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Archiv "Verbesserte Therapiemöglichkeiten durch neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation" (05.11.1999)

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iele neurologi- sche und neu- rochirurgische Erkrankungen, wie bei- spielsweise schwere Schädel-Hirn-Trauma- ta, Subarachnoidalblu- tungen oder hypoxi- sche Hirnschäden, ver- ursachen auch bei so- fort einsetzender Akut- behandlung langfristig fortbestehende Funkti- onsstörungen. Die neu- rologische Rehabilitati-

on hat die Aufgabe, diese Störungen durch gezielte Behandlung zu verbes- sern und ihre Auswirkungen durch ge- eignete Hilfsmittelversorgung sowie die Umgestaltung des Arbeits- und Wohnumfeldes zu mildern. Im „klassi- schen“ Konzept setzt die Rehabilitati- on im Anschluß an die Akutbehand- lung ein, wenn der Patient in stabilem Allgemeinzustand möglichst schon teilweise mobilisiert ist und in der

Therapie im notwendigen Maß bela- stet werden kann. Dieses Konzept der „nachgeschalteten“ Rehabilitation schließt jedoch schwer betroffene Pa- tienten, die über einen längeren Zeit- raum intensivmedizinisch behandelt werden müssen, von der rehabilitati-

ven Therapie aus. In den letzten Jahren sind daher Spezialab- teilungen für „Früh- rehabilitation“ einge- richtet worden, in de- nen schwer erkrankte Patienten aus den Be- reichen der Neurolo- gie, der Neurochirur- gie und insbesondere der Neurotraumatolo- gie gleichzeitig inten- sivmedizinisch und re- habilitativ behandelt werden können. Das Wort „früh“

im Begriff der „Frührehabilitation“

meint also, daß schwer beeinträchtigte Patienten, die völlig von fremder Hilfe abhängig sind, zum individuell frühest möglichen Zeitpunkt rehabilitativ be- handelt werden (Phase B), und es meint nicht die Anschlußheilbehand- lung eines mobilisierten Patienten, die besonders früh einsetzt (Phase D) (Textkasten Phasenmodell). !

Verbesserte

Therapiemöglichkeiten durch neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation

Thomas Wullen Hans Karbe

Die Frührehabilitation schwer geschädigter neurologischer und neurochirurgischer Patienten hat das Ziel, Intensiv- pflege und rehabilitative Therapie möglichst früh miteinan- der zu verbinden. Der frühe Therapiebeginn beschleunigt die Rückbildung der neurologischen Schädigungen, indem das neuroplastische Potential des Nervensystems besser ge- nutzt wird. Die Therapieplanung muß von Anfang an sym- ptomorientiert sein und neben der Schädigung (impair- ment) auch die funktionelle Einschränkung (disability) und die soziale Beeinträchtigung (handicap) berücksichti-

gen. Nur die konsequente Anwen- dung von Methoden des kognitiven

und motorischen Lernens macht die experimentell nachge- wiesene neuronale Plastizität für den Patienten funktionell nutzbar. Die Frührehabilitation kann daher nur in einem multiprofessionellen Team, das sich aus Ärzten, Pflegeper- sonal und nicht ärztlichen Therapeuten zusammensetzt, er- folgreich sein.

Schlüsselwörter: Frührehabilitation, Intensivmedizin, Neuroplastizität, Hirnschädigung

ZUSAMMENFASSUNG

Early Rehabilitation Improves Outcome in Neurology and Neurosurgery

Early rehabilitation of severely impaired neurological and neurosurgical patients is directed to combine intensive care and rehabilitative therapy from the very beginning. Early onset of therapy improves recovery of neurological function by taking advantage of the neuroplastic potential of the nerv- ous system. Individual disabilities and handicaps caused by

the specific impairment have to be considered.

Only consistent application of cognitive as well

as motor learning strategies make neuronal plasticity utiliz- able. Therefore, early rehabilitation can only be successful in a multiprofessional team which encompasses physicians, nurses and non-medical therapists.

