum „schönen Sterben“.132

Dem Tätigkeitsbericht 2016 der Salzburger Patientenvertretung ist zu entnehmen, dass sich im Jahre 2016 111 Patienten wegen einer Beratung zur Errichtung einer Patienten- verfügung gewandt haben. Im Jahr 2016 wurden 81 verbindliche sowie 5 beachtliche Patientenverfügungen errichtet.133

Im Jahr 2017 wurden 177 Beratungen zur Errichtung einer Patientenverfügung durchge- führt. Es wurden 263 verbindliche Patientenverfügungen und 3 beachtliche Patienten- verfügungen errichtet.134

Im Jahr 2018 wurden 190 Beratungen zur Errichtung einer Patientenverfügung durchge- führt. Es wurden 237 verbindliche Patientenverfügungen und 6 beachtliche Patienten- verfügungen errichtet.135

Im Jahr 2019 wurden 351 Beratungen zur Errichtung einer Patientenverfügung durchge- führt. Es wurden 210 verbindliche Patientenverfügungen und 2 „andere“ Patientenver- fügungen errichtet.136

Dies zeigt einen deutlichen Anstieg an Beratungen in den letzten 4 Jahren:

132 Körtner/Kopetzki/Kletečka-Pulker/Inthorn Endbericht 2009, 16-17.

133 Tätigkeitsbericht der Salzburger Patientenvertretung von 01.01.2016-31.12.2016, https://www.salz- burg.gv.at/gesundheit_/Documents/2016-28.6.17-f.%20HOMEPAGE%20T%C3%A4tigkeitsbe-

richt%2021%20PatientenvertretungNEU.pdf

134 Tätigkeitsbericht der Salzburger Patientenvertretung von 01.01.2017-31.12.2017, https://www.salz- burg.gv.at/gesundheit_/Documents/Patientenvertretung%202017.docx.

135 Tätigkeitsbericht der Salzburger Patientenvertretung von 01.01.2018-31.12.2018, unter https://www.salzburg.gv.at/gesundheit_/Documents/1-2018NEU-28.6.17-f.%20HOME-

PAGE%20T%C3%A4tigkeitsbericht%2023%20PatientenvertretungNEU.pdf

136 Tätigkeitsbericht der Salzburger Patientenvertretung von 01.01.2019-31.12.2019, https://www.salz- burg.gv.at/gesundheit_/Documents/1-Homepage-T%C3%A4tigkeitsbericht-der-Salzburger-Patientenver- tretung-2019.docx.

(32)

29

Der Endbericht 2009 zeigt überdies das Bestehen einer gewissen Unsicherheit über den rechtlichen Begriff des „Notfalls“ bzw der „medizinischen Notfallversorgung“.137

2. Die Notfallregelung des § 12 PatVG

Medizinisch wird der sogenannte „Notfall“ wie folgt definiert:

„Jede Situation eines Patienten, die ohne sofortige medizinische Behandlung zu schweren (bleibenden) Schäden oder dem Tod führt und oft elementare Lebensfunktionen ein- schränkt. Zu solchen Notfällen zählen unter anderem Vergiftungen, schwere Verletzun- gen oder akute Krankheiten.“138

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Aufgabenfeld der Notfallmedizin jedoch immer mehr erweitert. Notärzte und Sanitäter sind nunmehr nicht nur bei diversen Unfällen und/oder anderen Katastrophen im Einsatz, sondern erstreckt sich ihr Aufgabenfeld bspw auch auf Schlaganfallpatienten oder Patienten mit fortgeschrittenen neurologischen Er- krankungen.139

Gemäß § 12 PatVG bleibt „die medizinische Notfallversorgung unberührt, sofern der mit der Suche nach einer Patientenverfügung verbundene Zeitaufwand das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernstlich gefährdet.“140

137 Körtner/Kopetzki/Kletečka-Pulker/Inthorn, Endbericht 2009, 63.

138 https://flexikon.doccheck.com/de/Notfall (Stand: 25.05.2021).

139 Memmer/Till, ZfG 2016/1, 4 (4).

140 § 12 PatVG.

Jahr Beratung Errichtung verbindliche PatV

Errichtung

beachtliche/"andere

" PatV

2016 111 81 5

2017 177 263 3

2018 190 237 6

2019 351 210 2

gesamt 829 791 16

(33)

30

§ 12 PatVG ist sohin eine Ergänzung der im Medizinrecht mehrfach verankerten Gefahr im Verzug-Regel wie ebenso bspw verankert in § 98 Abs 2, § 110 Abs 2 StGB; § 253 Abs 3, § 254 Abs 3 ABGB; § 37 UbG.141

Sofern also keine rechtswirksame Patientenverfügung vorliegt oder der Inhalt, die Wirk- samkeit oder die rechtliche Qualifikation wegen Gefahr im Verzug nicht zweifelsfrei fest- gestellt werden kann und die Zustimmung eines uU vorhandenen Vertreters des Patienten (Erwachsenenvertreter, Vorsorgebevollmächtigter) nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, sind somit aufgrund der sich aus diversen Bestimmungen ergebenden Behandlungs- flicht eines Arztes (vgl bspw § 110 Abs 2 StGB, § 173 Abs 3 ABGB, § 254 Abs 3 ABGB und § 48 ÄrzteG 1998) alle notwendigen Behandlungen vorzunehmen, um das Leben des Patienten aufrecht zu erhalten.142

Das PatVG gilt also grundsätzlich auch im Bereich medizinischer Notfälle.143 Das PatVG sieht für Notfallsituationen grundsätzlich eine Bringschuld des Patienten vor (näher hierzu Punkt E.2.b.). Dies ist insofern gerechtfertigt, als die Suche eine Lebensge- fährdung hervorrufen würde. Der Schutz des Lebens des Patienten hat unzweifelhaft Vor- rang vor dem nicht bekannten Patientenwillen sowie der Selbstbestimmung des Patienten.

Demgegenüber steht die Pflicht des Arztes, Leben zu retten, welche es jedoch nicht recht- fertigt während eines medizinischen Notfalles bei Vorliegen einer Patientenverfügung, sich über diese hinwegzusetzen.144

In Fällen, in denen sich der behandelnde Arzt über eine wirksame Patientenverfügung hinwegsetzt bzw. diese unbeachtet lässt, ist die von diesem durchgeführte medizinische Behandlung als rechtswidrig und damit schadenersatzbegründend zu qualifizieren, da aufgrund der wirksamen Patientenverfügung keine wirksame Einwilligung des Patienten in die vorgenommene medizinische Behandlung vorliegt.145

141 Bernat in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar5 (2019), § 12 PatVG.

142 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 440-441.

143 Körtner/Kopetzki/Kletečka-Pulker/Inthorn, Endbericht 2009, 81.

144 Körtner/Kopetzki/Kletečka-Pulker/Inthorn, Endbericht 2009, 82.

145 Vrba/Unger, Haftung der Ärzte, Krankenanstalten und Heime in Vrba (Hrsg), Schadenersatz in der Pra- xis43 (2020), Rz 17.

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