Cartoon: Reinhold Löffler
Ärzte — das sind schon Lichtge- stalten des klinischen Alltags. Sie können einfach alles, per unge- schriebener Definition. Vor allem aber, sie können einfach alles de- legieren. Außer der Verantwor- tung! Auf jeden Fall kann man sie bei kniffligen Fragen anrufen oder anpiepsen. Denn wenn der Leiten- de was falsch macht, macht er es immer noch besser falsch als man selbst. Außerdem hat er die höhe- re Versicherung. Was er meist nicht hat, ist dienstfrei. Der Unter- schied zwischen Tag und Nacht, zwischen Feier- und Wochentag
Der Leitende, das überirdische Wesen
Was ist das? Es ist nie zu sehen, aber immer informiert, was ver- breitet soviel Autorität, daß selbst die Bewohner des Olymp vor Neid erblassen? Ja, was? Richtig — es ist ein leitender Arzt! Der Unter- schied zu den Olympiern: Sie wa- ren nur gewöhnliche Götter! Die strafenden Blitze des Zeus sind wahre Glühwürmchen gegen den Groll eines Leitenden. Ist der nur subakut, so gibt es in der Klinikpe- ripherie bereits böses Unwetter.
Die Zahl der Stirnfalten gibt vage Hinweise auf die nach oben offene Klinikbebenskala. Nachteilig ist vor allem, daß man diese Prodro- mi erst sieht, wenn es bereits zu spät ist. Dann hilft nur noch gren- zenlose Einsicht und uneinge- schränktes Verständnis. Man ge- lobt prompte Besserung und setzt das schleunigst in die Tat um, au- ßer man wird durch einen Notfall daran gehindert, oder man ist an- derer Meinung.
Andererseits kommt man stati- stisch gesehen schätzungsweise alle 150 Jahre in den Genuß eines Lobes. Aber dann ist man meist sowieso schon nobelpreisver- dächtig. Trotz alledem: Leitende
verschwimmt, Essen wird zur, möglichst kurzen, Selbsterhal- tungsmaßnahme, der Schlaf ist längst abgeschafft. Frau und in diesem Umfeld unerklärlicherwei- se auch Kinder sind ferne Plane- ten, an denen er in unregelmäßi- gen Abständen und typischerwei- se in Dunkelheit vorbeifliegt. Ur- laub ist die Fortsetzung des Dien- stes mit anderen Mitteln. Kurz:
Kein normaler Mensch hält das aus! Eben!
Obwohl sie ganz konventionell aus Fleisch und Blut bestehen, sind Leitende Ärzte meist keine Leidenden Ärzte. Sie sind benei- denswert spannkräftig, scheinen immer ausgeschlafen zu sein, wis- sen vieles viel früher als gewöhn- liche Halbgötter. Keiner weiß, wie sie das machen. Eine Handvoll Ärzte und eine Meute Doktoran- den umgeben sie ständig, sie sind begehrt von Firmen und verehrt von ihren Patienten. Die ganze Hektik und Rastlosigkeit scheint Lebenselixier zu sein, in ihren Adern fließt offensichtlich das rei- ne Adrenalin. Kurz: einfach unna- türlich, teilweise richtig absto- ßend! So hypertroph. Anderer- seits ..! Also, ganz im Vertrau- en ... Eigentlich hätten man mir schon längst so eine Stelle anbie- ten müssen! Wolfgang Rühle
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
POST SCRIPTUM
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914 (92) Heft 13 vom 26. März 1986 83. Jahrgang Ausgabe A