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Archiv "Die neurochirurgische Behandlung der Parkinsonschen Erkrankung" (30.08.1999)

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s ist in den letzten Jahren welt- weit zu einer Renaissance der chirurgischen Behandlung der Parkinsonschen Erkrankung gekom- men (34, 42, 48, 51, 77, 78). Insbeson- dere im angloamerikanischen Raum haben neurochirurgische Therapie- optionen eine eminente Bedeutung erhalten (14). Dies spiegelt sich auch in der wissenschaftlichen Auseinan- dersetzung mit der Thematik wider.

Während in den 80er Jahren im renommierten Journal of Neuro- surgery lediglich drei Arbeiten über die funktionelle Neurochirurgie zur Behandlung von Bewegungsstörun- gen publiziert wurden, erscheint zwi- schenzeitlich kaum eine Ausgabe, welche nicht einen Artikel zu diesem Thema enthält. Auch im deutsch- sprachigen Raum ist das Interesse an den Techniken der funktionellen Stereotaxie wieder erwacht. Durch

kleine Läsionen oder durch Dauer- stimulation im Thalamus oder in den Basalganglien kann eine wesentliche Besserung der Symptomatik erzielt werden. Gegenwärtig bleibt die chir- urgische Behandlung für Patienten mit behindernden Symptomen reser- viert, welche durch medikamentöse Maßnahmen nicht befriedigend ver- bessert werden können. Die chirurgi- sche Behandlung von Parkinson-Pa- tienten soll vor dem Hintergrund ei- ner patientenzentrierten Kooperati-

on von Primärärzten mit bei der Be- handlung von Bewegungsstörungen erfahrenen Neurologen und Neuro- chirurgen erfolgen.

D

Diiee PPa arrkkiinnssoonnsscchhee EErrkkrra annkkuunng g

Die Parkinsonsche Erkrankung ist eine der häufigsten neurologi- schen Krankheiten. Bei der über 60jährigen Bevölkerung wird die Prävalenz auf etwa 1 Prozent ge- schätzt. Die Diagnose basiert auf kli- nischen Kriterien. Die Kardinalsym- ptome der Erkrankung sind Ruhetre- mor, Rigor, Bradykinese und postu- rale Instabilität beziehungsweise Gangstörungen. Bei manchen Pati- enten steht der Tremor ganz im Vor- dergrund, bei anderen Patienten do- miniert ein akinetisch-rigides Bild.

Die neurochirurgische Behandlung der

Parkinsonschen Erkrankung

Joachim K. Krauss

1, 3

Jean-Marc Burgunder

2

Neuere Erkenntnisse über die pathophysiologischen Me- chanismen der Parkinsonschen Erkrankung sowie verbes- serte Methoden in der Neurochirurgie, der Neuroradiologie und der Neurophysiologie haben dazu beigetragen, daß die chirurgische Behandlung dieser degenerativen Krankheit wieder in den Brennpunkt des wissenschaftlichen Interesses und der Laienpresse gerückt ist. Neurochirurgische Eingrif- fe kommen bei therapieresistentem Tremor in Frage, aber auch bei Patienten, bei denen es im Verlauf trotz optimaler Medikation zu einem relativen Wirkungsverlust mit un- genügender Besserung der Parkinson-Symptome, zu Fluk- tuationen oder zu durch Levodopa induzierten Dyskinesien kommt. Heute stehen sowohl die klassischen Läsionsmetho-

den als auch Stimulationsverfahren zur Verfügung, wobei bei letzterer

Technik die permanente Implantation einer Elektrode und eines Impulsgebers vorgenommen wird. Die fetale Neuro- transplantation bleibt ein experimentelles und ethisch pro- blematisches Verfahren. In erfahrenen Zentren sind durch den Eingriff bedingte schwere Komplikationen selten. Die vorliegende Arbeit skizziert den gegenwärtigen Stand der neurochirurgischen Therapie der Parkinsonschen Erkran- kung.

Schlüsselwörter: Basalganglien, chronische Neurostimulati- on, funktionelle Neurochirurgie, Parkinsonsche Erkran- kung, stereotaktische Neurochirurgie

ZUSAMMENFASSUNG

Neurosurgery in Parkinson’s Disease

New insights into the pathophysiologic mechanisms of Parkinson’s disease coupled with improved methods and technology in neurosurgery, neuroradiology and neurophysi- ology have contributed to the fact that surgical treatment of this degenerative disease has come into the focus both of scientific and public interest. Neurosurgical procedures may be performed in patients with tremor which is not adequate- ly controlled by medical treatment but also in patients who suffer from relative loss of efficacy with longterm levodopa administration, motor fluctuations and levodopa-induced dyskinesias despite optimal medical therapy. Nowadays the

classical lesioning techniques as well as high- frequency deep brain stimulation are available.

Chronic deep brain stimulation involves permanent implan- tation of a deep brain electrode and of a pulse generator.

Fetal neurotransplantation continues to be an experimental procedure which is burdened by ethical problems. Compli- cations related to surgery are rare in experienced hands. The authors review the current status of surgical treatment of Parkinson’s disease.

Key words: Basal ganglia, deep brain stimulation, function- al neurosurgery, Parkinson’s disease, stereotactic neuro- surgery

SUMMARY

E

1Neurochirurgische Klinik, Funktionelle Neu- rochirurgie (Leiter: Priv.-Doz. Dr. med. J. K.

Krauss), Universität Bern, Schweiz

2Neurologische Klinik, Sprechstunde für Be- wegungsstörungen (Leiter: Priv.-Doz. Dr. med.