Key words: Early rehabilitation, intensive care, neuroplasticity, brain injury

SUMMARY

V

Neurologisches Rehabilitationszentrum Go- deshöhe (Direktor: Priv.-Doz. Dr. med. Hans Karbe), Bonn-Bad Godesberg

Phasenmodell der neurologischen Rehabilitation

Je nach Rehabilitationsverlauf sind direkte Übergänge zwischen al- len Phasen möglich (29). Die Rehabilitation endet mit der vollen funktionellen Wiederherstellung oder mit dem Erreichen eines sta- bilen Residualsyndroms mit unterschiedlich schweren, bleibenden Behinderungen (Phase F).

Phase A Akutbehandlung (auch intensivmedizinisch) Phase B Schwersthirngeschädigte, Frührehabilitation Phase C Schwerhirngeschädigte

Phase D/E Allgemeine Rehabilitation, Anschlußheilverfahren, Belastungserprobung, Arbeitstherapie

(2)

Die neurologische Frührehabili- tation hat folgende Ziele:

c das funktionelle Regenerati- onspotential des Nervensystems, das unter dem Begriff der neuronalen Pla- stizität zusammengefaßt wird, durch frühzeitige, gezielte Therapie optimal zu nutzen,

c krankheitsbedingte Folgeschä- den, zum Beispiel Kontrakturen oder Dekubitalulzera, zu verhindern,

c den Rehabilitationsgedanken der Wiedererlangung größtmöglicher Kompetenz in Alltag und Beruf so

früh wie möglich in die Therapiepla- nung einzuführen.

Idealerweise sollte der Patient am Ende der Behandlung die gesamte

„Rehabilitationskette“ durchlaufen haben, wobei sich das erreichbare Re- habilitationsergebnis am individuel- len Krankheitsbild und Rehabilitati- onspotential orientieren muß.

Behandlungsindikationen

Die Frührehabilitation arbeitet an der Schnittstelle zwischen Intensiv- medizin und Rehabilitation (Phase B).

Sie braucht daher Kriterien, die festle- gen, wann ein Patient von der akutme- dizinischen Station übernommen wer- den kann und wann die Verlegung in

die weiterführende Rehabilitation an- steht (5). Diese Kriterien orientieren sich vorrangig an der Rehabilitations- diagnose, die sich aus der Schädigung (impairment), der funktionellen Ein- schränkung (disability) und der sozia- len Beeinträchtigung (handicap) zu- sammensetzt (16). Wesentlich für die Indikation zur Frührehabilitation ist ei- ne erhebliche Schädigung (zum Bei- spiel Tetraplegie, hochgradige Bewußt- seinsstörung) mit einem hohen Grad funktioneller Einschränkung (völlige Hilflosigkeit im Bereich der Alltags- verrichtungen). Bei Übernahme des Pati- enten ist die Stabilität der Vitalfunktionen wünschenswert. Eini- ge Einrichtungen, darunter auch unsere Klinik, behandeln je- doch auch beat- mungspflichtige und kardiopulmonal in- stabile Patienten, wo- bei alle intensivmedi- zinischen Maßnah- men zum Einsatz kommen können.

Die neurologische Diagnose eignet sich in geringerem Um- fang als Ein- oder Ausschlußkriterium, denn die neurologi- sche Frührehabilitati- on behandelt Patien- ten aus dem gesam- ten Spektrum der neurologischen und neurochirurgi- schen Erkrankungen (Tabelle 1). Nur ein diagnosebedingt fehlendes Rehabi- litationspotential (zum Beispiel ein fortgeschrittenes Glioblastom) kommt als Ausschlußgrund in Frage.

Nach Beginn der Frührehabilitati- on muß die Indikation zur weiteren Be- handlung immer wieder anhand defi- nierter Kriterien überprüft werden.

