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Kuoch, R. (1985). Erinnerungen - Erwartungen. In E. Wullschleger (Ed.), Mitteilungen / Eidgenössische Anstalt für das Forstliche Versuchswesen: Vol. 61/2. 100 Jahre Eidgenössische Anstalt für das forstliche Versuchswesen 1885-1985. Teil 2: Die EAFV heut

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Academic year: 2022

Aktie "Kuoch, R. (1985). Erinnerungen - Erwartungen. In E. Wullschleger (Ed.), Mitteilungen / Eidgenössische Anstalt für das Forstliche Versuchswesen: Vol. 61/2. 100 Jahre Eidgenössische Anstalt für das forstliche Versuchswesen 1885-1985. Teil 2: Die EAFV heut"

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Erinnerungen - Erwartungen Von ROLF KuocH

Worum es geht

Der Schreibende hat die forstliche Forschung aus der Nähe erlebt und vermag zudem eine ansehnliche Zeitstrecke zu überblicken. Im folgenden soll - vielleicht auf etwas eigenwillige Weise - der Jubilarin für ihre mannigfaltigen Verdienste ein bißchen Dank- barkeit erwiesen werden.

Ein erster Teil besteht weitgehend aus Erinnerungen. Dabei werden Personen und Teams, auch wenn sie Überragendes geleistet haben, selten namentlich erwähnt, ver- gleichbar gewissermaßen dem namenlosen Baum im dynamischen Geschehen eines Bestandes. Dasselbe gilt für die eingeflochtenen Reminiszenzen, die die Bilder der Zeit untermalen sollen. Ein zweiter Teil weist mehr in die Zukunft.

Blick zurück

Erste Kontakte

Unter den Vorkriegs-Gymnasiasten mögen sich einige zur Ergänzung auch anhand von Literatur auf das Berufsstudium vorbereitet haben, zum Beispiel mit altersgebrech- lichen Schmökern aus der Stadtbibliothek, Begriffe enthaltend wie Aufhiebe/Gestelle, Jagen/Schonung, Schlagreihe, Haubarkeitsalter, Dossierung und Birschsteige. Oder sie kannten beim Start an der ETH mehr einheimische Weidenarten als der Forstbotanikleh- rer, dafür wahrscheinlich weniger Exoten. Und weil die Anfangsvorlesungen durchwegs die Allgemeinbildung der Gymnasiasten zu vertiefen trachteten, stürzte sich mancher Jüngling mit Zeitgewinn und Eifer auf die «Mitteilungem> unserer Forstlichen Versuchs- anstalt. Können sich die zurzeit Aktiven überhaupt vorstellen, wie in der damaligen Umwelt die Arbeiten - beispielsweise über den Blattausbruch der Buche, über das Höhenwachstum der Baumarten, die Provenienz-, Durchforstungs- und Lichtungsver- suche, über einzelne «Forstschädlinge», die physikalischen Eigenschaften von Wald- und Freilandböden oder über den Einfluß des Waldes auf die Gewässer - mit Heißhunger verschlungen wurden, geradezu wie naturwissenschaftliche Krimis? Unsere Hochach- tung wäre wohl noch höher geklettert, hätten wir Anfänger zu erfassen vermocht, mit welch kleinen Arbeitsequipen und Kostenaufwänden die Erfolge erzielt worden waren.

Die von ausgesprochener Wissensspezialisierung unbelasteten Arbeitsabläufe und die in jenen Jahren ausführlichen Beschreibungen waren ausnahmslos für jedermann durch-

schaubar. Zwar gab es in jener frühen Epoche auch nichtforstliche Fachlektüre von ähn- lich brisanter Wirkung, etwa von W. Lüdi «Das große Moos» oder die ehrwürdigen

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Schriften der Geologen Beck, Heim und Lugeon. Gleichwohl waren die «Mitteilungen » dermaßen beherrschend, anregend und antreibend, daß sich der Studiosus beinahe zwangsläufig ein erhebendes Bild von der ihm unbekannten Versuchsanstalt machte.