J. M. Burgunder), Universität Bern, Schweiz

3 Department of Neurosurgery, (Direktor:

Prof. R. G. Grossman), Baylor College of Medicine, Houston, Texas, USA

(2)

Zusätzlich können andere vegetati- ve, motorische, sensorische und mo- torische Symptome vorliegen. Die Differentialdiagnose beinhaltet an- dere neurodegenerative Erkrankun- gen wie die sogenannten Parkinson- Plus-Syndrome und spezifische par- kinsonoide Syndrome (toxisch, meta- bolisch, medikamentös, vaskulär, bei Tumoren oder im Rahmen eines Hy- drozephalus) (24, 27). Die Pharma- kotherapie der Parkinsonschen Er- krankung zentriert sich auch heute noch im wesentlichen auf die orale Substitution von Dopamin (28). Die aktuellen Strategien und die Proble- me bei der medikamentösen Thera- pie wurden von Baas und Kollegen in einer Übersichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt kürzlich erörtert (3). Die medikamentöse Therapie wird mit fortschreitender Erkrankung zuneh- mend problematisch. Nach fünf bis zehn Jahren kommt es bei den mei- sten Patienten zu einem relativen Wirkungsverlust, zu Fluktuationen und zu Levodopa-induzierten Dyski- nesien.

M

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Die Basalganglien sind Kern- gruppen in der Tiefe des Telenzepha- lons, welche in unmittelbarer Nach- barschaft zum Thalamus und Hypo- thalamus liegen (Grafik 1). Sie stel- len eine funktionelle Einheit dar mit reziproken Verbindungen zum Kor- tex, zum limbischen System, zum Kleinhirn, zum Hirnstamm und zum Rückenmark. Sie repräsentieren das früher als „extrapyramidal-moto- risch“ bezeichnete System. Zu den Basalganglien rechnet man den Nucleus caudatus, das Putamen, das Pallidum, die Substantia nigra und den Nucleus subthalamicus (STN).

Das Pallidum setzt sich aus zwei Un- tereinheiten zusammen, dem Globus pallidus internus (GPi) und dem Glo- bus pallidus externus (GPe). Pallido- fugale Fasern ziehen durch die innere Kapsel unter anderem zum ventrola- teralen Thalamus.

Tierexperimentelle Untersu- chungen haben in den letzten Jahren die Voraussetzungen für ein neues

Modell der funktionellen Anatomie der Basalganglien geschaffen (1, 7, 9, 10). Auch wenn nach diesem Modell viele Aspekte der pathophysiologi- schen Mechanismen, welche den Symptomen der Parkinsonschen Er- krankung zugrunde liegen, erklärt werden können, ebenso wie teilweise die Effekte funktioneller stereotakti- scher Läsionen, bleiben andere Ge- sichtspunkte weiterhin unklar (72).

Die funktionelle Organisation der Basalganglien ist höchst komplex (81). In diesem Kontext können nur einige grundlegende Aspekte behan- delt werden. Bei der Parkinsonschen

Erkrankung kommt es, bedingt durch den Verlust dopaminerger Neurone in der Substantia nigra pars compacta, zu einer funktionellen Dysbalance nachgeschalteter Kerne.

Hier kommt dem GPi und dem STN eine zentrale Rolle zu. Die Aktivität des GPi wird über parallel verteilte Netzwerke gesteuert, über direkte und indirekte striatopallidale Bahn- systeme (Grafik 2). Diese Netzwerke werden über unterschiedliche striata- le Dopaminrezeptoren geregelt. Das direkte Bahnsystem ist gabaerg und verbindet das Putamen direkt mit dem GPi. Das indirekte Bahnsystem verbindet folgende Strukturen: Puta- men – GPe (gabaerg), GPe – STN (gabaerg), und STN – GPi (glutama-

terg). Bei der Parkinsonschen Er- krankung wird angenommen, daß die Aktivität des direkten striatopallida- len Bahnsystems herabgesetzt ist, wohingegen es über das indirekte Sy- stem über eine vermehrte Aktivität des STN zu einer verstärkten gluta- matergen Stimulation des GPi kommt. Diese Veränderung resul- tiert nun in einer vermehrten Akti- vität von GPi-Neuronen. Da die pal- lidothalamischen Efferenzen eben- falls gabaerg sind, hat die verstärkte Aktivität des GPi eine vermehrte In- hibition thalamischer Neurone zur Folge. Nach diesem Modell kann nun auch erklärt werden, daß das klassische Negativsymptom der Parkinsonschen Erkran- kung, die Bradykinese, nicht etwa durch eine verminderte neuronale Aktivität hervor- gerufen wird, sondern im Ge- genteil durch eine gesteiger- te Aktivität von hemmenden Neuronen im GPi. Somit wird verständlich, warum das Negativsymptom Bradykine- se durch eine Läsion im GPi verbessert werden kann – nämlich durch Reduktion der „overinhibition“.

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Bereits in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahr- hunderts wurde eine Vielzahl operativer Verfahren zur Behand- lung der Parkinsonschen Erkran- kung eingesetzt. Die ersten Opera- tionen in den Basalganglien zur Be- handlung der Parkinsonschen Er- krankung wurden 1939 vorgenom- men (74). Eine entscheidende Wen- de brachte die Einführung der Stereotaxie in die klinische Entwick- lung (46). Die erste Pallidotomie wurde 1948 in den USA bei einem Patienten mit einer Huntington- Krankheit durchgeführt. Die Metho- de verbreitete sich rasch über die ganze Welt. In den folgenden Jahren wurde die Pallidotomie dann mehr und mehr durch die von Hassler und Riechert 1952 eingeführte Thalamo- tomie ersetzt (22). Wenig Beachtung Grafik 1

Morphologie und Anatomie der Basalganglien und des Thalamus.

Von der Seite her gesehen (rechts = frontal): Nucleus caudatus, 1;

Ventrolateraler Thalamus, 2; Fasciculus thalamicus, 3; Striatonigra- le Bahnen, 4; Putamen, 5; Globus pallidus externus, 6 und inter- nus, 7; Fasciculus lenticularis, 8; Nucleus reticularis thalami, 9; Zo- na incerta, 10; Nucleus ruber, 11; Nucleus subthalamicus, 12; Ansa lenticularis, 13; Substantia nigra, 14; Hirnschenkel, 15; Pons, 16.

