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Archiv "Afghanistan: Zwischen humanitärer Hilfe und Geschäft" (16.04.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 15

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16. April 2010 A 727 AFGHANISTAN

Zwischen humanitärer Hilfe und Geschäft

Private Anbieter versuchen, die Lücken in der medizinischen Versorgung ziviler Helfer zu schließen.

A

fghanistan zählt nach wie vor zu den am stärksten vermin- ten Ländern der Welt; zudem ist die Infrastruktur nach 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg weitgehend zer- stört. In- und Ausländer sind durch Entführungen, Selbstmordattentate und auch offene Kampfhandlungen bedroht. Aber nicht nur Gewaltakte gefährden die Gesundheit der Men- schen. Die medizinische Versor- gung ist nur rudimentär ausgebaut und oft qualitativ schlecht, so dass auch vermeintlich banale Erkran- kungen bedrohlich werden können.

Im Gegensatz zu vielen anderen Entwicklungsländern, in denen es zumindest in der Hauptstadt private Krankenhäuser mit internationaler Qualität gibt, sind Schwerpunkt- oder gar intensivmedizinische Ver- sorgungsmöglichkeiten in Afgha- nistan nicht vorhanden. Es gibt aber eine zahlungskräftige Nachfrage nach derartigen Angeboten. Denn am Wiederaufbau des Landes arbei- ten vor Ort viele gut bezahlte inter- nationale Berater, humanitäre Hel- fer und Mitarbeiter privater Sicher- heitsdienste. Bei ernsthafter Er- krankung lassen sich diese – ebenso wie Afghanen, die es sich leisten können – im Ausland behandeln.

Zur Akutversorgung können die Pa- tienten auf die Gesundheitsinfra- struktur des ausländischen Militärs hoffen. Nach der Akutphase werden die Betten aber wieder für die NATO-Soldaten freigehalten.

Einige private Anbieter versu- chen, die Lücken in der medizini- schen Versorgung zu schließen oder zumindest zu verkleinern. So gibt es in Kabul seit ein paar Jahren ein Unternehmen, das medizinische Versorgung für die Akteure des zi- vilen Wiederaufbaus anbietet. Ver- träge werden zum Beispiel mit Fir- men oder Nichtregierungsorganisa- tionen geschlossen. Für internatio- nale Mitarbeiter liegen die Kosten dabei dreimal höher als für afghani-

sche. Als Quasimonopolist können die Preise fast beliebig festgelegt werden. Die Verträge beinhalten die kostenfreie Behandlung in der Notfallpraxis des Unternehmens in Kabul, wo die internationalen Mit- arbeiter von internationalem Per- sonal, die afghanischen von ent- sprechend schlechter bezahltem afghanischem Personal behandelt werden. Bei Bedarf werden auch Hausbesuche oder Krankentrans- porte durchgeführt. Bei ernsthafter Erkrankung kann eine stationäre Versorgung organisiert werden, in

der Regel in einem der NATO-Mili- tärkrankenhäuser. Falls notwendig, wird ein medizinischer Evakuie- rungsflug (meist nach Dubai) orga- nisiert und die dortige stationäre Weiterversorgung in einer Privat- klinik mit westlichem Standard an- gemeldet. Die hohen Kosten für einen Evakuierungsflug sind durch die zusätzlich abzuschließende Rückholversicherung des Patienten

gedeckt. Im Todesfall kann die Rückführung des Leichnams in das Heimatland organisiert werden, die per Linienflug durchgeführt wird.

Die Evakuierungsflüge hinge- gen werden mit einer gecharterten kleinen Propellermaschine durch- geführt, in der Patient, Arzt, Para- medic und die mitgebrachten not- wendigen Gerätschaften (Trage, EKG-Monitor, Defibrillator, Beat- mungsmaschine) gerade genug Platz finden. Die Krankheitsbilder der zu evakuierenden Patienten rei- chen von nichtlebensbedrohenden Notfällen wie Frakturen, die im Land nicht osteosynthetisch versorgt werden können, über durch die Mi- litärärzte vorbehandelte internisti- sche Erkrankungen, für die vor Ort keine Weiterbehandlungs- bezie- hungsweise Rehabilitationsmöglich- keit bestehen, bis zum akuten Herz- infarkt, der zum Herzkatheter aus- geflogen werden muss.

