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1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Beschluss

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1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt

Beschluss

dazu OLG-Entscheidung des Oberlandesgericht Naumburg 1 Verg 2/04 v.

26.04.04

AZ: VK Hal 34/03 Halle, 30.01.2004

- Nichtigkeit des vergabewidrig geschlossenen Vertrages - Gleichbehandlungsgrundsatz

- Aufhebung

§ 13 VgV, § 97 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 2 Nr. 2,7, Nr. 1 Satz 1 VOL/A

§ 26 Nr. 1d) VOL/A

In dem Nachprüfungsverfahren der

der Fa. Entsorgungsdienste GmbH Niederlassung

Verfahrensbevollmächtigte RAe Dr. jur. habil.

Antragstellerin gegen

den Landkreis

Verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwälte

Antragsgegner

Entsorgung GmbH & Co Transport und Handel KG

Beigeladene

(2)

wegen

des gerügten Vergabeverstoßes zur Vergabe von Dienstleistungen im Wege der Öffentlichen Ausschreibung zur Aufnahme, Transport und Verwertung von 2.500t/a Sperrmüll, hat die 1.

Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Herrn Thomas, der hauptamtlichen Beisitzerin Frau Katzsch und des ehrenamtlichen Beisitzers Herrn Dolge beschlossen:

1. Der Antragsgegner wird angewiesen, das streitbefangene Vergabeverfahren aufzuheben.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die vom Antragsgegner zu zahlenden Kosten vor der Vergabekammer wer- den auf Euro festgesetzt

G r ü n d e I.

Der Antragsgegner schrieb im Wege einer Öffentlichen Ausschreibung auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) für einen Zeitraum von vier Jahren die Aufnahme, den Transport und die Verwertung von jährlich ca. 2.500 t Sperrmüll aus.

Die Bekanntmachung erfolgte unter anderem im Bundesausschreibungsblatt und im Aus- schreibungsanzeiger Sachsen-Anhalt, nicht jedoch europaweit.

Zuschlagskriterien wurden weder in der Bekanntmachung noch in den Verdingungsunterla- gen benannt. Bestandteil der Verdingungsunterlagen waren selbstgefertigte Formblätter

„Bewerbungsbedingungen“, „Angebotsvordruck“, „Zusätzliche Vertragsbedingungen“ und eine allgemeine Leistungsbeschreibung. Die Bewerbungsbedingungen enthielten sowohl Angaben und Anforderungen für nationale als auch für europaweite Verfahren. Unter Pkt. 3 -Mitteilung von Unklarheiten in den Vergabeunterlagen- wies der Auftraggeber darauf hin, dass lediglich bei Unklarheiten in den Verdingungsunterlagen, die die Preisermittlung beein- flussen können, die Bewerber verpflichtet sind, den Auftraggeber unverzüglich vor Ange- botsabgabe darauf hinzuweisen. Als Nachprüfungsinstanzen wurden unter Pkt. 13 zum ei- nen das Regierungspräsidium Dessau und zum anderen die Vergabekammer beim Regie- rungspräsidium Halle benannt.

Aus der vom Antragsgegner übergebenen selbstgefertigten Niederschrift zur Verdingungs- verhandlung geht hervor, dass am 31.07.2003, 09.00 Uhr 15 Angebote submitiert wurden.

Um einen schnellen Überblick über die Bieterreihenfolge zu erhalten, fand eine an der Be- handlung der Hauptangebote orientierte vollständige Auflistung der Nebenangebote in einer separaten eigenen Zeile statt. Lediglich bei der Bieterin GmbH ist vermerkt, dass das Nebenangebot Bestandteil des Hauptangebotes ist. Die Eintragungen in der Rubrik - Endbetrag bei der Angebotseröffnung (brutto)- differenzieren zwischen Euro/t und Euro.

Ausweislich der Angebotsauswertung untergliedern sich die 15 Angebote in neun Hauptan- gebote und sechs Nebenangebote. Alle Angebote wurden formell geprüft. Bis auf ein Ne- benangebot berücksichtigte der Antragsgegner bei der weiteren Wertung alle Angebote. Mit drei Bietern wurden Verhandlungen mit dem Ziel durchgeführt, Zweifel über die Angebote auszuräumen. Das Angebot der Beigeladenen wurde einer Auskömmlichkeitsüberprüfung unterzogen. Im Ergebnis ihrer Wertung stellte der Antragsgegner unter Berücksichtigung der Nebenangebote fest, dass es sich beim Angebot der Beigeladenen um das Wirtschaftlichste

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handele und erteilte ihr mit Schreiben vom 16.10.2003 (Annahmeerklärung 17.10.2003) den Auftrag.

Vor Auftragserteilung informierte der Antragsgegner mittels Schreiben vom 29.09.2003 unter Bezugnahme auf § 27 Nr. 1 u. 2 VOL/A die Antragstellerin darüber, dass ihr Angebot aus preislichen Gründen nicht berücksichtigt werden könne. Als niedrigster Angebotsendpreis wurde ein Betrag von € angegeben. Eine Information, welcher konkurrierende Bieter den Zuschlag erhalten solle erfolgte zu keinem Zeitpunkt. Daraufhin rügte die Antrag- stellerin mit Schriftsatz vom 08.10.2003 gegenüber der Vergabestelle die Wertung der Ange- bote. Dabei stützt sie sich im Wesentlichen darauf, dass sich die Vergabestelle nicht mit der gebotenen Sorgfalt mit der Auskömmlichkeit des Angebotes des Bieters, der den Zuschlag erhalten solle, auseinandergesetzt habe. Die Vergabestelle habe unter Berücksichtigung allgemeiner Grundsätze zu prüfen, ob die von den Bietern geforderten Preise in einem Miss- verhältnis zu der angebotenen Leistung stehen. Dies gelte insbesondere auch für unange- messen niedrige Preise. Der Angebotspreis von Euro je Tonne inkl. Mehrwertsteuer wäre zwar bis zum 01.06.2005 auskömmlich, über diesen Zeitpunkt hinaus jedoch nicht mehr, da die Beseitigung von Abfällen ab dieser Zeit nicht mehr unbehandelt erfolgen darf.