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fand damals die postoperative Eva- luation der Bradykinese. Obschon einzelne Untersucher eine Besse- rung der Bradykinese nach einer Pal- lidotomie beschrieben, nahm man an, daß dies Folge der Lockerung des Rigors sei. Die damaligen pa- thophysiologischen Modelle konn- ten schließlich keine Erklärung da- für liefern, wie sich ein Minussym- ptom nach einer Läsion bessern soll- te. Die Thalamotomie erwies sich als effektiver bei der Behandlung des Tremors und verdrängte die Pallido- tomie in den nächsten Jahren voll- ständig (23). Mit der Entdeckung

von Levodopa in den 70er Jahren ging die Anzahl der Operationen rasch zurück. In wenigen Zentren wurden weiterhin Thalamotomien bei therapierefraktärem Tremor vor- genommen. Die Pallidotomie geriet gänzlich in Vergessenheit.

Verschiedene Faktoren trugen Ende der 80er Jahre zu dem erneu-

ten Interesse an der neurochirurgi- schen Behandlung der Parkinson- schen Erkrankung bei. Es war deut- lich geworden, daß die Langzeitbe- handlung mit Levodopa bei den mei- sten Patienten mit erheblichen Pro- blemen belastet ist. Spektakuläre Ergebnisse wurden nach der Trans- plantation von autologem Nebennie- renmark in die Basalganglien 1987 aus Mexiko berichtet (71). Obwohl später von anderen Untersuchern gezeigt wurde, daß dieses Verfahren weitgehend ineffektiv ist, stand die operative Behandlung der Parkin- sonschen Erkrankung nun im Brenn-

punkt der öffentlichen Medien. Lait- inen führte Mitte der 80er Jahre die Pallidotomie wieder ein (61, 62) und berichtete über eine Besserung aller Parkinson-Symptome – einschließlich Tremor, Rigor, Akinese und axialen Symptomen bei geringer Modifikati- on des von den meisten Chirurgen früher verwendeten Zielpunktes.

Besonders in den USA verbreitete sich diese Methode sehr rasch (14).

Der STN wurde erst vor wenigen Jahren als Zielpunkt für die stereo- taktische Neurochirurgie vorge- schlagen (20). Einen weiteren we- sentlichen Fortschritt brachte die Verfeinerung der Methoden für die chronische Tiefenstimulation im Thalamus, GPi und STN mit implan- tierten Elektroden (6, 65).

Die Situation heutzutage ist kaum mit der ersten Blütezeit der funktionellen Neurochirurgie in den 50er und 60er Jahren zu vergleichen.

Damals waren die medikamentösen Möglichkeiten äußerst beschränkt.

Die Patientenkollektive waren weit- aus inhomogener als heute. Erst heute verfügen wir über geeignete Meßinstrumente, wie die Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (UPDRS), welche das Ergebnis der operativen Eingriffe objektiv erfas- sen können (64). Schließlich ist zu be- merken, daß wir heute nicht nur die Symptome der Grunderkrankung an- gehen, sondern auch Nebeneffekte der dopaminergen Substitutionsthe- rapie.

W

Weellcchhee PPa attiieenntteenn p

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Nach allgemeinem Konsens wer- den heute in der Regel diejenigen Pa- tienten als mögliche Kandidaten für einen operativen Eingriff betrachtet, bei welchen behindernde Symptome einer fortgeschrittenen idiopathi- schen Parkinson-Erkrankung vorlie- gen (57, 59). Im wesentlichen kom- men zwei Gruppen von Patienten für einen funktionellen stereotaktischen Eingriff in Frage. Bei Patienten mit behinderndem oder sozial störendem Tremor, der sich nur mangelhaft me- dikamentös beeinflussen läßt, ist ein thalamischer Eingriff zu erwägen.

Bei Patienten mit akinetisch-rigidem Syndrom, welche starke Levodopa- induzierte Dyskinesien im „on“-Zu- stand haben, ist ein Eingriff im GPi oder STN hilfreich. Das Risiko für passagere postoperative Komplika- tionen ist bei betagten Menschen et- Kortex

Putamen

GPi

GPe Substantia

nigra pars compacta

Ventrolateraler Thalamus

GABA GABA

GABA STN

GABA

Glu

Glu Dop Dop

Kortex

Putamen

GPi

GPe Substantia

nigra pars compacta

Ventrolateraler Thalamus GABA (–) GABA

GABA (+) STN

GABA

Glu (+)

(–)

(+)

Glu (–) Dop Dop (–) (–)

A B

Grafik 2

Funktionelle Organisation der Basalganglien. Vereinfachte Darstellung des gegenwärtigen Arbeitsmodelles. a) Normale Funktion: exzitatorische Bahnen (Linien mit Pfeilkopf) und inhibitorische Bahnen (Linien mit Blockkopf).

Neurotransmitter: Dop = Dopamin, GABA = gamma-Aminobuttersäure, Glu = Glutamat. GPe = Globus pallidus externus, GPi = Globus pallidus internus, STN = Nucleus subthalamicus. Darstellung der direkten und indirekten striatopallidalen Bahnsysteme. b) Dysfunktion bei der Parkinsonschen Erkrankung: reduzierte Aktivität wird durch eine dünnere Linie und durch (–) gekennzeichnet, gesteigerte Aktivität durch breitere Linien und (+).

(4)

was höher. Wir haben kürzlich ge- zeigt, daß leichtere Ausprägungen ei- ner Hirnatrophie, eines Hydrozepha- lus, oder einer Marklagererkrankung das Operationsergebnis nicht ungün- stig beeinflussen (11).

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Diiee A Auussw wa ahhll d deess

cchhiirruurrg giisscchheenn V Veerrffa ahhrreennss

Die Indikation für einen Ein- griff sollte gemeinsam von einem Neurologen und einem Neurochirur- gen gestellt werden, wobei beide über Erfahrungen bei der konserva-

tiven und bei der chirurgischen Be- handlung von Bewegungsstörungen verfügen. Bei jedem Patienten wird individuell entschieden, ob ein unila- teraler Eingriff durchgeführt oder ob primär ein bilaterales Vorgehen notwendig und sinnvoll ist. Bei ei- nem unilateralen Eingriff wird in der Regel kontralateral zur stärker betroffenen Körperseite operiert.

