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Archiv "X. Humanitärer Kongress: Hilfe für die Patienten oder Hilfe für das System?" (14.11.2008)

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A2444 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 46⏐⏐14. November 2008

P O L I T I K

W

as wollen Sie denn in Afri- ka? Seien Sie doch mal ein bisschen zielstrebig, und denken Sie an Ihre Karriere hier.“ Der Chef von Dr. med. Reiner Klinkott war wenig erbaut von den Plänen des jungen Arztes, eine Auszeit zu nehmen, um medizinische Hilfe in einem Ent- wicklungsland zu leisten. Klinkott ist kein Einzelfall. Der Mangel an medi- zinischem Nachwuchs in Deutsch- land fördert das Verständnis für sol- che Auszeiten nicht. Das große Inter- esse vor allem junger Ärztinnen und Ärzte und Medizinstudierender am inzwischen X. Humanitären Kon- gress belegt indes, wie wichtig vielen das Thema ist und wie groß der Wunsch, selbst in der Not- und Katas- trophenhilfe oder der längerfristigen Entwicklungshilfe zu arbeiten.

Die Veranstaltung am 24. und 25.

Oktober in Berlin stand in diesem Jahr unter dem Motto: „Patient oder Gesundheitssystem zuerst? Worauf sollte sich die medizinische huma- nitäre Hilfe heute konzentrieren?“

Veranstalter waren die Ärztekam- mer Berlin sowie die Hilfsorganisa- tionen Ärzte ohne Grenzen, Ärzte der Welt, das Deutsche Rote Kreuz und Medair. Bei der thematischen Vorgabe prägte denn auch der Be- griff der Nachhaltigkeit medizini- scher Hilfe die Debatte.

Einen Meilenstein stellt in diesem Zusammenhang sicherlich die Dekla- ration von Alma Ata dar, die 1978

Gesundheit als Menschenrecht defi- nierte und ganz in diesem Sinn auf den Auf- und Ausbau von Basisge- sundheitsdiensten (Primary Health Care) setzte, die für alle zugänglich sind. Der Ansatz wurde zum politi- schen Modell für globale Gesundheit.

30 Jahre später stellt sich nun die Frage, ob sich Primary Health Care und humanitäre medizinische Hilfe ergänzen oder ob nicht vielmehr die medizinische Nothilfe das Versagen von Gesundheitssystemen kaschiert und kompensiert. Dazu kommt, dass sich in den 80er- und 90er-Jahren der gesundheitspolitische Schwerpunkt weg von der öffentlichen Gesund- heit hin zu eher krankheitsbezoge- nen Ansätzen verlagert hat.

„Dieses sehr selektive Vorgehen medizinischer Hilfe hat dazu geführt, dass Fragen der Infrastruktur ver- nachlässigt wurden“, sagte Prof. Dr.

David Sanders, Direktor der School

of Public Health der University of the Western Cape. Der Südafrikaner lie- ferte in Berlin eine kritische Analyse der derzeitigen Situation. Die ärme- ren Länder seien extrem abhängig von einer Vielzahl privater Spender wie der Bill-und-Melinda-Gates-Stif- tung, die Prioritäten setzten.

Das geschehe oft unkoordiniert und werfe die Frage der Nachhaltig- keit auf, so Sanders. Der Regierungs- berater ist selbst ein Verfechter der Primary-Health-Idee. „Thailand und Brasilien sind die besten Beispiele dafür, dass der Ansatz funktioniert“, erklärte Sanders. Die Fortschritte, die beide Länder insbesondere bei der Aids-Bekämpfung gemacht ha- ben, gehen vor allem auf das Konto eines funktionierenden öffentlichen Gesundheitswesens, das allen Be- troffenen den Zugang zur medizini- schen Versorgung ermöglicht.

Das Dilemma zwischen Public Health und medizinischer Nothilfe thematisierte Dr. med. Frank Dörner.

„Humanitäre Hilfe wird aus Krieg und akuten Krisen geboren. Es ist nicht unser primäres Ziel, Entwick- lungshilfe zu leisten“, sagte der Ge- schäftsführer der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen. Diese Trennung beider Bereiche führe aber nach Ansicht von Dörner zu immer neuen Herausforderungen für die Helfer: Wie geht man mit der „chro- nischen Krise“ HIV/Aids um? Was können schlecht ausgebaute Ge- sundheitssysteme leisten, wenn sich die Hilfsorganisationen zurückzie- hen? Ärzte ohne Grenzen hat die Fragen zum Teil beantwortet. Im Be- reich HIV/Aids engagiert sich die Organisation abweichend von ihrem ursprünglichen Konzept der reinen Not- und Katastrophenhilfe auch in längerfristigen Projekten – allerdings unter der klaren Vorgabe: „Die lei- denden Patienten haben Vorrang.“

Dörners Vorvorgängerin im Amt, Ul- rike von Pilar, konnte das aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Gerade von einem Einsatz in Malawi zurückge- kehrt, einem der ärmsten Länder Afrikas, sagte sie: „Nachhaltigkeit kann in extrem armen Ländern nicht das Ziel sein. Die gibt es dort in naher Zukunft einfach nicht. Aber die Men- schen sterben jetzt.“ n Heike Korzilius

X. HUMANITÄRER KONGRESS

Hilfe für die Patienten oder Hilfe für das System?

Nachhaltigkeit fordern die meisten Spender, wenn sie Geld für ein Hilfsprojekt geben.

Nachhaltig wirken würden am liebsten auch die meisten Helfer. Mit diesem Anspruch scheitern sie häufig an der Wirklichkeit.

Foto:Caro

Die Organisation Ärzte ohne Gren- zen engagiert sich abweichend von ihrem ursprüngli- chen Konzept der reinen Not- und Katastrophenhilfe auch in längerfristi- gen Projekten.

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