Dadurch werde ein weitaus höherer Behandlungs- und Beseitigungspreis entstehen. Hinzu komme, dass nach der Abfallverbringungsverordnung LSA eine Annahmegenehmigung des Landes vorliegen müsse in das die Abfälle verbracht werden sollen. Ob eine solche vorliege, sei fraglich. Im Übrigen sei nach ihrem Wissen beabsichtigt, den Zuschlag auf einen „Ein- Mann-Betrieb“ zu erteilen, welcher eine reine Maklerleistung anbiete, keinerlei Erfahrungen habe und sich daher eines oder mehrerer Subunternehmer bedienen müsse.

Mit Schreiben vom 27.10.2003 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsver- fahrens bei der Vergabekammer beantragt. Dabei bezog sie sich inhaltlich auf ihre Rüge gegenüber dem Antragsgegner. Der Nachprüfungsantrag ist dem Antragsgegner mit Verfü- gung der Vergabekammer vom 30.10.2003 zugestellt worden. In diesem Zusammenhang erfolgte die Mitteilung, dass die Kammer die Wirksamkeit des erteilten Zuschlages auf der Grundlage des § 13 der Vergabeverordnung (VgV) prüfen wird und gleichzeitig untersagt, Leistungen aus dem eventuell geschlossenen und gegebenenfalls unwirksamen Vertrages erbringen zu lassen bzw. anzunehmen. Die Vergabestelle wurde aufgefordert, die entspre- chenden Unterlagen und eine Stellungnahme vorzulegen.

Die Durchsicht der von dem Antragsgegner vorgelegten Unterlagen ergab, dass bei Öffnung der Angebote vom Verhandlungsleiter nicht alle wesentlichen Teile einschließlich der beige- fügten Anlagen gekennzeichnet wurden, so zum Beispiel das Nebenangebot und vorgelegte Nachweise der Bieterin Spezial- und Tiefbau GmbH + Co KG.

Bezüglich der Art und Weise der Angebotsauspreisung findet sich in der beigelegten Leis- tungsbeschreibung unter Ziffer 7 der Hinweis, dass das Angebot in Euro je Tonne abzufas- sen ist. Auf dem Formblatt -Angebot- wurde nur der Brutto-Endpreis abgefordert. Daraus resultierend wurden von den Bietern unterschiedliche Eintragungen im Angebotsformular vorgenommen. So trugen die Antragstellerin in die Zeile Hauptangebot, Spalte Endbetrag mit Umsatzsteuer Euro, die Beigeladene einen Betrag von Euro ein. Zusätzlich zu dieser Angabe bot die Beigeladene in der Zeile Hauptangebot bei vorbehaltener losweiser Vergabe einen Preis von Euro/t und in der Spalte Endbetrag mit Umsatzsteuer Euro an. Unter Pkt. 5 des Angebotsschreibens erklärte die Beigeladene, dass sie keine Leis- tungen an Nachunternehmer weiterreiche. In der Einladung zum Bietergespräch wurde sie vom Antragsgegner unter anderem darauf hingewiesen, dass sie Angaben zur Auskömm- lichkeit ihres Angebotes unter Vorlage der Kalkulation und zum eventuellen Einsatz von Nachunternehmern zum Aufklärungsgespräch beizubringen habe. Aus dem Protokoll und den beigefügten Anlagen zum Aufklärungsgespräch geht hervor, dass die Beigeladene An- gaben zum Einsatz eines weiteren Unternehmens im Bereich der weiteren Verwertung machte und dazu entsprechende Unterlagen sowie eine Einzelkalkulation zur Ermittlung des Einheitspreises vorlegte, welcher hier für die Sortierung und Verwertung mit Gesamtkosten von Euro/t abschließt. Aus dem Vermerk zur Prüfung der Auskömmlichkeit geht hervor, dass die Kosten für die Sortierung/Zerkleinerung in Höhe von Euro für den Auftraggeber

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r den müs- schwer nachprüfbar seien, da einzelne Kostenbestandteile nicht ausgewiesen wurden und die Technologie der Sortierung erheblichen Einfluss auf die Kosten habe. Eine Auflistung der Kostenbestandteile wurde vom Auftraggeber im Detail nicht abgefordert. Im Ergebnis stellte dieser fest, dass der Angebotspreis zwar knapp, aber auskömmlich bemessen worden sei.

Die erkennende Kammer fand in den vorgelegten Unterlagen ein Schreiben der Beigelade- nen vom 11.08.2003 vor, in dem diese auf Aufforderung des Antragsgegners mitteilte, dass ihr beim ausfüllen des Brutto-Endpreises ein Rechenfehler unterlaufen sei, so habe sie auf den Brutto-Endpreis noch einmal die Steuer aufgeschlagen. Richtigerweise betrage ihr An- gebotspreis Euro brutto bezogen auf 2500 t/a, bzw. Euro/t brutto.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung,

dass die Wertung der Angebote rechtsfehlerhaft erfolgt sei. In ihrer Begründung stützt sie sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Rügeschreiben. Ferner legt sie dar, das Ne- benangebote unter Verwendung einer besonderen Anlage erstellt und zudem als solche stets exakt gekennzeichnet werden müssten.

Im Hinblick auf den ausgeschriebenen Leistungsumfang sei festzustellen, dass dieser auch die seitens der Beigeladenen angebotene Teilleistungsverwertung im Heizkraft-

werk...umfasse, so dass sich die Beigeladene diesbezüglich eines Nachunternehmers bediene. Dass die Verwertung des Sperrmülls im Rahmen der Ausschreibung liege und eine Hauptleistung darstelle, ergebe sich aus der Ausschreibung: „Sammlung, Transport und Verwertung....“.

