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Archiv "Karl Jung: Das Stufenkonzept des Bundesarbeitsministeriums" (22.05.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KBV-Vertreterversammlung

Überlegungen, die rechtlichen Regelungen der Zulassung zur Kassenpraxis für die Abwehr einer Gefährdung des Systems durch die steigenden Arztzahlen zu nut- zen, unterstützte Oldiges aus- drücklich. Es geht darum, die schon heute bei regionalen Unter- versorgungen möglichen Zulas- sungssperren in benachbarten Gebieten so „umzupolen", daß sie auch bei einer nach den Krite- rien der Bedarfsplanung festzu- stellenden Überversorgung ange- wendet werden können.

Schließlich erwähnte Oldiges die Vergütungspolitik, die man eben- falls als Instrument zur Dämpfung der Konsequenzen eines Vertei- lungswettbewerbs nutzen könne, wie er bei einer Überversorgung durch Kassenärzte zu befürchten ist. Dabei muß es darauf ankom- men, daß sparsam erbrachte ärzt- liche Leistung hoher Qualität ge- recht gelohnt wird, daß aber nicht ein Übermaß von Leistungen die Krankenversicherung belastet.

Pauschalierungen hielt Dr. Oldi- ges grundsätzlich nur als vorüber- gehende Lösungen für sinnvoll.

Auf die Dauer sei jedenfalls für die direkt am Patienten auszuführen- den ärztlichen Verrichtungen nur die Einzelgebühr leistungsge- recht, und sie entspreche auch gleichzeitig am besten der Freibe- ruflichkeit der Kassenärzte, auf die sich unser System der ambu- lanten Versorgung der Bevölke- rung stützt.

Im ganzen ist es also ein Bündel von Maßnahmen, die nach Oldi- ges notwendig sind, um auch bei der bevorstehenden Entwicklung der Arztzahlen die Qualität und die Wirtschaftlichkeit in der kas- senärztlichen Versorgung zu be- wahren. Damit diese Maßnahmen sinnvoll eingesetzt werden kön- nen, müsse der Gesetzgeber die notwendigen Rahmenbedingun- gen schaffen — die Therapiefrei- heit und die Wahlfreiheit der Ver- sicherten stehen dabei aber auch für die RVO-Kassen nicht zur Dis- kussion. gb

Karl Jung:

Das Stufen- konzept des Bundesarbeits- ministeriums

Generelle Zulassungssperren für Kassenärzte werden wegen der eindeutigen verfassungsrecht- lichen Schranken im Bundesmini- sterium für Arbeit und Sozialord- nung nicht erwogen. Dies erklärte der Leiter der Abteilung „Gesund- heitspolitik und Krankenversiche- rung" des aufsichtführenden Bun- desministeriums, Ministerialdirek- tor Karl Jung, in seinem State- ment vor der Vertreterversamm- lung der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung. Gleichzeitig pochte er darauf, daß keine kostendämpfungspolitische Ent- warnung gegeben werden könne.

Das Bundesarbeitsministerium werde im Hinblick auf die notwen- dige Ausgewogenheit der Vertei- lung der Kassenärzte, der Quali- tätsverbesserung und der Durch- setzung von mehr Wirtschaftlich- keit Rahmenbedingungen für die Selbstverwaltung setzen, notfalls aber auch gesetzlich eingreifen.

Jung sagte, das Bundesarbeitsmi- nisterium habe zwar noch keine fertige Strategie oder ausformu- lierte Gesetzes- und Verord- nungskonzepte, doch baue es auf ein am Gemeinwohlprinzip orien- tiertes Stufenkonzept, bei dessen Durchsetzung gemäß der Philoso- phie von mehr Subsidiarität und mehr Selbstverantwortung stets die gemeinsame Selbstverwal- tung der Kassenärzteschaft und der Krankenkassen in der Vor- hand bleiben solle. Anhaltspunkte gebe die Bundesregierung im Hinblick auf notwendige Gegen- steuerungsmaßnahmen zur stei-

Ministerialdirektor Karl Jung

genden Arztzahlenentwicklung auch in den von Bundesarbeitsmi- nister Blüm der Konzertierten Ak- tion vorgelegten zehn gesund- heitspolitischen Grundsätzen. Der Handlungsbedarf: Die Qualität der Ausbildung der Medizinstudenten sei anzuheben und mehr an der Praxis zu orientieren, anderer- seits müsse die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung verbessert werden.

Soweit es um die Qualitätsverbes- serung in der Ausbildung geht, müßten — der ständigen Recht- sprechung des Bundesverfas- sungsgerichtes folgend — Bedarfs- aspekte völlig außer acht blei- ben. Bei der Qualitätssicherung sei zu prüfen, in welchem Um- fang, mit welcher Intensität und in welchem Ergebnis Medizinstu- denten an den Hochschulen und Universitäten ausgebildet werden können.