Rechtshändige Patienten wünschen jedoch oft einen linksseitigen Ein- griff, auch wenn die linke Seite stär- ker betroffen ist. Bilaterale Eingriffe können simultan oder im Abstand von einigen Monaten vorgenommen werden. Bei simultanen bilateralen Eingriffen bietet die chronische Sti- mulationsmethode wesentliche Vor- teile gegenüber der Läsionsmetho- de. In diesem Falle ist das Risiko postoperativer Komplikationen deut- lich verringert. Es ist nicht genau be-

kannt, wie der lokale Wirkmechanis- mus bei der chronischen Stimulation ist. Wahrscheinlich kommt es zu ei- ner funktionellen Blockierung der lokalen neuronalen Aktivität.

In den letzten Jahren wurde eine kontroverse Diskussion darüber ge- führt, welcher Methode – chronische Stimulation oder Läsion – wann der Vorzug zu geben ist. Wir sprechen die Möglichkeiten mit jedem ein- zelnen Patienten ausführlich durch und wählen dann die für den Patien- ten individuell am besten geeignete Option aus. Bei beidseitigen Eingrif- fen wenden wir zur Zeit ausschließ- lich die Stimulationsmetho- de an. Hier ist es von Vorteil, wenn der Chirurg über Er- fahrungen mit beiden Ver- fahren verfügt. Bei der Koa- gulationsmethode wird quasi eine finale Läsion gesetzt, welche dementsprechend höchst akkurat plaziert sein muß.

Die chronische Stimula- tion ist prinzipiell ein „re- versibles“ Verfahren. Somit kann beim Auftreten von sti- mulationsbedingten Neben- wirkungen die Intensität der Stimulation titriert werden.

Diese Reversibilität hat auch einen anderen, zur Zeit eher hypothetischen, Vorteil. Ge- setzt den Fall, daß „besse- re“ Methoden zur Behandlung der Parkinsonschen Erkrankung in Zu- kunft zur Verfügung stünden, könnte das Stimulationssystem entfernt wer- den, wohingegen eine Läsion

den Erfolg neuerer Verfah- ren möglicherweise limitie- ren könnte.

Die Dauerstimulation ist jedoch mit höheren Kosten verbunden (Hardware, Im- plantation des Schrittmachers unter Vollnarkose, mehrere postoperative Besuche zur Feinjustierung der Stimulati- onsparameter). Derzeit müs- sen die Batterien des Genera- tors in der Regel nach drei bis fünf Jahren ausgewechselt werden. Manche Patienten empfinden die Implantation eines Fremdkörpers als unan- genehm.

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Op peerra attiivvee TTeecchhnniikkeenn

Die funktionellen operativen Eingriffe bei der Parkinsonschen Er- krankung werden unter Lokal- anästhesie durchgeführt. Die aktive Mitarbeit des Patienten bei der Defi- nition des endgültigen Zielpunktes ist zum einen wichtig, um ein optima- les Ergebnis zu erreichen, zum ande- ren aber auch, um mögliche Kompli- kationen zu verhindern. Die Grund- lage für die millimetergenaue Be- rechnung des Zielpunktes ist die Ste- reotaxie. Der stereotaktischen Chir- urgie liegt das Konzept zu Grunde, daß jeder Punkt in einem dreidimen- sionalen Raum durch drei Koordina- ten exakt definiert werden kann (Grafik 3). Diese Koordinaten be- ziehen sich auf drei orthogonale Achsen: x, y und z. Als Basis der Be- rechnungen dient der stereotakti- sche Rahmen, welcher vor der Ope- ration fest am Kopf des Patienten befestigt wird. In der Regel werden die Zielpunktkoordinaten in der funktionellen Neurochirurgie über die Position der vorderen und hinte- ren Kommissur des dritten Ventri- kels definiert. Anhand von morpho- metrischen Messungen wurden ste- reotaktische Atlanten für das Gehirn geschaffen (84). Die individuelle Va- riabilität macht eine intraoperative physiologische Bestätigung bezie- hungsweise Korrektur des Zielpunk- tes jedoch unumgänglich. Wir schil- dern im folgenden kurz die von uns angewendeten Techniken (43, 44, 47).

Abbildung 1: Stereotaktische Computertomographie zur Berech- nung des Zielpunktes. Lateraler Scout zur Festlegung der Dünn- schichten durch die Basalganglien.

Grafik 3

Darstellung eines kartesianischen Systems mit drei orthogonalen sich schneidenden Ebenen, wie es in der stereotaktischen Neuro- chirurgie zur Festlegung der Koordinaten benutzt wird.

(5)

Neben den präoperativen Routi- neuntersuchungen erfolgt eine stan- dardisierte Dokumentation der Be- wegungsstörung durch Videoauf- zeichnungen. Die Symptomatik wird ferner quantifiziert mit Hilfe der UPDRS, gesondert im „off-“ (12 Stunden ohne Medikation) und im

„on-“ (best on) Zustand. Zur Opera- tionsplanung führen wir bei allen Pa- tienten präoperativ kernspintomo- graphische Untersuchungen durch.

Die Operation erfolgt im „off-“ Zu- stand.

Zunächst wird der Grundring oder Basisrahmen des stereotakti- schen Systems unter Lokalanästhesie am Kopf des Patienten befestigt. Ver- kippungen müssen bei der Ziel- punktberechnung miteinbezogen werden (52). Eine Sedierung ist nicht notwendig, teilweise sogar kontra- produktiv (53). Wir definieren den vorläufigen Zielpunkt mittels stereo- taktischer Dünnschicht-CT-Untersu- chungen (Abbildung 1). Durch die Darstellung der axialen Schichten zu- sammen mit koordinierten simulta- nen sagittalen und koronaren Re- konstruktionen auf einer Work- station können die Koordinaten be- stimmt werden und gegebenenfalls auch modifiziert werden. Die ventri- kulographische Bestimmung des Zielpunktes halten wir für nicht not- wendig (2, 21). Eine Alternative ist die MR-stereotaktische Definition des Zielpunktes. Hier müssen mögli- che Verzerrungen des Bildes jedoch ständig überprüft werden (93).