Ergänzend trägt sie vor, dass bei der Kalkulation davon ausgegangen werden müsse, dass bis zum 31.05.2005 die aussortierten Reststoffe, die beseitigt werden müssen, laut der der- zeitigen Abfallsatzung des Landkreises andienungspflichtig seien und demzufolge zur Deponie (kreiseigene Deponie) zur Beseitigung verbracht werden müssten. Diese Deponie habe derzeit einen Annahmepreis für aussortierte Reststoffe von Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Dazu komme, dass nach der ständigen Rechtssprechung des BGH Verbrennungs- bzw. Heizkraftwerke nicht generell im Verwerterstatus einzustufen seien, sondern hierfür bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssten. So sei der

Ausschreibende verpflichtet zu prüfen, ob die Reststoffe vom ausgeschriebenen Abfall unte den Verwerterstatus fallen oder diese als Abfälle der Beseitigung zugeordnet wer

sen.

Die Notwendigkeit von Verhandlungen mit der Beigeladenen mache bereits deutlich, dass der Auftraggeber Probleme bei der Bezuschlagung des Angebotes der Beigeladenen gese- hen habe.

Soweit der Antragsgegner das Erreichen des Schwellenwertes in Frage stellt, sei festzustel- len, dass bei zeitlich begrenzten Dienstleistungsaufträgen bis zu 48 Monaten Laufzeit bei der Schätzung des Auftragswertes der Gesamtwert für die Laufzeit des Vertrages (hier: vier Jah- re) zugrunde zu legen sei.

Der Antrag könne daher nicht gem. § 100 Abs. 1 i.V.m. § 127 des Gesetzes gegen Wettbe- werbsbeschränkungen (GWB) i.V.m. § 2 VgV unzulässig sein. Darüber hinaus sei festgehal- ten, dass die Antragstellerin weder in ihrer Rüge noch in ihrem Nachprüfungsantrag die Wahl der falschen Vergabeart angegriffen habe.

Im Übrigen habe der Auftraggeber verabsäumt eine Informationsmitteilung gem. § 13 VgV an die Bieter zu versenden. Der mit der Beigeladenen bereits geschlossene Vertrag sei dem- nach für nichtig zu erklären.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den Antragsgegner anzuweisen, die Ausschreibung aufzuheben.

2. die durchgeführte Vergabe für nichtig zu erklären, da diese gegen gesetzliche Vergabevorschriften verstößt.

3. hilfsweise, den Zuschlag der Antragstellerin als qualitativ günstigste Anbieterin zu erteilen, soweit eine neue Ausschreibung nicht erfolgen kann.

4. die Kosten dem Antragsgegner aufzuerlegen.

(5)

r

end zu machen.

Der Antragsgegner beantragt,

1. die Anträge zurückzuweisen.

2. die durch die Einschaltung eines Verfahrensbevollmächtigten entstandenen Aufwendungen gem. § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.

Er vertritt die Auffassung,

dass die Ausschreibung unter Maßgabe der Basisparagraphen der VOL/A zu Recht erfolgte, da der Schwellenwert nach dem voraussichtlichen Auftragsvolumen für das Jahr 2004 be- rechnet wurde. Der Schwellenwert des § 2 Nr. 3 VgV werde nicht erreicht. Der Antrag der Antragstellerin sei daher bereits gem. §§ 100 Abs. 1 i.V.m. 127 GWB i.V.m. § 2 VgV unzu- lässig. Dazu sei bemerkt, dass weder die Antragstellerin noch ein anderer Beteiligter am Vergabeverfahren die Wahl des Vergabeverfahrens gerügte. Dieses sei nach

Zuschlagserteilung nunmehr auch nicht mehr möglich. Die verspätete Geltendmachung de Beanstandung der Wahl der Vergabeart gegenüber dem Auftraggeber führe zu einer materiellen Präklusion dieser Beanstandung und somit zu einem Verlust des subjektiven Rechts der Bieterin nach § 97 Abs. 7 GWB, eine eigene Beeinträchtigung durch eine ggf.

fehlerhafte Wahl der Vergabeart gelt

Da die Rüge einer fehlerhaften Wahl des Vergabeverfahrens bisher überhaupt nicht und so- mit nicht unverzüglich im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB erhoben worden sei, wirke sich dies auch auf die Wirksamkeit der Zuschlagserteilung auf ein Vergabeverfahren nach Maßgabe der Basisparagraphen der VOL/A aus. Dem Bieter sei es dann auch verwehrt, sich auf § 13 VgV zu berufen.

Im Übrigen habe man zu keinem Zeitpunkt vorgehabt, eine Information nach § 13 VgV zu tätigen, da § 13 VgV hier nicht gelte. Die Absicht, nur die Basisparagraphen der VOL/A an- zuwenden, ging aus der Vergabebekanntmachung auch erkennbar hervor. Die Antragstelle- rin hätte die Wahl der öffentlichen Ausschreibung als Verfahrensart bis zum Ende der Ange- botsfrist gem. § 107 Abs. 2 Satz 3 GWB beanstanden müssen. Da sie dieses nicht getan hat, wäre sie auch mit einer Rüge im Hinblick auf § 13 VgV präkludiert.

Die Präklusion erfasse hier nicht nur eine etwa falsche Wahl der Verfahrensart, also die Wahl der öffentlichen Ausschreibung im Sinne von § 3 Nr. 1 VOL/A anstelle des Offenen Verfahrens im Sinne von § 3 a Nr. 1 VOL/A, § 101 Abs. 2 GWB. Vielmehr sei die Antragstel- lerin zugleich mit solchen Beanstandungen ausgeschlossen, die mit der Wahl der Verfah- rensart bestimmungsgemäß zusammenhängen. Dieser unmittelbare Zusammenhang beste- he im materiellen Vergaberecht insbesondere zwischen der Wahl der Vergabeart und der Berechnung des Schwellenwertes. Letztere ziehe die Wahl der öffentlichen Ausschreibung anstelle des Offenen Verfahrens zwangsläufig nach sich.