Beeindruckend in den oberen Semestern war alsdann, wie sogenannte Überständer an forstlichen Koryphäen , darunter der legendäre Philipp Flury, uns Grünschnäbel als voll- wertige Anwärter der Forstgilde und kommende Anwälte des Waldes aufnahmen - nachhaltende Erlebnisse! Allerdings wurden damals meistens über den Akademischen Forstverein persönliche Kontakte mit Forschung , Bundesdienst , Praxis oder Universitä- ten hergestellt.

Aus kleinen Anfängen

In der Jugendfrische der Versuchsanstalt sind, wie angedeutet, zur Hauptsache grund- legend einfache Naturbeobachtungen bzw. Versuche angestellt worden (was seither frei- lich weder ausgeschöpft noch verboten wurde) . Dementsprechend war der Bestand an Personen und Hilfsmitteln (Schreib- und Rechenmaschinen, Kubiertrommel, Zeichen - und Meßgeräte usw.) sehr bescheiden . Dafür wurde offensichtlich das Gedächtnis sehr geschätzt: Wenn in vergangener Zeit ein Forsteleve für seine Semesterarbeit wegen Lite- raturhinweisen oder anderwe itigen Anregungen beim Sekretär der Versuchsanstalt vor- sprach , so griff dieser in das kleinstfächerige Wandregal ob seinem Pult (ohne jede Anschrift und gefüllt mit vorwiegend verstaubten Bündeln von Notizzettelchen) und zog nach kurzem , angestrengtem Überlegen mit sicherem Griff die gewünschten Hinweise heraus.

Die Meßinstrumente waren zwar schlicht und erschwinglich, wurden in der Regel aber en masse eingesetzt , wie z.B. die geeichten ausländischen Spezialthermometer. Oft wur - den die Resultate denn auch mit Kurven in Punktstreuungen dargestellt. Man kann sich vorstellen , daß den Ohrenzeugen jenes Geräusch noch lange unter die Haut ging, als zur Kriegszeit (Importsperre) beim Abbrechen der Versuchsanlage in Thusis der «gewichtig- ste» Mann, mit seinen Nagelschuhen rückwärts schreitend, auf das komplette Depot der eingesammelten Thermometer trat und, trotz der entsetzten Warnschreie der anderen, das Knirschen nicht mehr enden wollte.

Den forstlichen Aspiranten beeindruckte überdies die Tatsache , daß schon in dieser Pionierphase, die ungefähr bis zum Zweiten Weltkrieg dauerte, alle Grundprobleme der Forstwissenschaft bearbeitet worden waren , mehrmals sogar in bahnbrechender Weise.

Wem zu jener Zeit Literatur mit Kunstwaldzucht oder einseitiger Jagd nach Ertrag und Rentabilität gemäß Zins- und Zinseszinsrechnung das Leben vergällte, der genoß etwa die einheimischen «Mitteilungen» über Struktur und Wachstum des Plenterwaldes. Als weitere solche Forschungsdisziplinen aus jener Epoche seien ergänzend erwähnt: die Pflanzennachzucht (von der Samenernte bis zum Jugendwachstum), die Forsteinrichtung (von den Meßinstrumenten bis zu den Sortimentstafeln) und die Materialuntersuchungen an mehreren Holzarten. Lediglich der Waldbau im engeren Sinne kam an der EAFV, sofern man Ausgewogenheit für die Praxis fordert , (schon damals) deutlich zu kurz .

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Zur Spezialisierung

In der Kriegs- und Nachkriegszeit erlebte meine Generation bei Lehre und Forschung eine faszinierende Vertiefung des Naturstudiums. Das führte zu einer Erweiterung und Strukturierung der Versuchsanstalt und zu einer aufsplitternden Spezialisierung bei den Forschern. Hinzu kamen Wind und Licht aus dem Bereich Klima, Pflanzgartenbetrieb, Mikroökologie, Pflanzensoziologie, Bodenphysik, Arbeitstechnik, vegetative Vermeh- rung, Mykorrhizakunde und Gebirgsprobleme, letztere angepackt mit der Holzbrin- gungstechnik. Gleichzeitig mehrte sich in den «Mitteilungen» die Publikation von an der Eidg. Technischen Hochschule verfaßten Doktorarbeiten.