Ministerialdirektor Jung sagte, das Bundesarbeitsministerium ebenso wie die beteiligten Bun- desressorts seien bereits bei den Ländern vorstellig geworden, da- mit diese schleunigst die Kapazi- Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 21 vom 22. Mai 1985 (39) 1597

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KBV-Vertreterversammlung

tätsverordnung den tatsächlichen Lehr- und Ausbildungsvorausset- zungen anpassen. Notwendig sei es auch, das Übergewicht der Prü- fungsfragen nach dem Multiple- choice-Verfahren abzubauen und statt dessen mehr mündliche Prü- fungen einzuführen.

Nach Jung werden im Bundesar- beitsministerium als verfassungs- rechtlich tolerable Gestaltungs- möglichkeiten diskutiert:

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Durch verbesserte Vorgaben und Anhaltszahlen in den Bedarfs- plänen für die kassenärztliche Versorgung soll die Versorgungs- struktur "einsichtiger" gemacht werden. Dies gilt in erster Linie hinsichtlich des Versorgungsgra- des in den einzelnen Versor- gungsgebieten, aber auch für das Verhältnis von haus- und fachärzt- licher Versorgung.

f) Über eine Flexibilisierung des ärztlichen Vergütungssystems könne der Zustrom von Kassen- ärzten kanalisiert und auch im Hinblick auf regionale oder fach- spezifische Ungleichgewichte besser ausgerichtet werden. Al- lerdings könnten im kassenärzt- lichen Sektor nicht industriewirt- schaftliche, puristische Markt- steuerungen Platz greifen.

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Über eine flexible Verhältnis- zahl könne die Möglichkeit ge- schaffen werden, regional und zeitlich begrenzte Zulassungs- beschränkungen zu verhängen, damit besonders die von Überver- sorgung bedrohten Gebiete entla- stet werden. Es gebe Situationen, in denen auch über bloße Vergü- tungsregelungen und eine Be- darfsplanungssteuerung allein ei- ne hochstehende kassenärztliche Versorgung nicht mehr sicherzu- stellen sei.

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Die Frage einer zusätzlichen Qualifikation und sozialen Kom- petenz des Kassenarztes könne nicht ausschließlich über die jetzt in der geänderten Bundesärz- teordnung verankerte Phase des

"Arztes im Praktikum" gewährlei-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

stet werden. Sowohl das Bundes- arbeitsministerium als auch die Spitzenverbände der Krankenkas- sen halten das von der KBV vorge- schlagene Modell zur Qualifika- tion der Kassenärzte (sogenann- tes Hausarztmodell mit einer drei- jährigen strukturierten Vorberei- tungszeit) für durchaus realisier- bar. Wenn bei lnkrafttreten der

"Arzt-im-Praktikum"-Phase Ende

1988 die bisherige 18monatige Vorbereitungszeit auf die kassen- ärztliche Tätigkeit auslaufe, sei der Prüfungsvorbehalt nicht erle- digt:

~ Jung erinnerte an die feste Zu- sage von Bundesarbeitsminister Blüm, die Beibehaltung einer (möglicherweise auch verkürzten) Vorbereitungszeit zu gegebener Zeit zu prüfen. Dies werde davon abhängen, inwiefern ausreichen- de praxisorientierte Erfahrung in abhängiger Stellung während der Praxisphase vermittelbar ist und inwieweit vor allem auch die nie- dergelassenen Ärzte ausreichen- de Stellen für Praxisassistenten zur Verfügung stellen.

Das Bundesarbeitsministerium gehe davon aus, daß die Ärzte- schaft durch geeignete Selbstver- waltungsmaßnahmen mithilft, die nachwachsende Ärztegeneration in den Beruf zu integrieren.

Beitragsstabilität:

Eine "politische Vorgabe"

Einen akuten Handlungsbedarf

I

sieht Jung auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV). Dies sei um so dringli- cher, als die Frühjahrsrunde der Konzertierten Aktion nicht in der Lage gewesen sei, ein ausgewo- genes und alle Sektoren betref- fendes Dämpfungskonzept ein- vernehmlich zu billigen.

Das jüngste Grundsatzurteil des 1.

Senats des Bundesverfassungs- gerichtes vom 31. Oktober 1984 habe die Sicherung der finanziel- len Stabilität der GKV als eine Ge- meinwohlaufgabe bezeichnet, die

der Gesetzgeber nicht nur verfol-

gen, sondern der er sich nicht ein-

mal entziehen dürfe. Gestützt auf diese den ambulanten Sektor be- treffenden Aussagen des Verfas- sungsgerichts (die Gebührenab- senkung für zahntechnische Lei- stungen wurde als verfassungs- verträglich erklärt), werde das Bundesarbeitsministerium han- deln, betonte Ministerialdirektor Jung. Allerdings würden die erfor- derlichen Maßnahmen nicht im Stil der beiden Kostendämpfungs- gesetze von 1977 und 1981 konzi- piert; sie seien auch nicht gegen die Selbstverwaltung gerichtet.