Auch die Eröffnung des Rechtsweges zu den vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen und die Berufung auf § 13 VgV bleibe nach Sinn und Zweck der Präklusionsregelung dem Bieter abgeschnitten, der die erkennbar „falsche Wahl der Vergabeart wegen eines unzutref- fend angenommenen Schwellenwertes nicht rechtzeitig gerügt habe. Die Rügeobliegenheit sei den Bietern nämlich vom Gesetz auferlegt worden, um im Interesse des das gesamte Vergaberecht beherrschenden Beschleunigungsgebotes zu verhindern, dass sie erkennbare Fehler im Vergabeverfahren zunächst als Notbehelf auf diesen Fehler zurückkommen, wenn sich die gehegte Erwartung zu zerschlagen drohe.

Im Weiteren wäre, selbst wenn man zur Anwendbarkeit der VgV insgesamt käme, § 13 Satz 6 VgV nicht anzuwenden, da eine gesetzliche Grundlage der Nichtigkeitsfolge in § 97 Abs. 6 und § 127 GWB nicht zu finden sei. Als unter gesetzliche Norm falle § 13 Satz 6 VgV in die Verwerfungskompetenz eines jeden Gerichtes, für dessen Entscheidung es auf die Wirksamkeit dieser Vorschrift ankomme. Aufgrund des Zuschlages der Vergabestelle seien die gestellten Hauptanträge als unzulässig gem. § 114 Abs. 2 GWB abzuweisen.

Bezüglich der abgegebenen Angebote ist festzustellen, das die Antragstellerin, welche bis zum 31.12.2003 die ausgeschriebenen Leistungen erbrachte, sei im Rahmen des Aus-

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schreibungsverfahrens nach der VOL/A nicht die günstigste Bieterin gewesen sei, da ihr bes- tes Angebot im Rahmen der Wertung der Angebote lediglich Platz 6 eingenommen habe.

Soweit die Antragstellerin die Auskömmlichkeit des bezuschlagten Angebotes rügte, könne diese Auffassung nicht geteilt werden. Die Auskömmlichkeit des Angebotes sei bereits im Vorfeld des Einganges der Rüge geprüft worden. Hierzu wurde mit Schreiben vom

11.07.2003 die Kalkulation des Angebotes abgefordert und im Rahmen des Bietergesprä- ches übergeben. Die Differenz des Erstplatzierten zum Zweitplatzierten betrage 19 %. Die Spanne der Angebote reiche von 100 % bis 222 %. Der Antragsgegner habe auch die Kos- ten der thermischen Verwertung für Sortierreste geprüft. Hierbei habe man festgestellt, dass das Angebot des günstigsten Bieters diese Kosten bereits berücksichtige. Der Anteil der Kosten an der Gesamtverwertung betrage 15 % und werde der thermischen Verwertungsan- lage zugeführt.

In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass zwar ein Zuschlag auf ein Angebot nicht erteilt werden dürfe, dessen Preis im offenbaren Missverhältnis zur Leistung steht (vgl.

§ 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A). Diese Bestimmung diene in erster Linie dem Schutz des Auftrag- gebers vor der Eingehung eines wirtschaftlichen Risikos, nicht jedoch dem Schutz des Bie- ters vor seinem eigenen zu niedrigen Angebot. Davon zu unterscheiden sei allerdings die Frage des Drittschutzes, d.h. ob konkurrierende Bieter nach § 97 Abs. 7 GWB einen An- spruch auf die Einhaltung der Bestimmungen haben. Dies sei strittig. Das BayObLG vertrete die Auffassung, dass eine Differenz von 18,4 % zwischen dem günstigsten Bieter und dem zweiten Bieter allein noch keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür darstelle, dass der nied- rigere Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig sei oder gar in einem offenbaren Missverhältnis stehe. Zum gleichen Ergebnis komme das OLG Jena bei einer Differenz von 20 %. Da auch die Antragstellerin jedenfalls nach Prüfung keinerlei stichhaltige Anhaltspunkte dafür vortragen könne, dass der niedrige Preis wettbewerblich nicht begründet sei, müsse ihre Rüge bereits unbeachtlich bleiben und könne daher auch keinen Einfluss auf das eingeleitete Nachprüfungsverfahren haben.

Des Weiteren habe sich der Antragsgegner am 17.10.2003 vor Ort davon überzeugen kön- nen, dass es bei der Beigeladenen nicht nur um eine Maklerfirma handele. Das Zuschlags- schreiben wurde am 16.10.2003 ausgefertigt und im unmittelbaren Anschluss an die Besich- tigung der Anlage übergeben.

Auf schriftliches Hinterfragen der Kammer bezüglich der Kennzeichnung der Angebote und der durchgeführten Wertung, teilte der Antragsgegner mit, dass nach seiner Kenntnis, Ne- benangebote nur zahlenmäßig erfasst, aber nicht wie das Hauptangebot durchgehend pagi- niert werden müssten. Die Prüfung und Wertung der Angebote erfolgte in Anwendung der

§§ 23 und 25 VOL/A und ergebe sich aus den übergebenen Unterlagen.

Im Hinblick auf die Angabe von Nachunternehmern geht die Vergabestelle davon aus, dass hier nur die Angabe von Unternehmen erforderlich war, welche an der Hauptleistung, hier der Aufnahme des Sperrmülls und des Transportes sowie der Andienung gegenüber einer zugelassenen Verwertungsanlage erforderlich seien. Unternehmen, welche das separierte Material weiter verarbeiten, seien nach Auffassung der Vergabestelle keine Nachauftrag- nehmer im Sinne der VOL.

II.

Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig und begründet.

