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E. Die Patientenverfügung in der Notfallmedizin

2. Die Notfallregelung des § 12 PatVG

Medizinisch wird der sogenannte „Notfall“ wie folgt definiert:

„Jede Situation eines Patienten, die ohne sofortige medizinische Behandlung zu schweren (bleibenden) Schäden oder dem Tod führt und oft elementare Lebensfunktionen ein-schränkt. Zu solchen Notfällen zählen unter anderem Vergiftungen, schwere Verletzun-gen oder akute Krankheiten.“138

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Aufgabenfeld der Notfallmedizin jedoch immer mehr erweitert. Notärzte und Sanitäter sind nunmehr nicht nur bei diversen Unfällen und/oder anderen Katastrophen im Einsatz, sondern erstreckt sich ihr Aufgabenfeld bspw auch auf Schlaganfallpatienten oder Patienten mit fortgeschrittenen neurologischen Er-krankungen.139

Gemäß § 12 PatVG bleibt „die medizinische Notfallversorgung unberührt, sofern der mit der Suche nach einer Patientenverfügung verbundene Zeitaufwand das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernstlich gefährdet.“140

137 Körtner/Kopetzki/Kletečka-Pulker/Inthorn, Endbericht 2009, 63.

138 https://flexikon.doccheck.com/de/Notfall (Stand: 25.05.2021).

139 Memmer/Till, ZfG 2016/1, 4 (4).

140 § 12 PatVG.

Jahr Beratung Errichtung verbindliche PatV

Errichtung

beachtliche/"andere

" PatV

2016 111 81 5

2017 177 263 3

2018 190 237 6

2019 351 210 2

gesamt 829 791 16

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§ 12 PatVG ist sohin eine Ergänzung der im Medizinrecht mehrfach verankerten Gefahr im Verzug-Regel wie ebenso bspw verankert in § 98 Abs 2, § 110 Abs 2 StGB; § 253 Abs 3, § 254 Abs 3 ABGB; § 37 UbG.141

Sofern also keine rechtswirksame Patientenverfügung vorliegt oder der Inhalt, die Wirk-samkeit oder die rechtliche Qualifikation wegen Gefahr im Verzug nicht zweifelsfrei fest-gestellt werden kann und die Zustimmung eines uU vorhandenen Vertreters des Patienten (Erwachsenenvertreter, Vorsorgebevollmächtigter) nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, sind somit aufgrund der sich aus diversen Bestimmungen ergebenden Behandlungs-flicht eines Arztes (vgl bspw § 110 Abs 2 StGB, § 173 Abs 3 ABGB, § 254 Abs 3 ABGB und § 48 ÄrzteG 1998) alle notwendigen Behandlungen vorzunehmen, um das Leben des Patienten aufrecht zu erhalten.142

Das PatVG gilt also grundsätzlich auch im Bereich medizinischer Notfälle.143 Das PatVG sieht für Notfallsituationen grundsätzlich eine Bringschuld des Patienten vor (näher hierzu Punkt E.2.b.). Dies ist insofern gerechtfertigt, als die Suche eine Lebensge-fährdung hervorrufen würde. Der Schutz des Lebens des Patienten hat unzweifelhaft Vor-rang vor dem nicht bekannten Patientenwillen sowie der Selbstbestimmung des Patienten.

Demgegenüber steht die Pflicht des Arztes, Leben zu retten, welche es jedoch nicht recht-fertigt während eines medizinischen Notfalles bei Vorliegen einer Patientenverfügung, sich über diese hinwegzusetzen.144

In Fällen, in denen sich der behandelnde Arzt über eine wirksame Patientenverfügung hinwegsetzt bzw. diese unbeachtet lässt, ist die von diesem durchgeführte medizinische Behandlung als rechtswidrig und damit schadenersatzbegründend zu qualifizieren, da aufgrund der wirksamen Patientenverfügung keine wirksame Einwilligung des Patienten in die vorgenommene medizinische Behandlung vorliegt.145

141 Bernat in Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar5 (2019), § 12 PatVG.

142 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 440-441.