Unter Lokalanästhesie wird eine Bohrlochtrepanation vorgenommen.

Die Koordinaten für den Zielpunkt werden an dem am Kopf des Patien- ten befestigten stereotaktischen Sy- stem eingestellt. Für die physiologi- sche Definition des endgültigen Ziel- punktes stehen verschiedene Metho- den zur Verfügung: Einzelzellablei- tungen über Mikroelektroden, Semi- mikroelektroden-Aufzeichnung, Mi- krostimulation, photische Stimula- tion, Impedanzmonitoring und Ma- krostimulation. Auch hier wird kon- trovers diskutiert, was heute als

„Goldstandard“ zu betrachten ist.

Wir halten Einzelzellableitun- gen bei Eingriffen im GPi und STN für sehr hilfreich. Diese Technik er- laubt ein Mapping des Zielpunktbe-

reiches und benachbarter Strukturen (25, 68, 88).

Wir nehmen zudem bei allen Pa- tienten intraoperative „Makrostimu- lationen“ am Zielpunkt vor. Hierbei werden die Schwellenwerte sowohl für intrinsische Effekte als auch für extrinsische Effekte bestimmt (Ab- bildung 2). Bei den intrinsischen Ef- fekten wird der Einfluß auf die Bewe- gungsstörung selbst bewertet. Bei den extrinsischen Effekten handelt es sich um Reizantworten benachbarter Strukturen – Phosphene, Parästhesi- en oder kontralaterale Muskelkon- traktionen bei Reizung der Pyrami-

denbahn. In Abhängigkeit der Schwellenwerte werden die Koordi- naten für den definitiven Zielpunkt weiter modifiziert, bis ein befriedi- gendes Ergebnis erzielt wird (50). Bei der Läsionsmethode werden dann ei- ne oder mehrere Läsionen durch tem- peraturkontrollierte Hochfrequenz- koagulation gesetzt. Während der Applikation der Läsion erfolgt ein kontinuierliches Monitoring der Sprache und Motorik des Patienten.

Für die chronische Tiefenstimu- lation stehen unipolare und quadri- polare Elektroden zur Verfügung

(Abbildung 3). Wenn während der Operation keine befriedigende Un- terdrückung des Tremors zu erzielen ist, sollte die Elektrode neu plaziert werden, bis das gewünschte Ergebnis erreicht wird. Wir nehmen in einem zweiten Schritt unmittelbar nach Entfernung des stereotaktischen Ringes die Implantation des Impuls- gebers im subklavikulären Fettgewe- be und die Konnektion mit der Elek- trode unter Vollnarkose vor.

Im Prinzip können die Patienten zwei Tage postoperativ das Kranken- haus verlassen. Die Einstellung der Stimulationsparameter nach Implan- tation des Impulsgebers erfordert in der Regel mehrere Sitzungen. Die Einstellung von Frequenz, Amplitu- de, Pulsbreite und die Kombination der Elektrodenkontakte erfolgt per- kutan mit einem externen Program- miergerät.

TThha alla am moottoom miiee

Die Thalamotomie wurde hauptsächlich zur Behandlung des Tremors durchgeführt. Auch Levo- dopa-induzierte Dyskinesien und Rigor können gebessert werden. Ei- ne Beseitigung oder wesentliche Verbesserung des Tremors wird in den meisten Serien bei 80 bis 90 Pro- zent der Patienten beobachtet (16, 30, 35, 73, 75, 76). Nach einer voran- gegangenen Thalamotomie wurde beobachtet, daß sich keine oder nur geringe Dyskinesien an der zum Ein- griff kontralateralen Körperseite entwickeln (12). Die Langzeitergeb- nisse einer neueren Untersuchung zeigten bei einem mittleren Beob- achtungszeitraum von 4,3 Jahren ei- ne anhaltende Besserung des Tre- mors in 86 Prozent (30). Die kogniti- ve Leistungsfähigkeit zeigt keine we- sentlichen Beeinträchtigungen nach einer unilateralen Thalamotomie (70). Bleibende Nebeneffekte der Operation wurden in verschiedenen Serien mit sehr unterschiedlicher Häufigkeit beschrieben, nämlich bei 0,4 Prozent bis 23 Prozent der Pati- enten (90). Bilaterale Thalamotomi- en werden wegen des relativ hohen Risikos einer postoperativen Dysar- thrie, nämlich in 18 bis 60 Prozent, nicht mehr durchgeführt (90). ! Abbildung 2: Intraoperative Teststimulation während

eines funktionellen stereotaktischen Eingriffes im rechten Globus pallidus internus. Die Elektrode ist über eine Führungshülse am Zielbügel des stereotaktischen Apparates bis zum Pallidum vorgeschoben worden.

(6)

PPa alllliid doottoom miiee

Posteroventrale Pallidotomien werden meist bei Patienten mit im Vordergrund stehender Bradykinese und Levodopa-induzierten Dyskine- sien vorgenommen (Abbildung 4).