Die sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer richtet sich nach § 100 GWB bzw. Ab- schnitt II Abs.1 – Einrichtung und Zuständigkeit der Vergabekammer - des Runderlasses des Ministeriums für Wirtschaft und Technologie – Richtlinie über die Einrichtung von Vergabe- kammern in Sachsen-Anhalt – vom 04.03.1999-63-32570/03, geändert durch RdErl. des MW vom 08.12.2003 – 42.32570/03. Die Beschwerde wird im Rahmen eines Vergabeverfahrens erhoben, welches einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag i.S. von § 99 Abs. 1 und 4 GWB zum Gegenstand hat.

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Bei der ausgeschriebenen Leistung - Aufnahme, Transport und Verwertung von ca. 2.500 t/a Sperrmüll - handelt es sich um eine Dienstleistung im Sinne von § 1a VOL/A, Fassung 2002.

Denn die Bestimmungen der a-Paragraphen sind zusätzlich zu den Basisparagraphen an- zuwenden, wenn der geschätzte Gesamtauftragswert der Dienstleistung ohne Umsatzsteuer 200.000,00 Euro erreicht oder überschreitet. Maßgebend für die Festlegung des geschätzten Auftragswertes ist die geschätzte Gesamtvergütung für die vorgesehene Leistung. Bei Dienstleistungsaufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, hat sich der Auftraggeber bei der Schätzung des Auftragswertes an dem Gesamtwert für die Laufzeit des Vertrages zu orientieren (vgl. § 3 Abs. 3 VgV).

Die für den Rechtsschutz vorausgesetzten Schwellenwerte beziehen sich auf die von der Vergabestelle vorab zu schätzenden Auftragswerte ohne Mehrwertsteuer. Die Vergabestelle muss hierbei einen realistischen Ansatz verfolgen, um nicht in den Verdacht zugeraten, Auf- tragswerte absichtlich unterschätzt zu haben, mit dem Ziel, den Anwendungsbereich der eu- ropaweiten Vergabeverfahren nach den materiellen Vergaberichtlinien zu umgehen. Der An- tragsgegner konnte somit die Kammer mit der Argumentation, die Vergabestelle habe den voraussichtlichen Auftragsumfang auf der Basis des Jahres 2004 im Einklang mit den verga- berechtlichen Bestimmungen berechnet, auch nicht überzeugen. Der Schwellenwert des § 2 Nr. 3 VgV ist erreicht, denn der Antragsgegner muss sich an den von ihm bestimmten Leis- tungszeitraum von vier Jahren festhalten lassen. Die ausgeschriebene Leistungserbringung umfasst auf jeden Fall mit ca. 500.000,00 Euro einen Wertumfang, der zur Zuständigkeit der Vergabekammer führt.

§ 100 Abs. 1 GWB legt fest, dass die Vergabekammer für alle Aufträge zuständig ist, die die EU-Schwellenwerte übersteigen. Es sollte gerade nicht dem Auftraggeber überlassen sein, durch die freie Wahl der Ausschreibungsart im Sinne des § 1a Nr. 1 Abs. 2 VOB/A, die Zu- ständigkeit der Vergabekammer zu begründen oder auszuschließen. Ob die Antragstellerin die lediglich nationale Vergabe gerügt hat ist somit ebenfalls ohne Belang.

Der Anwendungsbereich des 4. Teiles des GWB (§§ 97ff) ist eröffnet. Die 1. Vergabekam- mer beim Landesverwaltungsamt ist in der Nachfolge der Vergabekammer beim Regie- rungspräsidium Halle nach Abschnitt II Abs. 1 und 2 der vorbezeichneten Richtlinie örtlich zuständig, da der Antragsgegner seinen Sitz innerhalb der Grenzen des ehemaligen Regie- rungsbezirkes Dessau hat.

Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB.

Der Nachprüfungsantrag ist auch im Hinblick auf das Erfordernis der Antragstellung vor Zu- schlagserteilung gemäß § 114 Abs. 1 S. 2 GWB zulässig, da der Antragsgegner die Vor- schriften des § 13 VgV nicht beachtet hat und der geschlossene Vertrag demzufolge von Gesetzes wegen nichtig ist und daher keine Rechtswirksamkeit entfaltet.

Die erkennende Kammer vermag der Argumentation des Antragsgegners, dass § 13 VgV schon aus dem Gesichtspunkt der bloßen nationalen Ausschreibung heraus keine Anwen- dung finden könne, nicht zu folgen. Durch § 13 VgV wollte der Verordnungsgeber insbeson- dere der jüngeren Spruchpraxis des EuGH Rechnung tragen, die verlangt, dass rechtswidri- ge Vergabeentscheidungen vor Vertragsschluss im Rahmen der Nachprüfung aufgehoben werden können und die – ohne Anpassung der Rechtslage in Deutschland – zur Europa- rechtswidrigkeit der §§ 114 Abs. 2

Satz 1, 123 Satz 4 GWB geführt hätte. Man wollte mit § 13 VgV dem Erfordernis eines effek- tiven Rechtsschutzes entsprechen. Aus dem Gesamtzusammenhang heraus steht somit außer Zweifel, dass die Anwendbarkeit des § 13 VgV sich nach rein objektiven Gesichts- punkten ausrichtet. Der Maßstab liegt hier allein in der rechtlichen Verpflichtung zur europa- weiten Ausschreibung und bleibt von einer eventuell nicht stattgefundenen Rüge einer ledig- lich nationalen Ausschreibung unbeeinflusst. Der Pflichtenkreis des Auftraggebers ist somit in § 13 S. 1-5 VgV eindeutig normiert. Die Rechtsfolge des § 13 S. 6 VgV tritt bei einem rele- vanten Verstoß gegen diese Verpflichtungen von Gesetzes wegen ein. So verhält es sich hier.