In der Notfallpraxis werden die Patienten hauptsächlich mit recht harmlosen Krankheitsbildern vor- stellig. Viele leiden unter Magen- Darm-Grippe oder hartnäckigen Er- kältungen, mitverursacht durch die allgemeine Keim- und Schadstoffbe-

Die internationalen Patienten wollen von westlichen Ärzten behandelt werden.

Für seine zah- lungskräftigen Kunden organisiert das private Ret- tungsunternehmen auch Evakuierungs- flüge, wie hier nach Dubai. Der Krankenwagen holt die Patienten auf dem Rollfeld ab.

Fotos: Erika Kipping

S T A T U S

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A 728 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 15

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16. April 2010 lastung der Luft. Einige der Interna-

tionalen suchen nach ungeschütztem Verkehr den Arzt mit der Angst vor Geschlechtskrankheiten auf. Andere Patienten haben in ihrem Heimatland gar keinen Hausarzt mehr, weil sie schon seit Jahren in Entwicklungs- ländern im Einsatz sind. Manche lei- den wegen der psychischen Dauer- belastung unter Schlafstörungen und wollen einfach nur mal reden.

Einige typische Herausforderun- gen organisatorischer und qualita- tiver, aber auch ethischer Art er- schweren die Arbeit einer solchen Organisation. Wie an der Preisge- staltung erkennbar, scheint es für die internationalen Patienten vor al- lem wichtig zu sein, von westlichen Ärzten und Sanitätern behandelt zu

werden. Die Rekrutierung von mo- tiviertem und qualifiziertem Perso- nal in ein Land wie Afghanistan ist allerdings schwierig. Die persönli- che Freiheit der dort arbeitenden Ausländer wird durch strikte Si- cherheitsbestimmungen stark ein- geschränkt. So hält man sich haupt- sächlich auf von Mauern und Sta- cheldraht umgebenen Grundstü- cken auf; es wird empfohlen, alle Wege mit dem Auto zurückzulegen.

Durch die Zusammenarbeit mit dem Militär ergeben sich weitere Probleme. Nicht nur die Sprachen- vielfalt der NATO, auch die Sicher- heitsbestimmungen erschweren die Weiterbetreuung der in Feldkranken- häusern untergebrachten Patienten.

Um sie zu visitieren, müssen zunächst die am Eingang des Militärlagers wachhabenden und häufig nicht Eng- lisch sprechenden Soldaten davon überzeugt werden, die Mitarbeiter des Rettungsunternehmens hineinzulas- sen. Die behandelnden Ärzte können oft nicht erreicht werden, weil das Mo- bilfunksignal aus Angst vor per Handy ferngesteuerten Anschlägen von den Militärs regelmäßig gestört wird.

Weitere Herausforderungen er- geben sich durch das Angewiesen- sein auf die vor Ort vorhandenen Ressourcen. Der afghanische Staat

ist nicht in der Lage, den medizini- schen Privatsektor zu regulieren.

Jeder, der sich dazu berufen fühlt, kann ein Labor, eine Röntgen- oder gar „Arzt“-Praxis eröffnen, ohne mit Qualitätskontrollen rechnen zu müssen. Das Gleiche gilt für in Af- ghanistan verkaufte Medikamente.

Man kann daher nicht davon ausge- hen, dass sie tatsächlich den auf der Packung angegebenen Wirkstoff in der angegebenen Menge enthalten.

Im Ergebnis gibt es in Afghanistan eine Zweiklassenmedizin. Einerseits erleichtert das private Angebot die Arbeit der internationalen Helfer, die ansonsten noch größeren Gefahren ausgesetzt wären. Andererseits ist es für die Einheimischen in der Regel unbezahlbar. Immerhin organisiert das profitorientierte Unternehmen für Einheimische kostenfreie Evaku- ierungsflüge innerhalb Afghanistans.