Wir haben gezeigt, daß die Größe der Läsion nicht primär für die Befund- besserung relevant ist bei exakt pla- zierter Läsion im posteroventralen

lateralen GPi (55). Die Arbeitsgrup- pe aus Toronto beschrieb eine 30pro- zentige Verbesserung des Gesamt- punktewertes der UPDRS für die Motorik und eine 22prozentige Ver- besserung des Akinese-Score im

„off-“ Zustand nach unilateraler Pal- lidotomie (69). Eine Besserung der kontralateralen Symptome Rigor und Bradykinese wird bei 80 bis 90 Prozent der Patienten erreicht (4, 13, 26, 32, 36, 37, 45, 56, 61, 62, 68). Meist kommt es auch zu einer günstigen Beeinflussung des kontralateralen Tremors (18, 62). In der Regel wird eine, wenn auch geringer ausgepräg- te, passagere Befundveränderung der ipsilateralen Bradykinese beob- achtet. Unilaterale Pallidotomien ha- ben auch einen günstigen, teilweise passageren, Effekt auf die Gang- störung (69). Weitere Symptome, welche sich postoperativ bessern, sind schmerzhafte Dystonien im

„off-“ Zustand, Freezing und gele- gentlich die Hypomimie. Bei Analy- sen prä- und postoperativer standar- disierter Videosequenzen von „ge- blindeten“ Untersuchern wurden die signifikanten Befundbesserungen von verschiedenen Subitems der UPDRS bestätigt (79). Ebenso zeig-

ten instrumentelle Analysen der Be- wegungs- und Reaktionszeit post- operativ hochsignifikante Verände- rungen (29). Eine eindrucksvolle Besserung der Dyskinesien wurde fast ausnahmslos beobachtet. Drei Monate nach einer unilateralen Palli- dotomie waren bei insgesamt 29 Pati- enten, welche präoperativ bilaterale Dyskinesien hatten, in 18 Fällen die Dyskinesien an der zum Eingriff kon- tralateralen Extremität voll- ständig beseitigt, und bei drei Fällen waren die Dyskinesi- en beidseits verschwunden (31). Insgesamt kam es zu ei- ner Reduktion der Zeit im

„on-“ Zustand mit Dyskinesi- en von 71 Prozent auf 23 Pro- zent postoperativ bei jedoch absoluter Zunahme der „on-“

Zeit insgesamt und Besse- rung der präoperativen Fluk- tuationen. Bei einer prospek- tiven neuropsychologischen Studie bei den ersten 40 Pati- enten, bei welchen eine uni- laterale Pallidotomie in Hou- ston durchgeführt wurde, fanden sich postoperativ keine klinisch relevan- ten Veränderungen (82). Im allge- meinen wird postoperativ eine ähnli- che Levodopa-Dosis wie präoperativ verabreicht. Die Medikation wird je- doch weitaus besser toleriert. Anhal- tende Befundbesserungen wurden über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren und in Einzelfällen von mehr als vier Jahren dokumentiert (15, 63). Günstige Ergebnisse wur- den auch nach bilateralen Pallido- tomien berichtet (60, 89). Bei einzel- nen Patienten wurden jedoch

schwere kognitive Einbußen beschrieben (83).

Die spezifischen Kom- plikationen nach einer Palli- dotomie beinhalten eine ho- monyme Hemianopsie, eine leichte Fazialisparese und ei- ne kontralaterale Hemipa- rese. Laitinen et al. berichte- ten über eine Hemianopsie bei 14 Prozent der Patienten (62). In neueren Serien, wel- che die intraoperative Mi- kroelektrodenableitung an- wenden, trat diese Kompli- kation nicht auf oder wurde nur sporadisch berichtet. Bei

unseren ersten 50 Patienten traten passagere postoperative Komplika- tionen in zehn Prozent auf. In keinem Falle fand sich jedoch ein persistie- render Nebeneffekt (55).

C

Chhrroonniisscchhee

TThha alla am muussssttiim muulla attiioonn

Die chronische Thalamusstimu- lation hat in den letzten Jahren zu- nehmend an Bedeutung gewonnen (6). In einer der größten veröffent- lichten Serien aus Grenoble wurde ein Verschwinden beziehungsweise eine deutliche Befundbesserung un- ter der Stimulation bei 88 Prozent der Patienten berichtet (5). Der Ef- fekt ist ausschließlich auf die kon- tralaterale Körperseite beschränkt.

Auch Levodopa-induzierte Dyskine- sien können durch die Thalamussti- mulation verbessert werden, ebenso in geringerem Ausmaß der parkinso- noide Rigor (8, 86). Wie bei der Tha- lamotomie kommt es in der Regel nicht zu einer Veränderung der Bra- dykinese oder der axialen Sympto- matik. Nebeneffekte der Stimulation sind selten und können Parästhesien in neun Prozent beinhalten, Dystoni- en in neun Prozent, und eine leichte Dysarthrie, vor allem bei bilateraler Stimulation in 20 Prozent (5). In den meisten Fällen können die Stimula- tionsparameter jedoch so adjustiert werden, daß diese Nebeneffekte nicht auftreten. Mit diesem Verfah- ren liegen jetzt Beobachtungen von mehr als acht Jahren mit guten Re- sultaten vor.

Abbildung 4: Axiales Kernspintomogramm (inversion recovery) zwei Tage nach einer unilateralen Pallidotomie. Die Läsion ist im posteroventralen lateralen GPi plaziert.

Abbildung 3: Quadripolare und unipolare Elektroden für die chro- nische Dauerstimulation im Thalamus und den Basalganglien.

Maßstab in Millimetern

(7)

Um die Lebensdauer der Batte- rie des Schrittmachers zu verlängern, kann der Impulsgeber nachts, perku- tan, mit Hilfe eines Magneten vom Patienten selbst ausgeschaltet wer- den. Die Thalamusstimulation ist, wie oben aufgeführt, eine Alternati- ve zur Thalamotomie, auch wenn von vornherein nur ein einseitiger Ein- griff geplant ist. Nach einer vorange- gangenen kontralateralen Thalamo- tomie oder Pallidotomie sollte der Thalamusstimulation der Vorzug ge- geben werden. Mit dieser Methode sind in einer Sitzung beidseitige tha- lamische Eingriffe möglich (Abbil- dung 5). In einer noch unveröffent- lichten prospektiven Studie aus den Niederlanden wurde gezeigt, daß die Besserung des Tremors nach Thala- motomie oder nach Thalamusstimu- lation ähnlich ist, die Frequenz von Komplikationen bei der Thalamoto- mie jedoch höher liegt (Speelman und Bosch, persönliche Mitteilung).