143 Körtner/Kopetzki/Kletečka-Pulker/Inthorn, Endbericht 2009, 81.

144 Körtner/Kopetzki/Kletečka-Pulker/Inthorn, Endbericht 2009, 82.

145 Vrba/Unger, Haftung der Ärzte, Krankenanstalten und Heime in Vrba (Hrsg), Schadenersatz in der Pra-xis43 (2020), Rz 17.

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a) Ernstliche Gefährdung

Eine ernstliche Gefährdung des Lebens des Patienten liegt immer dann vor, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gegeben ist und darüber hinaus die Schä-digung direkt aus der Krankheit selbst droht.146

Eine bloß vage Möglichkeit einer Selbstschädigung oder Fremdschädigung ist nicht aus-reichend.147

Eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit oder die Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der Gesundheit ist ebenso nicht gefordert.148

b) Bringschuld oder Suchpflicht?

Aus Satz 1 des § 862a ABGB wird die sogenannte Empfangstheorie abgeleitet. Diese gilt generell für sämtliche empfangsbedürftigen Willenserklärungen (zB Mahnung: 6 Ob 179/04y; 1 Ob 45/04f; Kündigung: 7 Ob 86/16x; 9 Ob 52/10b; 9 ObA 73/10s; 6 Ob 310/01h) und sonstigen empfangsbedürftigen Erklärungen (zB Krankenstandsbestäti-gung eines Arbeitnehmers: 9 ObA 51/10f). 149

Die Wirksamkeit und Rechtzeitigkeit hängt vom Empfang der Erklärung, also vom Zu-gang der Erklärung beim Empfänger ab.150

Das Verlust- und/oder Verspätungsrisiko liegt somit beim Patienten als „Absender“ der Patientenverfügung.151

Die Patientenverfügung kann dann als zugegangen angesehen werden, wenn sie in den Machtbereich der Krankenanstalt, des behandelnden Arztes oder des Vertreters des Pati-enten gelangt.152

146 ErläutRV 464 BlgNR 17. GP 20; ErläutRV 353 BlgNR 22. GP 10-11.

147 RIS-Justiz RS0075921.

148 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 441; so § 3 Z 1 UbG und § 4 Z 1 HeimAufG.

149Kolman in Neumayr/Webhofer-Neumayr/Schwimann, ABGB Taschenkommentar5 (2021), zu § 862a ABGB, Rz 1.

150 Kolman in Neumayr/Webhofer-Neumayr/Schwimann, ABGB5, zu § 862a ABGB, Rz 1.

151 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 441.

152 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 441.

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Es ist also grundsätzlich von einer Bringschuld des Patienten und nicht von einer Hol-schuld des Arztes auszugehen.153

Dies lässt sich auch unmittelbar aus § 12 PatVG ableiten, indem dieser normiert, dass Notfallmaßnahmen, deren Aufschub das Leben oder die Gesundheit des Patienten gefähr-den, nicht durch eine Suche nach einer Patientenverfügung hinausgezögert werden dür-fen.154

Liegen jedoch bereits Dokumentationen über eine Patientenverfügung bspw in der Kran-kengeschichte des Patienten vor und ist diese dem behandelnden Arzt auch frei zugäng-lich, ist diese auch in Notfällen zu beachten.155

Dies gilt auch bei einem „nachträglichen Auftauchen“ der Patientenverfügung nach an-gefangener medizinischer Behandlung.156

Nicht abschließend geregelt ist jedoch was ein behandelnder Arzt tun muss bzw welchen Aufwand dieser betreiben muss, um das Vorliegen sowie den Inhalt einer allfällig errich-teten Patientenverfügung zu prüfen.157

Aus § 12 PatVG lässt sich jedenfalls ableiten, dass das Leben oder die Gesundheit des Patienten nicht ernstlich gefährdet werden darf. Auch kann hieraus abgeleitet werden, dass außerhalb eines medizinischen Notfalls durchaus eine gewisse Nachforschungs-pflicht des behandelnden Arztes besteht.158 Eine derartige Nachforschungspflicht kann sich uU auch aus § 110 StGB oder § 49 ÄrzteG 1998 oder auch aus behandlungsvertrag-lichen Nebenpflichten ergeben.159

Eine zumutbare und auch gebotene Nachschau in der hauseigenen Krankengeschichte der jeweiligen Einrichtung ist jedenfalls anzunehmen.160

153 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 442.