Aus alledem ergab sich an der EAFV ein Mehrbedarf an Verwaltung und Dienstlei- stung; anfangs entstand, zugegeben, eine etwas aufgesetzte Administration, die mit List ertragen wurde: Nachdem einem Sachbearbeiter auf irgendwelches Ersuchen vom Chef der Administration zuerst ein französisches Serienfeuer «non-non-non-non» entgegen- prallte, schickte man, gewitzigt, als Vorhut immer einen gewandten Mitarbeiter vor, der die möglichen Ablehnungsgründe auskundschaftete; daraufhin wurde dem Sachbearbei- ter im zweiten Anlauf das Gesuch in der Regel bewilligt. In freundschaftlicher Neckerei konnte man dem betreffenden «Romand» bei Autobestellungen ratenweise beibringen, daß unser Idiom über mehr als fünfzig Wörter für «Auto» verfügt.

Die Versuchsanstalt wurde mit der Zeit durch Photolabor, Schreinerei, mechanische Werkstätte, aber auch durch die Elektronik verstärkt, wobei sich diese rückwärtigen Dienste auf die Fronttruppe ausrichteten. Evolution in dieser Form darf uns mit Genug- tuung erfüllen. Kreisforstbeamte, die alle Amtsstubenarbeiten wie vor hundert Jahren im Einmannbetrieb zu verrichten haben, mögen meinetwegen scheele Augen machen.

Arbeit und Brot

Versuche an oder mit lebenden Objekten lassen sich nicht nach gewerkschaftlichem Stundenplan vollziehen und sind an sich überraschungsträchtig, manchmal zudem ausge- sprochen strapaziös. Ein Arbeitsteam muß daher wissen, um was es geht. Drei Wochen isoliert in einer - zu Beginn übrigens von Flöhen und Mäusen besetzten - windzügigen Baracke zu leben, in der die Temperatur nie über 3 °C kletterte, oder , wie seinerzeit die Arbeitstechniker am Kerenzerberg, wie Halbwilde zu hausen, verlangt engagierte Men- schen mit Gemeinschaftsgeist; denn das Einhalten der Arbeitsprogramme unter erschwerten Bedingungen erfordert Disziplin und lange Konzentrationszeiten. Gegen- wärtig würden manche dies, wie so vieles, negativ, als Streßsituation bezeichnen.

Besondere Anstrengungen kompensierte eine junge Arbeitsequipe trefflich mit Humor oder unzimperlichen Streichen: Auf einer großen farbigen Karikatur von symbolhaftem Gehalt meinte in einer bedrohlichen Situation (Zugseilbruch) der dazumal längste Mann der Versuchsanstalt, ohne je Hochsprungmeister gewesen zu sein, sich mit einem gewalti- gen Satz auf den Wipfel einer erwachsenen Rottanne retten zu können, während der an Körpergröße kleinste sich mit mächtigem Hechtsprung in einem Mausloch in Sicherheit brachte. - Wenn sich die Kubiertrommel gleichsam von Geisterhand bewegte und des-

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wegen die sie bedienende Jungfer erblaßte, so war die Trommel eben mit einer Maus ver- sehen worden, die nun ihr Jogging absolvieren wollte. - Daß die Ferienerinnerungsblu- men einer Dame, mit Niespulver versehen, bei genüßlichem Dufteinholen zu geräusch- vollen Auswirkungen führten, wurde - zu unserem Spaß - nicht sofort erkannt.

Der soziale Wandel bei der Versuchsanstalt folgte selbstredend dem allgemeinen Zei- tenlauf. Während Jahrzehnten bestand eine Hierarchie mit großen sozialen Abständen:

Nachdem der Direktor schweren und deshalb hörbaren Schrittes sein Büro im Physikge- bäude erreicht hatte, getraute sich der Sekretär kaum, mit anfänglich leisem und dann zunehmend stärkerem Anklopfen um eine Audienz nachzusuchen, die schließlich mit schallendem «Herein» gestattet wurde.

