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Archiv "Gesundheitspolitik/Medizinische Orientierung – Immer dringender: Evaluation von Gesundheitszielen und Leitlinien" (09.04.1999)

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Academic year: 2022

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ährend in der öffentlichen Diskussion die Fragen der Finanzierung des Gesund- heitswesens mit den Schlagwörtern

„Beitragsstabilität“ und „Beitragsge- rechtigkeit“ im Vordergrund stehen, gibt es eine große Zahl von der Politik bisher nur wenig aufgegriffener Emp- fehlungen des Sachverständigenrates, die den Handlungsbedarf im eigentli- chen Medizingeschehen betreffen.

Das gilt besonders für die Arbeit an Gesundheitszielen, aber auch für die Einführung von Leitlinien. Ferner sollte das Verhältnis von Leistung und Ergebnis sowie Aufwand und Ertrag im Mittelpunkt stehen. Das unabding- bar Notwendige der medizinischen Versorgung muß vom lediglich Wün- schenswerten oder sogar Überflüssi- gen besser abgegrenzt werden.

Mehr Ergebnisorientierung im Gesundheitswesen setzt klare Vor- stellungen über dessen Aufgaben und Ziele voraus. Rationale Gesundheits- politik erfordert ein durchdachtes Zielsystem. Ein häufig gewünschter Soll-Ist-Vergleich, der die Beurteilung des Gesundheitswesens erleichtert, verlangt, übergreifende und einzelne Ziele der Krankenversorgung und ge- sundheitlichen Betreuung der Bevöl- kerung zu definieren. Das erlaubt dann auch, Überlegungen anzustel- len, wer sie wirksam verfolgen könnte (Träger). An den Beispielen einer Krankheitsart (Diabetes mellitus) und einer Präventionsaufgabe (Jod- prophylaxe) kann man zeigen, wie man zu ganz konkreten Zielen und ih- rer Umsetzung kommen kann.

Die Formulierung von Gesund- heitszielen*) (1995, Nr. 57 ff.) ist eine politische Aufgabe, an der Betroffe- ne, zum Beispiel bei der Prävention alle Betroffenen, und professioneller Sachverstand zusammenwirken müs- sen. Nur so lassen sich eine zielgerech- tere Allokation von Mitteln errei- chen, Verantwortlichkeit festschrei- ben und rationalere Strategien erar- beiten (1994, Nr. 36 ff.).

Gesundheitsförderung und Prävention

Unter Gesundheitsförderung sol- len allgemeine Maßnahmen verstan- den werden, die im Einzelfall nicht von der Mitwirkung eines Arztes abhängig sind (Sport, gesunde Er- nährung). Zur Prävention (primäre, sekundäre und tertiäre) gehören da- gegen Versorgungsaufgaben, bei de- nen unter anderem auch Ärzte mit- wirken.

Nach Klarstellung der Begriffe (1994, Nr. 220) sind für jedes Präventi- onsziel das Verhältnis von einem Mehr an Gesundheit und Verbesse- rung der Lebensqualität zu den Ne- benwirkungen der Präventionsmaß- nahme (zum Beispiel Impfungen) und das Verhältnis der zunächst anfallen- den Kosten und der später zu erwar- tenden Erträge darzustellen. Voraus- setzungen für eine der gesamten Be-

völkerung oder einer Risikogruppe zu empfehlenden Vorbeugung sind unter anderem (1995, Nr. 136 ff.),

– daß die zu vermeidende Ge- sundheitsstörung medizinisch rele- vant ist und mit ausreichender Häu- figkeit vorkommt,

– daß die geplante prophylakti- sche Maßnahme zuverlässig wirksam ist,

– daß der Aufwand vertretbar ist und

– daß die Prophylaxe selbst kein unvertretbares Risiko mit sich bringt.

