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A3118 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 46½½½½17. November 2000
Nicht jede Steatohepatitis ist durch Alkohol induziert, und man sollte sich davor hüten, bei Patienten mit entsprechen- der Leberhistologie vorschnell von einem Alkoholabusus aus- zugehen. Doch NASH – die nicht alkoholische Steatohe- patitis – ist noch wenig im Be- wusstsein der Ärzte veran- kert, beklagten internationa- le Experten bei einem Sym- posium in Den Haag.
Erhöhte Leberwerte, ohne dass der Patient über Be- schwerden klagt? Ein häufi- ger Befund in der niederge- lassenen Praxis, dem übli-
cherweise kaum ein Krank- heitswert zugemessen wird.
Auch wenn sich im Ultraschall das Bild einer Fettleber zeigt, wird meist wohl kein Hand- lungsbedarf gesehen. Anders sieht es aus, wenn Entzün- dungszeichen oder gar eine Fibrose erkennbar werden.
Dann aber wird nicht selten vorschnell von einer alkoholi- schen Steatohepatitis (ASH) ausgegangen, der Patient nicht selten als „Alkoholiker“ ab- gestempelt.
Schon in den 80er-Jah- ren wurde die „Nichtalkoho- lische Steatohepatitis“ als ei-
genständiges Krankheitsbild beschrieben. „Und sie ist gar nicht so selten, wie man allge- mein meint“, betonte Dr. Ste- fano Bellentani aus Modena bei einem Symposium der Falk Foundation. So sind den Literaturberichten zufol- ge rund sieben bis neun Pro- zent der westlichen Bevölke- rung betroffen, in Japan hin- gegen nur ein bis zwei Pro- zent der Menschen.
Zwar ist die Ätiologie der Störung unklar, assoziiert scheint diese jedoch mit Über- gewicht zu sein. Darauf deu- ten vor allem Autopsiebe- richte hin, nach denen NASH bei 19 Prozent der Adipösen, jedoch nur in drei Prozent bei schlanken Menschen zu ent- decken ist. Die Assoziation zum Übergewicht ist nach Prof. Solko Schalm (Rotter- dam) wenig erstaunlich, weist doch jeder dritte Überge- wichtige eine Fettleber auf.
Wenig beachtet wurde bis- lang, dass bei circa jedem dritten Adipösen mit Steato- se in der Histologie eindeuti- ge Hinweise auf inflammato- rische Prozesse zu finden sind und zugleich erste fibrotische Veränderungen. „Es liegt das Bild von NASH vor“, so Schalm.
„Auch wenn die Verände- rungen keinerlei Beschwer- den verursachen, dürfen sie nicht verharmlost werden.
Denn bei etwa 15 Prozent die- ser Patienten bildet sich lang- sam durch Umbauprozesse das Bild einer Leberzirrhose aus“, mahnte Schalm. NASH könnte nach seinen Worten damit den seit Jahren beob- achteten Anstieg der Inzi- denz kryptogener Zirrhosen erklären.
Schlüsselrolle:
Insulinresistenz
Eine Schlüsselrolle bei der Pathogenese dürfte eine Insu- linresistenz spielen, was auch das gehäufte Auftreten von NASH bei Übergewichtigen und bei Diabetikern erklärt.
Die Experten gehen bezüg- lich der Krankheitsentwick- lung von einer „second hit“- Theorie aus, wobei es auf
dem Boden einer genetischen Prädisposition zunächst zur Ausbildung einer Steatose kommt, die durch eine zwei- te Schädigung schließlich in NASH und möglicherweise auch in einen progredienten Verlauf übergeht.
Wie jedoch der zweite
„Reiz“ beschaffen ist, blieb in Den Haag unklar. Viel dis- kutiert wurde über einen po- tenziellen Effekt freier Radi- kale, doch erwiesen sich die sich daraus ableitenden The- rapieversuche mit Antioxi- danzien wie dem Vitamin E als völlig wirkungslos. Auch Behandlungsversuche mit Li- pidsenkern und speziell Fi- braten zeigten nach Dr.
Jacquelin Laurin (Baltimore) nicht den gewünschten Er- folg. Sie folgten der Beobach- tung, dass bei NASH fast re- gelmäßig erhöhte Triglyzerid- werte zu finden sind, was die Vermutung auf eine patho- genetische Beteiligung nahe legte.
Gewichtsreduktion und körperliche Aktivität
Das A und O der Therapie bleibt somit vorerst die Ge- wichtsreduktion und eine ver- stärkte körperliche Aktivität, wie Schalm berichtete. Für beide Maßnahmen wurden ei- ne deutliche Besserung der Laborwerte und eine Minde- rung der Inflammationszei- chen belegt. Außerdem könn- ten Gallensäuren wie der Ursodesoxycholsäure (UDC) therapeutische Bedeutung zu- kommen. So wurde in einer Pilotstudie dokumentiert, dass die einjährige Gabe von Ur- sodesoxycholsäure die Leber- werte verbessert. Eine Ar- beitsgruppe aus Bratislava de- monstrierte außerdem, dass unter UDC Fibrosemarker rückläufig sind.
Laut Dr. Bruce R. Bacon (St. Louis) darf die Gewichts- reduktion jedoch nicht zu drastisch geschehen. Denn es wurde mehrfach beschrieben, dass NASH-Patienten nach operativen Magenverkleine- rungen in eine fulminante Lebererkrankung „hineinge- rutscht“ sind. Christine Vetter
NASH
Ein unterschätztes Krankheitsbild
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