Künftige Gesetze seien in erster Linie darauf gerichtet, Rahmen- bedingungen zu schaffen, damit die Selbstverwaltung selbst initia- tiv wird.

ln vielen Bereichen seien "Wirt- schaftlichkeitsreserven" vorhan- den. Kurzatmige Eingriffe und Überraschungsangriffe seien da- bei nicht gefragt. Die Bundesre- gierung baue vielmehr auf "Ste- tigkeit und Berechenbarkeil des staatlichen Handelns". Jung sag- te, in vielen Bereichen des Ge- sundheitswesens seien unstreitig Überkapazitäten auszumachen, teilweise seien auch ein überhöh- tes Leistungsniveau, nicht Versi- eherbare und versicherungsfrem- de Leistungen sowie ein "über- höhtes Einkommensniveau" in manchen Bereichen der Lei- stungserbringer kostentreibend. Auch eine andere These von Mini- ster Blüm sei nicht widerlegbar: Bei Ausschöpfung aller Rationali- sierungsreserven sei der medizi- nische Fortschritt auch künftig (al- lerdings in Grenzen) finanzierbar.

Denn immerhin flössen den Kran- kenkassen über den zu erwarten- den Grundlohnsummenanstieg im Jahr 1985 Zusatzeinnahmen in Höhe von 3,5 Milliarden DM zu.

Nur, so desillusionierte Jung:

"Wer im Gesundheitswesen einen

zunehmend höheren Anteil am Volkseinkommen und damit hq- here Beitragsaufwendungen be- ansprucht, ist beweispflichtig da- für, daß mit den Mehrausgaben 1598 (40) Heft 21 vom 22. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Das Plenum während der Beratungen der KBV-Vertreterversammlung im Kongreßsaal des „Maritim", Lübeck-Travemünde

Diskussion: Sofortmaßnahmen — ja, aber nicht nur Symptome angehen!

auch ein Mehr an Gesundheit er- zielt wird." Und: „Endlichkeit auf der Beitragsseite bedeutet auch Endlichkeit auf der Leistungssei- te!" Aus dem vom Bundesarbeits- ministerium erstmals im März 1985 vorgelegten gesundheitspo- litischen Gesamtkonzept („10 Thesen") ließen sich konkrete Maßnahmen für ein „schnelles Handeln noch im Jahr 1985" ablei- ten. Die Selbstverwaltung sei ge- beten, aktiv mitzuwirken. Künftig sollten auch, wie vom Gesetzge- ber seit 1977 gefordert, medizini- sche Orientierungsdaten berück- sichtigt werden. Das Bundesar- beitsministerium spekuliert mit der Berufung eines „Rates der Weisen" im Gesundheitswesen, der mit ähnlichen Kompetenzen wie etwa der „Sozialbeirat" im Bereich der Rentenversicherung oder wie der „Sachverständigen- beirat zur Begutachtung der wirt- schaftlichen Entwicklung" in der Wirtschaftspolitik ausgestattet wäre. Dieses „unabhängige" Gre- mium (voraussichtlich vier ärzt- liche Vertreter und zwei Wirt- schaftswissenschaftler) solle Prio- ritäten für die einzelnen Ausga- benblöcke der GKV benennen und Empfehlungen mit mittelfri- stiger Perspektive abgeben. HC

Die Diskussion beschränkte sich nicht auf das eigentliche Thema der Vortragsveranstaltung „Zu viele Ärzte", sondern es wurden eine große Zahl aktueller Proble- me der ärztlichen Berufspolitik, der Gesundheitspolitik und der fi- nanziellen Lage der Krankenversi- cherung angesprochen.

Dies war aber im wesentlichen nur Ausdruck für die wohl allge- mein bestehende Meinung der Diskussionsteilnehmer und auch der ganzen Versammlung, daß die rasche Zunahme der Arztzahlen Ursache für viele dieser Probleme ist und in Zukunft erst recht sein wird, wenn sich die Entwicklung der Arztzahlen ungebremst fort- setzen sollte. Die Ärzteschwem- me, das ist die eigentliche Misere, sagte ein Delegierter, und daran hätten weder die Ärzte noch die Krankenkassen noch etwa der heutige Bundesarbeitsminister schuld, sondern die Ärzte- schwemme sei Folge einer ver- fehlten Bildungspolitik. Daraus er-

gibt sich auch schon, wo die mei- sten Redner das Übel angepackt sehen wollten, nämlich an der Wurzel: Es dürfen nicht so viele junge Menschen zu Ärzten ausge-

bildet werden.

So gab es Forderungen wie: „Man braucht doch bloß mal fünf Jahre lang die Zulassungen zum Medi- zinstudium zu halbieren". Oder man erinnerte daran, daß die Ap- probationsordnung eine Ausbil- dung in kleinen Gruppen und am Patienten vorschreibt. Um dem zu entsprechen, müsse die Kapazi- tätsverordnung geändert werden.

Ohne eine Anpassung der Studen- tenzahlen an die tatsächlichen Ausbildungskapazitäten werde es keine Lösung geben — wobei man allerdings berücksichtigen müs- se, daß solche grundlegenden Veränderungen erst in acht Jah- ren wirksam werden könnten. Bis dahin kann man nur versuchen, an den Symptomen, an den Auswir- kungen der Misere zu kurieren.

Der direkte Zusammenhang zwi- Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 21 vom 22. Mai 1985 (45) 1599

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