Die wissenschaftlichen Gesell- schaften und ihre Dachorganisation (Arbeitsgemeinschaft Wissenschaft- lich-Medizinischer Fachgesellschaf- ten, AWMF) sind aufgefordert, Prä- ventionsmaßnahmen in den verschie- denen Gebieten zu evaluieren und im Sinne einer Prioritätenliste zusam- menzutragen.

Auf der Basis dieser wissen- schaftlichen Erkenntnis müssen dann die Zustimmung der Betroffenen durch Aufklärung eingeworben und die Umsetzung politisch durchgesetzt werden. Hierzu sind Anreizmechanis- men zu installieren. So könnte bei- spielsweise die Verwendung von jo- diertem Speisesalz in der Nahrungs- mittelherstellung durch Befreiung von der Mehrwertsteuer gefördert werden; dem Normalgewichtigen könnte man einen Bonus beim Kran- kenkassenbeitrag gewähren, die Ein- künfte durch Erhöhung von Tabak- und Alkoholsteuer ließen sich der Fi- nanzierung von Präventionsmaßnah- men zuführen und so weiter. ! A-910 (34) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 14, 9. April 1999

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Gesundheitspolitik/Medizinische Orientierung

Immer dringender: Evaluation von Gesundheitszielen und Leitlinien

Durch konsequentes rationales Handeln im Medizinbetrieb kann die drohende Enge der finanziellen Mittel und

der Ressourcen erheblich erträglicher gestaltet werden.

Peter C. Scriba

W

*) Jahreszahlen und Textziffern beziehen sich auf die Sondergutachten des Sachverständi- genrates für die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen, Nomos-Verlag, Baden-Baden.

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Leitlinien in der Medizin

„Weit verbreitet ist die Meinung, daß in der Medizin unnötige oder un- wirksame Maßnahmen im Sinne von Verschwendung und Luxus zu nicht mehr vertretbaren Kostensteigerun- gen geführt haben“ (1994, Nr. 252).

Daneben gibt es auch Unterlassung des medizinisch Notwendigen aus ver- schiedenen Gründen. Wir Ärzte soll- ten nicht nur um der Beseitigung von Verschwendung oder von Defiziten in der Versorgung willen an Leitlinien arbeiten. Diese geben uns vielmehr auch einen besseren Stand in der öf- fentlichen Diskussion. Qualität ist Annäherung an das medizinisch Not- wendige oder Angemessene. Hierfür folgt die große Mehrzahl der Han- delnden (Ärzte und andere) und der Betroffenen (Patienten) den Lehren der Schulmedizin. Leitlinien sind der Versuch, diese Lehren auf der Basis gesicherter Erkenntnisse und/oder des Konsensus von wissenschaftlicher und praktischer Medizin zu formulie- ren (1994, Nr. 260). Einfache Hand- lungsschemata des ärztlichen Vorge- hens lassen sich keineswegs für alle Fälle festlegen. Der Arzt muß aber im Einzelfall den denkbaren Maximal- aufwand im Sinne eines Ermessens- spielraumes einengen. Arzt und Pati- ent und Rechtsprechung haben hier- bei ein individuelles Restrisiko (1994, Nr. 256) zu akzeptieren. Qualitätssi- cherung würde unter anderem bewir- ken, daß niemand zu ängstlich oder zu leichtfertig wird. Wer regelmäßig ex- trem unwahrscheinliche diagnosti- sche Wege geht, begibt sich in die Ge- fahr, daß die Solidargemeinschaft sei- ne Ängste nicht mehr in vollem Um- fang finanzieren kann. Im Sinne eines Schrittes zu einer ergebnisorientier- ten Vergütung hin bringt der Sachver- ständigenrat (1997, Nr. 643) Leitlinien und Vergütung in Bezug.