Wichtige Fragen lauten: „Was soll, was kann erreicht werden? Wieviel Zeit ist dafür nötig? Zeigt der bisherige Ver- lauf richtungweisende Verbesserun- gen?“ Zur quantitativen Längsschnitt- beobachtung von Einzelverläufen und Patientengruppen werden dabei stan- dardisierte Skalen verwendet, die ent- weder mehr die Schädigung oder mehr die funktionelle Einschränkung be-

rücksichtigen (zum Beispiel Glasgow Coma Scale, Koma-Remissions-Skala, Functional Independance Measure [FIM], Barthel-Index, Frührehabilitati- ons-Barthel-Index) (6, 15, 21, 22, 24). In diesem Zusammenhang ist wichtig: Die neurologische Frührehabilitation ist kein Aufbewahrungsort für Pflegefälle ohne erkennbares Rehabilitationspo- tential und muß die individuellen Wün- sche und Möglichkeiten des Patienten in der Behandlungsplanung berück- sichtigen.

Einrichtung und Ausstattung einer

Frührehabilitationsstation

Stationen für Frührehabilitation müssen sich sinnvoll in die bestehende Infrastruktur einfügen. Sie können so- wohl in Krankenhäusern der Akutver- sorgung als auch in Rehabilitationskli- niken eingerichtet werden. Aus der Sicht des Phasenmodells heißt dies, daß sich die Phase B entweder enger

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

Berufsgruppen in der Frührehabilitation

Ärzte Ergotherapeuten Krankengymnasten

Logopäden Pflegepersonal Physikalische Therapeuten Psychologen/Neuropsychologen

Sozialarbeiter

gegebenenfalls Sonderpädagogen, Musiktherapeuten und andere

Typische Komplikationen in der Frührehabilitation

Aspiration Ateminsuffizienz

Druckulzera epileptische Anfälle heterotope Ossifikationen

Hirndrucksteigerung Infektionen ventrikulärer

Shuntsysteme Kontrakturen nosokomiale Infektionen spastische Tonuserhöhung

Subluxation des Humerus vegetative Krisen Tabelle 1

Einweisungsdiagnosen in die neurologische Frührehabilitation

Diagnose Anzahl (%)

Schädel-Hirn-Trauma 23

Intrakranielle Blutung (nicht traumatisch) 23

Hypoxischer Hirnschaden 22

Ischämischer Infarkt

im vertebrobasilären Gebiet 11

Ischämischer Infarkt im Karotisgebiet 6 Erkrankungen des peripheren

Nervensystems 6

Meningitis/Enzephalitis 4

Intrakranielle Tumoren 4

Verletzungen/Erkrankungen des Myelons 2 142 Patienten des Neurologischen Rehabilitationszentrums Godeshöhe, Beobachtungszeitraum: ein Jahr

(3)

an die Phase A oder an die Phasen C und D anfügen kann (Textkasten Pha- senmodell). Die erste Variante hat den Vorteil, daß die personelle und appa- rative Ausstattung des Akutkranken- hauses in der Frührehabilitationspha- se mitbenutzt werden kann und auch notfallmäßig verfügbar ist. Sie hat den Nachteil, daß der gesamte rehabilitati- ve Bereich innerhalb eines Akutkran- kenhauses neu aufgebaut werden muß und daß Informationsverluste und Wartezeiten bei der Weiterverlegung in Einrichtungen der Phase C entste- hen. Das zweite Modell ist leistungs- stärker hinsichtlich der Verfügbarkeit der weiterführenden Rehabilitations- maßnahmen und bietet verzögerungs- frei eine durchgehende Rehabilitati- onsbehandlung „aus einer Hand“. Es erfordert jedoch in der Rehabilitati- onseinrichtung akutmedizinische Ver- sorgungsmöglichkeiten einschließlich rascher neurochirurgischer Interventi- onsmöglichkeiten, die am besten in Kooperation mit entsprechend ausge- statteten, benachbarten Kranken- hausabteilungen erbracht werden können.

