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Archiv "Wissenschaftsbetrug: Sang- und klanglos verhallt" (12.03.2004)

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ntspannt kann sich Dr. jur. Dietrich Quedenfeld zurücklehnen. Nach nunmehr sechs Jahren ist es dem Stuttgarter Fachanwalt für Strafrecht ge- lungen, einen äußerst heiklen Fall zu ei- nem für seinen Mandanten guten Ende zu führen. Es handelt sich dabei um den international bekannten Krebsforscher Prof. Dr. med. Friedhelm Herrmann. Sei- ne wissenschaftliche Karriere endete 1997/98, als der Verdacht laut wurde, vie- le seiner Publikationen seien gefälscht und Fördergelder erschlichen (DÄ, Heft 42/97). Eine „Task Force“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unter- suchte 350 Arbeiten Herr-

manns und seiner ehemaligen Mitarbeiterin Prof. Dr. med.

Marion Brach und fand her- aus, dass knapp 100 davon manipulierte Laborergebnisse oder gefälschte Abbildungen enthielten. Herrmann selbst hat jedoch nie Fälschungen zugege- ben. Freiwillig schied er aus dem öffentlichen Dienst aus.

Gegen eine „Auflage“ von 8 000 Euro wird nun das Ermitt- lungsverfahren gegen den Krebsforscher eingestellt. Dar- auf hat sich Quedenfeld, der Herrmann seit dem 12. Februar 1998 vertritt, mit der zuständi- gen, inzwischen vierten Berli-

ner Staatsanwältin nach eingehendem Briefwechsel verständigt. „Das Schrei- ben der Berliner Staatsanwaltschaft vom 2. Februar dieses Jahres enthielt den entscheidenden Vorschlag“, berichtet Quedenfeld. Basierend auf § 153a der Strafprozessordnung, soll das Verfahren, das am 29. Januar 1998 durch die Berliner Staatsanwaltschaft eingeleitet worden war, abgeschlossen werden. Gezahlt wird keine Geldstrafe im juristischen Sinne, sondern es wird lediglich eine „Auflage“

erfüllt. Bis zum 30. Juni muss der Geld- betrag eingehen, damit die Einigung rechtskräftig wird. Dem Vernehmen nach sind die 8 000 Euro jedoch bereits gezahlt. Auch die förmliche Mitteilung, dass das Verfahren eingestellt sei, sei bei Quedenfeld eingegangen. „Damit ist der Fall erledigt“, sagt der Anwalt. Auf dem Bildschirm des Computers der Berliner Staatsanwaltschaft erscheint die Mel- dung „Verfahren eingestellt“ indes noch nicht.Es gäbe aber diesbezüglich Überle- gungen, bestätigt ein Sprecher.

Drei Staatsanwältinnen hatten zuvor versucht, konkrete Beweise für die Fäl-

scheraktivitäten Herrmanns zu finden.

Diese waren jedoch zu dürftig für eine Anklage. Nun steht das strafrechtliche Verfahren offenbar kurz vor seiner offizi- ellen Einstellung. Zivilrechtliche Schrit- te, die geschädigte Einrichtungen einlei- ten könnten, bleiben davon unberührt.

Solange das Verfahren nicht formell eingestellt ist, möchte die DFG keine Stellungnahme abgeben. Offenkundig ist freilich, dass sie mit dem harmlosen Ausgang des Verfahrens nicht zufrieden

ist. Gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe war sie es nämlich gewesen, die gegen Herrmann Anzeige erstattet hatte, weil er Fördergelder in sechs- stelliger Höhe betrügerisch erschlichen haben sollte.

Die Aufklärung des Falls begann 1997, nachdem einem vor der Entlassung ste- henden Mitarbeiter Herrmanns „Unge- reimtheiten“ bei der Durchsicht wissen- schaftlicher Ergebnisse aufgefallen wa- ren, die er seinem (externen) Doktorva- ter meldete. Zur Untersuchung der Vor- würfe wurden damals Kommissionen an den Universitäten Lübeck, Ulm, Mainz und Freiburg sowie am Max-Delbrück- Zentrum in Berlin und an der DFG ein- gerichtet. Ergebnis: Viele Publikationen, bei denen Herrmann Autor oder Koau- tor war, enthielten Fälschungen. Sie be- standen hauptsächlich aus kombinierten, manipulierten oder mit neuer Legende verwendeten Abbildungen und einge- fügten Tabellen und Diagrammen, die auf frei erfundenen Werten beruhten.

Ferner war ein von Herrmann bei der Thyssen-Stiftung eingereichter Antrag zur Forschungsförderung mit ei- nem niederländischen Antrag na- hezu identisch. Dieser hatte zuvor Herrmann zur Begutachtung vor- gelegen. Gutachter schlossen eine zufällige Parallelität der beiden Anträge aus.

In mehreren Stellungnahmen hat Herrmann seitdem den Vor- wurf, wissenschaftliche Arbeiten gefälscht zu haben, entschieden zurückgewiesen. Auch habe er zu keinem Zeitpunkt von den Fäl- schungen in den Publikationen gewusst, die später eindeutig be- legt wurden.Autoren beziehungs- weise Koautoren hätten dies oh- ne sein Wissen getan und ihm die gefälschten Daten untergescho- ben. In der Tat konnten solche Angaben bisher nicht widerlegt werden. Bereits im Jahr 2000 hatte die Staatsanwalt- schaft Ulm – ebenfalls gegen einen Geldbetrag – die Ermittlungen mangels Beweisen eingestellt. Von mehr als 100 Mitautoren Herrmanns schwiegen die meisten. Lediglich einige, darunter Marion Brach, hatten Fälschungen zu- gegeben. Herrmann praktiziert heute als Arzt mit dem Titel „Prof. Dr. med.“

in München.Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann M E D I Z I N R E P O R T

A

A690 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1112. März 2004

Wissenschaftsbetrug

Sang- und klanglos verhallt

Das Ende des größten deutschen Fälschungsskandals

unter Wissenschaftlern ist in Sicht: Das Verfahren gegen den Krebsforscher Friedhelm Herrmann wird eingestellt.

Untersuchungskommissionen bestätigten: Tabellen und Dia- gramme in Herrmanns Publikationen beruhten nicht immer auf Messwerten, sondern waren teilweise frei erfunden.

Foto:phalanx

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