Die Arbeit an den Leitlinien ist keineswegs abgeschlossen (1997, Sei- te 11). Handlungsbedarf wird gesehen in

– der weiteren Konsensusbil- dung in Diagnostik und Therapie, die als fortzuschreibende Aufgabe zu ver- stehen ist,

– der Abstimmung zwischen den wissenschaftlichen Gesellschaften mit

dem Ziel der Elimination von Wider- sprüchen und überzogenen An- sprüchen,

– der Abstimmung mit der Bun- desärztekammer, der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung und den Kassen, die ihrer Verantwortung für Umsetzung und Finanzierung nach- kommen müssen,

– der Beschreibung von Anreiz- systemen für die Durchsetzung der Qualitätssicherung,

– der Beschreibung des für Pati- enten und Arzt zu tragenden Restrisi- kos, welches bei aller diagnostischer und therapeutischer Optimierung bleibt und in Rechtsetzung und -spre- chung angemessen berücksichtigt werden sollte.

Künftige Leitlinien müssen ver- mehrt die unterschiedlichen A-priori- Wahrscheinlichkeiten von Krankhei- ten in Praxis und Klinik berücksichti- gen. Wir müssen ferner von der noso- logischen Orientierung zu einer diffe- rentialdiagnostischen Symptomen- Orientierung übergehen.

Bessere Kooperation

Unter diesem Stichwort emp- fiehlt der Rat wiederholt eine bessere Integration der ambulanten und der stationären medizinischen Versor- gung (1994, Nr. 352 ff.; 1995, Nr. 212 ff.). Die zum Teil kontroversen Stand- punkte sind hinreichend ausge- tauscht. Es ist an der Zeit, konkrete Ansätze für eine verbesserte Koope- ration zu fördern. Als Beispiel diene die Notfallversorgung, besonders nachts und am Wochenende. Rund zwei Drittel der Notfälle, die die Me- dizinische Klinik des Klinikums In- nenstadt der Universität München er- reichen, können nach Untersuchung und Behandlung wieder entlassen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie mit dem Notarzt, durch den Rettungssanitäter gebracht werden oder von sich aus kommen. Es ist dem Notfall offenbar nur schwer anzuse- hen, wie bedrohlich er ist. Anderer- seits kann zum Beispiel die sofortige invasive Koronardilatation bei einem frischen Herzinfarkt Herzmuskelge- webe retten, so daß zeitraubende Um- wege über Notfallpraxen offenbar nicht sinnvoll sind. In dieser Situation

wurde ein Modell vorgeschlagen, nach welchem der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) angehörige nieder- gelassene Ärzte bei der Notfallver- sorgung in der Klinik mitwirken und alle ambulanten Fälle abrechnen, während die Klinikärzte sich um die aufzunehmenden Patienten kümmern, die die Klinik abrechnet. Einzelheiten sind noch zu klären, aber die KV Bayerns ist an diesem Modell offen- bar interessiert.

Transparenz – Dokumentation

Aufgabe der nächsten Zukunft ist ohne Zweifel, die Durchsichtigkeit des Leistungsgeschehens weiter zu verbessern. Dies setzt eine erhebliche Verbesserung der verfügbaren Dia- gnoseklassifikationen voraus. Die bis- her verfügbare ICD muß so modifi- ziert werden, daß sich ein Bezug zum erforderlichen Leistungsgeschehen herstellen läßt. Zu fordern sind unter anderem Informationen zur

– Diagnosesicherheit (Nach- weis? Verdacht? Ausschluß?),

– Behandlung der verschlüssel- ten Krankheiten,

– Anzahl der behandelten Patien- ten und der Wiederaufnahmehäufig- keit beziehungsweise Arztkontakte,

– Multimorbidität (Nebendia- gnosen) und

– zum Leistungsgeschehen.

Ein ungelöstes Problem ist auch das der Definition und Verschlüsse- lung von Krankheitsschweregraden.

Da Transparenz fast immer im Zu- sammenhang mit der Ressourcenver- teilung gefordert wird, ist auch hier die Überprüfbarkeit der Information zu fordern.