154 Neumayr in Neumayr/Resch/Wallner (Hrsg), Gmundner Kommentar zum Gesundheitsrecht (2016), § 12 PatVG, Rz 1.

155 Neumayr in GmundKomm, § 12 PatVG, Rz 1; ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 9 f.

156 Neumayr in GmundKomm, § 12 PatVG, Rz 1; JAB 1381 BlgNR 22. GP 2; Kathrein, ÖJZ 2006, 555 (566).

157 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 442.

158 Neumayr in GmundKomm § 12 PatVG, Rz 2.

159 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 442.

160 ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 9, 10.

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c) Dokumentation der Patientenverfügung (i) Krankengeschichte

§ 14 PatVG normiert, dass „der aufklärende und der behandelnde Arzt Patientenverfü-gungen in die Krankengeschichte oder, wenn sie außerhalb einer Krankenanstalt errich-tet wurden, in die ärztliche Dokumentation aufzunehmen hat“.161

Gemäß § 10 Abs 1 Z 7 KAKuG sind Krankenanstalten ausdrücklich dazu verpflichtet, Patientenverfügungen iSd PatVG in der Krankengeschichte des Patienten zu dokumen-tieren. 162

Sofern eine Patientenverfügung ohne juristische Bestätigung in der Krankengeschichte des Patienten aufgefunden wird, ist diese als „andere“ Patientenverfügung zu qualifizie-ren und somit jedenfalls der Ermittlung des Willens des Patienten zu Grunde zu legen.163 (ii) Patientenverfügungsregister

Die Registrierung einer Patientenverfügung war vor der PatVG-Novelle 2018 weder ge-setzlich normiert, noch hat sie Auswirkung auf die Verbindlichkeit.164

Dies führte dazu, dass kein einheitliches Patientenverfügungsregister eingeführt wurde und nunmehr verschiedene Patientenverfügungsregister existieren. Mangels Wirksam-keitsvoraussetzung einer Registrierung kann daher auch nicht schlussgefolgert werden, dass dort auch alle errichteten Patientenverfügungen registriert sind.165

Mit dem Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl I 2018/32, wurde das ge-setzliche Fundament für ein "Patientenverfügungsregister der österreichischen

161 § 14 PatVG; § 51 ÄrzteG; ErläutRV 1299 BlgNR 22. GP 10.

162 § 10 Abs 1 Z 7 KAKuG.

163 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 447.

164Ganner, Rechtstatsächliches zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und gesetzlicher Vertretung durch nächste Angehörige Erhebungen in Österreich und Deutschland zur Akzeptanz in der Bevölkerung, iFamZ 2009/3, 150 (150).

165 Ganner, iFamZ 2009/3, 150 (150).

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Rechtsanwälte" geschaffen. Dieses Patientenverfügungsregister dient der Registrierung von Patientenverfügungen.166

Problematisch war überdies, dass lediglich Ärzte von Krankenanstalten nach Eingabe ei-nes Passwortes sowie des Vor- und Familiennamens sowie des Geburtsdatums des Pati-enten Zugang zum Register hatten. Eine entsprechende Abfrage durch einen niedergelas-senen von einer Krankenanstalt unabhängigen Arzt konnte nicht durchgeführt werden.167 Auch die Österreichische Notariatskammer hat in Kooperation mit dem Österreichischen Roten Kreuz mit 01.07.2007 ein eigenes Patientenverfügungsregister eingerichtet.168 Nach § 140i Abs 1 NO dient das "Patientenverfügungsregister des österreichischen No-tariats" der Registrierung von nach dem PatVG errichteten Patientenverfügungen. Ebenso wie der Rechtsanwalt hat der Notar „nach Maßgabe der technischen Voraussetzungen eine vor ihm errichtete oder sonst wirksam zustande gekommene Patientenverfügung auf Verlangen der Partei im Patientenverfügungsregister zu registrieren“.169