Frührehabilitation ist personalin- tensiv und multiprofessionell. Der Textkasten Berufsgruppenzeigt die be- teiligten Berufsgruppen. Die Leitung und Verantwortung für die Therapie hat immer der Arzt. Die Frührehabili- tationsabteilung muß baulich für die Versorgung Schwerstbehinderter ein- gerichtet sein. Darüber hinaus sollte für Patienten und Angehörige die Möglichkeit der individuellen Gestal- tung, zum Beispiel durch Dekoratio- nen und persönliche Gegenstände, be- stehen. Alle Behandlungsplätze müs- sen die Möglichkeit zur Überwachung der Vitalparameter haben und Be- handlungsmöglichkeiten wie im Be- reich der Intensivpflege bieten. Für ei- nige Patienten sollte die Möglichkeit einer Respiratorbehandlung beste- hen. Die Behandlung in der neurologi- schen Frührehabilitation setzt voraus, daß das gesamte Spektrum der neuro- logischen und neuroradiologischen Diagnostik in gut erreichbarer Nähe zur Verfügung steht und daß Begleit- erkrankungen und Komplikationen mit den diagnostischen Verfahren der entsprechenden Fachrichtung unter- sucht werden können (Textkasten Komplikationenund Tabelle 2).

Therapiekonzepte

Die Frührehabilitationsbehand- lung unterscheidet sich von der Be- handlung in der Akutmedizin da- durch, daß zur notwendigen apparati- ven und medikamentösen Therapie die persönlich erbrachten Leistungen des multiprofessionellen Therapeu- tenteams hinzutreten. Zwischen- menschliche Zuwendung und inter- disziplinäre Kooperationsbereitschaft sind für den Therapieerfolg entschei- dend. Die Rehabilitationstherapie

nutzt motorische und kognitive Lern- und Übungsmethoden und orientiert sich so früh wie möglich an den An- forderungen des täglichen Lebens (ADL, activities of daily living). Ins- besondere in der Krankengymnastik ist die Bewegungsanbahnung über entwicklungsgeschichtlich angelegte Bewegungsmuster ein wichtiger Be- handlungsansatz, um störende moto- rische Symptome, wie die spastische Tonuserhöhung, zu hemmen oder er- wünschte motorische Fähigkeiten von einer gesunden in eine gestörte Körperregion neu zu bahnen (11, 25, 26, 27). Neben das rein motorische Training tritt immer auch eine Wahr-

nehmungsschulung (1, 4, 17). Die zukünftige Entwicklung rehabilitati- ver Therapiekonzepte wird maßgeb- lich von den Ergebnissen der Hirnpla- stizitätsforschung, die ein erstaunli- ches Regenerationspotential des Ner- vensystems belegen, bestimmt wer- den (7). So konnte beispielsweise bei Aphasien gezeigt werden, daß Kortex- areale beider Hirnhälften schon im ersten Monat nach dem Schlaganfall bei der Sprachproduktion kompensa- torisch aktiviert werden, und daß sich die in der linken Hemisphäre gelege-

nen Sprachzentren auch noch nach vielen Monaten funktionell erholen können. Die Neuordnung des gesam- ten sprachrelevanten Netzwerkes in beiden Hirnhälften nimmt mehr als ein Jahr in Anspruch (13). Logopädi- sche Bemühungen stoßen also schon früh und über viele Monate nach der Hirnschädigung auf einen durch Er- holungs- und Lernprozesse veränder- baren plastischen Kortex.