Transparenz – Fortschritt

Da der medizinische Fortschritt nicht nur zur Verbesserung der Ver- sorgungsqualität beiträgt, sondern in vielen Fällen auch neue Kosten verur- sacht, hat sich der Sachverständigen- rat wiederholt zu diesen Fragen geäußert (1995, Nr. 314 ff.; 1997, Nr.

55 ff.). Mit der Unterscheidung Effi- cacy/Effectiveness wird der Tatsache Rechnung getragen, daß die für eine

A-912 (36) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 14, 9. April 1999

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

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Sicherheitsprüfung und Wirksam- keitsanalyse geforderte Effektivität unter Idealbedingungen ermittelt wird, die in der Anwendungspraxis aller- dings nur selten zu erreichen ist. Das liegt auch an den Unterschieden in der Qualifikation der Anwender. Der Rat empfiehlt die Etablierung von Verfahren zur Fortschrittsbeurtei- lung, die neben der Wirksamkeit auch die Bedürfnisse der Patienten/ Versi- cherten und die Argumente der Zah- ler (Kassen) berücksichtigen. Für die Steuerung des sogenannten Fort- schrittzyklus und insbesondere der Diffusion des Fortschritts ist die Auf- nahme in den Leistungskatalog von immer noch zunehmender Bedeu- tung. Health-Technology-Assessment (HTA) ist als Programm geeignet, Entscheidungen über fortschrittliche Technologien zu objektivieren. Der Rat empfiehlt die Förderung dieses wissenschaftlichen Ansatzes (1997, Nr. 170 ff.).

Ein Sonderproblem stellen in diesem Zusammenhang die Univer- sitätsklinika (1997, Nr. 181) dar, bei denen eine größere Transparenz für die duale Finanzierung gefordert wird, das heißt für die Krankenversor- gung durch die Krankenkassen sowie für Lehre und Forschung durch den Landeszuschuß (Investitionen Bund und Land je zur Hälfte). Den Univer- sitätsklinika wird empfohlen, ihre in- dividuelle Leistung transparent dar- zustellen (strukturierter Leistungsbe- richt; 1997, Nr. 188), um eine lei- stungsgerechte Finanzierung insbe- sondere auch ihrer Besonderheiten in der Krankenversorgung einschließ- lich ihrer poliklinischen Leistungen zu erreichen (1997, Nr. 187 ff.). Es sollte darüber hinaus auch die Mitwirkung der GKV bei der Finanzierung der kli- nischen Forschung und Versorgungs- forschung geklärt werden.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-910–914 [Heft 14]

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Dr. med. h. c.

Peter C. Scriba

Direktor der Medizinischen Klinik Klinikum Innenstadt der

Ludwig-Maximilians-Universität Ziemssenstraße 1, 80336 München

A-914 (38) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 14, 9. April 1999

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE/BERICHTE

ie gesundheitliche Aufklä- rung und Information von Pa- tienten ist ein zunehmend wichtiges Thema. Neben der ärztli- chen Aufklärung, die ein Informed- Consent voraussetzt, sollten Patien- ten auch aus therapeutischen Grün- den über ihre Erkrankung und die notwendige Behandlung informiert werden. Nur so sind sie in der Lage, ihren Beitrag zur Therapie zu leisten.

Darüber hinaus bedeutet die Patien- teninformation zugleich eine Infor- mation der Öffentlichkeit, was die Nachfrage nach bestimmten Therapi- en beeinflussen kann. Unabhängig vom medizinischen Aspekt ist die Pa- tienteninformation immer eine Wer- bung für bestimmte Bereiche des Ge- sundheitswesens.

Einen Patienten zu informieren gehört zu den schwierigen ärztlichen Aufgaben, da einem emotional Be- troffenen komplizierte Sachverhalte in begrenzter Zeit auf einfache Art vermittelt werden müssen. Schriftli- che Informationen können hier hilf- reich sein, wenn sie gut gemacht sind.