Die Löhne waren lange Zeit so knapp bemessen, daß viele Angestellte in aller Regel Lohnvorschüsse bezogen. Ein «Spezialist» in dieser Hinsicht kam einmal sogar mit seiner Steuerzahlung in Verzug; nachdem er angeblich in die Ferien verreist war, sah man ihn beim Klopfen städtischer Pflastersteine sich winden und wenden, um ja nicht erkannt zu werden. -Als einst ein Forstingenieur dem verehrten Ph. Flury seine Hochzeit ankündig- te, meinte dieser: «Eh, das ist jetzt dumm - aber am Montag nach der Heirat seid Ihr dann wieder in der Engadiner Versuchsfläche!» und so wurde die Hochzeitsreise wohl oder übel vertagt.

Mir erging es in der Folge schon bedeutend besser. Als ich, damals freierwerbend, dem Sekretär der Versuchsanstalt meldete, daß ich beim Wald- und Holzforschungsfonds nicht, wie vor Monaten abgemacht, am 3. Januar anfangen könne, weil ich in diesem Monat unerwarteterweise meinen militärischen Wiederholungskurs zu absolvieren hätte, wurde mir klargelegt, daß ich in diesem Fall erst auf den 1. Februar angestellt werde. Zu jener Zeit hatte der Sekretär in einer Person eben Administrator, Forscher, Studenten-

berater, Chefsekretär und Mädchen für fast alles zu sein. Desgleichen hielt ein und der- selbe Professor an der Forstschule Vorlesungen über Wildbachverbau, Lawinenverbau, Forstbotanik, Forstschutz, Forstverwaltung, Holzwirtschaft, Forstpolitik usw.

Bezeichnenderweise für diese Zeit arbeitete Ph. Flury auch dann weiter, als sein Seh- vermögen schon weidlich schlecht war, welches Gebrechen er aber zu tarnen suchte;

doch hörte er gut, was bei folgender Episode von Belang ist. Als auf der Engadinerstraße ein vorausgehender Mitarbeiter zum Nebenmann sagte: «Ei, wie ist diese Lärche rot», verkündete der nachkommende Flury, als er auf der Höhe der von ihm undeutlich wahr- genommenen Lärche ankam: «Seht da diese Lärche, die ist ja ganz dürr.» Die Lärche strotzte jedoch von Vitalität und weiblichen Blüten. - Mit diesen illustrierenden Begeben- heiten können sich die Zunftjüngeren den gesellschaftlichen Wandel nun selber ausmalen.

Wachstum in Raten

Sich aus kleinen Anfängen heraus sehr gemächlich zu entfalten, ist eine schweizeri- sche Tugend. Darum mußte einerseits die Erfüllung von Versprechen (z.B. die räumliche Selbständigkeit der Versuchsanstalt) wahrhaft erdauert werden. Anderseits zeigen Forst-

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leute einen beinahe übertriebenen Hang , für sich wenig zu verlangen und bei Raum - ansprüchen ohnehin nie zu überfordern.

So kam es, daß der Raumbedarf an der Forschungsanstalt bestenfalls kurzzeitig gedeckt war, auf die Dauer also ein echtes Engegefühl vorherrschte. Diese drangvolle Enge ließ uns ab und zu selbst hygienische Erfordernisse vernachlässigen: Das sonnen- lose und kleinste Arbeitszimmer an der Tannenstraße in Zürich (Anstaltssitz vor dem Umzug nach Birmensdorf), eine ehemalige Miniatur-Küche mit Fliesenboden und nur einem Heizungssteigrohr, brachte es im Winter auf eine Raumtemperatur von 13 bis

15 °C, dies aber wenigstens mit erstaunlicher Konstanz .