C

Chhrroonniisscchhee PPa alllliid duum m-- uunnd d SSTTN N--SSttiim muulla attiioonn

Bei der chronischen Stimulation des GPi und des STN handelt es sich um ein relativ neues Gebiet. Hier lie- gen vergleichsweise noch wenig Er- fahrungen vor und die Nachbeobach- tungszeiten sind relativ kurz. Der Vorteil der Stimulation gegenüber der Läsionsmethode liegt vor allem darin, daß ähnlich wie bei der Tre- morbehandlung beide Seiten in einer Sitzung angegangen werden können.

Läsionen im STN wurden wegen der Befürchtung, daß es hierdurch zu ei- nem Hemiballismus kommen könne, nur in wenigen Zentren vorgenom- men (17b). Bei der unilateralen GPi- Stimulation werden, wie bei der Pal- lidotomie, vorwiegend die kontrala- teralen Parkinson-Symptome und Dys- kinesien gebessert (17a, 19, 80, 87).

Beobachtungen liegen in einzelnen Fällen für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren vor. Die simultane bilate- rale GPi-Stimulation ist bei Patien- ten mit fortgeschrittener Symptoma- tik und behindernden Dyskinesien hilfreich. Die Komplikationsrate ist relativ gering. Für unilaterale GPi- Stimulationen wurde gezeigt, daß es zu keinen wesentlichen Veränderun-

gen der kognitiven Funktionen kommt (91). Die Einstellung der Sti- mulationsparameter ist zeitaufwen- dig, da sie sowohl die komplexe

„off“-Symptomatik als auch die Dys- kinesien im „on“-Zustand berück- sichtigen muß. Bei guter Kontrolle der Dyskinesien wurden von man- chen Arbeitsgruppen Beispiele von vermehrtem Freezing und einer rela- tiven Zunahme der Akinese im „on“-

Zustand berichtet (40, 92). Dies wur- de in anderen Serien jedoch nicht be- schrieben. Es bleibt unklar, worauf diese unterschiedlichen Erfahrungen zurückzuführen sind. Es ist anzuneh- men, daß innerhalb des GPi Zonen existieren, welche durch die Stimula- tion in unterschiedlicher Weise mo- duliert werden (40).

Vielversprechende Ergebnisse werden bei der chronischen STN-Sti- mulation beobachtet (39, 41, 65, 8a).

Mit dieser Methode können eben- falls die „off“-Symptome der Parkin- sonschen Erkrankung signifikant ge- bessert werden. Initial wurde be- fürchtet, daß die Stimulation des STN zu einem Hemiballismus führen könne. Diese Bewegungsstörung war eine gefürchtete Komplikation der

funktionellen Stereotaxie in den 50er und 60er Jahren (49, 54). In der Tat können durch STN-Stimulation auch Dyskinesien evoziert werden und Le- vodopa-induzierte Dyskinesien sind primär weniger zugänglich als bei der GPi-Stimulation (66). Daß es den- noch im mittelfristigen Verlauf zu ei- ner Verminderung dieser Dyskinesi- en kommt, beruht wahrscheinlich darauf, daß bei der STN-Stimulation eine Reduzierung der Levodopa- Medikation vorgenommen werden kann. Das Versagen der Hardware beziehungsweise eine Entleerung der Batterie bei STN-Stimulation kann zu schwerster Verschlechterung des Parkinsonismus führen, zu einem so- genannten „super off“ (59). Bei re- trospektiven vergleichenden Unter- suchungen wurde eine günstigere Be- einflussung der akinetischen Sym- ptomatik durch STN-Stimulation als durch GPi-Stimulation gezeigt. Bei den geringen Fallzahlen sind derzeit noch keine abschließenden Empfeh- lungen möglich. Durch die chroni- sche Stimulation des STN kann auch eine Reduktion des Tremors erreicht werden (39). Die STN-Stimulation kann demnach auch bei Patienten mit im Vordergrund stehendem Tre- mor eine primäre Alternative zur Thalamusstimulation sein.

N

Neeuurroottrra annssp plla anntta attiioonn

Im Gegensatz zu den funktionel- len stereotaktischen Operationen handelt es sich bei der Neurotrans- plantation nach wie vor um eine ex- perimentelle Methode. Es wird ge- schätzt, daß bis Ende 1998 bei mehr als 300 Patienten weltweit fetale Transplantationen vorgenommen wurden (67). Die Strategie bei der Neurotransplantation zielt darauf ab, das fehlende Dopamin sozusagen vor Ort, im Striatum, zu ersetzen. Bei Tierexperimenten wurde klar ge- zeigt, daß das Donoralter entschei- dend für das Überleben der me- senzephalen Transplantate ist, und daß hierfür nur das Gewebe von Fe- ten 6,5 bis 9 Wochen post conceptio- nem verwendet werden sollte. Das Gewebe von bis zu acht Feten wird für eine bilaterale Transplantation benötigt (17). Die Ergebnisse nach Verwendung der Abbildungen mit freundli-

cher Genehmigung von: Springer Verlag, New York (Grafik 1), Lippincott-Raven, Philadel- phia (Grafik 2), und Michael Schneeberger (Abbildung 2).

Abbildung 5: Postoperatives Computertomogramm einen Tag nach bilateraler Implantation einer quadri- polaren Elektrode zur Dauerstimulation im thalami- schen VIM bei einem Patienten mit beidseitigem par- kinsonoidem Ruhetremor und Bewegungstremor

(8)

den ersten klinischen Studien waren inkonsistent. Mittlerweile wurden aber von verschiedenen Arbeitsgrup- pen positive Ergebnisse berichtet.

Während es bei der Transplantation von autologem Nebennierenmark teilweise gravierende Komplikatio- nen gab, ist das Operationsrisiko bei der Transplantation von fetalem Ge- webe vergleichsweise gering.