Wichtig für die Frührehabilitation ist die interdisziplinäre, symptomge- richtete Vorgehensweise. Ziel ist das Wiedererlernen verlorengegangener Funktionen durch konsequentes Trai- ning, das den gesamten Tagesablauf Tabelle 2

Wichtige diagnostische Verfahren in der Frührehabilitation

Verfahren typische Anwendung

Elektroenzephalographie (EEG) persistierender vegetativer Status (Wachkoma), Locked-in-Syndrom, Epilepsie (30)

evozierte Potentiale persistierender vegetativer Status (Wachkoma), Locked-in-Syndrom, hohes Querschnittssyndrom (10, 20, 30) Elektromyographie (EMG)/ Guillain-Barré-Syndrom,

Elektroneurographie Critical-illness-Polyneuropathie, Druckschäden peripherer Nerven (12) transkranielle Dopplersonographie Subarachnoidalblutung,

Basilaristhrombose

Liquoruntersuchung Meningitis, Enzephalitis, Hirnabszeß, Ventrikulitis

Computertomographie (CT) und Liquorzirkulationsstörung, Magnetresonanztomographie (MRT) Verlaufskontrolle beim

Schädel-Hirn-Trauma Dysphagiediagnostik neurogene Schluckstörung (3) urologische Diagnostik neurogene Blasenstörung (8, 23)

(4)

erfaßt und die sensorische Aufnahme so verändert, daß neue motorische Fähigkeiten entstehen können. Ein ty- pisches Beispiel ist hier die Therapie neurogener Schluckstörungen, in der Ärzte (Neurologe, HNO-Arzt, Radio- loge) zunächst die Schluck- und Arti- kulationsfunktionen untersuchen, Lo- gopäden, Ergotherapeuten und Kran- kengymnasten dann gemeinsam verlo- rengegangene Bewegungsabläufe an- bahnen und aufbauen (3, 28). Das ent- sprechend geschulte Pflegepersonal übernimmt therapiebegleitend das Er- reichte in die tägliche Versorgung der Patienten und festigt es durch konti- nuierliches Training. Diese Behand- lung erreicht klinisch sehr gute Ergeb- nisse, die, so belegen es neue Aktivie- rungsstudien, von einer entsprechen- den neuroplastischen Umorganisation der kortikalen Schluckzentren beglei- tet werden (9, 32). Entsprechende in- terdisziplinäre Therapiekonzepte be- stehen auch für andere Behinderun- gen, die nach schweren Hirnschädi- gungen, wie dem persistierenden ve- getativen Status (Wachkoma) (31) oder dem Locked-in-Syndrom (2, 19), auftreten (Abbildungen 1 und 2).

Eine weitere wesentli- che ärztliche Aufgabe in der Frührehabilitation ist die sorgfältige Behandlung der fachspezifischen neurologi- schen beziehungsweise neu- rochirurgischen Komplika- tionen (Textkasten Kompli- kationen und Tabelle 2). Ein besonderes Problem stellt dabei die Behandlung und Vermeidung nosokomialer Infektionen dar. Zentral- venöse Zugänge, Tracheal- kanülen, perkutane endo- skopische Gastrostomie- (PEG-)Sonden, transure- thrale oder suprapubische Dauerkatheter sind wichtige, potentielle Infektionsquel- len, insbesondere bei langfri- stig liegenden oder langzeit-

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

Abbildung 1: 32jähriger Patient im Wachkoma mit tetraspastischem Syndrom nach ausgedehnter bi- frontaler und mesenzephaler Hirnkontusion. Kalot- tenschutz bei Entfernung der frontalen Kalotte. Die intrathekale Gabe von Baclofen über eine implantier- te Pumpe erleichtert die Mobilisation am Stehpult durch zwei Krankengymnastinnen. Die Therapie dient der Wahrnehmungsschulung, dem Wiedererler- nen der Kopfkontrolle und der Bewegungsanbah- nung auf neurophysiologischer Grundlage.

Abbildung 2: 56jähriger wacher Patient mit Millard-Gubler-Syndrom (nukleäre Fazialisparese links, hochgradige, spastische Hemiparese rechts) nach ischämischem Ponsinfarkt. Mobilisation, Vasomotoren- training und Aktivierung der Propriozeptoren. Ein interkurrenter pulmonaler Infekt mit passagerer Beatmungsnotwendigkeit unter- bricht nicht die Rehabilitationsbehandlung.