Als sich der betreffende Mitarbeiter darüber beklagte , wurde ihm verständnisvoll lächelnd empfohlen, einen Teppichresten vor die beiden schmalen Fensterflügel zu span- nen; nachträglich erlaubte man ihm immerhin einen Holzrost und eine elektrische Zusatzheizung. Darüber hinaus erfüllte dieses Küchenzimmerehen bei weitem nicht die zürcherische Minimalvorschrift betreffend Raumgröße. Kurz und gut, für die Visite der parlamentarischen Kommission, die den Neubau in Birmensdorf zu prüfen hatte, wurde diese Arbeitskabine an der Tannenstraße zum Demonstrationsobjekt erkoren.

In dem später bewilligten und mit sparsamsten Mitteln erstellten Gebäudekomplex auf Birmensdorfer Boden war mindestens anfänglich über die Mittagszeit so viel Raumreserve vorhanden, daß ein begabter Sänger den von ihm gegründeten Anstaltschor trainieren konnte, was der gemeinsamen Busfahrt von und nach Zürich sehr zustatten kam. Um der Wahrheit willen soll nicht übersehen werden, daß zwar frühzeitig eine kleine Raumreserve für «Birmensdorf» geplant war, die aber - nach dem Parkinsonschen Gesetz vom Raum - Vakuum - einem tüchtigen Mitglied zu erobern erlaubt wurde.

Auch die Personalentwicklung an der forstlichen Forschungsstätte beruhte akkurat auf schweizerischer Tradition. Die Anzahl Leute, die auf ein bestimmtes Sachgebiet angesetzt waren, wurde nicht aus Prestige- oder Hierarchiegründen erhöht ; seit Beginn blieb die Personenzahl mit dem Aufgabenkatalog und der forschungswichtigen Dimen - sion fest verkoppelt. Daher konnten Dynamik, Phantasie und Entschlußkraft der Wis- senschafter fortdauern, das Vertrauen in die eigene Kraft sowie das Ringen n.ach Wahr- heit bewahrt werden. Aus diesen Gründen war und ist die positive Kritik jüngerer Mit- arbeiter oder Junggebliebener nicht nur gestattet, sondern erwünscht. Das Verhältnis zwi- schen Arbeitserfolg und Arbeitsaufwand darf bei der Versuchsanstalt als günstig bezeich- net werden.

Der Dienstleistungssektor machte die Spezialisierung ebenfalls mit, wurde indessen auf der Geräteseite kostspielig. Sodann wuchsen die derzeitigen differenzierten Füh - rungsstrukturen heran . Die Erkenntnis, daß mit der Vergrößerung des Betriebes die Füh- rungsfähigkeit des Chefs immer ausschlaggebender wird, unterlag freilich der im Forst - wesen nicht unbekannten Keimruhe. Mit dem heutigen Gefüge und Instrumentarium ist man indessen handlungsfähig und genügend agil (Beispiele: Landesforstinventar, Sana - silva und andere).

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Blick nach vorn

Sicherheit und Klippen

Fragen wie Pflanzennachzucht , Forsteinrichtung, forstliche Ökologie, Waldbau, Forstschutz, Aufforstungen usf. werden für die Forschung dauernd aktuell bleiben, obschon sich die forstlichen und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen laufend ändern, wie z.B. die Bedeutung des Waldes in Wirtschaft, Kultur und Weltbild. Dazu kann und muß ein Forscher ja nicht ausschließlich Fundamentales aufgreifen, zumal auf solide Grund lagen abgestellt werden darf , die nicht jede kurzlebige Schwankung oder Mode mitmachen. Insofern befindet sich die Forschung in einer begrüßenswerten 1 Sicherheit.

Neben dem Fortdauernden wird aber so vieles in Bewegung bleiben, daß man sich auch gegen Gefahren wappnen muß. Beispielsweise führen Spezialisierung und neu- zeitliche Rekrutierung des Korps dazu, daß der Anteil an Wissenschaftern , die über keine forstpraktischen Erfahrungen verfügen, bei der Versuchsanstalt anwächst . Die unentbehrliche Zusammenarbeit und die gegenseitige Ergänzung von Praxis und For- schung erheischen ein besonderes Augenmerk (siehe unten).