(8)

l- Die Information der Antragstellerin mittels Schreiben des Auftraggebers vom 29.09.2003 war lückenhaft, da der ausgewählte Vertragspartner nicht benannt wurde. Die Ausführungen zum Grund der Nichtberücksichtigung waren zwar gerade auch im Zusammenhang mit der Bezif- ferung des preislich günstigsten Angebotes ausreichend, dennoch wurde dem Informations- interesse der Antragstellerin nicht entsprochen. Die Nichtigkeit des vergabewidrig geschlos- senen Vertrages ist somit die zwangsläufige rechtliche Folge.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die erkennende Kammer in Übereinstimmung mit dem anwaltlichen Vertreter des Antragsgegners von der Verfassungswidrigkeit des § 13 S. 6 VgV ausgeht. Denn der Auftraggebervertreter irrt, wenn er von einer Verwerfungskom- petenz der Vergabekammer als Teil der ausführenden Gewalt ausgeht. Die Kammer ist der Auffassung, dass ihr allenfalls das Recht zukommt, die Verfassungswidrigkeit der rechtlichen Regelung darzustellen, um so eine abschließende Überprüfung von berufener Seite anzure- gen. In diesem Sinne sollen die folgenden Ausführungen verstanden werden.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang bereits, ob die Ermächtigungsgrundlage des § 97 Abs. 6 GWB eine Regelung, wie sie § 13 S. 6 VgV vorsieht, überhaupt umfasst, da dort lediglich von einer Ermächtigung zum Erlass von Regelungen zum bei der Vergabe einzuha tender Verfahren die Rede ist. Allenfalls die ausdrückliche Benennung der Regelungskompe- tenz bezüglich des Abschlusses des Vertrages kann bei wohlwollender Betrachtungsweise zur Feststellung des Ausreichens der Ermächtigungsgrundlage führen.

Dies unterstellt muss nach Ansicht der erkennenden Kammer ein Verfassungsverstoß jedoch im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt bejaht werden. Ausschlaggebend ist hier nach der Wesentlichkeitstheorie, ob in essentielle Bereiche des rechtlichen Miteinanders eingriffen wird. Allein der Umstand, dass die rechtliche Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes bisher nach § 134 BGB nur dann nichtig ist, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (förm- liches Gesetz), ist ein starkes Indiz dafür, dass bei Kollision mit dem elementaren rechtlichen Grundsatz „pacta sunt servanda“ der parlamentarische Gesetzgeber zu Unrecht nicht betei- ligt wurde.

Die Antragstellerin ist nach § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, weil sie ein Interesse am Auf- trag hat und eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht und darlegt, dass ihr durch Verletzung von Vergabe- vorschriften ein Schaden drohe.

Das Erfordernis der vorherigen Rüge gegenüber dem Antragsgegner gemäß § 107 Abs. 3 GWB ist erfüllt. Sie hat den jeweiligen Vergabeverstoß gegenüber dem Antragsgegner be- reits vor Beschwerdeeinlegung gerügt, indem sie darauf hingewiesen hat, dass sie sich mit der Art der Wertung nicht einverstanden erkläre.

Erfüllt sind ebenfalls das Erfordernis der jeweiligen Begründung gem. § 108 Abs. 1 GWB.

Zwar hat die Antragstellerinnen die Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel nicht explizit dargelegt, an das Formerfordernis des § 108 GWB dürfen jedoch keine übersteigerten An- forderungen gestellt werden. Insbesondere können die Anforderungen nicht größer sein, als die an die Form des § 117 GWB, der sofortigen Beschwerde vor dem zuständigen Oberlan- desgericht.

Diesbezüglich hat das Oberlandesgericht Düsseldorf, Geschäfts-Nr.: Verg 1/99, festgestellt, dass § 117 Abs. 2 Nr. 1 GWB ersichtlich dem § 66 Abs. 4 Nr. 1 GWB n.F.

(= § 65 Abs. 4 Nr. 1 GWB a.F.) aus dem Kartellbeschwerdeverfahrensrecht (vgl. auch den inhaltlich entsprechenden § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) nachgebildet ist. Zu § 66 Abs. 4 Nr. 1 GWB n.F. ist anerkannt, dass der Antragsteller keinen Antrag mit tenorirrungsfähigem Inhalt ausformulieren und stellen muss. Vielmehr genügt es für die Zulässigkeit der Beschwerde, wenn sich das Beschwerdebegehren aus der Begründung ergibt; ferner reicht auch die Be- zugnahme auf einen Antrag aus, der - erfolglos - bei dem Antragsgegner gestellt worden war und deren Verfügung nunmehr mit der Beschwerde angefochten wird (vgl. Immenga/Mest- mäcker/Schmidt, GWB 2. Aufl., § 65 Rdnr. 13; vgl. auch die inhaltlich entsprechende Ausle- gung des § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

(9)

r. 1 OL/A.

Die Antragstellerin hat demzufolge der Vorschrift des § 108 Abs. 1 GWB dadurch genügt, dass sie vor Zuschlagserteilung die Wertung der Angebote monierte und ausdrücklich auf die Einhaltung der Vergabevorschriften hinwies.

Die Beschwerde ist begründet.

Der Antragsgegner hat die Bestimmungen über das Vergabeverfahren nicht eingehalten, auf deren Einhaltung die Antragstellerin ein Recht gemäß § 97 Abs. 7 GWB hat.

Obwohl entsprechend den vorherigen Ausführungen seitens des Auftraggebers zu Unrecht lediglich eine nationale Ausschreibung stattgefunden hat und somit unzweifelhaft ein Verstoß gegen § 3 a Nr. 1 VOL/A vorliegt, beruft sich die Antragstellerin zu Recht nicht darauf, da sie in Bezug darauf zu keinem Zeitpunkt eine nach § 107 Abs. 3 GWB erforderliche Rüge erho- ben hat. Diesbezüglich ist Präklusion eingetreten.