„Die registrierten Daten sind dem Österreichischen Roten Kreuz im Fall einer an diese gerichtete Anfrage einer zu einer medizinischen Behandlung befugten Person oder Ein-richtung über das aufrechte Bestehen einer Patientenverfügung zu übermitteln oder be-reitzustellen.170

Krankenanstalten konnten somit das Vorliegen einer Patientenverfügung abfragen.“171 Die im Register gespeicherte Urkunde gilt bis zum Nachweis des Gegenteils als ein Ori-ginal der gespeicherten Urkunde.172

166 Pesendorfer, Neues zur Patientenverfügung - die PatVG-Novelle 2018 Änderungen im Überblick, iFamZ 2019/1, 19 (21).

167 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 449.

168 Pesendorfer, iFamZ 2019/1, 19 (21).

169 Pesendorfer, iFamZ 2019/1, 19 (21); § 140i Abs 2 NO.

170 § 140i Abs 3 NO.

171 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 450.

172 § 91c Abs 2 iVm § 91b Abs 7 GOG.

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(iii) Verpflichtende Speicherung gemäß § 6 Abs 2 PatVG

Zur Vereinheitlichung bzw Zentralisierung der Registrierungs- bzw Abfragemöglichkeit wurde mit der Patientenverfügungsgesetzesnovelle 2018 der Weg über die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) gewählt.173

Die hierfür neu eingeführten Normen des PatVG wurden mit Experten der ELGA-GmbH, des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz sowie der Notariats- und der Rechtsanwaltskammer erarbeitet. Dies primär deshalb, weil über ELGA auch der Zugang zu jenen Patientenverfügungen geschaffen werden sollte, die in den Registern beider Kammern auffindbar sind.174

§ 6 Abs 2 PatVG sieht nunmehr die Verpflichtung der zur Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung berechtigten Personen zur Zur-Verfügung-Stellung der Patientenver-fügung in ELGA vor.175

Es wird somit die Pflicht normiert, dass verbindliche Patientenverfügungen unverzüglich in ELGA zugänglich gemacht werden.176

Hierzu müssen jedoch folgende Voraussetzung gegeben sein:

- Patient ist ELGA-Teilnehmer iSd GTelG;

- kein genereller Widerspruch iSd § 15 Abs 2 GTelG

- kein Widerspruch der Speicherung der Patientenverfügung.177

Ein allfälliger Widerspruch ist an keine besondere Form gebunden.178

Die oben beschriebene Speicherungsverpflichtung in ELGA beginnt jedoch erst ab der technischen Verfügbarkeit. Diese technische Spezifikation sowie Umsetzung sind

173 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 2.

174 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 2.

175 § 6 Abs 2 PatVG.

176 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 2.

177 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 2.

178 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 3.

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gemäß § 14d PatVG in einer Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Ge-sundheit und Konsumentenschutz festzulegen.179

Diese Verordnung wurde jedoch bislang noch nicht erlassen.180 (iv) Recht der Speicherung gemäß § 14 Abs 3 PatVG

§ 14 Abs 3 PatVG iVm § 14a PatVG normiert zusätzlich das Recht eines jeden Patien-ten, seine errichtete Patientenverfügung an die ELGA-Ombudsstelle zu übermitteln um diese speichern zu lassen. Voraussetzung ist die die ELGA-Teilnahme des Patienten. Der Vorteil ist, dass dieses Recht alle Patientenverfügungen gleich umfasst, also verbindliche sowie „andere“ nicht verbindliche Patientenverfügungen.181

Dies schafft nunmehr für jeden Patienten individuell die Möglichkeit, seine Patientenver-fügung wirksam von der ELGA-Ombudsstelle registrieren zu lassen und somit in ELGA speichern zu lassen. Hierfür genügt auch eine postalische Übermittlung.182

Verarbeitung und Speicherung in ELGA werden in den §§ 14a - 14d PatVG genauer ge-regelt.183

Auch nicht verbindliche bzw „andere“ Patientenverfügungen gemäß § 8 PatVG sind ge-mäß § 14a Abs 4 PatVG auf Verlangen des Patienten in ELGA zugänglich zu machen.184 (v) Abfrageverpflichtung gemäß § 14a Abs 5 PatVG

Mit der Patientenverfügungsgesetzesnovelle 2018 wurde mit § 14a Abs 5 PatVG nun-mehr eine Abfrageverpflichtung normiert. Den ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter185 trifft daher die Verpflichtung, eine allfällig vorliegende Patientenverfügung in ELGA so-wie außerdem in der Dokumentation gemäß § 14 Abs 1 PatVG auszuheben.186

179 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (65).