Die Benützung des Computers mag dazu verleiten, vornehmlich das leicht in Zahlen Umsetzbare zum Wesentlichen zu erheben, z.B. bei der Charakterisierung der Lebens - gemeinschaft Wald mit ihrem extrem hohen Raumbedarf. Jede Methode oder Maschine ist nur ihrer Qualität gemäß und gewiß nicht beliebig einsetzbar - keinesfalls ist sie Selbstzweck.

Eine weitere Klippe droht Forschung und Praxis durch die Papierflut. Es ist darum sehr zu begrüßen, daß die Versuchsanstalt neben den bewährten Reihen der «Berichte»

und der «Mitteilungen» zusätzliche Informationsmittel erwogen hat, um weithin in jeder Sparte und auf jeglicher Stufe gehört zu werden und als Ferment wirken zu können.

Je personalintensiver und verschlungener die Forschungsorganisation wird, desto mehr kann der einzelne theoretisch seine Individualität verlieren, Intrigen zum Opfer fal- len, statt Kreativität zu üben, zum «Apparatschik» hinneigen oder sich schlimmstenfalls zum Parasiten entwickeln. Dem steuert die interne Kaderschulung entgegen, wie sie an der Versuchsanstalt seit Jahren zielgerichtet und mit Ausdauer erarbeitet wird (Stichwort

«Waldschrat»).

Führungsschwächen von Regierungen , Lehrkörpern und Dienststellen sind zeitgemäß geworden. Es schleicht sich zu oft, insbesondere beim Bund , zuweilen auch bei Kanto - nen, die verhängnisvolle Praxis ein (könnte Inhalt eines Parkinsonschen Gesetzes wer- den), daß Sachbearbeiter, das Vakuum füllend, die politischen Entscheide vorwegnehmen und (eigene) Politik zu betreiben beginnen. Vor dieser Klippe schlingert das Schiff Ver- suchsanstalt um so ausgeprägter, je weniger in gleichgestellten Institutionen geführt wird oder wo diese ihre Verantwortung nach Birmensdorf abzuschieben geneigt sind. An einer Forschungsstätte wird sich deshalb jeder Mitarbeiter der engen politischen Handlungs-

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freiheit gegen außen und innen bewußt bleiben: Bundespolitik und Wissenschaft sind zwei getrennte Ordnungen. Wie weit im Einzelfall politische Stabsarbeit zu leisten ist, wird an der EAFV wie eh und je der Direktor allein bestimmen und verantworten.

Angewandtes Forschen

Es wäre bestimmt anmaßend, die schweizerischen Leistungen mit jenen ausländischer Forschungsinstitute vergleichen zu wollen. Zwei sehr allgemeine Bemerkungen seien immerhin erlaubt. Von Mitarbeitern unserer Versuchsanstalt wurden bisher keine Publi- kationen veröffentlicht , die zur Hauptsache mit Neudefinitionen alterprobter Begriffe geglänzt hätten (um auf diese Art scheinbar obenaufschwimmen zu können). Ein Sonder - thema sind die Plagiate; davon werden aber höchstens der Anstandskodex und das Ur- heberrecht der Versuchsanstalt betroffen. Die Publikationen über die Anstaltsforschun- gen sind von Abis O lobenswert objektiv und anständig; so soll es bleiben.

Zum einen können und sollen bei der angewandten Forschung die Ergebnisse mög- lichst rasch überall Eingang finden, vom Praktiker begriffen und verwendet werden. Hier- aus dürfte abzuleiten sein, daß der einzelne Forscher kein ewiges Gedenken beanspru- chen darf; er ist vielmehr ein Glied in der Kette. Zum andern dient angewandtes Forschen maßgeblich der Forstpolitik nach dem Motto «Bessere Grundlagen - stärkere Überzeu- gungskraft». Weil bei allen Menschen Emotionen hineinspielen, ist dem Politiker nicht zu verargen, wenn er schließlich mit den politisch wirksamen Mitteln arbeitet und nicht vor- wiegend mit Sachzwängen oder Sachlogik. Die Versuchsanstalt wird diese Zusammen- hänge gebührend berücksichtigen und damit auch künftig bemerkenswerte Erfolge ver- buchen.