Die Antragstellerin kann sich jedoch im Ergebnis erfolgreich auf einen Verstoß gegen den Wettbewerbsgedanken des § 97 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A berufen. Durch die preisliche Wertung u.a. auch des Angebotes der Beigeladenen kam es durch

Nichtbeachtung des Verbotes der preisrelevanten Nachverhandlung zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 2 Nr.2, 7 N Satz 1 V

Gem. § 97 Abs. 2 GWB hat der Auftraggeber die Teilnehmer an einem Wettbewerb gleich zu behandeln, es sei denn, eine Differenzierung ist aufgrund des GWB selbst ausdrücklich ge- boten oder gestattet. Der in dieser Bestimmung normierte Gleichbehandlungsgrundsatz ge- hört zu den elementaren Prinzipien des Gemeinschaftsrechts und des deutschen Vergabe- rechts (vgl. BT-Drucksache 13/9340, Begründung zu 106 Abs. 2 GWB i.d.F. des Vergabe- rechtsänderungsgesetzes = § 97 Abs. 2 GWB). Auch das in § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A veran- kerte grundsätzliche Verbot anderer Verhandlungen dient dem Wettbewerbsgedanken und dem Gleichbehandlungsgebot. Dürften einerseits die Bieter ihre Angebotspreise, anderer- seits die Auftraggeber den Leistungsinhalt durch Herausnahme von Leistungspositionen ver- ändern, so würde das Wettbewerbsergebnis insgesamt verfälscht. Wären Preisverhandlun- gen generell möglich, würde dies zu unerlaubten Preisansprachen der Bieter führen. Der Auftraggeber hätte so z.B. die Möglichkeit, Angebotspreise nachdrücklich zu senken. Diese Vorgaben hat der Antragsgegner im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt. Indem er Ver- handlungen über Preise mit der Beigeladenen führte hat er gegen den Wettbewerbsgedan- ken und das Gleichbehandlungsgebot verstoßen.

Nach der für die rechtliche Wertung relevanten Forderung in der Leistungsbeschreibung wa- ren die Bieter gehalten, einen Endpreis je Tonne bezogen auf eine Vertragslaufzeit von vier Jahren anzubieten, d.h. zur Verwertung von 10.000 t Sperrmüll. Dieses hat der Antragsgeg- ner offensichtlich bei der Wertung der Angebote außer Acht gelassen. Hätte er entsprechend seiner Leistungsbeschreibung – Angebot ist in Euro je Tonne abzufassen – die Wertung vor- genommen, so hätte er zu dem Ergebnis kommen müssen, dass das von der Beigeladenen unterbreitete Angebot an der für die Auspreisung vorgesehenen Stelle mit € je Tonne zu werten ist und somit nicht das wirtschaftlichste Angebot sein kann.

Soweit die Beigeladene zusätzlich für den hier nicht relevanten Fall der vorbehaltenen los- weisen Vergabe einen Betrag von €/t (Brutto oder Netto?) sowie einen Gesamtbe- trag in Höhe von € (Brutto) unterbreitet, handelt es sich um keine rechtlich rele- vante Auspreisung. Allenfalls kann daraus darauf geschlossen werden, dass es hinsichtlich des Auspreisungserfordernisses einige Unklarheiten bei den Bietern gegeben hat, so dass eine entsprechende Klarstellung im Vorfeld notwendig gewesen wäre. Im Nachhinein ermög- lichen derartige Missverständnisse keinerlei preisliche Korrekturen. Gleiches gilt für das in einem separaten Schriftsatz unterbreitete Angebot für Entsorgungsleistungen zu einem Preis von €/t bzw. € jedoch nur für einen Leistungsumfang von 2.500 t.

(10)

Unterstellt, dass der Betrag von EUR den Endbetrag für die ausgeschriebene Gesamtleistung (10.000 t für vier Jahre) darstellen soll, hätte der Antragsgegner feststellen müssen, dass ein Betrag in Höhe von € je Tonne ein ungewöhnlich niedriges Angebot darstellt. Es wurde seinerseits zwar Aufklärung entsprechend § 25 Nr. 3 VOL/A betrieben, diese führte jedoch zu einem rechtlich fehlerhaften Ergebnis. Wie unter I. dargelegt, legte die Beigeladene Kalkulationsnachweise für Gesamtkosten in Höhe von € vor. Diese sind nach Auffassung der Kammer nicht geeignet, die Auskömmlichkeit des Angebotes zu belegen. Eine Annahme dieses Angebotes wäre dem Auftraggeber folglich verwehrt gewe- sen.

Wider jeden Wettbewerb steht der Gedankengang des Antragsgegners, wonach € dahingehend auszulegen seien, dass sich diese Summe lediglich auf eine auf 25 % gekürzte Leistungserbringung von nur 2.500 t beziehe. Wer auf eine Abforderung für t eine Auspreisung ohne nähere Erläuterung vornimmt, der preist für das Gesamtleistungsvolumen aus. Läge tatsächlich nur eine Auspreisung für einen Teilbereich der zu erbringenden Leis- tung vor, so wäre eine Zuschlagserteilung auf ein solches Angebot nicht rechtmäßig.

Soweit sich der Antragsgegner bei der Bewertung des Angebotes der Beigeladenen darauf zu stützen sucht, dass dieser bei der Ermittlung des Endpreises ein Fehler unterlaufen sei, indem sie die Mehrwertsteuer doppelt aufgeschlagen habe, so kann dies nach den obigen Darstellungen zu keinem anderen Ergebnis führen.

Im Übrigen wurde durch die Übersendung der Bewerbungsbedingungen das Verlangen aus- gesprochen, die Teile der Leistungen die an Nachunternehmer übertragen werden sollen, konkret zu bezeichnen (hier: gegliedert nach Art und Umfang der Leistung). Dem genügt das Angebot der Beigeladenen nicht.