121–150 71–90

41–50 21–30

11–15

1–5 6–10 16–20 31–40 51–70 91–120 > 151

Weiterführende Rehabilitation

Pflegeheim

Häusliches Umfeld

Verweildauer in Tagen Verweildauer in Tagen Verweildauer in Tagen 1

10

7 5

14

5 7

11

2 4

0 3

0 0 0 0 1

0 2

5 5

11

4 2

0 0 0 0

2

0 1 1 2 2 3 4

71–90 41–50

21–30 11–15

1–5 6–10 16–20 31–40 51–70 91–120121–150 > 151

71–90 41–50

21–30 11–15

1–5 6–10 16–20 31–40 51–70 91–120121–150 > 151

Anzahl Patienten

Anzahl Patienten

Anzahl Patienten Grafik

Verweildauer in der Frührehabilitation (Beobachtungszeitraum: ein Jahr, 142 Patienten). Die meisten Patienten konnten ihrer klinischen Besserung entsprechend in die weiterführende Rehabilitation (Phase C) verlegt werden.

Die Unterschiede der Verweildauer weisen auf das individuell verschiedene Erholungspotential hin. Die Frage ei- ner Unterbringung im Pflegeheim oder einer unmittelbaren Verlegung aus der Frührehabilitation nach Hause ent- schied sich bei den meisten Patienten nach drei bis fünf Monaten. In der Tabelle sind 24 Patienten nicht enthalten, die in ein Akutkrankenhaus verlegt werden mußten und vier Patienten, die in der Frührehabilitation verstarben.

(5)

beatmeten Patienten. Bei multiresi- stenten Keimen sind besondere hygie- nische Vorsorge- und Isolationsmaß- nahmen zu beachten (18). In diesem Zusammenhang soll erwähnt werden, daß auch asymptomatische, zufallsent- deckte Träger eines methicillinresisten- ten Staphylococcus aureus (MRSA) diesen Maßnahmen unterliegen. The- rapeutische Interventionen sind bei solchen Patienten oft wegen der ge- botenen Isolation über lange Zeiträu- me nur begrenzt möglich. Die Frage, inwieweit es hier aus ethischen und psychologischen Gründen zumindest teilweise möglich sein sollte, die oft viele Monate lange Isolation aufzuhe- ben, soll hier zumindest aufgeworfen werden (14).

Ausblick

Die Erfolge der neurologischen Frührehabilitation (Abbildung 3)sind abhängig von ausreichend vorhan- denen, qualitativ hochwertigen Ein- richtungen sowie von einer sorgfälti-

gen Indikationsstellung im Hinblick auf das Rehabilitationsziel. Die zu- grunde liegenden Aufnahmekriteri- en bestimmen den Erfolg mit. Es be- steht Bedarf an Einsicht der Kosten- träger, daß neurologische Langzeit- therapie personal- und materialauf- wendig und somit ein leistungsbezo- gener Pflegesatz notwendig ist, und daß der qualitative Aspekt nicht aus Kostengründen vernachlässigt wer- den darf. Die Behandlungsdauer in der Frührehabilitation sollte den oft nur sehr langsam erreichbaren Fort- schritten genügend Raum geben, sie sollte aber auch die Gefahren einer Hospitalisierung berücksichtigen, die bei viele Monate dauernden Behand- lungen die soziale Wiedereingliede- rung erschweren kann.