Ausbau und Spezialisierung bei der forstlichen Forschung entfremden die EAFV ver- ständlicherweise in mehr oder weniger großem Maße dem praktischen Forstdienst. Frag- los kann man mit vielseitiger Weiterbildung der Forstingenieure, Förster, Forstwarte, Waldbesitzer und der Öffentlichkeit einem Auseinanderklaffen von Forschung und Pra- xis begegnen. Um aber, als Vordringlichstes, das Ingenium unserer Versuchsanstalt wei- terzupflanzen und die Saat dicht und regelmäßig aufgehen zu lassen, ist ein sehr intensi- ver direkter Kontakt vorab mit den Forststudenten unentbehrlich - wie er früher vom einen und anderen gepflegt wurde, als Lehre und Forschung keine hundert Meter vonein- ander entfernt waren . Der bei der Versuchsanstalt geschaffene Hör - und Arbeitssaal ist die sichtbare Bestätigung dieser Notwendigkeit und Zeichen eines ersprießlichen Anfangs.

Erwartungen

Je tiefer die Forschung eindringt, um so komplizierter und umfassender wird das Bild vom Wald, von seiner Pflege und seiner Funktionserfüllung. Mit der sich beschleunigen- den Fortentwicklung der Technik und des Wissens und mit unserer sich rasch verändern - den Umwelt benötigt die Forschung aber immer mehr Vorsprung, um der Forstpraxis und

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der Forstpolitik überzeugend neue , entscheidende Zusammenhänge vorlegen zu können.

Sollen die zur Wacht am Wald Berufenen den Anstoß zum Handeln rechtzeitig geben können, müssen die Ziele immer früher gestellt werden . Ein Teil der Forstdienste wird wegen unzweckmäßiger Organisation oder Führung die dafür nötige Imagination und Vernunftsarbeit nicht erbringen können. Die Aufgaben müssen von jenen, die vorausden- ken, auch ausgearbeitet und zur Lösung geführt werden. Die sich dabei ergebenden Schwierigkeiten werden auch für die Versuchsanstalt sprunghaft zunehmen.

Ohne Mühe könnten noch manche Wünsche vorgebracht werden, so etwa das Ein- bauen der Forschung über die ideellen Werte des Waldes in das Bewußtsein unserer Gesellschaft. Solche Hoffnungen sind ganz und gar nicht unbegründet. Mancher wird wohl auch Begehren vorrangig an das Bundesamt für Forstwesen als fachliches Füh - rungsamt, an die Eidg. Technische Hochschule als Erziehungsstätte der Forstakademiker und an den Schweizerischen Forstverein als Korps der berufenen Hüter des Waldes und aller seiner Aufgaben richten wollen. Doch wer sich den parallelen, aber ungleich rasch fortschreitenden Marsch der einzelnen forstlichen Institutionen vergegenwärtigt, stellt hier etwelche Unterschiede zugunsten der initiativ und straff geleiteten Versuchsanstalt fest.

Gratulation und Glückwunsch

Die Versuchsanstalt hat es verstanden, schöpferisch zu bleiben, gewissenhaft nach Wahrheiten zu suchen und richtungsweisend an der forstlichen Zukunft mitzuarbeiten;

umfassender ausgedrückt: dem Wald, seinen Betreuern und unserem Volk zu dienen.

Die forstliche Forschung möge im Bewußtsein der Politiker und der Öffentlichkeit bald einmal den ihr zustehenden Platz finden sowie, von glücklicher Hand ausgelesen, stets tüchtiges Personal erhalten. Und als Wichtigstes : Möge auf der Jubilarin ein weite- res Jahrhundert der Segen ruhen!

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