Schriftliches Material als Erinnerungshilfe

Um die Verbreitung und den Wert schriftlicher Informationsmate- rialien zu untersuchen, wurden in Ber- lin 62 niedergelassene Allgemeinärzte repräsentativ ausgewählt und in ei- nem standardisierten Interview be- fragt. Außerdem wurden alle in der Praxis vorliegenden schriftlichen In- formationsmaterialien ausgewertet.

Gesammelt wurden sowohl das Mate- rial, das die Ärzte gezielt an ihre Pati- enten weitergaben, als auch die Infor-

mationen, die in den Wartezimmern auslagen. 88,7 Prozent der befragten Ärzte gaben an, häufiger als einmal am Tag schriftliche Informationsma- terialien an ihre Patienten weiterzu- geben. Verteilt werden vor allem indi- viduelle Erinnerungshilfen etwa zur Medikation oder Material mit allge- meinem Informationscharakter. 45,2 Prozent der Ärzte geben gelegentlich selbstverfaßte Informationen weiter.

Etwa die Hälfte der Ärzte gab an, mindestens einmal pro Woche schrift- liche Materialien auf direkte Nachfra- ge von Patienten hin weiterzugeben.

Zudem würden sie nahezu täglich mit Fragen konfrontiert, die sich aus an- deren Informationsquellen ergäben.

Ärzte fühlen sich entlastet

96,8 Prozent der Ärzte bewerten schriftliche Informationsmaterialien als wichtige Ergänzung zur mündli- chen Aufklärung, und 75,8 Prozent fühlen sich dadurch in ihrer Auf- klärungsarbeit entlastet. 82,3 Prozent sind nicht der Auffassung, daß schrift- liche Informationen Mißverständ- nisse provozieren, und 61,3 Prozent sind der Meinung, daß Informations- broschüren den Grad der Informiert- heit der Patienten verändern können.

Dies betrifft die Aufklärung über die akute Erkrankung, über verordnete Arzneimittel, aber auch die allgemei- ne Gesundheitsberatung.

Die häufigsten Themen in 260 analysierten Informationsbroschüren sind chronische Erkrankungen wie Diabetes, Hypercholesterinämie, kar- diovaskuläre oder orthopädische Er- krankungen. Obwohl die Ärzte ange-

Umfrage zur Patienteninformation

„Was man schwarz auf weiß besitzt . . .“

Die meisten Allgemeinärzte halten schriftliche Informationen für eine wichtige Ergänzung der mündlichen Aufklärung.

Das Material stammt überwiegend von der Pharma-Industrie.

D

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ben, daß Informationsschriften zur allgemeinen Gesundheitsberatung, Krankheitsprävention und zu Imp- fungen ebenso häufig weitergegeben werden wie Informationen über chro- nische Erkrankungen, sind entspre- chende Broschüren mit 2,3 Prozent je- doch nur selten in der Materialsamm- lung zu finden. Das gleiche gilt für Informationen zum allgemeinen Gesundheitsverhalten wie Rau- chen oder Alkohol-

konsum, die un- ter den einge- sammelten 260 Musterexempla- ren völlig fehlten.

Alle befragten Ärzte gaben an, in den letzten vier Wo- chen vor dem Inter- view von Arzneimittel- herstellern Informati- onsmaterial für ihre Pa- tienten erhalten zu ha- ben. 30,6 Prozent be- saßen Materialien der ge- setzlichen Krankenkassen,

in der Regel die AOK-Zeitschrift

„Bleib gesund“. 21 Prozent gaben an, Informationsschriften unabhän- giger Gruppen erhalten zu haben, und 12,9 Prozent verfügten über Werbematerial medizinischer Fach- verlage.