180 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (65).

181 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (65).

182 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (65).

183 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (65).

184 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 447; § 14a Abs 4 PatVG.

185 Zur Definition siehe § 2 Z 10 GTelG 2012.

186 Barth/Ganner, Handbuch des Erwachsenenschutzrechts3, 442.

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Eine Klarstellung erfolgte durch § 14a Abs 5 PatVG überdies dahingehend, dass durch den Terminus „ausschließlich“ den ELGA-Gesundheitsdiensteanbieter keine weitere Er-hebungspflicht trifft.187 Somit wird eine weitergehende Nachforschungspflicht ausge-schlossen! 188

Mit § 14a Abs 5 wird daher konkretisiert, dass die Suche des bspw behandelnden Arztes vor – oder im Rahmen eines medizinischen Notfalles im Zuge - einer medizinischen Be-handlung in ELGA oder in der Krankengeschichte oder ärztlichen Dokumentation (§ 14 Abs 1 PatVG) ausreicht. Es kann daher eine weitere Registerabfrage oder die Kontakt-aufnahme mit einer sonstigen Stelle jedenfalls unterbleiben.189

Gemäß § 14d Z 3 PatVG muss der jeweilige „Zeitpunkt, ab dem die Patientenverfügun-gen in ELGA gemäß § 14a bzw. § 13 Abs. 2 GTelG 2012 zu speichern bzw. zu erheben sind durch Verordnung festgelegt werden“.190

Eine entsprechende Verordnung wurde jedoch bislang noch nicht erlassen.191

(vi) EXKURS: Anfrage an Salzburger Landeskliniken (SALK) vom 13.03.2018 iZm SALK-internem Patientenverfügungsregistrierungssystem

Im Zuge meiner Recherchen zu dieser Abhandlung bin ich in einem Zeitungsartikel der Salzburger Nachrichten vom 20.02.2018 auf folgende Aussage von Frau Dr.in Mercedes Zsifkovics, Leiterin der Salzburger Patientenvertretung, gestoßen:

„In Salzburg gibt es bereits die Möglichkeit, wenn der Patient es wünscht, dass die Pati-entenverfügung im internen Salk-Registrierungssystem gespeichert wird. "192

Daraufhin habe ich am 13.03.2018 eine E-Mail Anfrage an die SALK gerichtet, mit der Bitte, mir dieses klinikinterne System näher zu erläutern. Bereits am 14.03.2018 habe ich von der Rechtsabteilung der SALK eine ausführliche Antwort zum SALK-internen

187 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 5;

188 ErläutRV 337 BlgNR 26. GP 5; Pesendorfer, iFamZ 2019/1, 19 (22).

189 Pesendorfer, iFamZ 2019/1, 19 (22).

190 § 14d Z 3 PatVG.

191 Rammelmüller, Zak 2019/4, 64 (65).

192https://www.sn.at/salzburg/politik/patientenverfuegung-ist-in-salzburg-stark-nachgefragt-24472678 (Stand: 14.03.2018)

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Patientenverfügungsregistrierungssystem bekommen, welches auf mich einen wirklich vorbildhaften Eindruck macht und mE auch zur nötigen Rechtssicherheit des Patienten beiträgt.