Nicht zuletzt braucht die Früh- rehabilitation engagiertes Personal, das umsichtig und entschieden zu handeln versteht. Im besonderen Spannungsfeld zwischen Patienten, Therapeuten und Angehörigen er- weist sich auch die Einrichtung einer Supervisionsgruppe für die Mitar-

beiter als nützlich. Die neurolo- gisch/neurochirurgische Frührehabi- litationsbehandlung stellt gerade ärztlicherseits ein anspruchsvolles und interessantes Betätigungsfeld dar, das notwendigerweise breitge- fächert ist und neben der Neurolo- gie, Neurochirurgie und Rehabilita- tionsmedizin viele Aspekte der In- tensivmedizin beinhaltet.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-2809–2816 [Heft 44]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Priv.-Doz. Dr. med. Hans Karbe Neurologisches

Rehabilitationszentrum Godeshöhe Waldstraße 2–10

53177 Bonn-Bad Godesberg

Seit der ersten Beschreibung durch Pierre Marie 1886 ist bekannt, daß bei Patienten mit Akromegalie ei- ne erhöhte Morbidität und Mortalität besteht. In neueren Studien ist mehr- fach darauf hingewiesen worden, daß bei diesen Patienten ein erhöhtes Ri- siko für kolorektale Karzinome und tubulo-villöse Adenome existiert. Die Autoren berichten über eine Studie an 155 Patienten, bei denen in fünf Prozent ein kolorektales Karzinom und in 25 Prozent tubuläre Adenome gefunden wurden. Bei Patienten mit Akromegalie besteht auch eine Kolo- nomegalie. Die Patienten bieten fer- ner eine verlängerte Transitzeit, so daß auch zur Vorbereitung einer Darm- untersuchung in der Regel die doppel- te Menge an Abführmitteln erforder- lich wird. Bei der Koloskopie errei- chen wegen der Länge des Kolons nur etwa 75 Prozent der Untersucher das

Zökum. Die Autoren empfehlen we- gen der hohen Rate an kolorektalen Neoplasien, deren Genese mit Sicher- heit multifaktoriell ist, endoskopische Screening-Untersuchungen vorzuneh-

men. w

Jenkins PJ, Besser GM, Fairclough PD:

Colorectal neoplasia in acromegaly.

GUT 1999; 44: 585–587.

Department of Endocrinology, Gastro- enterology, St. Bartholomew’s Hospital, West Smithfield, London EC1A 7BE, Großbritannien.

Kolorektales

Karzinom gehäuft bei Akromegalie

Da keine Meldepflicht für Kom- plikationen bei kosmetischen Eingrif- fen besteht, gibt es wenig Daten über schwerwiegende Komplikationen bei der subkutanen Fettabsaugung. Diese Methode wird meist in allgemeiner Sedation, zum Beispiel mit Midazo- lam, durchgeführt, subkutan werden Lidocainlösungen injiziert und an- schließend das Fett mit Unterdruck durch dicklumige Kanülen abgesaugt.

Todesfälle bei Fettabsaugung

Unter 48 527 gemeldeten un- natürlichen Todesfällen in New York in den Jahren 1993 bis 1998 identifi- zierten die Autoren fünf Todesfälle nach Fettabsaugung, die sie anhand der Krankenakten näher untersuch- ten. Bei allen fünf Patienten war ne- ben Midazolam Lidocain in einer Do- sierung zwischen 10 und 40 mg pro Ki- logramm Körpergewicht verabreicht worden. Drei Patienten starben wegen einer intraoperativen Hypotension und Bradykardie ohne erkennbare Ursache, einer an Herzversagen infol- ge einer Hypervolämie und ein weite- rer an einer Unterschenkelvenen- thrombose mit Lungenembolie nach großvolumiger Fettabsaugung an den Beinen. Nach Ansicht der Autoren spielt zumindest bei einem Teil der To- desfälle die Lidocain-Toxizität oder aber die Lidocaininteraktion mit an- deren Medikamenten eine ursächliche

Rolle. acc

Rao R et al.: Deaths realted to Liposuc- tion. N Eng J Med 1999, 340: 1471–1451.

Dr. Rao, New York City Poison Controll Center, 455 First Avenue, Rm 123, New York, NY 10016, USA.

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