Dem Auftraggeber ist es hier nicht gestattet, diesbezüglich eine Nachverhandlung oder Auf- klärung zu betreiben. § 24 VOL/A enthält eine abschließende Aufzählung der zulässigen Verhandlungsgründe. Hiernach sind Verhandlungen erlaubt, soweit sie sich auf das rein In- formatorische beschränken oder Nebenangebote sowie auch technisch notwendige Ände- rungen geringen Umfangs eines Angebotes betreffen (vgl. Müller-Wrede, A § 24 Rdn. 1).

Dem Auftraggeber ist es hier untersagt, nachträglich Verhandlungen darüber zu führen, wel- che Leistungen konkret durch den Hauptauftragnehmer und welche durch den Nachunter- nehmer erbracht werden. Ein derartiges Verhandeln deckt § 24 VOB/A nicht, da dies auf eine Verschiebung der Leistungsanteile zwischen Haupt- und Nachunternehmer und mithin auf einen tiefgehenden Eingriff in die Angebotsgestaltung der Antragstellerin hinauslaufen würde. Solche Verhandlungen würden die Gefahr beinhalten, dass im Verfahren die kalkula- torischen Grundlagen zu Lasten anderer Bewerber und zu Gunsten der Antragstellerin ver- ändert werden könnten. Dies kann im Rahmen der Wettbewerbsgleichheit nicht hingenom- men werden.

Soweit der Antragsgegner die Auffassung vertritt, dass die Verwertung des Sperrmülls nicht Bestandteil des Leistungsumfanges sei, geht er mit dieser Auffassung fehl. In der Bekannt- machung und den Verdingungsunterlagen wurde der Leistungsumfang mit Aufnahme, Transport und Verwertung von ca. 2.500 t/a Sperrmüll für einen Zeitraum von vier Jahren eindeutig definiert. Nach dem Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-/AbfG) ist der Besitzer von Abfällen verpflichtet, diese nach Maßgabe des § 6 zu ver- werten. Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, hat die Verwertung von Abfäl- len Vorrang vor deren Beseitigung. Verwertung im Sinne dieses Gesetzes bedeutet zum ei- nen, dass die Abfälle einer stofflichen Verwertung zugeführt oder zum anderen zur Gewin- nung von Energie genutzt werden. Die Verwertungsleistung selbst war somit Bestandteil der Ausschreibung und bei der Bewertung der Angebote zu berücksichtigen. Da die Beigeladene in ihrem Angebot erklärte, die Leistung vollständig im eigenen Betrieb zu erbringen, jedoch nach dem Ergebnis der Verhandlungen die Verwertung durch Weitergabe des Sperrmülls an Dritte sicherzustellen gedenkt, konnte zum Zeitpunkt der Submission ihre Eignung nicht nachgewiesen werden. Der Antragsgegner hätte das Angebot der Beigeladenen nach seinen Erkenntnissen aus dem Verhandlungsgespräch im Rahmen der Wertung gem. § 25 Nr. 2

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L/A ist daher geboten.

VOL/A nicht weiter berücksichtigen dürfen. Auch nach Auffassung des OLG Naumburg (vgl.

Beschluss 1 Verg 7/00 vom 01.11.2000) sind nur die Angebote einer Wertung zugänglich, die zum Submissionstermin vorlagen. Spätere Ergänzungen bzw. Nachweise, die dazu die- nen, nachträglich die Eignung der Bieter oder die Inhalte der Angebote zu vervollständigen, sind nicht zuzulassen.

Gem. § 114 Abs. 1 GWB ist die Kammer verpflichtet auf die Rechtmäßigkeit des

Vergabeverfahrens einzuwirken. Da der Antragsgegner weder in der Bekanntmachung noch in den Verdingungsunterlagen Wertungskriterien festlegte, ist es der Kammer zur

Gewährleistung des gesetzgeberischen Anspruchs auf Einhaltung vergaberechtlicher Regelungen nicht möglich, lediglich die Durchführung einer erneuten Wertung durch den Antragsgegner zu verfügen. Eine Anweisung zur Aufhebung der Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 Buchst. d) VO

III.

Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 GWB. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gemäß § 128 Abs. 3 GWB sind die Kosten der Nachprüfungsverfahren vor der Vergabe- kammer von demjenigen bzw. denjenigen zu tragen, die im Verfahren unterliegen. Für die Beurteilung des Obsiegens bzw. Unterliegens eines Beteiligten ist allein der Ausgang des Nachprüfungsverfahrens im Verhältnis zu dem von ihm gestellten Antrag in diesem Verfah- ren maßgeblich. In diesen Nachprüfungsverfahren unterliegt der Antragsgegner, da der An- tragsteller mit seinen Anträgen durchzudringen vermochte, während der Antragsgegner mit seinem letztlich auf Feststellung der Wirksamkeit der Zuschlagserteilung ausgerichteten An- trages unterliegt.

Die Höhe der Gesamtkosten beläuft sich hier auf ... €,

§ 128 Abs. 1 Satz 1 GWB. Die Kosten gliedern sich auf in Gebühren in Höhe von ... € (§ 128 Abs. 2 Satz 2 GWB) und Auslagen in Höhe von ... € (§ 128 GWB i.V.m. § 10 VwKostG LSA).

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen den Beschluss der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig,

§ 116 Abs. 1 GWB. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit Zustel- lung des Beschlusses beginnt, beim Oberlandesgericht Naumburg, Domplatz 10 in 06618 Naumburg, einzulegen, § 117 Abs. 1 GWB.

(12)

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebe- gründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit der Beschluss der

Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird sowie die Tatsachen und Beweismittel bezeichnen, auf die sich die Beschwerde stützt, § 117 Abs. 2 GWB.

Die Beschwerde muss durch einen bei einem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unter- schrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, § 120 Abs. 1 GWB.

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist, § 118 GWB.

gez. Thomas gez. Katzsch gez. Dolge

Referenzen

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