POLITIK LEITARTIKEL
Nichtraucherschutz
Krebsforscher unterstützen den Gesetzentwurf
or wenigen Wochen erhielten die Abgeordneten des Deut- schen Bundestages Post von namhaften Ärzten aus verschiedenen renommierten Einrichtungen. „In Kürze", heißt es einleitend in dem Brief, „werden Sie über die Annah- me eines Nichtraucher-Schutzgeset- zes zu entscheiden haben. Erlauben Sie uns, daß wir im folgenden . . . als Ärzte dazu Stellung nehmen."
Die Verfasser des Schreibens, die Professoren Kaltenbach (Deut- sche Herzstiftung), von Kleist (Deut- sche Krebshilfe), Wannenmacher (Deutsche Krebsgesellschaft) und zur Hausen (Deutsches Krebsfor- schungszentrum), weisen zunächst darauf hin, daß die Mehrzahl der Raucher durchaus bereit sei, auf Nichtraucher Rücksicht zu nehmen.
Ebenso seien viele Nichtraucher be- reit, den Tabakrauch anderer zu er- tragen. Daraus aber die Hoffnung zu nähren, daß der Konflikt um das Pas- sivrauchen durch Appelle an gegen- seitige Rücksichtsnahme zu lösen sei, wäre verfehlt. Als Begründung füh- ren die Professoren an:
• Viele Raucher sind vom Ta- bakgenuß psychisch oder körperlich abhängig und damit unfähig, ihr Rauchverhalten zu kontrollieren.
Nach vorsichtiger Schätzung sind mindestens 30 Prozent aller Raucher nikotinabhängig. Die Zahl der psy- chisch Abhängigen wird als ebenso hoch eingeschätzt. Hierzulande ist al- so mit mindestens zehn Millionen ab- hängigen Rauchern zu rechnen.
• Medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen unmißverständ- lich die Gesundheitsgefahren des Passivrauchens: Giftstoffe des Ta- bakrauchs verursachen, ohne daß die Betroffenen es merken, in deren Zel- len Veränderungen, die den Prozeß der Krebsentwicklung und der Arte- riosklerose in Gang setzen.
Aus diesen Gründen, heißt es in dem Brief der Professoren an die
Der Entwurf für ein Nichtraucher-Schutzge- setz hat den Beifall mehrerer namhafter Institutionen im Gesundheitswesen gefun- den. Führende Vertreter der Deutschen Herzstiftung, der Deutschen Krebshilfe, der Deutschen Krebsgesellschaft und des Deut- schen Krebsforschungszentrums unterstüt- zen die Initiative verschiedener Parlamen- tarier, zu einer gesetzlichen Regelung zu kommen. Unterdessen hat auch die SPD- Fraktion im Bundestag beschlossen, für den Nichtraucherschutz aktiv zu werden.
Bonner Parlamentarier abschlie- ßend, gebe es keine Alternative zu klaren gesetzlichen Regelungen, wie sie zum Beispiel in dem vorliegenden Entwurf des Nichtraucher-Schutzge- setzes niedergelegt seien.
Roland Sauer (CDU), der Motor des interfraktionellen Gesetzent- wurfs, wertet das Votum der Krebs- forscher als großen Erfolg für seine Initiative und drückt aufs Tempo.
Zwar hatte der zuständige CDU-Ar- beitsausschuß beschlossen, zunächst eine Stellungnahme des Bundesge- sundheitsministers einzuholen, doch wollten die Befürworter der Initiative so lange offenbar nicht warten. Mit der Unterstützung von 40 Kollegen aus mehreren Fraktionen brachte Sauer den Gesetzentwurf im Parla- ment ein.
Parallel dazu ist die SPD-Frakti- on inzwischen ebenfalls aktiv gewor- den. Auch sie strebt einen gesetzli- chen Nichtraucherschutz an — aller- dings auf etwas anderem Wege und etwas weniger stringent gegenüber Verstößen gegen ein solches Gesetz.
Mit dem SPD-Antrag soll die Bun- desregierung zur Vorlage eines ent- sprechenden Gesetzentwurfs durch den Bundestag aufgefordert werden.
Der Entwurf soll — anders als bei der interfraktionellen Sauer-Initiati- ve — eine Verordnungsermächtigung
für den Bundesgesundheitsminister umfassen, so daß dieser die meisten technischen Details sodann selbst festsetzen könnte.
Roland Sauer und seine Mit- streiter wollen die erste Lesung des Gesetzentwurfs noch Ende dieses Monats im Bundestag sehen. An- schließend würde der Entwurf zur weiteren Beratung an den Gesund- heits- und Rechtsausschuß überwie- sen.
Auf diesem Wege, so Sauers Hoffnung, könnte eine Entscheidung für oder gegen den Gesetzentwurf noch vor der parlamentarischen Sommerpause fallen. Der gesund- heitspolitische Sprecher der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Paul Hoffacker, sieht das freilich nicht so optimistisch. Er sagte gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt: „Die Geset- zesinitiative ist noch nicht von den Fraktionsgremien beraten worden.
Ich glaube kaum, daß dieser Initia- tivantrag innerhalb dieser Legislatur- periode endgültig beschlossen wer- den kann."
Überhaupt scheinen weder die Bundesregierung noch die Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion an der Be- schleunigung der Initiative außeror- dentlich interessiert. Immerhin sind die Wahlen nicht mehr fern, und die gegenwärtige Regierung kann sich schon jetzt nicht über einen Mangel an unpopulären und umstrittenen Vorhaben beklagen.
So sehr überzeugte Nichtraucher ein derartiges Gesetz begrüßen wür- den, so sehr fühlen sich andere, die Raucher nämlich, womöglich drang- saliert. Und die Erfahrungen der Vergangenheit haben eines immer wieder bewiesen: Gesetzesinitiativen, die aus wahltaktischen Erwägungen heraus gut und gerne noch etwas warten können, haben auch immer noch etwas warten müssen. Sollte es ausgerechnet diesmal anders kom- men? Josef Maus Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 16, 22. April 1994 (17) A-1097