93,5 Prozent der Informations- broschüren, die von den Ärzten an ihre Patienten weitergegeben worden waren, stammten von der pharmazeu- tischen Industrie. Die übrigen Ur- heber spielen damit in der täglichen ärztlichen Praxis faktisch keine Rolle.

Ein ähnliches Bild ergab die Durch- sicht der Informationsschriften, die in den Wartezimmern auslagen. 83,8 Prozent waren von der pharmazeuti- schen Industrie verfaßt, gefolgt von unabhängigen und gemeinnützigen Institutionen mit 5,8 Prozent und den Krankenversicherungen mit 3,7 Pro- zent.

Die Untersuchung zeigt, daß schriftliche Informationen von den Ärzten akzeptiert und in der täglichen Praxis regelmäßig genutzt werden.

Trotz vielfältiger medizinischer Bera- tungsangebote und großer Resonanz medizinischer Themen in den Medien kommt dem Arzt nach wie vor eine tragende Funktion als Gesundheits-

berater zu. In einer Untersuchung von Dörning (1991) gaben 90 Prozent der befragten Patienten an, am ehesten Rat beim Hausarzt zu suchen, wenn es um das eigene Gesundheitsverhalten geht. Dasselbe gilt, wenn Informatio- nen durch andere Medien aufgenom- men werden. Der behandelnde Arzt

ist daher zum Teil in der Lage, über Relevanz und Richtigkeit öffentlich zugänglicher medizinischer Informa- tionen zu urteilen. Die Schlüsselposi- tion als Meinungsmultiplikator, die ihm damit zufällt, nutzt zumindest die Pharmaindustrie.

Patienteninformation zu wenig ausgewogen

Die Umfrageergebnisse belegen, daß sich die schriftliche Patienten- information fast ausschließlich auf Material der Arzneimittelhersteller stützt. Das hat mehrere Gründe: Die Hersteller haben ein Interesse daran, daß die Patienten gut über ihre Er-

krankung informiert sind, um die Compliance zu verbessern und Ne- benwirkungen vorzubeugen. Da bei vielen Indikationen gleichwertige Al- ternativpräparate angeboten werden, findet ein Informationswettbewerb statt, um auf diese Weise einem be- stimmten Präparat oder Präparaten eines bestimmten Arzneimittelher- stellers einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Nicht zuletzt erreichen die Informa- tionsmaterialien über eine große Zahl von Patienten auch die Öffent- lichkeit. Auch wenn Informationsbroschü- ren fachlich in allen Details korrekt sind, können sie doch be- stimmte Problemsichten fördern und Akzente set- zen. Der pharmazeuti- schen Industrie gebührt zwar Anerkennung dafür, daß sie sich für eine Verbes- serung der Patienteninfor- mation einsetzt und die ärztli- che Arbeit unterstützt. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn sich auch andere Organisationen im Ge- sundheitswesen stärker auf diesem Gebiet betätigten. Die Ärztekam- mern und die Arzneimittelkommis- sion der deutschen Ärzteschaft ha- ben die sachgerechte Information von Ärzten und Patienten als wichtige Aufgabe erkannt und beispielsweise zusammen mit Krankenkassen eine Serie von Broschüren für Patienten und deren Angehörige herausgege- ben. Dies sind allerdings immer noch Einzelaktionen, die das Ungleichge- wicht in der Distribution und Perzep- tion schriftlicher Informationsmate- rialien noch nicht ausgleichen.

Literatur bei den Verfassern

Anschrift der Verfasser

Prof. Dr. med. Michael Linden Dr. med. Holger Gothe Dr. med. Martin Ryser Forschungsgruppe Ambulante Therapie

Psychiatrische Klinik und Poliklinik der Freien Universität Berlin Eschenallee 3

14050 Berlin A-916 (40) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 14, 9. April 1999

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Unter wissenschaftlicher Beratung der Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzteschaft hat die Techni- ker Krankenkasse zu verschiedenen Indikationen Pa- tienteninformationen herausgegeben.

Referenzen

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