Nach Rücksprache mit der SALK-Rechtsabteilung wurde es mir erlaubt, ihre sehr aus-führlichen Informationen in meiner Abhandlung einzubauen193:

Die Hinterlegung von Patientenverfügungen in den SALK ist in Form einer internen Or-ganisationsrichtlinie festgehalten und für alle Mitarbeiter verbindlich:

a. Organisation der Hinterlegung von Patientenverfügungen

BürgerInnen können Ihre Patientenverfügungen ohne konkreten Behandlungsfall aus-schließlich von Kooperationspartnern mit geschlossener „Vereinbarung über die Hinter-legung von Patientenverfügungen“ bei den SALK einreichen lassen. Kooperationspartner kann die Patientenvertretung, ein Rechtsanwalt oder ein Notar werden. Die Kooperati-onspartner weisen bei der Errichtung auf die Möglichkeit der Hinterlegung der Patienten-verfügung in den SALK hin. Ist dies gewünscht, so ist eine beim Kooperationspartner aufliegende Zustimmungserklärung zur Speicherung in den SALK zu unterzeichnen.

Die Verwaltung der Patientenverfügungen erfolgt durch die zentrale Patientenaufnahme der SALK im Krankenhausinformationssystem. Der einreichende Kooperationspartner erhält eine formale Bestätigung des Erhalts.

b. Verfügbarkeit bei einem Krankenhausaufenthalt

Der Prozess zur Hinterlegung der Patientenverfügungen durch die zentrale Patientenauf-nahme ist qualitätsgesichert und sind folgende Einträge erforderlich:

 Status der Patientenverfügung «verbindlich» oder «beachtlich»

 Errichtungsdatum = Datum der rechtlichen Bestätigung durch den Kooperations-partner

 CAVE-Eintrag194 «Patientenverfügung»

193 E-Mail von Rechtsabteilung SALK vom 14.03.2018, 12:53 Uhr.

194 Auf Nachfrage steht CAVE-Eintrag für ACHTUNG/VORSICHT. Mediziner werden hier auf gewisse patientenbezogene Gefahren hingewiesen wie zB Cave Blutverdünnung oder Cave Hepatitis C.

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 Stornierung älterer Patientenverfügungen

 Vidierung der importierten Patientenverfügung“195

Abbildung 01: Diese Abbildung 01 zeigt ein Beispiel für einen CAVE-Eintrag, welcher mir von einer befreundeten Ärztin der Tirol Klinik GmbH zur Verfügung gestellt wurde. Auch die Tirol Kliniken GmbH dürfte also ein entspre-chendes internes Patientenverfügungsregistrierungssystem haben. Sobald die Krankenakte des Patienten geöffnet wird, ploppt dieses Fenster mit dem Hinweis auf, dass eine Patientenverfügung vorliegt, sofern diese eingescannt ist, kann diese auch sogleich eingesehen werden.

Sobald es zu einem Behandlungsfall in den SALK kommt, ist die hinterlegte Patien-tenverfügung in der elektronischen «Krankengeschichte Zentral» sichtbar. Behan-delnde Ärzte der SALK werden bei Vorliegen einer Patientenverfügung im Kranken-hausinformationssystem unter Angabe des Status «verbindlich» oder «beachtlich» an folgenden Stellen deutlich darauf hingewiesen:

· CAVE-Eintrag

· Bei Neuanlage administrativer Formulare

· Im Patientendatenbereich medizinischer Dokumente c. Umgang mit der Patientenverfügung:

Liegt in einem aktuellen Behandlungsfall eine Patientenverfügung im Krankenhausinfor-mationssystem der SALK vor, ist die Identität zwischen dem Verfüger und dem Patienten

195 E-Mail von Rechtsabteilung SALK vom 14.03.2018, 12:53 Uhr.

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durch den Arzt abzugleichen und sicher zu stellen. Die verbindliche Patientenverfügung ist von ärztlicher Seite entsprechend den gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. Die beacht-liche Patientenverfügung ist entsprechend den gesetzbeacht-lichen Vorgaben eine Richtschnur für das Handeln des Arztes und für die Ermittlung des Patientenwillens zu beachten.

Beide Formen müssen von den behandelnden Ärzten als ausdrücklich dokumentierter Wille eines nicht mehr kommunikationsfähigen Patienten beachtet werden. Wird eine Pa-tientenverfügung bei einem konkreten Behandlungsfall im Original den Salzburger Lan-deskliniken vorgelegt, ist diese vom Arzt gem. den gesetzlichen Vorgaben ebenso zu be-rücksichtigen.196