Mittlerweile ist deutlich gewor- den, daß die transplantierten Neuro- ne im Striatum von Parkinson-Patien- ten überleben können und auch eine Reinnervation induzieren können (38). Es wurde gezeigt, daß die Trans- plantation bei einzelnen Patienten über einen Nachbeobachtungszeit- raum von sechs Jahren eine funktio- nelle Besserung bringen kann. Es ist eher wahrscheinlich, daß die klini- sche Besserung auf das spezifische Transplantat zurückzuführen ist, als auf einen unspezifischen Effekt mit konsekutiver Stimulation von lokalen Wachstumsfaktoren. Aufgrund der ethischen Bedenken wird die Trans- plantation von fetalem Gewebe im- mer problematisch bleiben. Von der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer wurden kürz- lich Bedenken gegen weitere Heilver- suche und klinische Studien geäußert (94). In den USA werden derzeit Doppelblindstudien zur Neurotrans- plantation durchgeführt. Die vorläu- figen Ergebnisse aus Denver weisen nun erstmals zweifelsfrei die Effekti- vität der fetalen Neurotransplantati- on nach (Freed, persönliche Mittei- lung). Als alternatives Verfahren zur Transplantation von fetalem Hirnge- webe wird die Verwendung von Xe- notransplantaten erprobt (85).

A

Auussb blliicckk

Die chirurgische Behandlung der Parkinsonschen Erkrankung befindet sich zur Zeit in einer wichtigen Ent- wicklung. Trotz der positiven Resul- tate und dem relativ geringen Opera- tionsrisiko ist zu beachten, daß poten- tiell schwere Komplikationen auftre- ten können. Neben den dargestellten Verfahren gibt es weitere Therapie- ansätze wie die intrathekale Applika- tion von Wachstumsfaktoren oder die Implantation von Kapseln zur kon-

trollierten Abgabe von Transmittern und anderen Stoffen. Mögliche Per- spektiven bietet auch die Entwick- lung gentherapeutischer Verfahren (21). Die Verwendung von Stammzel- len könnte eine veritable Alternative zur fetalen Neurotransplantation sein. Bei der Wahl individueller The- rapiepläne, welche die medizinischen Probleme des einzelnen Patienten, aber auch seine spezifischen Lebens- umstände berücksichtigt, werden zu- künftig wahrscheinlich weiterhin ver- schiedene Techniken eingesetzt wer- den. Das größte Potential der nahen Zukunft liegt wahrscheinlich in der STN-Modulation.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-2149–2156 [Heft 34-35]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Son- derdruck beim Verfasser und über die Inter- netseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser

Priv.-Doz. Dr. med. Joachim K. Krauss Leitender Oberarzt

Neurochirurgische Universitätsklinik Klinikum Mannhein

Theodor-Kutzer-Ufer 1–3 68167 Mannheim

Das WHO-Projekt MONICA (Monitoring trends and determinants in cardiovascular disease), das über ei- nen längeren Zeitraum Einflußgrößen und Auswirkungen auf kardiovaskulä- re Erkrankungen untersucht, wurde jetzt veröffentlicht.

In der sehr heterogenen Populati- on (20 Nationen) ließ sich ein Rück- gang der Inzidenz der koronaren Herzkrankheit nachweisen, der in den westlichen Ländern am ausgeprägte- sten war. Auch die Zahl der soge- nannten koronaren Ereignisse (fata- ler und nicht-fataler Myokardinfarkt) war rückläufig (–2,1 Prozent), dagegen blieb die Fallletalität nahezu konstant

(– 0,6 Prozent). Die Bemühungen der Primärprophylaxe in der untersuchten Population sind als erfolgreich anzuse- hen. Die Bemühungen jedoch, mit modernen, konservativen wie auch in- terventionellen Verfahren die Morta- lität der KHK zu senken, blieben weit hinter den Erwartungen zurück. acc Tunstall-Pedoe H et al.: Contribution of trends in survival and coronary-event rates to changes in coronary heart dis- ease mortality: 10-year results from 37 WHO MONICA project population.

Lancet 1999; 353: 1547–1557.

Prof. Hugh Tunstall-Pedoe, Cardiovas- cular Epidemiology Unit, University of Dundee, Ninewells Hospital and Medical School, Dundee DD1 9SY, Großbritan- nien.

Mortalität bei koronaren Herzkrankheiten sinkt

Die Prävalenz des Asthma steigt weltweit an, in den USA von 3,5 auf fünf Prozent zwischen 1982 und 1992.

Bei vielen Patienten läßt sich gleich- zeitig ein gastroösophagealer Reflux nachweisen; in 40 Prozent findet sich eine erosive Ösophagitis, in 58 Pro- zent eine Hiatushernie und in über 80 Prozent ein pathologisches 24-Stun- den-pH-Profil. Die Autoren führten eine kritische Analyse publizierter Daten über den Einfluß einer Antire- fluxtherapie auf die Asthmasympto- matik durch. Eine Analyse der plaze- bokontrollierten Therapiestudien mit Protonenpumpenblockern zeigte, daß die Asthmasymptome sich unter ei- ner entsprechenden medikamentösen

Antirefluxtherapie bei 69 Prozent besserten, daß die Asthmamedikation bei 62 Prozent reduziert werden konnte und daß die Einsekundenka- pazität am Abend sich bei 26 Prozent verbessert zeigte. Die Spirometrie er- gab allerdings in den plazebokontrol- lierten Antirefluxstudien keine Ver-

besserung. w

Field SK, Sutherland LR: Does medical antireflux therapy improve asthma in asthmatics with gastrooesophageal re- flux? A critical review of the literature.

Chest 1998; 114: 275-283.

Divisions of Respiratory Medicine and Gastroenterology, Departments of Me- dicine and Community Medicine, Cal- gary Asthma Program and the University of Calgary, Alberta, Kanada.

Asthma und gastroösophagealer Reflux

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Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2003, 162 Seiten, kartoniert, 17,80 A Christoph Auernhammer, Dieter Engelhardt, Burkhard Göke, Klaus Parhofer (Hrsg.): Praxis- buch

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