So rettete der rasche Transport aus der Provinz in die Hauptstadt einem zweijährigem Mädchen mit Menin- gitis wohl das Leben. Es wurde in Kabul erfolgreich weiterbehandelt und konnte nach wenigen Tagen ge- sund nach Hause zurückkehren. ■ Dr. med. Erika Kipping*

*Die Autorin war für einige Monate in dem hier beschriebenen privaten afghanischen Gesund- heits- und Rettungsunternehmen tätig.

Einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) kann in einem einstweiligen Verfahren die Zulassung wegen Abrechnungsfehlern ent- zogen werden. Das hat das Landessozialge- richt (LSG) Berlin/Brandenburg entschieden.

Ein Vertragsarzt sowie ein MVZ sind zur genauen Abrechnung der erbrachten Leistun- gen verpflichtet; dies gehört zu den essen- ziellen Grundlagen der vertragsärztlichen Ver- sorgung. Im entschiedenen Fall hatten der Zulassungsausschuss und die Kassenärztli- chen Vereinigung (KV) eine gröbliche Pflicht- verletzung festgestellt, zum Beispiel Falsch- abrechnungen auf nichtvergebene Arztnum- mern. Diese Pflichtverletzungen lassen eine Fortsetzung der Tätigkeit durch das MVZ nach Auffassung des LSG unzumutbar er- scheinen, weil das Vertrauensverhältnis zwi- schen Leistungserbringern und vertragsärztli-

chen Institutionen in einem sensiblen Bereich betroffen ist. Für Rechtsverstöße in Bereichen wie Abrechnung oder Wirtschaftlichkeitsprü- fung hat das MVZ ausschließlich und nicht nur nachrangig nach den pflichtwidrig han- delnden Ärzten einzustehen.

Die Rechtsauffassung des MVZ, durch Be- nennung eines ärztlichen Leiters beziehungs- weise dessen Erwähnung im Zulassungsbe- scheid sei es von den die Abrechnung betref- fenden Pflichten gegenüber der KV befreit, trifft nach Auffassung des Gerichts nicht zu.

Zwar verantwortet der ärztliche Leiter sämtli- che medizinischen Pflichten, dass ihm dies nicht nur intern, sondern auch im Außenver- hältnis gegenüber der KV obliegt, ist dem Zu- lassungsbescheid aber nicht zu entnehmen.

Eine derartige rechtliche Konstruktion – das Auseinanderfallen von Zulassungsinhaber-

schaft und Verantwortlichkeit im Außenverhält- nis – würde eine solche Besonderheit darstel- len, dass sie einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft hätte.

Zwar führt ein umgehender Zulassungsent- zug zu schwerwiegenden finanziellen Nachtei- len, angesichts des Gewichts der MVZ-Verfeh- lungen einerseits und der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Zulassungsentziehung an- dererseits müssen im vorliegenden Fall nach Auffassung des Gerichts aber die finanziellen Nachteile hinter der anderenfalls gefährdeten Funktionsfähigkeit der Versorgung zurückste- hen. (Landessozialgericht Berlin/Brandenburg, Beschluss vom 9. Februar 2010, Az.: L 7 KA 169/09 B ER)

Gegen diesen Beschluss des LSG wurde erfolgreich eine Verfassungsbeschwerde ein- gelegt. Damit ist der sofortige Vollzug vorläufig ausgesetzt. (Bundesverfassungsgericht, Az.: 1 BvR, 722/10) RAin Barbara Berner

RECHTSREPORT

Umgehender Zulassungsentzug bei Abrechnungsfehlern

Nach 30 Jahren Krieg ist die medi- zinische Versorgung

im Land nur noch rudimentär ausge- baut – die zerstörte Kabuler Uniklinik.

S T A T U S

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